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( Fortsetzung.)

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

e. Der Büttnerbauer.

dmund Schmeiß überlegte. Sollte er gehen und in einer Stunde wiederkommen? Vielleicht war man da wieder nicht zu Haus für ihn. Das war wohl nur eine Finte, um ihn auf gute Manier los zu werden! Nein, er blieb! Nun hatte er sich einmal den Eintritt erzwungen in das Quartier; diesen Vortheil wollte er nicht wieder fahren lassen. Er erklärte dem Kammerdiener, daß er hier warten wolle, bis das Luncheon vorüber sei. Der Diener maß ihn mit einem verächtlichen Blicke. Wenn Sie wollen hier, bitte!" Er öffnete eine Thür. Hier können Sie warten."

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Der Kommissionär sah sich in einem schmalen, & einfenstrigen Zimmer, einer Art Garderobe. hingen Belzmäntel und andere Kleidungsstücke an einem Rechen, unter einem Regal stand Schuhwerk. Ein Schlafsopha war aufgestellt, an den Wänden hingen Bilder und Photographien, die offenbar aus­gemustert waren. Geheizt war der Naum nicht.

Obgleich das Ehrgefühl bei Edmund Schmeiß nicht sonderlich entwickelt war, fühlte er sich doch für den Augenblick nicht angenehm berührt, als er bemerkte, wohin man ihn gewiesen hatte. Seine Eitelkeit war gekränkt. Troz des neuen Zylinders und piffeinen Anzuges hatte ihn dieser großbrodige Schuft von einem Kammerdiener nicht fiir voll an­gesehen. Er besah sich in einem Stehspiegel, der in einer Ecke des Zimmers stand und wohl eines Sprunges wegen hierher verbannt worden war. Seiner Ansicht nach war Alles ,, prima" an ihm. Er hätte ebensogut ein Offizier in Zivil, ein Baron, ein Graf sein können. Was solche Lakaien doch für eine Witte­rung haben mußten!

Aber Schmeiß war nicht der Mann, der sich durch peinliche Empfindungen für längere Zeit nieder­drücken ließ. Die Behandlung, die ihm zu Theil geworden, war sicher nicht freundlich zu nennen, aber das mußte man schließlich auf's Geschäft schlagen; er sah auf das Resultat, und da war der unzweifel­hafte Erfolg zu verzeichnen, daß es ihm gelungen war, in die Nähe des Grafen zu gelangen, der ihn nun doch nicht mehr abweisen lassen konnte. Den Leuten auf den Leib rücken, das war beim Geschäft immer das Schwierigste und das Wichtigste. Nun er einmal hier war, schien ihm der Erfolg so gut wie sicher.

Er hatte sich auf das Schlafsopha gesezt und sah sich im Zimmer um. Dort auf dem Tische standen verschiedene Lampen von Bronze, Majolika, ein paar von Berliner Porzellan, Prachtstücke aus So ein Winter in der Königlichen Manufaktur. Berlin mußte dem Grafen eine Menge Geld kosten, mit Familie, Dienerschaft, Equipage und dazu erste Etage in ,, den Zelten". Schmeiß machte einen Ueberschlag.

Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt durch Ge­räusche aus dem Nebenzimmer. Er hörte Teller flappern und Stimmen durcheinander. Aha, das Eßzimmer! Er konnte, weibliche Stimmen unter­scheiden. Man schien sich gut zu unterhalten, es wurde viel gelacht. Der Kommissionär wechselte

den Play, um besser zu hören. Mit Grafen und Komtessen hatte er noch niemals zu Tische gesessen; es interessirte ihn doch, etwas davon aufzuschnappen, wie diese Art sich eigentlich unterhalten mochte, wenn sie unter sich war.

Schmeiß hatte ein scharfes Gehör, troßdem fonnte er anfangs faunt mehr verstehen, als einzelne Worte und Säße, die aus dem Zusammenhange gerissen, feinen Sinn ergaben. Man schien abgespeist zu haben, er hörte wenigstens kein Tellerklappern mehr. Die Unterhaltung wurde in lebhaftester Weise geführt. Er konnte jetzt Einzelnes verstehen, weil er inzwischen gelernt hatte, die Stimmen zu unterscheiden.

Es schienen recht gleichgültige Dinge, von denen sie sprachen. Ein paar Namen hatte der Lauscher auch schon herausgehört. Eine Wanda" schien da zu sein und eine" Ida"; jedenfalls also der Graf mit seinen nächsten Angehörigen.

Noman von Wilhelm von Polenz .

Jezt rückte man mit den Stühlen, man erhob sich. Es klang dem Kommissionär fast, als würde ein Tischgebet gesprochen, worüber er sich nicht wenig wunderte. Gleich darauf hörte er eine männliche Stimme sagen: Herr Graf, der Herr ist auch noch da!" Welcher Herr?" fragte Jemand. Darauf hörte der Kommissionär seinen eigenen Namen nennen. Was will der Mensch nur!" hieß es. Gleichzeitig ertönte übermüthiges Frauenlachen." Schmeiß!" hast Du gehört? Schmeiß" heißt der Mensch!" Ein Kichern und dann: Möchtest Du Frau Schmeiß heißen, Ida?" Das Uebrige verlor sich in Ge­lächter.

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Edmund Schmeiß war erröthet, was ihm selten begegnete. Die Kränkung hatte gesessen. Er knirschte mit den Zähnen. Wer ihn jetzt gesehen hätte, würde haben ahnen können, wessen dieser Mensch fähig, wenn er beleidigt war.

Die Thür vom Korridor wurde gleich darauf geöffnet, der grauföpfige Kammerdiener trat ein und theilte mit, der Herr Graf wolle Herrn Schmeiß jezt annehmen. Der Kommissionär fuhr sich schnell noch einmal mit der Hand über den Schnurrbart, zog die Manschetten unter den Aermeln vor und folgte dem Diener.

Der Graf empfing ihn in seinem Zimmer. Er war ein großer, schlanker Herr. Sein Kopf schien älter als seine Figur. Das blonde Haar lichtete sich bereits stark. sich bereits start. Die Nase war lang und etwas zu spiß, um schön zu sein. Die Augen leuchteten groß und freundlich; sie waren das einzig Lebhafte in dem bleichen, etwas verlebten Gesichte, dem auch der Schnurrbart nichts Martialisches gab. Der Graf trug den Interimsrock.

Edmund Schmeiß hatte zunächst das unangenehme, ihn bedrückende Gefühl niederzufämpfen, einem vor= nehmen Manne gegenüber zu stehen. Aber das war nur vorübergehend, er beschloß, sich durch nichts imponiren zu lassen. Vornehmheit, gut! die wollte er Jenen lassen; aber ob der Mann so klug sei, wie er, das würde sich erst noch ausweisen.

Der Graf erwiderte die tiefe Verbeugung des Fremden mit einem Knopfnicken, wies auf einen Stuhl, zum Zeichen, daß er Plaz nehmen möge, und setzte sich selbst. Nun, also Herr Der Graf dehnte das Herr", nach dem Namen suchend. Schmeiß ist mein Name," ergänzte der Kommissionär. Ganz recht, Herr Schmeiß! Also was führt Sie zu mir?"

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Edmund Schmeiß hatte einen Fuß vorgesetzt Dann und stemmte den Zylinder auf das Knie. begann er mit Manieren, die zwischen Unterwürfigkeit, schnüffelnder Neugier und dreister Zudringlichkeit un­ausgefeßt wechselten, den Zweckt seines Kommens in seichter, dabei glatt fließender Rede, wie sie den Handlungsreisenden eigen ist, auseinanderzusetzen.

Der Graf hörte ihm eine Weile mit gelang= weilter Miene zu; er feilte inzwischen an seinen Fingernägeln. Als er mit allen zehn Fingern durch war, blickte er auf und meinte, in leicht näselndem Tone:" Ja, mein Bester ich weiß nicht- Sie haben behauptet, Sie brächten mir Nachrichten von Saland unter dieser Voraussetzung allein habe ich Sie angenommen. Ich sehe wirklich nicht ein, was das hier eigentlich soll!"

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,, Doch, Herr Graf wollen mir nur gütigst ge­statten, auszureden. Ich meine nämlich, daß die Interessen der Herrschaft Saland mit meinem Vor­Der Wald des schlage sehr eng verknüpft sind. Büttner'schen Bauerngutes grenzt mit dem der Herr­schaft, liegt wie ein Keil in dem Forst des Herrn schaft, liegt wie ein Keil in dem Forst des Herrn Grafen eingesprengt.

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Das weiß ich selbst, wahrscheinlich genauer als Sie!" meinte der Graf, welcher ungeduldig zu werden anfing. Um diesen Wald handele ich schon seit Jahren. Ich werde wohl nun endlich mal dazu kommen. Um lumpige fünfzig oder sechzig Morgen handelt es sich, glaube ich."

Der Herr Graf werden aber viel zu hoch be­

zahlen. Wir würden dem Herrn Grafen den Wald billiger verschaffen."

Der Graf musterte den Sprecher mit erstaunter Miene. Erst jezt sah er sich den Menschen richtig an, der sich mit solcher Unverfrorenheit an ihn her­andrängte. Das schien ja ein possirlicher Bursche zu sein! Der Graf lachte. Wer sind Sie denn eigentlich, Verehrter? Ich wollte Ihnen blos be­merken, daß ich keine Zwischenhändler brauche, wenn ich mit einem meiner Bauern handeln will."

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Herr Graf! Ich komme nicht im eigenen Namen, das wiirde ich mir nicht erlauben. Ich bin Rom­missionär. Ich komme im Auftrage der Firma Samuel Harrassowiß. Der Name ist Ihnen gewiß bekannt, Herr Graf. Eine große Getreidehandlung, der Inhaber ist ein feiner und durch und durch reeller Geschäftsmann."

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Bei Nennung des Namens Harrassowiz" stuzte der Graf. Er war aufgestanden und suchte etwas auf der Schreibtischplatte. Mir schreibt hier mein Güterdirektor"... Er wühlte in einem Berge von Papieren, die einen etwas ungeordneten Eindruck machten. Ich kann den Brief gerade nicht finden." Den Späheraugen des Kommissionärs entging die Nachlässigkeit, mit der der Graf in den Papieren stöberte, nicht. Na, egal! Hauptmann Schroff dieser den Sie schreibt mir, daß dieser

eben nannten

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.." " Harrassowiz!" beeilte sich Schmeiß zu ergänzen, der schon bemerkt hatte, daß das Namengedächtniß des Grafen ziemlich mangelhaft war.

,, Ganz recht! Dieser Harrassowizz soll sich ja mit Güterschlächterei befassen."

Jezt hielt es Edmund Schmeiß für zeitgemäß, einen Trumpf auszuspielen. einen Trumpf auszuspielen. Er erhob sich mit ge= tränkter Miene, und sagte: Ich bedaure, daß der Herr Graf so falsch berichtet sind. Harrassowiz ist ein Ehrenmann durch und durch. Er ist mein Freund!" Er knöpfte seinen Rock zu, wie er es auf dem Theater von beleidigten Helden gesehen hatte, und machte ernsthaft Miene, zu gehen.

Menschenkenntniß war gerade nicht die starke Seite des Grafen. Er war arglos und gutmiithig von Natur. Der Gedanke, Jemanden gekränkt zu haben, war ihm peinlich. Er meinte in beschwich­tigendem Tone: Na, bleiben Sie nur, bleiben Sie! Die Sache wird wohl nicht so gefährlich sein."

" Ja, aber" Güterschlächterei" ist ein schwer­wiegendes Wort, Herr Graf! Wenn ich mir meinen Freund Harrassowiß dazu denke. Ich will ihm die Bemerkung des Herrn Grafen lieber nicht hinter­bringen."

Der Graf merkte die versteckte Drohung nicht, die in diesen Worten liegen sollte. Völlig arglos sagte er: Die Sache ist nun gut! Seßen Sie sich wieder und echauffiren Sie sich nicht unnöthig!"

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Wollen der Herr Graf mich weiter anhören?" fragte Schmeiß mit gut geheuchelter Miene eines Verlegten, der sich zur Versöhnung bereit finden lassen will. Im Innern triumphirte er.

Ja, bitte, fahren Sie fort! Was wollen Sie denn eigentlich, oder was will Ihr Harrassowiß von mir? Das verstehe ich immer noch nicht. Da ist dieser Bauer, dieser.... dieser.... in Halbenau." Büttner! meinen der Herr Graf jedenfalls."

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" Jawohl, Büttner! Ein alter, ehrlicher Kerl, wie mir scheint, dem die Zwangsversteigerung droht, wie Hauptmann Schroff schreibt. Der Mann soll mit ein paar Tausend Mark zu retten sein."

Gestatten der Herr Graf, daß ich hier unter­breche! Die Erfahrungen, die wir mit dem alten Büttner gemacht haben, sind etwas anders geartet. Wir sind der Ansicht, daß der Herr Graf verlockt werden sollen, einen Unwürdigen zu unterstützen. Der Herr Graf sollen Ihr gutes Geld hergeben- fiir eine Sache, die, gelinde ausgedrückt, sehr zweifelhaft ist. Das ist der Plan, hinter den wir gekommen find. Um das zu verhindern, Herr Graf, bin ich nach Berlin gereist."