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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

mard   aufnahmen, als sie, unbeirrt durch den Schwindel der nationalen" Junker- und Polizeipolitik, den Kampf zäh fortseßten, mit Spott und Hohn die plumpen Angriffe abwehrten und, zum Angriff über­gehend, Schlag um Schlag, Stoß um Stoß dem herrschenden System beibrachten, dem Feind nach dem Herzen zielend und immer vordringend.

Dieser lachende Muth, dieses planmäßige Handeln, daß die feindliche Macht förmlich belagert wird wie eine feindliche Festung- Mary war entzückt. Dußende von Briefen an mich und Andere bezeugen es

" Man braucht sich nicht mehr zu schämen, ein Deutscher zu sein."

Und nun gar, als die Feuerprobe des Sozialisten gesetzes kam. Werden die deutschen   Arbeiter sie be­stehen? Der Zweifel dauerte nicht lange. Nach wenigen Wochen war der Sieg der deutschen   Ar­beiter über die Urheber des Gesetzes entschieden, wenn auch der Kampf volle zwölf Jahre dauern sollte. Das Ende des Kampfes hat Marr nicht mehr erlebt, aber den Sieg. Schon die Wahlen des Jahres 1878 bewiesen, daß die deutschen   Ar­beiter sich nicht werfen ließen. Und die Wahlen des Jahres 1881 erfüllten Marr mit froher Genug­thuung. Er war stolz auf die deutschen   Arbeiter. Unsere deutschen   Arbeiter stehen allen übrigen voran an Zusammenhalt, Disziplin und Klarheit." Nun, für die Klarheit hat er gesorgt.

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In der ganzen Familie Marr war dieser Stolz auf die deutschen   Arbeiter. Frau Marr schrieb mir noch kurz vor ihrem Tod: Es thut Einem doch gut, daß unsere deutschen   Arbeiter die Elitetruppe der internationalen Sozialdemokratie geworden sind und den deutschen   Namen zu Ehren gebracht haben." Und Marr selbst so erzählte mir die arme Tussy", die trotz angeborener und anerzogener Internationalität ihre" Deutschen   gar warm in's Herz geschlossen hatte Marr selbst verweilte noch mit seinen letzten Gedanken bei der deutschen   Ar­beiterbewegung, an welcher der Kapitalismus zu Schanden werden muß. Und bis zu seinem Tode - so lange er noch arbeiten konnte, hatte er die deutschen   Arbeiter den übrigen Nationen, nament­lich den Franzosen als Muster hingestellt und unsere Taktik, insbesondere auch mit Bezug auf das Wählen und die parlamentarische Thätigkeit zur Nachahmung empfohlen.

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Nur ein konfuser Kopf wie Bakunin  ," schrieb er mir einmal in den siebziger Jahren, kann über sehen, daß im Wählen, in der Abgabe Hundert tausender von Stimmen eine tausendmal größere Machtentfaltung und Kraftäußerung liegt, als in den blutigsten Attentaten von ein paar Dußend ver­rückter Anarchisten."

Jetzt stehen die deutschen   Arbeiter wieder vor einer Wahl.

Sie werden am 16. Juni 1898 ihre Schuldigkeit thun, so daß unser unsterblicher Karl Marr, weilte er noch unter uns, freudig ausrufen würde: Ich bin stolz auf meine deutschen   Arbeiter!"

Berlin  , 6. Mai.

W. Liebknecht.

Das junge Deutschland  " und die

( Schluß.)

politische Polizei.

Von Paul Kampffmeyer  .

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' n dieser triibseligen, umstürzlerischen Zeit erklang dem guten Rochus von Nochow das perfide Denunziantengeſchrei Menzel's wie die Stimme eines rettenden Engels, und deshalb suchte er in der Folgezeit den engsten und intimsten Anschluß an diesen Beschützer unserer heiligsten Güter". Nun gab sich aber", so schreibt Menzel selbst über seine Be­ziehungen zu Rochow, seit dem Ende der dreißiger Jahre der preußische Gesandte, Herr von Nochow, viele Miihe, sich mir zu nähern, und auf eine so feine Weise, daß es nur lächerlich oder grob gewesen wäre, wenn ich ihn hätte vermeiden wollen. Ich lernte einen flugen Mann an ihm kennen, der auf

das Delikateste meinen Stolz schonte, so daß er sich öfter zu mir bemühte, als ich mich zu ihm. Als wir erst näher mit einander bekannt waren, bestach er mich durch die Offenherzigkeit, mit der er mir Mittheilungen über die Politik des Berliner  Hofes machte und mich endlich jahrelang eine Menge Depeschen lesen ließ, die er bekam. Darunter gehörten auch die Protokolle der Berliner   Ministerberathungen, die Protokolle der Militär- Bundeskommission in Frankfurt  , des Bundestages selbst, Mittheilungen aus Desterreich 2c. Ich nahm natürlicherweise als Geschichtsschreiber lebhaftes Interesse daran, machte mir meine Notizen und bewahrte übrigens das Geheimniß in diskretester Weise. Herr von Rochow säumte jedoch nicht, für seine Gefälligkeiten Gegenleistungen zu verlangen, frug mich hier und da um Nath und bat sich Bemerkungen, ja ganze Auseinandersetzungen von aus, die dann in seine amtlichen Bericht= Da sein Bruder erstattungen übergingen. Minister des Innern in Preußen war, suchte er mich durch diesen nach Berlin   selbst zu ziehen und brachte mir einmal in einem rothen Saffiankästchen eine Auszeichnung, die ich aber nicht sehen wollte und die er wieder einstecken mußte, indem ich ihm energisch erklärte, ich verachte die ganze Spielerei mit Ordensbändern, und wenn ich auch den guten mit Ordensbändern, und wenn ich auch den guten Willen meines ehemaligen Königs ehren müsse, so werde er doch begreifen, daß es meiner literarischen Stellung unangemessen und mit meinem Unabhängig­Stellung unangemessen und mit meinem Unabhängig keitssinn unverträglich sei, mir eine moralische Ver­pflichtung auferlegen zu lassen."

mir

Der Bruder des Gesandten von Rochow, der preußische Minister und geniale Erfinder des welt­berühmten Ausspruchs vom beschränkten Unterthanen­verstande, bemühte sich später erfolglos, die staats­rettende Kraft eines Menzel für die preußische Staatszeitung zu gewinnen.

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Nach der Denunziation Menzel's holte das alte Polizei- Institut, der deutsche   Bundestag, zum Todes­streiche gegen die verwegene Umsturzmacht des jungen Deutschland  " aus. In den einzelnen deutschen   Staaten hatte man bereits die Schöpfungen Heine's, Guzkow's und Laube's in Acht und Bann gethan. In Preußen wollte der Ministerialerlaß vom 14. November 1835 nicht nur die gegenwärtig lebenden, sondern die noch nicht nur die gegenwärtig lebenden, sondern die noch ungeborenen Kinder der jungdeutschen Muse erdrosseln. Ja, die Namen der verfolgten Literaten: Laube, Ja, die Namen der verfolgten Literaten: Laube, Mundt, Guzkow, Wienbarg   sollten ganz aus der Literatur getilgt werden. Am 10. Dezember," so Das schreibt Johannes Proelß   in seinem Werke: junge Deutschland  ", erfolgte noch die weitere Ver­fügung, welche alle öffentlichen Rezensionen und Beurtheilungen der verbotenen Schriften mit Aus­nahme derer untersagte, die ohne Namensnennung und Bezeichnung der Titel die Richtung der be= treffenden Schriftsteller in ihrer Schädlichkeit dar­legen, vorausgesetzt, daß dieses ohne Abdruck einzelner Stellen geschieht."-

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Der Bund erfüllte am 10. Dezember 1835 sein Henkersamt an dem jungen Deutschland  ".

Ob dieser schimpflichen Hinrichtungsbeschlüsse der deutschen   Staaten schlug Keinem das Herz freudiger als dem edlen Rochus von Rochow. Seelenvergnügt schrieb er an seinen theuren Relchner:

Stuttgart  , 13. November 1835. Mein bester Kelchner! Empfangen Sie den herzlichsten Dank für Ihre beiden Schreiben, deren Inhalt mir sehr interessant war. Höchst   wichtig ist die Maßregel des Bundes gegen das Verbot der jungen Literatur und der übrigen verderblichen Bücher. Solche Verbote sind besser als alle Zensur, die in konstitutionellen Staaten nicht durchgesezt und in anderen Ländern doch nur schwer gehandhabt werden kann....

Der Bundesbeschluß gab sofort das Signal für die Entfesselung der Polizeimeute. Sehr nachdrücklich deutete der große Chef der Spionage, der Gesandte von Nagler, mit dem Finger auf die einzelnen Opfer des Kesseltreibens. Am 2. September 1835 gab Nagler seinem ergebenen Werkzeug Kelchner direkt den Auftrag zur Ueberwachung Guzkow's. Er richtete an diesem Tage folgende Zeilen an ihn: Ich sah

heute Guzkow's öffentliche Charaktere- Ancillon. Dieser Stribent Gußfow ist immer fein gewöhn­licher Stribler. Geben Sie mir von Zeit zu Zeit Nachricht, was und für welche Zeitungen er schreibt, und mit wem er umgeht....

Der diensteifrige, aufmerksame Polizeiagent be= richtet nun mehrfach über Guzkow's Thätigkeit an seinen Chef. Er schreibt unter Anderem:

Frankfurt   a. M., 3. Sept. 1835. Eurer Ercellenz sehr gnädige Marginalien vom 31. d. v. Monats sind heute eingegangen.

Obgleich Guzkow* erklärt hat, sich in Stutt­ gart   niederlassen zu wollen, so ist derselbe doch hieher zurückgekommen. Er will nur hier eine Frankfurter Revue" herausgeben. Diese drollige Idee wird die hiesige Behörde nicht zur Aus­führung kommen lassen.

In tiefstem Respekte

Kelchner.

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sollte er

In einem Briefe vom 19. November 1836 schwäẞt sich der unermüdlich spigelnde Generalpostmeister wie eine Kaffeeschwester über die persönlichen Verhält­nisse Guzkow's aus: Herr Gußkow ist, wie es scheint, protegirt, und mag ein zweiter Kombit** sein- nur gewandter mit der Feder nicht einige hohe Protektion dort stillschweigend ge­nießen? Der Korrespondent des" Fränkischen Mercur" ist ein Kandidat oder Jude. Mehrere solche Kerle leben von Zeitungsartikeln.... Herrn Guzkow's Papa war Reitknecht bei Prinz Wilhelm Sohn  , und später wurde er Canzleidiener im Kriegs­Ministerio. Der Onkel ist noch Lakai bei Prinz Wilhelm. Adieu. Von Herzen der Ihrige- Nagler."

Später drängte sich ein sehr naseweiser Polizei­spion Joel Jacoby   an Guzkow und Laube heran.

Ursprünglich war dieser Spizel als leidenschaftlicher Anwalt freier Ideen aufgetreten, bis er dann scheinbar ein geistiges Damaskus   erlebte. Er predigte dem jungen Gußkow die Umkehr von den umstürzlerischen Bahnen und versprach ihm die Protektion hoher Gönner. Doch vergebens, Guzkow wies das An­sinnen dieses Subjekts mit eisiger Kälte zurück. " Jacoby," so erzählt Guzkow in seiner Biographie " Rückblicke auf mein Leben"," reiste unverrichteter Sache nach der Schweiz  . Er mußte ein Abgesandter des Kabinets Rochow gewesen sein. Denn als man kurz darauf den Studenten Lessing  , einen Preußen, in einem Gehölz bei Zürich   ermordet fand und es allgemein hieß, es sei an ihm die Strafe des Ver­räthers und Denunzianten vollzogen worden, brach Jacoby seine Reisepläne ab, verließ die Schweiz   und hielt sich mehrere Jahre lang vor der Oeffentlichkeit ganz verborgen."

In dem Konzerte der thätigen preußischen Polizei­spione durfte natürlich die erste Geige nicht fehlen - der unvermeidliche Tzschoppe. Der Name dieses Mannes ist in die blutigsten Greuel der Demagogen­verfolgungen verflochten. Fast überall da, wo sich die geheime vormärzliche Polizei Preußens durch eine hundsföttische Gemeinheit entehrte, wird auch der pflichtgetreue Tzschoppe genannt. Gewiß, dieser Mann hatte auch seine Verdienste. Dieser Vater des Vaterlandes" hatte den preußischen Staat von den gefährlichen" Verschwörungen der Sekundaner und Primaner gerettet. Ihm gelang es auch, den Tertianer Wilhelm Wackernagel  , den später berühmten Germanisten, zur Verantwortung zu ziehen. Wollte doch dieser Katilina in Kniehöschen das liebe Deutsch­ land   auf dem Papier in neue Kreise auftheilen und mit einer neuen Verfassung beglicken!

Nach der Ansicht Tzschoppe's verknüpften gar geheimnißvolle Fäden die Bestrebungen der jung­deutschen Liferaten mit der politischen Propaganda des von Mazzini   gegründeten jungen Europa  ". In seinem Spireifer ließ er rücksichtslos die Briefe der verdächtigen Schriftsteller erbrechen, um schlagende

* Ein merkwürdiger Mensch, bemerkt hier Nagler. ** Kombst, ein ehemaliger preußischer Gesandtschafts­sekretär, der wichtige, sehr kompromittirende Aftenstücke dem Bundesarchiv entwandte und in der Schweiz   ver­öffentlichte. Von der Hundemente der vormärzlichen Geheimpolizei schwer verfolgt, führte er ein unſtätes, fummervolles Flüchtlingsleben.