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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Beweise über den Zusammenhang zwischen den literarischen und politischen Stürmern und Drängern in seine Hand zu bekommen.

Polizei schon 1834 ihre langen Greifarme aus­gestreckt. Zu seinem Unglück entdeckte sie auf seiner gestreckt. Zu seinem Unglück entdeckte sie auf seiner Universitätsmatrikel den Vermerk: der Burschenschaft  

In die Nezze Tzschoppe's lief auch Theodor verdächtig"." Unglücklicher," rief ihm nach den ersten Mundt.

Der Polizeimann scheint aber diesen jung­deutschen" Revolutionär für sehr harmlos gehalten zu haben, wie das aus einem Briefe Mundt's wohl ersichtlich ist.

Tzschoppe," so schreibt einmal Wundt, ist ohne Zweifel der mächtigste und wichtigste Mann im ganzen preußischen Staate. Mit ihm habe ich mich jezt beschäftigen missen, eine lange Audienz bei ihm gehabt, ihm lange Briefe geschrieben. Er war sehr offen, zeigte mir, wie weit meine Sache war und las mir den Gesezesparagraphen vor, wonach ich wegen Aufnahme des Artikels Kalisch'( im, Zodiakus") und einiger anderer Sachen zwei Jahre Festungs­haft zu erwarten habe. Jetzt stehe ich so mit Tzschoppe, daß er die Sache nicht in die Hände der Justiz geben will, und er hofft, daß es dann auch kein Anderer thun wird!-- Erhebe Dich durch Zorn und Trauer und sei bis auf's Aeußerste vorsichtig. Ich habe jetzt erst Alles, was uns droht, an der Quelle fennen gelernt. Tzschoppe hat alle unsere Briefe gelesen. Er will das ganze, junge Deutschland  " ver­derben."

Nach dem Dichter Laube hatte die politische

I.

sechs Wochen der Untersuchungsrichter Dunker zu, ,, Sie sind in Halle   Burschenschafter gewesen!"

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Nun?"" Das hat man jetzt nach sechs Wochen entdeckt, und nun hat man hinreichenden Grund zu längerer Haft. Jetzt werden Ihre Schriften Neben sache, jetzt beginnt eine Kriminaluntersuchung gegen Sie." Wegen einer Burschenschaft?"- Ja wohl! Wer der Theilnahme an der Burschenschaft  überwiesen ist, wird zu sechs Jahren Festungsstrafe verurtheilt." Mehr nicht?"" Diese Gesezes­bestimmung eristirt. Sie ist entstanden infolge der Ermordung Kozebue's, infolge der langen Mainzer  Untersuchungskommission, infolge des Hambacher Untersuchungskommission, infolge des Hambacher Festes, infolge des Sturmes auf die Konstabler­Festes, infolge des Sturmes auf die Konstabler wache in Frankfurt  , infolge der politischen Tendenz in der Burschenschaft  , welche seit der Julirevolution auf den Universitäten ausgebildet worden ist." Aber ich bin ja drei, vier Jahre vor der Juli­revolution auf der Universität Halle gewesen, und revolution auf der Universität Halle gewesen, und damals es sind sieben Jahre her hat kein Mensch, auch kein Burschenschafter, an eine Revolu­tion gedacht."- Einerlei! Burschenschaft  , sagt man, ist Burschenschaft  . Dies ist eine kriminelle Dies ist eine friminelle Parole, und mit dieser bloßen Anklage sind Sie uns, der Polizei und der Stadtvogtei, entzogen,

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Idyll.

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sind Sie der Hausvogtei verfallen; ich muß Sie hinüberbringen, der Wagen wartet schon unten."

Allen Schrecken der Untersuchungshaft wurde mun Laube überliefert. Der Großinquisitor Dam­bach folterte ihn mit der Verlängerung und Ver­schärfung der Untersuchungshaft, um ihm brauchbare Geständnisse abzupressen. Beinahe ein Jahr hatte Laube in einem finsteren Loche der Hausvogtei zu­zubringen; dann wurde er nach Naumburg   verbannt, und dort hatte er noch ein ferneres Jahr Zwangs­haft zu bestehen. Der kritische Waffengänger des " jungen Deutschland  ", Wienbarg  , kam ebenfalls auf die Proffriptionsliste der Reaktion und mußte eine zeitlang ein unstätes Flüchtlingsleben fiihren, da ihn die Polizei kurzerhand aus vielen Städten Deutsch­ lands   verwies. Endlich fand er in Hamburg   eine Stellung und zwar als namenloser, ungenannter Redakteur der Börsenhalle".

So hatte denn das junge Deutschland  " eine schwere Leidenszeit unter der allgewaltigen Fuchtel der damaligen politischen Polizei zu bestehen. Und gar mancher beredte Führer dieser Schule wurde mäuschenstill, zog die eherne Kriegsrüstung aus und duckte sich sein unter. Sie wurden meist recht ,, nüz­liche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft", diese jungen Heißsporne! Sie vergaßen sehr bald, welche Blüthenträume der Freiheit sie einst in ihren Maien­tagen geträumt hatten.

Von Hjalmar Bergström. Einzig autorisirte Uebersetzung von E. Brausewetter. Lurus vorgezogen, und ich glaube, Tulle wäre des­halb gerade so reizend geweſen."

urch die halb, zugezogenen grünen Gardinen fiel ein breiter, funkelnder Sonnenstreifen in die Kinderstube, über die beiden Damen hin, die in stummer Betrachtung vor einem kleinen, mit Seidenvorhängen und Seidenbezügen ausgestatteten daunenweichen Himmelbettchen standen. Die kleine Inhaberin all' der Herrlichkeit lag und schlief, un­bekümmert um die Bewunderung dieser Welt, und die kleinen Händchen mit den Grübchen über den Knöcheln und den kleinen, schon wohlgepflegten Nägeln gemahnten eher an ein Wachskabinet, als an ein lebendes Kindchen.

Die jüngere der Damen, die Mutter der Kleinen, betrachtete ihren Liebling mit einer Mischung von mütterlicher Zärtlichkeit und Vorzeigerſtolz, die ältere, eine Gutsbesizertochter aus der Nachbarschaft, war lauter anerkennende, sachkundige Bewunderung.

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" Sie müssen Tulle's Augen sehen!" sagte die Mutter und machte Miene, die Kleine aufzunehmen. Um Gotteswillen, liebste Frau Brink, das müssen Sie nicht! Nicht um Alles auf der Welt! Ein Kind braucht allen Schlaf, den es nur irgend wie bekommen kann."

In demselben Augenblick schlug Tulle aber von selbst die vielbesprochenen Augen auf, und sie be­gannen unstät umherzuirren, als wenn sie an diese Welt noch nicht gewöhnt wären. Nach verschiedenen Anstrengungen seitens der Mutter glückte es, Tulle dahin zu bringen, daß ein aufziehendes Unwetter sich in ein Lächeln verwandelte; aber so wenig an Anstand gewöhnt, wie Tulle noch war, wurde das Lächeln allzu üppig. Sie lächelte nicht nur mit Allem, was es im Gesicht gab, sondern auch Arme und Beine kamen zappelnd zu Hülfe, und es gluckste förmlich in dem ganzen, kleinen Körper. Zur Be­lohnung für diese Anstrengungen hielt das Guts­fräulein, das im Hause bereits Titular- Tante war, eine große, goldene Kapsel an ihrer Uhrkette der Kleinen vor die Nase, und diese starrte und starrte, bis sie sich an dem Golde ganz schieläugig gegafft hatte.

Dann wurde Tulle aufgenommen und erregte neue Bewunderung.

" Ich habe noch niemals eine entzückendere Kinder­ausstattung gesehen," sagte das Gutsfräulein, das den Inhalt des Bettchens musterte.

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Mein Mann wollte es so haben," erwiderte die junge Frau. Ich hätte eigentlich etwas weniger

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Das müssen Sie nicht sagen, liebste Frau Brink. Sollte solch ein kleines, prächtiges Gottesgeschöpfchen nicht allen Komfort haben, so weiß ich wahrlich nicht, wer ihn verdient hätte."

Tulle wurde in den gestreckten Armen der Mutter emporgehalten, Tulle wurde genudelt und geküßt, und nun sollte Tulle wieder lachen. Der Versuch glückte über alle Maßen; aber ob nun dieses kräftige Lachen unter Körperwindungen und Gliederzappeln zu anstrengend war in solch' hängender Stellung in freier Luft, oder ob andere Gründe hinzufamen, Tulle bekam plößlich einen bedenklich rothen Kopf und krampfte sich in sich selbst zusammen. Das Kindermädchen wurde herbeigerufen und ihr das Kind übergeben, und die beiden Damen verließen die Stube.

Unten im Zimmer der Frau blieb der Besuch aber noch einige Zeit da. Die Damen hatten sich auf ein paar zierliche, weißlackirte Stühlchen gesetzt, die um einen kleinen, runden Tisch mit Marmor­platte und vergoldetem Fuß in dem geräumigen Erfer platte und vergoldetem Fuß in dem geräumigen Erker standen, von dem man Aussicht auf den Weg hatte, der am Hause vorbeiführte.

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Sie müssen doch außerordentlich glücklich sein, liebe Frau Brink; solch einen Mann, wie Sie ihn haben, und solch' ein reizendes kleines Mädel und dann Ihr Haus- ich könnte ganz neidisch auf Sie werden, wenn ich an unsere ungemüthlichen, alt= modischen Stuben auf unserem Gute, mit den Truhen und altem Gerümpel und den fürchterlichen Bildern von unmöglichen Künstlern denke ja, wirklich, das könnte ich. Hier merkt man doch, daß man in der Gegenwart lebt."

Ich bin wirklich auch sehr glücklich, Fräulein Lindenwald, fast zu glücklich. Aber es ist merk wiirdig: mir ist gerade, als ginge ich mit schlechtem Gewissen umher. Ich kann es nicht unterlassen, an all' die Vielen zu denken, die es nicht so gut haben." Das ist hübsch von Ihnen, Frau Brink," rief das Gutsfräulein eifrig, ich hoffe, Sie denken auch ein wenig an mich, in dem Zusammenhang."

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Die junge Frau lächelte und fuhr fort: Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen, an so viel Lurus war ich ja von Hause garnicht gewöhnt." Sie legte einen übermäßig starken Nachdruck auf das Wort " so", bemerkte es selbst und erröthete darüber. Sie hatte ein Gefühl, als wenn sie aus Feigheit oder

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Wichtigthuerei etwas zu verbergen gesucht hätte, dessen sie sich garnicht zu schämen brauchte.

Die Gutsbesizerstochter, die einen ausgedehnten Bekanntenkreis hatte, begriff augenblicklich die Situa­tion und begann von gleichgültigeren Dingen zu reden.

Aber plößlich sieht sie, wie Frau Brink weißẞ im Gesicht wird und wie hypnotisirt auf den Weg hinausstarrt.

Das Fräulein, das unwillkürlich auch zum Fenster hinausblickt und nichts Anderes entdeckt, als daß ein wie ein Arbeiter gekleideter Mann vorbeigeht, fragt erstaunt:" Ihnen fehlt doch nichts, Frau Brink?" " Sahen Sie ihn?" fragt die junge Frau in gespensterscheuem Ton.

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Aber was ist denn? Sie machen mich ganz ängstlich!"

Mir wird jedes Mal so unheimlich! Ich will Ihnen sagen, es hat nämlich Streit unten in der Fabrik gegeben, und mein Mann hat sich genöthigt gesehen, einige Arbeiter zu verabschieden, darunter einen der ältesten. Und nun geht dieser Mann täg­lich mehrmals hier an unseren Fenstern vorbei und sieht jedes Mal so seltsam zu mir herein. Anfangs meinte ich, er sähe so verbrecherhaft böse aus, aber in den letzten Tagen ist etwas in seine Augen hineingekommen, das mich an ein flehendes Thier gemahnt. Aber was kann ich thun? Ich habe ja nichts mit der Sache zu schaffen, und es ist auch so unheimlich. Ich kann seine Augen nicht ertragen." Ja, ja, die Arbeiter, die Arbeiter!" sagte das Gutsfräulein mit einem Seufzer. Aber wir können sie ja nicht entbehren!"

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" Ja, aber ich meine, man müßte doch zu einer Art Verständigung mit ihnen fommen fönnen. Sie thun mir oft so leid. Vor einiger Zeit sprach ich mit Pastor Petersen darüber, und er sagte, sie besuchten nicht einmal mehr das Gotteshaus."

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Seien Sie froh, daß sie nicht noch obendrein fromm sind. Sie wissen, mein Bruder, der Jäger­meister, faufte sich ein schönes Gut drüben in Jiit­land. Sie können mir glauben, er ist in eine nette Cesellschaft hineingerathen. Die ganze Gegend ist wie von Heiligkeit besessen. Auf mehrere Meilen Umkreis sind er und ein schwedisches Milchmädchen die einzigen Teufelsfinder". Und wissen Sie, was die Leute sagen? Sie sagen gerade heraus, so daß mein Bruder es hört, sie respektiren feinen Anderen, als Gott! Was sagen Sie dazu? Ich meine, es muß kein großes Vergniigen bereiten, in der Gegend

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