Feuilleton.

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Vor der Wahl. Schon einige Male hat es den jungen Tischler gerissen, und er wollte aufspringen, um dem Pfarrer, der drinnen im Herrenstübel das große Wort führte, Widerpart zu halten, aber immer hatte er sich wieder bezwungen. Als aber nun die Stimme des Pastors in den höchsten Diskant fuhr, und im Zusammen­hange mit dem Worte Sozialdemokraten die Worte Faulenzer und Unersättliche fielen, da stand der Tischler mit einem Ruck auf den Füßen, einige Schritte brachten ihn in's Nebenzimmer und an den Herrentisch". Und schon hatte er das Wort ergriffen:" Entschuldigen Sie, Herr Pfarrer, daß ich mich eindränge, es ist sonst meine Manier nicht, aber ich fühle mich durch Ihre Worte selbst getroffen, und da kann ich nicht schweigen. Faulenzer sollen die Sozialdemokraten sein? Herr Pfarrer, fragen Sie einmal nach in den Fabriken und Betrieben, wer und was die tüchtigsten und besten Arbeiter sind. Ich weiß, was man Ihnen antworten wird, und ich werde es Ihnen sagen, Wort für Wort: Es ist fatal,' wird man Ihnen sagen, aber es ist so: es sind durch die Bank Sozialdemokraten.""" Achtſtundentag!" stieß der Pastor hervor, der sich erhoben hatte, sein fettes Geficht glühte wie Scharlach  ." Langsam," sagte der Tischler, den Hasen fang' ich mir auch noch. Der Herr Pfarrer hält jede Woche einmal eine Predigt. Wenn man Alles zusammenrechnet, was drum und dran hängt, dauert das so seine zwei Stunden. Herr Pfarrer, was würden Sie sagen, wenn Sie nun auf einmal, sagen wir, acht Stunden predigen müßten? Sie würden sich schönstens bedanken. Und wenn Sie dennoch müßten? Dann würden Sie sagen: Nein, eine Arbeit, die mich körperlich und geistig aufreibt, das ist keine Arbeit mehr, das ist eine Schin­derei! und sie würden gewiß alle Mittel und Hebel in Bewegung setzen, um diesen Zustand zu ändern. Und nun vergleichen wir einmal einen Arbeiter mit Ihnen, Herr Pfarrer. Er, der Arbeiter, verdient bei übermenschlich langer Arbeitszeit in den meisten Fällen knapp so viel, daß er sein Leben fristen kann; Sie, Herr Pfarrer, arbeiten auch, ich will es nicht bestreiten, aber Sie müssen mir doch zugeben, daß Sie Ihr schönes, gutes Auskommen haben und ein menschenwürdiges Leben führen. Wollen Sie dem Arbeiter, der nach Ihrem eigenen Kanzelwort ein Kind Gottes gerade so ist, wie Sie, wollen Sie ihm das Streben verwehren, aus einem Arbeitsthier wieder ein Mensch zu werden?"

Höhere Löhne!" schrie der Pfarrer höhnisch. Da thu' ich nur einen Lacher," entgegnete der Tischler. So= bald ein Parlament eröffnet wird, wer ist da mit Peti­tionen um Lohn, pardon, Gehaltserhöhung? Nun, die höheren Beamten aller Branchen, die Herren Pfarrer usw. In neuester Zeit wollen sogar die Staatssekretäre auf­gebessert werden. Und die Wünsche der Herren werden bewilligt, und wenn diese Leute auch in einigen Wochen mehr verdienen als der Arbeiter im ganzen Jahre. Und gerade die Bestbezahlten haben die wenigsten Arbeits­stunden. Es ist gar so viel schwer, das Regieren..

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Umstürzler! Rother!" schrie der Pastor und stieß die Linke mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger auf den Tisch." Ich?... Wir?" fragte der Tischler, nachdem er einmal tief Athem geschöpft. Wer will das Reichstagswahlrecht umstürzen? Die Sozialdemokraten? Die Konservativen sind es, die Brotwucherer, die Fabri­kanten, die Ausbeuter jeder Sorte. Wer mag das Koalitionsrecht nicht leiden und möchte es vernichten, lieber heute als morgen? Die Sozialdemokratie etwa?. Der Tischler griff mit der linken Hand in den Lehnen­ausschnitt eines Stuhles und warf die Rechte vor, als er fortfuhr: Nein, jeder denkende Arbeiter, jeder Mensch, der mit unverkleisterten Augen in die Welt, in's Leben sieht, der ist heute Sozialdemokrat oder muß es werden. Und wer in deutschen Landen noch etwas hält auf Recht und Freiheit und Menschenwürde, der wählt am nächsten Wahltage roth!..."

Das etwa kann man aus unserem heutigen Bilde lesen, das wir dem Künstler Georg Meyn verdanken.

Holländische Kolonisation. Die Molukken, die sich in den Händen der Holländer befinden, sind die Heimath der Gewürznelfen und Muskatnüsse. Im Interesse der holländisch- ostindischen Handelskompagnie lag es, den Gewürzhandel in ein Monopol umzuwandeln. Man ergriff nicht nur Maßregeln, um den Schmuggel unmöglich zu machen, warf lieber Hunderte von Zentnern mühsam geernteter Gewürze in's Meer, um einen Preisfall zu verhüten, man war auch bestrebt, den Anbau der Ge­würze einzuschränken. Zunächst wurde beschlossen, Anbau und Ernte von Gewürzen nur auf einigen leicht kontrolir­baren Inseln zu gestatten, auf den anderen aber strengstens zu berbieten. Die Ernie mußte zu einem bestimmten, natürlich sehr niedrigen Preise an die Regierung ab geliefert werden. Um nun das Monopol zu wahren, wurden die Gewürzbäume auf den anderen Inseln zerstört.

Die Kriegszüge, die deshalb geführt wurden, begannen um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts unter dem Gouverneur de Vlaming. H. Bockemeyer hat eine klare und objektive Geschichte, Die Molukken  ", Leipzig   1888, geschrieben und sagt darin:" Diese lezten Handlungen de Vlaming's zeigen noch einmal im grellen Lichte seine ganze Verworfenheit. Nicht genug damit, daß er Alles zerstört, viele Tausende gemordet und die Ueberlebenden

elend gemacht hat; als er die Armen aus ihrer ange= stammten Heimath vertrieb, zerriß er mit roher Hand die heiligsten Bande, die den Menschen mit dem Menschen verknüpfen. Er sah es als ein natürliches Gebot der Vorsicht an, daß man bei Vertheilung der Bevölkerung die Mitglieder der Familie voneinander entfernte. So wurden Gatten und Geschwister getrennt, Kinder aus den Armen jammernder Eltern gerissen, um an fremden Orten und in fremder Umgebung ihre schöne Vergangenheit zu beweinen. Der Haß überhörte den Jammer der Unglück­lichen, und die blinde Wuth sah ihre Thränen nicht; als die blutgierigen Horden der niederländischen Kaufherren, die aus dem Abschaum der europäischen   Bevölkerung be= standen, diese Arbeit verrichteten, und die Ausführung dieser Befehle überwachten, handelten sie als pflichttreue Beamte der Kompagnie, sahen sie für gut an, weil sie von den angesehensten Männern des Landes famen. So befriedigte Jeder seine Habgier, seinen Haß oder seine Luft an einem Volfe, dessen Kraft im Widerstand ge= brochen war." Eine vollkommene Lokalisation der Ge­würzbäume war aber schon deshalb unmöglich, weil einige Vogelarten, namentlich eine große, grüne Taube, unbekümmert um die strengsten Vorschriften der Kom­pagnie fortwährend auf's Neue für die Verbreitung sorgten. Sie verzehren mit Vorliebe die Muskatnüsse, welche fie aus der fleischigen äußeren Hülle herauspicken, verdauen aber nur die rothe Muskatblüthe, während die Nuß selbst wieder unverdaut und in ihrer Keimkraft ungeschädigt ausgeschieden wird. Dadurch wird auf höchst natürlichem Wege für die Verbreitung der Muskatnuß und in gleicher Weise für den Gewürznelfenbaum gesorgt, und die grüne Taube hat so unschuldiger Weise viel Elend über die Bewohner der Molukken gebracht. Denn es wurden nach den Inseln, auf denen Gewürzbäume nicht kultivirt werden sollten, jährlich die sogenannten, Hongriefahrten" unternommen; 6000 bis 7000 Gingeborene wurden dazu gepreßt und unter Führung holländischer Beamten ein Raub- und Plünderungszug organisirt. Nicht nur die vorhandenen Gewürzbäume, sondern auch alle Cocos­und Sagopalmen  , die Hauptnahrungsquellen der Ein­geborenen, wurden umgehauen und die Häuser verbrannt, eine Menge Gefangene in Ketten nach Ambon   geführt und hier nach der Rückkehr ein feierlicher Danfgottesdienst abgehalten. Während der vier Jahre, die die Engländer in diesem Theile Ostindiens herrschten( 1812-1816), war das Gewürzmonopol aufgehoben; es wurde aber, als das Land an die Holländer zurückfiel, wieder in Kraft gesetzt, bis es 1873 erlosch. Generalgouverneur van der Capellen hat aber bereits 1824 den Hongriefahrten ein Ende gemacht. Auch die benachbarten Bandainseln bieten eine der dunkelsten Stellen der Geschichte der Kolonisation. In den Jahren der Besizergreifung dieser Inselgruppe, die zum Anbau von Gewürzen ausersehen war, wurde von den 15 000 Einwohnern Bandas kein einziger übrig gelassen, die überwiegende Mehrzahl wurde getödtet und Ser Rest als Sklaven hinweggeführt. Es erscheint außer Frage, daß der tiefe Verfall, in dem sich noch heute die Molukken befinden, im Wesentlichen nur eine Folge dieses entseßlich grausamen Gewürzmonopols ist. Trotzdem gerieth die holländisch- ostindische Kompagnie, dank der Mißwirthschaft ihrer Beamten, immer mehr in Schulden, bis dieselben 1798 vom holländischen Staat übernommen wurden.

War die Kultur und der Handel mit Gewürzen auf den Bandainseln die Ursache der Ausrottung und Be­drückung der Eingeborenen, so wurde es auf Java die des Kaffee, die hier auch größtentheils in den Händen der Regierung ist, obwohl kein Monopol besteht. Aber die eingeborenen Javanesen werden zum Anbau des Kaffee gezwungen. Eine Familie hat für ihren Unterhalt zirka 1000 Kaffeebäume zu besorgen. Die Ernte muß zu einem bestimmten, recht niedrigen Preise an die Regierung ab­geliefert werden. Die Eingeborenen erhalten nur Saat und Boden und pro Piful(= 61,521 Kilogramm) ab­gelieferten Kaffee erster Sorte 15 Gulden und zweiter Sorte 71% Gulden, während die Regierung im Handel durchschnittlich 50 Gulden erhält, also dabei ein sehr gutes Geschäft macht. Dieses System hat viele Härfen; der Javanese ist an sich schon ein fleißiger Ackerbauer, aber die Zwangskultur bringt ihn um den Ertrag seiner Arbeit. Eine Kaffeepflanzung erfordert das ganze Jahr ununter= brochene Arbeit, und nur mit Anspannung aller Kräfte kann die Familie noch nebenbei so viel schaffen, um den zur Ernährung nöthigen Reis anzubauen und zu ernten. Daher muß dieses reiche, wunderbar fruchtbare Land noch Reis importiren. Die Zwangskultur ist eine ver­schleierte Sklaverei. Dabei geschicht für das Land wenig, die Schulen sind für das talentvolle Volk ungenügend; aller Arbeitsertrag wandert nach Holland  .

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Die Entstehung der Thantropfen. Tritt man an schönen, heiteren Morgen früh in's Freie, so zeigen fich die Gräser auf den Wiesen mit funkelnden Wassertröpfchen bedeckt; es hat während der Nacht, wie man sich aus­drückt, gethaut. Die Erde hat sich mit Feuchtigkeit bedeckt, obwohl der Himmel sternenhell und klar war; ja, wenn sich in der Nacht Wolfen am Himmel zeigen, so fehlt der Thau. Wo stammt er also her? Er muß wohl aus der Luft kommen, denn man kann doch kaum annehmen, daß die Erde die Feuchtigkeit ausschwigt. Bei einigem Nachdenken

Berantwortlicher Rebatteur: Dscar Kühl in Charlottenburg  .

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ist es garnicht so schwer, den Ursprung des Thau's zu finden. Es ist eine sehr bekannte Erscheinung, daß z. B. Brillen­gläser und andere Körper beschlagen, d. h. sich mit einer zarten Feuchtigkeitsschicht überziehen, wenn man mit ihnen aus einem falten in einen wärmeren Raum kommt. Die Luft enthält stets etwas Wasserdampf in sich, doch kann falte Luft nicht so viel Wasserstoff halten wie warme. Kühlt sich die Luft plöglich ab, so wird daher ein großer Theil des in ihr enthaltenen Wasserdampfes sich verdichten und als Regen herniederfallen. Envas Aehnliches ge= schieht bei dem Beschlagen der Brillengläser und anderer falter Körper in warmer Luft. Die Luft, welche sie be= rührt, fühlt sich stark ab und muß dann einen Theil des in ihr enthaltenen Wasserdampfes frei lassen, der sich an dem kalten Körper niederschlägt. Ganz ebenso geht die Bildung des Thau's vor sich. Der Erdboden ist am Tage stark erwärmt, fühlt sich aber in der Nacht sehr rasch ab und wird erheblich kälter, als die über ihm lagernde Luft. Wo diese den kalten Erdboden berührt, muß sie daher Feuchtigkeit verlieren, die sich auf dem Erdboden als Thau niederschlägt. Am schnellsten und stärksten kühlen sich solche Körper ab, welche die Wärme am besten auszustrahlen vermögen. Das sind vornehmlich Gras und Blätter, die daher auch am reichlichsten mit Thau überzogen sind. Hindert man den Erdboden oder einen Theil desselben an der Wärmeausstrahlung, so ver­mindert sich auch die Thaubildung oder hört ganz auf. Spannt man z. B. ein Leintuch in der Höhe eines halben oder ganzen Meters über einer Wiese aus, so läßt dieses die vom Boden kommende Wärme nicht hindurch, sondern wirft sie, ganz wie ein Spiegel die Lichtstrahlen, wieder auf die Erde zurück. Am Morgen findet man denn auch den unter dem Tuche liegenden Theil der Wiese unbethaut, während rings herum reichlicher Thau gefallen ist. Wie ein solches Tuch oder Spiegel wirkt auch der bewölkte Himmel; die Wolken bilden eine schützende Hülle, welche die Wärmestrahlen nicht durchläßt, sondern wieder auf die Erde zurückwirft. Daher fann bei bedecktem Himmel nur sehr viel weniger Thau fallen, als wenn die Sterne heiter und freundlich herniederblinken.

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Aufbewahrung der Zwiebeln. Viele holländische Landwirthe verkaufen größere Posten Zwiebeln nach England. Um bessere Preise zu erzielen, bringen sie aber nicht alle Zwiebeln gleich nach der Ernte auf einmal auf der englischen Markt, sondern halten einen Theil derselben so lange zurück, bis die Preise in er­wünschter Weise angezogen haben. Bei der inzwischen nöthigen Aufbewahrung der Zwiebeln stellt es sich heraus, daß sie, wenn sie in Mieten unterhalb der Erdoberfläche aufbewahrt werden auf welche Weise man Kartoffeln und Nüben sehr gut aufbewahren kann sehr leicht er= sticken und faulen, daß sie sich aber sehr gut halten, wenn sie oberirdisch in Haufen im Freien mit Stroh bedeckt aufbewahrt werden. Versuche zeigen, wie Adolph Mayer  in der Landwirthschaftlichen Versuchsstation" mittheilt, daß dieses verschiedene Verhalten der Zwiebeln gegenüber Kartoffeln und Rüben in der verschiedenen Athmungs­stärke seinen Grund hat, die sich bei den Zwiebeln 21/2 bis 3 Mal so groß als bei den Kartoffeln erwies.

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Die Tauben des Farmers. Ein Farmer brachte in Philadelphia   ein Wäglein mit Tauben auf den Markt. Zufällig hatten gerade mehrere Farmer ihren Ueberschuß an Tauben nach der Stadt gebracht, so daß der Markt damit überfüllt war und der gute Mann seine Waare nicht loswerden konnte. Selbst als er sie zu halbem Preise anbot, wollte Niemand sie haben, denn das machte die Käufer mißtrauisch. Als er sich lange genug damit aufgehalten hatte, bot er, um die Thiere doch nicht wieder mit nach Hause nehmen zu müssen, sie den Vorüber­gehenden als Geschenk an. Da aber wurde er einfach ausgelacht. Die Dinger müssen ja steinalt sein, oder die Sache muß sonst einen Hafen haben," sagte alle Welt fopfschüttelnd, wie sollte er sonst dazu kommen, sie ver­schenken zu wollen?" Als der Farmer sah, daß er seine Ladung selbst auf diese Weise nicht losschlagen konnte, beschloß er, sich ihrer auf andere Weise zu entledigen. Er fuhr langsam durch die Straßen und warf von Zeit zu Zeit drei, vier Tauben auf die Straße. Auch das jedoch mißglückte ihm; denn die Leute lasen die Thierchen auf, rannten hinter dem Wagen her und riefen so lange: " Ihre Tauben! He, Sie haben ein paar Tauben ver­loren!" bis er anhielt und sein Eigenthum zurücknahm. Jezt glaubte der Mann mit seiner Weisheit zu Ende zu sein. Da aber hatte er doch noch einen Einfall, der ihm aus seiner Verlegenheit half. Er lenkte sein Gefährt an den Nand der Straße, hielt es an und stellte sich, als sei er auf seinem Stutscherfig eingeschlafen. Und da geschah es denn, daß er in fürzester Frift seine Ladung losgeworden war, denn nun drängten sich heimlich eine Menge Menschen heran und stahlen ihm seine Tauben eine nach der anderen. Als sich der Andrang verlief, und der Farmer merfte, daß er seine Absicht erreicht hatte und daß nichts mehr weiter zu holen da war, rieb er sich grinsend die Augen, ergriff wieder die Zügel mit fefter Hand und fuhr un­beschwert nach Hause.

cd.

Nachdruck des Inhalts verboten!

Verlag: Hamburger Buchbruceret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg  . Druck: Mar Babing in Berlin  .