Der Abenteurer. Das Boot, das ihn von seinem Raubnest, der kleinen Felseninsel, an, diese Küste gebracht, wird abgestoßen. Nun steht er allein. Die Kraft seiner Arme und gute Waffen sind sein einziger Schutz. Die Mannen, die ihm zu Diensten sein sollen, wird er sich im fremden Land werben. Er weiß, welchen Gefahren er entgegen geht. Viele vor ihm haben es versucht, in dieses Land einzudringen. Sie sind unterlegen. Ihre Gebeine bleichen im Strandsand. Aber er sucht die Gefahr. Er will den Männern, die bisher alle Angriffe zurückgewiesen, den Meister zeigen. Er will bei ihnen Reichthum, Macht und Ruhm erwerben. Hoch richtet er sich im Sattel auf; sein Auge späht scharf und sucht den Feind. Es iſt, als ob er Besiz ergreife von dem Lande, in das er einfällt. Mächtig schreitet sein Roß aus, achtlos über die Gebeine hinweg, dem Unbekannten entgegen... So verkörpert Arnold Böcklin den italienischen Söldnerführer der Renaissancezeit, den Condottiere. In diesem Abenteurer wird das Treiben der verwegenen Gesellen lebendig, die in den Kämpfen der kleinen Stadtstaaten im Italien des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts eine so große Rolle spielten der Sforza, Colleoni usw. Mit geworbenen Truppen, Fremden und Einheimischen, zogen sie im Lande umher und boten ihre Dienste an. Wenn ihnen das Glück hold war, schwangen sie sich wohl auch zu Fürsten der Staaten auf, für die sie geworben waren. Das Selbstbewußte und Gewaltthätige eines solchen Charakters hat Böcklin zu mächtiger Wirkung herausgearbeitet. Der Standpunkt des Betrachtenden ist so niedrig gewählt, daß der Reiter fast in ganzer Größe gegen den hellen Himmel steht. So gewinnt er eine Silhouette, deren wuchtiger Linienaufbau etwas Ueberwältigendes hat. Wie in den Linien, die durch die Bewegung des Pferdes entstehen, das unaufhaltsame Vordringen charakterisirt wird! Unter der wuchtenden Last wird der Schritt schwer und lang, senkt sich der Kopf, quellen die Augen hervor, schlägt der Schwanz unruhig wie bei einem schwer arbeitenden Lastpferde. Alle Linien sind schräg gestellt und nach vorn geneigt, drängen gleichsam vorwärts. Von diesen runden Linien hebt sich die straffe Haltung des Reiters in starkem Kontraſt ab. Breit sitt er im Sattel. Aus seiner Haltung, wie er fest in die Bügel tritt und die Linke auf den Sattelknauf setzt, wie er den Kopf zurückwirft, fühlt man die Spannung, in der alle Muskeln sich befinden. In den Linien des Schädels, in dem vor= gebauten Kinn, dem Stiernacken liegt eine ungeheure, brutale Kraft und Energie. Das Bewegungsmotiv, diese wenigen großen, kühnen Linien, prägt sich auf den ersten Blick ein. Der Leser wird sich des früher in der Neuen Welt" veröffentlichten Bildes„ Der Krieg" von Franz Stuck erinnern; daran sieht man, wie eine solche Bewegung für den jüngeren Künstler fruchtbar geworden ist... Die tiefe Nuhe der landschaftlichen Umgebung, der helle Hintergrund verstärkt noch den Eindruck des Bildes. Die Schatten werden länger, ein heißer Sommertag geht zur Rüste. Kein Lüftchen rührt sich. Leise rauschen die Wellen an den Strand; von den Genossen dringt das letzte Geräusch herüber; sonst herrscht rings Todtenstille. Um so stärker wirkt das Leben, das in dem Reiter fonzentrirt ist. Wie ein Ungewitter fällt er in das Land. Zerstörung und Plünderung, Mord und Brand werden den Weg zeichnen, den er genommen.
Farbige Architektur. In den bildenden Künsten er= leben wir in der Gegenwart einen tiefgehenden Umschwung in den künstlerischen Anschauungen. Die„ Bedarfskunst", die künstlerische Bearbeitung der Dinge, die uns täglich umgeben, rückt gegenüber der„ reinen Kunst", der Malerei und Bildhauerei, in den Vordergrund. Dabei ist es mur folgerichtig, wenn sich die Umsichtigsten der Künstler, die sich dem Kunstgewerbe zuwenden, jezt vor die allgemeinste Aufgabe gestellt sehen: Wie kommen wir zu einem den heutigen Bedürfnissen angepaßten und unserem Geschmack zusagenden Wohnhaus?
Die Aufgabe ist hier von vornherein verschieden, je nachdem es sich um das Miethshaus oder das Privathaus für eine einzelne Familie handelt. Dem Miethshaus werden stets bestimmte Grenzen gesteckt sein, die eine freie Entfaltung des Künstlers unmöglich machen. Der steigende Bodenpreis in den Großstädten hat den Baumcistern eine möglichst große Raumausnüßung zur unabweisbaren Nothwendigkeit gemacht. Die Wiederholung derselben Aufgaben in den verschiedenen Stockwerken erfordert einen um so größeren Schematismus, je kleiner die einzelnen Wohnungen sind. Die Ausnutzung des Raumes ist aber das Einzige, worin es die heutigen Baumeister zu einer ganz raffinirten Fertigkeit gebracht haben. Damit sind zugleich.gewisse Bequemlichkeiten in der Treppenanlage und eine große Uebersichtlichkeit des Hausplans in den modernen Normalbauten gegeben., In allem Anderen aber, z. B. in der Gestaltung der einzelnen Räume, in der Fensteranlage, in der Anordnung der Thüren, zeigt sich eine große Unfähigkeit in der Konſtruktion. Den einfachsten Anforderungen der praktischen Bedürfnisse und des guten Geschmacks wird nicht Genüge gethan. Von diesen müßte eine gesunde Architektur aber ausgehen.
Einen noch schlimmeren Beweis für den heutigen Tiefstand des Geschmacks giebt die übertriebene Prunksucht, die nur zufrieden ist, wenn an jedem Eckchen eine Schmuckform untergebracht ist. Diese Neigung hat sich besonders
Feuilleton.
Vor
stark entwickelt unter dem Vorbilde des italienischen Palaststils, der zunächst auf die Ausbildung einer prunkvollen Fassade ausging und oft dem monumentalen äußeren Eindruck die Bedürfnisse des Innern opferte. allen Dingen wurden, wie bei diesem, die Fenster Elemente des Schmuckes. Die regelmäßige Vertheilung gleich großer einzelner Fenster erschien im Interesse einer schönen Fassade unerläßlich. Auf dasselbe Vorbild geht auch die überwiegende Betonung der horizontalen Linie und die daraus folgende scharfe Abgliederung der einzelnen Stockwerke zurück. Ferner erschien der Sandstein als der einzige würdige Baustein. Wo man ihn nicht anwenden konnte, weil er zu theuer ist, wollte man ihn wenigstens nachahmen, und so tödtete sein vornehmes Grau die Farbenfreudigkeit der früheren Hausarchitektur. Der Cementbewurf der Steinhäuſer mußte nun durchaus auch grau sein. Daher denn das ermüdende Grau und bei der Gleichförmigkeit der Fassadenbildung das ewige Einerlei heutiger Großstadtstraßen.
Im Wesentlichen steht der Privatbau heute auf keiner höheren Stufe, obwohl die Verschiedenheiten. der Aufgaben wenigstens eine größere Fülle von individuellen Lösungen hervorriefen. An Stelle des einen gab es hier sehr viele Stile, die man nachahmen konnte. Oft sieht man sogar an demselben Bau die verschiedensten Stile in heilLofer Verwirrung angewendet.
In den Versuchen, zu einer neuen, strengen Forderungen genügenden Hausarchitektur zu kommen, gelangen im Allgemeinen zwei Prinzipien deutlich zum Ausdruck: Die unbedingte Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse und die Betonung des Werthes der Farbe für den Schmuck des Hauses. Man greift hierbei wohl auch auf ältere Vorbilder zurück. In vielen Bauernhäusern und in den kleinen Häusern der kleinen Städte finden sich noch Reste einer koloristischen Architektur. Freilich sind auch diese in Gefahr, von den„ Errungenschaften" der Großstädte vernichtet zu werden. Alfred Lichtwart, der Direktor der Hamburger Kunsthalle , weist im„ Pan" diese Entwickelung an dem Beispiel zweier kleinen Städte am Nordabhange des Harzes, Klausthal und Zellerfeld, nach, die besonders deutlich zeigen, was jetzt in ganz Norddeutschland geschieht. Noch kann man aber das Wesen der koloristischen Architektur an ihnen erkennen.
Die beiden Städtchen liegen in einem sanften Hügelgelände. Die Schönheit der sie umgebenden Natur machen nicht seltsame, romantische Landschaftsbilder aus, sondern das schlichte und doch so abwechselungsreiche Spiel der Luftstimmungen. Zu jeder Tages- und Jahreszeit, bei jedem Wetter giebt diese Landschaft ein völlig anderes Gesammtbild; immer liegt aber in ihren einheitlichen, harmonischen Farben ein tiefer Reiz. Und dieser Umgebung ist die Hausarchitektur der beiden Städte angepaßt. In ihr ist Alles auf die Verwendung der Farben int großen Stil gegründet. Schon aus der Ferne gehen die leuchtend rothen Ziegeldächer und die schwärzlich schimmernden Schieferdächer mit dem Grün der Bäume, zwischen denen die Häuser versteckt liegen, zu einem schönen, freundlichen Bilde zusammen, das sich sehr fein in die Gesammtstimmung der Natur einfügt. Auch im Einzelnen sind die Häuser rein farbig gehalten. Es sind im Wesentlichen zwei Typen: Das Haus mit Holz= verschalung und die Einkleidung mit Schiefern. Das Erstere ist in der Regel mit rothen Ziegeln bedeckt; die Holzwände sind dann in einem gut passenden grünen oder gelblichen Ton gestrichen. Darin sizzen dann die Fenster, sehr fein und wirkungsvoll abgefaßt in weißen Rahmen, und die Fensterläden und Hausthüren meist ochfenblutfarben, auch wohl dunkelgrün oder blaugrün. Bei der Schieferbekleidung giebt den Grundton der schwärzliche oder auch graue Schiefer. Auch hier sind die Fensterrahmen weiß, die Läden und Thüren in passenden Farben. Zuweilen fist auch ein rothes Ziegel bach auf einem sonst mit Schiefer bekleideten Hause. Wo die Farbe in dieser Weise angewendet wird, da kommt keinerlei formaler Schmuck dagegen auf. Nur an der Hausthür findet sich eine bescheidene Verzierung.
Diese Hausarchitektur ist freilich durchaus noch nicht alt. Ziegel- und Schieferdach haben das frühere Schindeldach erst unter dem Einfluß der Versicherungsgesellschaften verdrängt, also seit der Mitte des Jahrhunderts. Die Prinzipien dieser Bauart stammen wohl aus Holland . oder Belgien .
Die Umwandlung geht sehr vorsichtig, aber gründlich vor, natürlich unter dem Einfluß der Vorbilder in den großen Städten. Es ist schon ein solches Wohnhaus eines Maurermeisters hingebaut, ein farbloser Steinbau mit symmetrischer Fensterbildung, der in dieser Umgebung als ungeheure Geschmacklosigkeit wirft. Sein Besitzer hat es jedenfalls auf der Bauschule nicht anders gelernt, und die Nachbarn werden ihn beneiden und einen ähnlichen Kasten haben wollen. Der Prozeß der Umbildung ist schon im Gange. Zuerst wird die Farbigkeit beseitigt. Die früher farbigen Wände tragen zum Theil schon den Anstrich in Steinfarben. Die Thüren sind vereinzelt sogar schon holzfarben" gestrichen, was zu den blanken Messinggriffen sehr schlecht steht. Ebenso sind die früher weißen Fenster jetzt im Naturton gehalten und nur lafirt oder holzfarben gestrichen. Der schönste Schmuck ist den Häusern damit geraubt; sie sehen mum wie todt aus;
zum Ersatz dafür finden sich die Ansäße zu stark überladenem formalen Schmuck. Es wird nicht allzu lange dauern, und die alte Bauart wird ganz verschwunden sein. Selbstverständlich kann man nicht wünschen- auch wenn es möglich wäre, diesen Prozeß rückgängig zu machen, ebensowenig wie das alte Vorbild auf Großstadtverhältnisse ohne Weiteres übertragen werden kann. Durch die Ausnutzung des Raumes, in gewisser Beziehung auch durch größere Bequemlichkeit, durch größere Festigkeit und bessere Schußgewährung gegen Feuer und Wetter ist die moderne Bauweise doch weit überlegen. Es kann sich eben nur darum handeln, die Anregungen nuzbar zu machen, welche die rein farbige Behandlung der Bauglieder für die Ausstattung des heutigen Großstadthauses bietet.
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Wie viel wiegt die Luft? Die Luft, der feine Stoff, der die ganze Erde umgiebt, hat ein respektables Gewicht, was man bei seiner Zartheit garnicht vermuthen sollte. Man kann das leicht feststellen, wenn man eine Glas= fugel oder Glasbirne, wie sie für Röntgenstrahlen gebraucht wird, luftleer pumpt und wiegt; läßt man dann Luft hinein, so ist sie etwas schwerer, und zwar wiegt ein Liter Luft 1,3 Gramm, also etwas mehr als den 1000sten Theil eines Liters Wasser, dessen Gewicht bekanntlich ein Kilogramm ist. Um das Gewicht des ganzen Luftmeeres zu ermitteln, das sich rings um die Erde ausdehnt, müßte man seinen Rauminhalt bestimmen; dadurch würde man aber zu einem falschen Resultat kommen, weil die Luft, je höher man steigt, um so dünner und leichter wird. Man kann das Gewicht viel einfacher mit Hülfe des Barometers berechnen; hier drückt die Luft in eine- an einem Ende geschlossene und luftleer gemachte Nöhre durch das offene Ende Quecksilber hinein und treibt es durch ihr Gewicht etwa 76 Centimeter hoch. Einer so hohen Quecksilbersäule hält die Luft also das Gleichgewicht, und daher ist das 10-12 Meilen hohe Luftmeer gerade so schwer, wie es ein Quecksilbermeer von 76 Centimeter Höhe sein würde. Ein Kubik- Centimeter Quecksilber wiegt 13 Gramm, eine Quecksilbersäule von einem QuadratCentimeter Querschnitt und 76 Centimeter Höhe, also 76 Mal so viel, was ein wenig mehr als 1000 Gramm oder 1 Kilogramm ergiebt; mithin drückt die Luft auf jeden Quadrat- Centimeter der Erdoberfläche mit der Kraft von 1 Kilogramm. Für die ganze Grde, welche die artige Größe von 500 Millionen Quadratkilometern hat, ergiebt dies einen sehr respektablen Druck; jeder Quadratkilometer hat nämlich 10 000 Millionen oder 10 Milliarden Quadrat Centimeter, und somit beträgt jener Druck 50 Millionen mal 10 Milliarden, das sind 5 Trillionen Kilogramm oder 50 000 Billionen Doppelzentner.
Daß die zarte, feine Luft ein so erhebliches, geradezu unvorstellbares Gewicht hat, sollte man kaum für möglich halten; doch erklärt sich das immerhin aus der ungeheuren Ausdehnung des Luftmeeres, das sich über die ganze Erde erstreckt. Aber selbst auf einen kleinen Raum drückt die Luft schon ganz erheblich. Eine gewöhnliche Tischplatte von einem Quadratmeter Oberfläche niuß bereits einen Druck von 10000 Kilogramm oder 100 Doppelzentnern aushalten; daß sie dabei nicht zerdrückt wird, hat seinen Grund in dem Umstand, daß der Luftdruck nach allen Seiten gleichmäßig wirkt und daher von unten nach oben ebenso stark ist, wie von oben nach unten; außerdem ist er, auf die kleinsten Oberflächentheilchen berechnet, nur gering. Weil dieser Druck überall vorhanden ist, nehmen wir ihn für gewöhnlich auch nicht wahr, obwohl ein erwachsener Mensch, der 1%, Quadratmeter Oberfläche hat, einen Luftdruck von 150 Doppelzentnern aushalten muß. Unter diesem Druck, der von allen Seiten und von innen nach außen ebensowohl wie umgekehrt wirkt, haben sich alle unsere Organe entwickelt; deswegen stört es uns garnicht, sondern es ist uns geradezu nothwendig, und ein Fehlen wird uns sofort unangenehm bemerkbar. Steigt man z. B. im Luftballon zu hoch, so daß der Luftdruck erheblich geringer wird, so dringt das Blut aus den Poren unseres Körpers hervor; wir sind eben an die Erde, an den Boden des Luftmeeres gefesselt, und unser ganzer Körper ist den hier vorhandenen Bedingungen angepaßt, die wir nicht übermäßig abändern dürfen, ohne dauernden Schaden zu erleiden.
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r.
Volk anträfe, bei dem alle Häuser mit geladenen GeWenn man auf einer entfernten Insel einmal ein wehren behangen wären und man beständig des Nachts Wache hielte, was würde ein Reisender anders denken können, als daß die ganze Insel von Räubern bewohnt werde? Ist es aber mit den europäischen Reichen anders? Man sieht hieraus, von wie geringem Einfluß die Religion überhaupt auf Menschen ist, die sonst kein Gesetz über sich erkennen, oder wenigstens, wie weit wir noch von einer wahren Religion entfernt sind.
In der Kirche singen immer Die am lautesten, die falsch singen. Grillparzer.
Nachdruck des Juhalts verboten!
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