Die reue Welt

Nr. 27

( Fortsetzung.)

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

arl war es, als träume er. Wie eine Er­scheinung aus anderer Welt, ein Wunder, nie gesehen, von ungeahntem, unbegreif­lichem Glanz, stand dieses Bild auf einmal vor den erstaunten Augen des Dorffindes. Als wär ein Vor­hang weggerissen und er dürfe einen Blick thun in den Himmel, war ihm zu Muthe. Er konnte nur starren und starren. Das Bild stand da, lebendig, in tagheller Beleuchtung; ringsherum war Nacht.

Der Zug machte Halt. Jemand sprach. Der Bräutigam verneigte sich und schüttelte einigen Depu­tirten die Hände. Die Braut winkte mit ihrem weißen Arme. Dann schrie eine Stimme:" Hoch!" Hunderte fielen ein und schwenkten die Hüte. Starl schrie aus Leibeskräften mit. Ihn hatte es auf einmal wie Begeisterung erfaßt. Feierlich war ihm zu Muthe; er mußte gegen das Weinen ankämpfen. Kommandoruf! Die Spize sezte sich in Bewegung. Die einzelnen Rotten marschirten im Gleichtritt vor­über, den Kopf stramm nach rechts gewandt, wie bei der Parade. Noch einmal sah Karl das Bild, jetzt zum Greifen nahe. Die einzelnen Gesichter ganz deutlich, den bloßen Arm einer Dame, die Bärte der Männer. Wie sie da standen, lächelten, sich unterhielten, kaum zu ihnen hinabblickten.

Dann war der Traum vorüber, der Vorhang wieder gefallen.-

Der Zug marschirte um das Schloß herum, über die steinerne Brücke, bog von hinten in den Schloßhof ein. Die Fackeln wurden in den Wall­graben zusammengeworfen.

Auch in dem steingepflasterten Schloßhofe brannten Bechpfannen und Holzstöße. Tische und Bänke waren hier in langen Reihen aufgestellt. Der Graf ließ die Fackelträger bewirthen.

Karl war bereits berauscht, nur vom Sehen. Nun hätten die größten Wunder geschehen können, es hätte ihn nicht sonderlich in Erstaunen gesetzt.

Sie bekamen zu essen: Braten, dazu wurde Wein fredenzt. Karl dachte bei sich, so ungefähr müſſe es im Himmel zugehen.-

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Ein Mann mit einem Jägerhute auf dem Kopfe und einer breiten farbigen Schärpe um den Leib, hielt eine Ansprache, an die Kameraden". Andere Reden, Hochs und Hurrahs folgten. Später erschien der Graf, gefolgt von Offizieren und Herren mit Ordenssternen. Der Schloßherr sprach einige Worte des Dankes. Wiederum Hochs und Hurrahs und noch mehr Wein.

Starl hatte nur noch das Gefühl unaussprechlich seligen Wohlbehagens. So etwas hatte er noch nie erlebt und würde er nie wieder erleben.

Von da ab kam er nur noch augenblicksweise zum Bewußtsein. Auf einmal stand er mit anderen

Der Büffnerbauer.

Roman von Wilhelm von Polenz .

Leuten zusammen im Parke vor der steinernen Frei­treppe, die jetzt leer war. Die hohen Fenster des Die hohen Fenster des ersten Stockes waren erleuchtet. Man hörte Musik von drinnen. An den Fenstern vorüber huschten Schatten; sie tanzten.

Nun saß er auf einmal in einem rauchigen Zimmer. Vor Tabaksqualm vermochte er seinen Nachbar kaum zu erkennen. Auf dem Holztische vor ihm stand ein Schnapsglas, daneben ein Fläschchen. Rings um ihn her Gesichter, und vor Jedem eben Bittner be solch ein Gläschen und Fläschchen. zahlt de Zeche, der hat's gruße Gald," hieß es. Ich- ich- ha nischt ne mih, de Frau hat's!" Ein lautes Gelächter erscholl.

Kart stand auf, schlug auf den Tisch und wollte den Freunden erzählen, wie ihn Therese um sein Geld gebracht hätte; da schwanden ihm die Sinne, er stiirzte hin.

Als er erwachte, lag er im Straßengraben, über und über mit Thau hedeckt. Am Himmel zeigten sich röthliche Streifen. War es Abend oder Morgen? Er befühlte seine Glieder. Der Kopf schmerzte ihm.

Einige Zeit darauf befand sich Karl Bittner auf dem Wege nach Haus. Die Müze fehlte ihm, er hinkte, über die Backe lief ihm eine blutunter­Laufene Strieme. So humpelte er weiter, die Zähne auf einander gebissen, die Fäuste geballt. Sein Hirn war noch umnebelt; kaum daß er begriff, wo er sei.

Aber er hatte einen Gedanken, der sich seines gesammten Sinnens und Denkens bemächtigt hatte, ein Ziel, auf das er mit der stieren Wuth des Be­trunkenen losging: sein Geld!

Er wollte das Geld zurück haben. Seine Frau hatte es ihm weggenommen. Es gehörte ihm. Her­aus damit!

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So kam er mit blutunterlaufenen Augen heran. Er schwankte und turkelte, aber er näherte sich seinem Ziele.

Es war bereits heller Tag, als er vor das Haus fam. Er donnerte Die Thür war verschlossen. mit schwerer Faust dagegen. Therese steckte den Kopf zum Fenster hinaus." Bist De's?- Schwein!" Er lehnte Damit warf sie den Flügel wieder zu. da eine ganze Weile, rüttelte an der Thür, brüllte um Einlaß.

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Endlich öffnete sie. Er stürzte ihr halb in die Arme. Sie fing seine schwere Last auf, bewahrte ihn so vor sicherem Sturze." Wo hast De gesteckt, de ganze Nacht? De stinkst nach Schnapse!" Damit stieß sie ihn durch den Gang, vor sich her. Er strebte, die Thür zum großen Zimmer ,, Nich hiernei giehst De! Daß D'ch zu gewinnen. Nich hiernei giehst De! Daß D'ch de Kinder sahn, besuffen wie's De bist!"

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1898

Sie wollte ihn in die Kammer stoßen, aber er stemmte sich zwischen den Thürpfosten. Es entstand ein Ringen zwischen den Ehegatten. Sie glaubte, seiner leicht Herr werden zu können, wie bereits manch liebes Mal in früherer Zeit, sich zur Wehr zu sehen, hatte er noch nie gewagt.

Aber sie fand einen ganz Anderen in ihm, heute. Er drang auf sie ein. Den wuchtigen Hieben seiner schweren Fäuste vermochte sie nicht Stand zu halten. Sie versuchte loszukommen von ihm, er hielt sie wie in eiserner Umklammerung. Sie schrie und wehrte sich, wie eine Verzweifelte. Aber es gab kein Ent­kommen. Er hielt sie mit einer Hand und gebrauchte die andere wie einen Hammer." Mei Geld!" gröhlte er, zwischen den einzelnen Schlägen:" Mei Geld! Gieb mei Geld raus?"

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,' s Geld friegst De ne!" sagte sie mit weißem Gesicht. Der Kampf ging weiter. Therese war keine schwächliche Frau; sie brachte ihn mehrfach zum Wanken. Aber gegen seine ungeschlachten Kräfte konnte sie auf die Dauer doch nichts ausrichten.

Karl Büttner glich einem wilden Thiere in seiner Wuth. Niemand hatte ihn je so gesehen; das Ge­sicht gänzlich verzerrt, mit geiferndem Munde und funkelnden Augen. Das war nicht mehr der vom Bater ererbte trogige Bauerngrimm zum Thiere war der alte Traugott Büttner nie geworden, auch im Zorne nicht. Das mußte von weiter her kommen. Zurückgedämmte Wildheit brach hier durch, niedere Triebe stiegen aus einem dunklen, lang ver­deckten Abgrunde ursprünglicher Verwilderung auf. Therese hielt sich tapfer. Bleich wie Leinewand, stöhnte sie mit versagender Stimme:' s Geld friegst De ne! Und wenn De mich tutschlägst!"

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Er raufte ihr das Haar, riß ihr die Kleider in Stücke. Dann faßte er sie plößlich mit beiden Armen um den Leib, hob sie auf und warf sie zu Boden, wie ein Bündel. Er stolperte dabei, fiel über sie hin, lag auf ihr und schrie ihr in's Ohr: " Mei Geld! Giebst De mei Geld raus?"

Sie lag da mit geschlossenen Augen. Schon griff er nach ihrem Hals, um die Ohnmächtige zu wirgen, als er sah, daß Blut unter dem Haar her­vordrang: ein dünner rother Faden, der über die Stirn, an der Nase hin, nach dem Munde zu eilte. Da hielt er inne; hiervor erschrak selbst die bestialische Wuth. Er erhob sich, betrachtete sie. Die Frau sah schrecklich aus, mit ihrem zerfetzten Haar und dem entblößten Busen.

Er zog sich unwillkürlich vor dem zurück, was er angerichtet hatte. Ihm ward schwiil; die Beine versagten ihm plößlich den Dienst. Er schlug auf das Bett hin. In wenigen Minuten schnarchte er, die Glieder weit von sich streckend.