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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
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Am frühesten haben sich die Chinesen gesehen von Hinterindien , das hier unberücksichtigt bleiben mag auf den Philippinen eingefunden. Bereits im 14. Jahrhundert standen nach alten Urfunden die Chinesen mit Luzon , der nördlichsten der philippinischen Inseln, in Handelsverbindung. Nachdem dann im Jahre 1571, nach der Besiegung des Sultans von Manila , Lopez de Legazpi an der Mündung des Pasig die jetzige Hauptstadt Manila gegründet hatte, stellten sich dort die chinesischen Händler ein, und schon vierzehn Jahre später, also 1585, finden wir in Manila eine kleine chinesische Kolonie von über 1000 Köpfen, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auf 30 000 stieg.
Dieses llebergewicht über die herrischen Spanier, das die Chinesen in so furzer Zeit erlangt hatten, stärkte ihren Widerstand gegen die stets wechselnden Verordnungen des spanischen Regiments, und als dieses in seinem Hidalgostolz mur um so riicksichtsloser seine Verfügungen durchsezte, kam es 1603 zu einem großen Chinesenaufstand, der aber von den Spaniern blutig niedergeschlagen wurde. Ueber 20 000 Chinesen sollen dabei ihr Leben eingebüßt haben. Troßdem nahm schon in den nächsten Jahren die Einwanderung der Chinesen und ihre Agitation gegen die spanische Regierung wieder einen bedrohlichen Charakter an. Mußten sich die Chinesen auch vorerst fügen, so glomm doch der Haß unter der Oberfläche fort, bereit, bei erster Gelegenheit zu heller Flamme aufzulodern. Und diese Gelegen heit fand sich 1639, als Spanien mit Holland im Kriege lag und gleichzeitig mit den Sultanen von Mindanao und Sulu in Streit gerieth. Doch auch diesmal wurden die Chinesen geschlagen und von den ungefähr 40 000 Einwohnern, die damals auf Luzon lebten, kam nur ein Fiinftel mit dem Leben davon. Diese größeren Aufstände, denen sich in den nächsten Jahrzehnten noch mehrere kleinere lokale Empörungen anreihten, veranlaßten endlich die spanische Verwaltung, ernstliche Maßregeln gegen die Chinesenüberfluthung zu ergreifen. Es wurde ihre Einwanderung erschwert, ihnen die Ausübung ihrer religiösen Zeremonien untersagt, den Händlern und Handwerkern unter ihnen hohe Lizenzgebühren und Kopfsteuern auferlegt und zugleich ihre Ansiedelung auf bestimmte Ortschaften und Stadtquartiere beschränkt. In Manila wurden sie auf das Bazarviertel( Parian) und in die Vorstädte Binondo und Santa Cruz verwiesen. Indeß führten die sich meist alle paar Jahre ablösenden Gouverneure diese Maßregeln sehr ungleich durch. Während einige die Chinesen mit rücksichtsloser Strenge verfolgten und alle heidnischen Zopfträger von Luzon zu vertreiben suchten, segten andere sich aus Gründen des Handelsprofits über die königlichen Dekrete hinweg und ließen der chinesischen Einwanderung weitesten Spielraum.
Heute haben die Chinesen im Wesentlichen dieselben Rechte auf den Philippinen, wie die eingeborene malaiische Bevölkerung. Wo sie sich zu größeren Gemeinden zusammengeschlossen haben, steht ihnen ebenso, wie den Eingeborenen, die Berechtigung zu, sich aus ihrer Mitte ihre eigenen Gemeindevorsteher, Tenientes( Amtsgehülfen der Vorsteher), Friedensrichter und Alguaciles( Gemeindepolizeimeister) zu wählen. Vorbedingung ist nur, daß die Erwählten einigermaßen des Spanischen in Wort und Schrift mächtig sind, um mit den spanischen Aufsichtsbehörden amtlich verhandeln zu können, und daß sie diese Forderung ist charakteristisch für das politische Leben auf den Philippinen katholische Christen sind. Wer die Verhältnisse nicht kennt, wird vielleicht denken, daß diese lezte Bestimmung auf einem Umwege die den Chinesen theoretisch eingeräumte Selbstverwaltung wieder aufhebt. Das ist jedoch keineswegs so. Ein sehr großer Theil Ein sehr großer Theil der Chinesen bekennt sich zum Katholizismus, das heißt pro forma, im Grunde genommen hängen sie noch immer an ihrem Ahnenkultus. Für sie ist meist der Uebertritt zur allein seligmachenden Kirche nichts weiter als eine leere Zeremonie, die nichts kostet, aber unter Umständen etwas einbringt. Sobald ihnen das vortheilhaft dünkt, wechseln sie ihre Religion, wie ein anderer Mensch seine Hemden.
Als Steuerzahler sind die Chinesen allerdings
weit schlechter gestellt, als die Malaien. Sie haben eine hohe Kopfstener von 30 Pesetas( ungefähr 25 Mark) zu zahlen und müssen überdies für die Erlaubniß zur Betreibung eines Handelsgeschäfts hohe Licenzgebühren entrichten, je nach dem Umfange des Geschäfts bis zu 500 Pesetas pro Jahr. Troßdem lebt weit über die Hälfte aller Chinesen vom Handel. Die übrigen sind Handwerker, Quacksalber, Angestellte und Dienstboten. Ackerbau treiben faum drei Prozent. So anhaltend und unermüdlich nämlich auch der Chinese arbeitet, wenn ihn die Noth zwingt, so wenig ist er doch im innersten Herzensgrunde für schwere Körperliche Anstrengungen eingenommen. Wenn es irgend geht, ist ihm das Handeln und Schachern lieber. Und in der eingeborenen indolenten, lebensfrohen Bevölkerung findet geborenen indolenten, lebensfrohen Bevölkerung findet er ein gutes Ausbeutungsobjekt, dessen Sorglosigkeit er riicksichtslos ausnutzt. Fast der ganze Detailhandel in den größeren Ortschaften Luzons ist in den Händen der Chinesen; daneben fungiren sie als Hausirer, Geld und Pfandleiher, Makler, Einfäufer usw. Selbst einige der größeren Bankgeschäfte Manilas gehören ihnen. geschäfte Manilas gehören ihnen. Meist kommen sie als junge Leute herüber und treten in das Geschäft eines Landsmannes als Gehilfen ein, das heißt sie spielen zu gleicher Zeit Lehrling, Hausknecht und Kommis. Sobald sie auf diese Art die gebräuch lichen Handelspraktiken, sowie etwas Spanisch und Tagalisch erlernt haben, machen sich die bezopften Jünger des Merkur selbstständig, zunächst als " Sangloyes"( Hausirer), bis sie es so weit ge= bracht haben, daß sie sich eine kleine Krämerei einrichten können.
Ihre Frauen mitzunehmen, ist den von China auswandernden Chinesen verboten, und man findet deshalb nur ganz ausnahmsweise Frauen rein chines sischer Abkunft auf den Philippinen. Da aber der Chinese, grobsinnlich wie er ist, nicht gern auf die ehelichen Freuden verzichtet und außereheliche ihm nicht immer zu Gebote stehen, so sucht er sich, sobald ihm das seine Mittel erlauben, eine Ehegefährtin unter den Malaien oder malaio- chinesischen Mestizen. Nach dem philippinischen Gesez muß er vorher zum Christenthum übertreten, doch das ficht seinen Seelenfrieden nicht an; und noch weniger scheert er sich darum, ob er schon daheim, im Lande seiner Väter, eine liebende Gattin hat. Das chinesische Gesetz gestattet die Polygamie, und das spanische ist ihm gleichgiiltig. Er trägt auch durchaus kein Bedenken, wenn ihn später seine Sehnsucht nach dem heimathlichen Schmutz in die Gefilde des himmlischen Reiches zurück zieht, Frau und Kinder sizzen zu lassen. Aus diesen Verbindungen der Chinesen mit den Malaien ist auf den Philippinen, speziell in den Südwestprovinzen Luzons , eine breite Mischlingsschicht hervorgegangen: das chinesische Mestizenthum, das jezt über 200 000 Köpfe zählt. Durchweg haben diese Mischlinge von ihren Vätern neben deren Geschäftssinn auch alle Laster geerbt; dem Opiumrauchen sind sie nicht weniger ergeben als die reinen Chinesen.
Von den Philippinen, theils auch von Java und Singapore aus, haben sich die Chinesen über den ganzen Sulu- Archipel und die Moluffen ausgebreitet, doch ist ihre Anzahl gegenüber der einheimischen Bevölkerung gering geblieben. Selbst auf Celebes , der östlichsten der großen Sunda- Inseln, spielen sie keine besondere Rolle. Die eigentlichen Zentralen der chinesischen Einwanderung sind Java, das jetzt nahezu eine viertel Million Chinesen beherbergt, und ferner Sumatra , wo seit einiger Zeit die Ausdehnung ferner Sumatra , wo seit einiger Zeit die Ausdehnung des Tabakbaues zu großen Chinesen- Importen ge= führt hat. Früher wurden die Kulis meist durch Agenten in Singapore , Bangkok , Swatow und Amoy für die Pflanzer angeworben; jetzt unterhalten die Letzteren in Amoy und Swatow eigene Werbeagenten, Brokers", die direkt durch chinesische Unterhändler die Kulis in den Dörfern der Provinzen Fofien und Kwantung anwerben lassen und sie dann entweder direkt oder über Singapore ihrem Bestimmungsorte zuführen. In Singapore werden diese Kulis in großen Emigrantenhäusern, oder richtiger Schuppen, untergebracht und strenge bewacht, damit dem Agenten seine lebende Waare nicht durch andere Kuli- Brokers abspenstig gemacht wird. Zugleich
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werden hier die Leute von einem Arzt untersucht und von einem englischen Inspektionsbeamten, dem „ Protektor der Chinesen", examinirt, ob sie ihre Heimath freiwillig oder gezwungen verlassen haben. Das ganze Verfahren hat wenig Werth und scheint beinahe nur darauf gerichtet zu sein, gewisse englische philanthropische Gesellschaften zufrieden zu stellen, denn der Kuli steht so unter dem Einfluß des Agenten und versteht so wenig von der Bedeutung des Verhörs, daß er stets aussagt, was der Agent will.
An ihrem Bestimmungsorte angekommen, werden die Leute auf die verschiedenen Pflanzungen vertheilt und auf diesen in große Massenhäuser, sogenannte ,, Kongsie- Häuſer", einquartiert. Gewöhnlich besteht eine Chinesen- Ansiedelung auf den Pflanzungen aus zwei solchen, dreißig bis fünfzig Arbeiter beherbergenden Massenhäusern, deren ganzes Inventar oft nur die an den Längsseiten des einzigen großen Gemaches aufgestellten Schlafpritschen bilden. Außerdem hat die Niederlassung ein Aufseherhaus, einige einfache Brunnen und eine große, freistehende gemeinschaftliche Küche mit rings an den Wänden angebrachten Feuerstellen. Sobald nämlich der Chinese sich in das neue Leben hineingefunden hat, beköstigt er sich selbst. Die Zuthaten fauft er in der auf der Pflanzung vorhandenen chinesischen Krämerei oder im nächst= gelegenen Flecken. Seine Ansprüche sind ja bescheiden; für gewöhnlich besteht sein Mahl nur aus Reis, getrocknetem Fisch und Thee, allenfalls noch aus etwas Gemüse. Den Genuß von Schweinefleisch, Geflügel und den beliebten Süßigkeiten gönnt er sich nur an großen Fest- und Zahltagen.
In einem festen Lohnverhältniß stehen nur wenige der chinesischen Kulis auf den Tabakpflanzungen; meist arbeiten sie im Affordsystem. Alle vierzehn Tage erhält der Arbeiter einen gewissen Vorschuß auf seine Arbeit, bis die Ernte eingebracht wird; dann schäßt der Assistent die von jedem Kuli auf dem ihm zugewiesenen Feldtheil gezogene Anzahl der Stauden und ihre Qualität ab, und nach dieser Schäßung richtet sich der Lohn, den der Kuli schließlich erhält, nachdem die Vorschüsse und der Werth der ihm zum Betrieb überlassenen Geräthschaften ab= gezogen sind. Hoch ist der Lohn nicht; selbst sehr tüchtige Feldarbeiter kommen nur auf einen Monatslohn von 40 Mark. Fast nie fehlt es bei der Abrechnung an 3ank, Streit und Krawall. Erstens, weil der weiße Assistent nicht selten recht willkürlich verfährt, dann aber auch, weil der Chinese, mag die Schäzung des Assistenten und des Administrators auch noch so zutreffend sein, sich stets übervortheilt glaubt. Und in Geldsachen versteht er keinen Spaß, wenn er sich sonst auch die erniedrigendste Behandlung gefallen läßt. Die tägliche Arbeitszeit dauert 11-12 Stunden, während der Erntezeit jedoch oft 16-18 Stunden. Nach unseren Begriffen fristet der Kuli ein trauriges Dasein; sein Leben besteht aus Arbeiten, Essen und Schlafen. Nur an den halbmonatlichen Zahltagen macht er sich auf seine Art einen vergnügten Nachmittag. Dann zieht er mit seinem Vorschuß nach dem nächsten Marktflecken, wo er Einkäufe macht, zecht und vielleicht in den Spielspelunken sein sauer verdientes Geld verspielt.
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Nicht alle Kulis gelangen auf einen grünen Zweig. Manche kommen durch den Opiumgenuß und die schwere Arbeit bei ungenügender Ernährung dermaßen herunter, daß sie schließlich Unterschlupf bei dem chinesischen Verbrechergesindel der größeren Hafenplätze suchen; andere nehmen immer wieder von Neuem Arbeit auf den Plantagen und sind froh, wenn sie im Alter aus eigenen Mitteln nach China zurückkehren können. Häufig jedoch darbt sich der Kuli nach und nach ein kleines Kapital zusammen und versucht dann als„ fliegender" Händler( Klontong) sein Fortkommen zu finden. Geht dies gut, dann richtet er sich bald auf einer Pflanzung oder in einer größeren Ortschaft einen Laden ein. Die Waaren erhält er zum Theil auf Kredit von den holländischen Importeuren. Auf diese Weise sind sehr viele der wohlhabenden Chinesen im niederländischen Indien empor gekommen. In einigen Gegenden, z. B. in den Nordprovinzen Javas, haben sie nach und nach den ganzen Detailhandel und kleineren Kreditverkehr an sich gerissen. Von Vortheil ist für den chinesischen