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Herstellung künftlicher Diamanten.

Von H. Gerstmann.

I.

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

te Sehnsucht nach großem Reichthum und das ihr verwandte Streben, über werthvolle Energie nach eigenem Willen und unabhängig von der übrigen Welt zu verfügen, trieben die Menschen schon seit langer Zeit zu Versuchen, Gold aus minder werthigen Stoffen herzustellen und ein Perpetuum mobile zu erfinden. Erst in verhältnißmäßig neuer Zeit gesellte sich als Dritter im Bunde dazu der Wunsch, Edelsteine künstlich zu erzeugen.

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Die Erkenntniß, daß im Weltall eine bestimmte Menge von Kraft vorhanden ist, die wohl sehr ver­schiedene Gestalten annimmt, die aber weder ver­mehrt noch vermindert werden kann, liefert den Beweis, daß ein Perpetuum mobile ein Apparat, der ohne Kraft zu verbrauchen, Arbeitsleistungen pro­duziren könnte, der also die auf der Welt vorhandene Kraftmenge vermehren würde ein Widersinn ist und daß diejenigen Menschen, die heute noch ihre Zeit, ihr Geld und ihren an sich oft nicht einmal geringen Scharfsinn darauf verwenden, diesem Phan­tom nachzujagen, vielleicht schon den Geisteskranken zuzurechnen sind.

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Nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ist Gold ein Element, läßt sich also nicht aus anderen Körpern zusammensetzen und nur aus solchen her stellen, in welchen es schon vorher vorhanden war. Es ist möglich, daß eine weiter vorgeschrittene Wissenschaft zu der Erkenntniß führt, daß Gold doch kein Element ist, sondern ein zusammengesetzter Körper und daß dieser sich aus geringwerthigen Stoffen herstellen läßt; heutzutage aber muß man die Versuche, Gold künstlich herzustellen, ebenso wie das Jagen nach dem Perpetuum mobile als Irr­wahn bezeichnen. Dagegen hat die jüngste der drei genannten Bestrebungen, die nach der Herstellung tiinstlicher Edelsteine, zu reellen Resultaten geführt, wenngleich auch hier noch bei Weitem nicht alle Wünsche erfüllt sind, denn die künstlich erzeugten Diamanten sind viel zu klein, um wie die von der Natur gelieferten verwerthet werden zu können, und ihre Herstellung ist noch viel zu kostspielig, als daß man davon reden könnte, die künstlichen Diamanten seien wohlfeiler, als die natürlichen, was doch schließ­lich das Endziel aller auf diesem Gebiet sich be­wegenden Bestrebungen ist. Schon die Thatsache, daß die Anfertigung künstlicher Edelsteine, nament lich die der Diamanten, in einem gewissen Grade wirklich gelungen ist, läßt es als wahrscheinlich erscheinen, daß man sich mit diesem Gegenstande zu einer Zeit zu beschäftigen begann, in der man nicht fritiflos und gleichsam blindwüthend auf allerlei Probleme sich stürzte, sondern daß man sich dabei auf Erwägungen wissenschaftlicher Natur stiißzte. In der That: Im Beginn des jetzt seinem Ende sich zuneigenden Jahrhunderts hatte die analytische Chemie schon eine relativ bedeutende Entwickelung erreicht, wenn sie auch weit entfernt war, mit der heutigen, auf so viele inzwischen aufgefundene technische Hülfs­mittel und Kunstgriffe gestüßten verglichen werden zu dürfen. Wenn es Ausgangs der zwanziger Jahre Justus von Liebig gelungen war, einen organischen Körper künstlich herzustellen, das heißt ein Gebilde, das sonst nur in der geheimnißvollen Werkstätte des thierischen oder menschlichen Leibes gebaut wird, in seinen Retorten und Schmelztiegeln zu konstruiren, so brauchte man auch den Versuch, die so viel einfacheren und doch sicher in irgend einer Weise im Erdinnern entstandenen Edelsteine selbstständig zu erzeugen, nicht als Utopie anzu­sehen. Kein geringerer als Alexander von Hum­ boldt ist es, der die Worte schrieb:" Wo die leitende Idee des Studiums chemischer Verbindungen erweitert wird, kann auch aus dem engen Raum unserer Laboratorien sich ein helles Licht über das weite Feld der Geognosie und die große unterirdische, Gesteine bildende und Gesteine umwandelnde Werk­stätte der Natur verbreiten"( Kosmos I).

Noch etwas Anderes kam dazu: Gilhard Mitscher lich, der große Bahnbrecher der Chemie und Geologie,

fand schon im Beginn der zwanziger Jahre in den Schlacken von Hochöfen gewisse Mineralien, die in dem Erz, mit dem der Hochofen beschickt war, nicht enthalten gewesen waren; diese sonst als Natur­produkte in der Erde gefundenen Mineralien, wie Augit, Glimmer u. A. waren also in der Gluth des Ofens entstanden. Damit war der Beweis geliefert, daß im Schmelzofen sich dieselben Be­dingungen zusammengefunden hatten, die damals herrschten, als die betreffenden Mineralien entstanden, herrschten, als die betreffenden Mineralien entstanden, oder wenigstens die Bedingungen, welche den bei Entstehung jener Mineralien vorhandenen Zustand der Erde erfeßen konnten. Hierdurch war nicht nur gezeigt, daß Mineralien und in dieser Beziehung besteht zwischen den für Menschen werthlosen und den werthvollen Mineralien, den Edelsteinen, fein Unterschied künstlich hergestellt werden können, sondern es war auch die genaue Richtung angegeben, in der man arbeiten mußte, um diese künstliche Her­stellung willkürlich wiederholen zu können.

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Man hatte schon aus anderen Erfahrungen ge­lernt, daß bei der Bildung chemischer Körper die Temperatur und der Druck eine große Rolle spielen. Man mußte also festzustellen suchen, welcher Tempera­tur und welchem Druck die im Hochofen befindlichen Körper in den verschiedenen Stadien der Hochofen­operation unterworfen gewesen waren, und diesen verschiedenen Zuständen mußte man die Körper, aus denen die Edelsteine sich erfahrungsgemäß zusammen­seßen, in systematischem Forschen und planvollen Probiren so lange ausseßen, bis eben diejenigen gefunden waren, die sich dadurch als die richtigen erwiesen, daß das gesuchte Mineral unter ihrer An­wendung entstand..

Während aber der eine Theil der Forscher in dieser Richtung arbeitete, glaubte ein anderer Theil, die Gesteine, welche jetzt die Erde zusammensetzen und zu denen auch die gesuchten Edelsteine gehören, hätten sich nicht durch Einwirkung hoher Tempera­turen und der in ihrer Folge entstandenen gewalti­gen Dampfdrucke gebildet, sondern lediglich durch die auflösende Gewalt des Wassers. In Tausende, ja Hunderttausende von Jahren hindurch dauernd fortgesetter Einwirkung habe das Wasser alle übrigen vorhandenen Körper, auch die härtesten und wider­standsfähigsten, allmälig zersetzt. Wenn dann das Lösungswasser verdunstete, blieb ein aus außer ordentlich kleinen Partikelchen der verschiedenartigsten Stoffe bestehender, ungemein feiner Schlamm zurück, und aus ihm setzten sich in wieder durch Jahr tausende hindurch sich erstreckender allmäliger Aus­trocknung alle die verschiedenen, zum Theil sehr komplizirt gebauten Minerale und Erze zusammen, welche wir heute in den Tiefen der Erde finden.

Gewiß, sagten diese Geologen, in der Gluth des Hochofens haben sich auch einige der in der Erde vorkommenden Minerale gebildet, aber das beweist nur, daß zur Bildung einiger weniger Gesteinsarten verschiedene Wege möglich sind, darum aber wird es noch nicht möglich sein, jedes beliebige Gestein im Feuer zu erzeugen, während der natürliche Gang der Entwickelung zeigt, daß es möglich sein muß, aus Gesteinslösungen jedes beliebige Gestein durch Austrocknen herzustellen.

Man muß zugeben, daß diese Theorie eine gewisse Unterstützung in der modernen Lehre findet, nach der durch bloße Auflösung im Wasser die festen Körper nicht bloß in Moleküle zerlegt werden, son­dern sogar in isolirte Atome, während man früher erklärt hatte, isolirte Atome fönnten überhaupt nicht erklärt hatte, isolirte Atome könnten überhaupt nicht und in keiner Gestalt bestehen. Es ist klar, daß aus isolirten Atomen sich viel leichter die verschieden artigsten Körper zusammenseßen können, als wenn als Bausteine nur die an sich schon manchmal recht ver­wickelt gebauten Moleküle zur Verfügung stehen.

Es zeigte sich übrigens, daß die beiden ver­schiedenen Ansichten über die Entstehung unserer Erdrinde, die vulkanische und neptunische, sich sehr wohl mit einander vereinigen lassen. Man fand nämlich später die überhizten Lösungen, und es ist sehr wohl denkbar, daß auch in früheren Stadien der Erdbildung überhizte Lösungen eristirt haben, in denen die Körper, welche wir heute als Minerale und Erze kennen, zugleich unter der Einwirkung eines

sehr verdünnenden Lösungsmittels und sehr hoher Wärmegrade standen.

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Doch sei dem nun, wie ihm sei jedenfalls wurden um die Mitte unseres Jahrhunderts Versuche zur fünstlichen Herstellung von Mineralien, besonders von Edelsteinen sowohl nach der vulkanischen, als auch nach der neptunischen Richtung vielfach gemacht. Das Prinzip der ersteren Richtung war, die die Minerale zusammenseßenden Körper zu verdampfen und ihren Dampf einem hohen Druck auszusetzen, unter dessen Einwirkung aus dem sich abkühlenden Mineraldampf sich die gesuchten Körper bilden sollten. Zur Erzeugung der großen Hiße konnte man sich nicht etwa metallener Defen bedienen, denn jedes zur Verfügung stehende Metall wäre bei der kolossalen Erwärmung, um die es sich hier handelte, unbedingt geschmolzen, sondern man erbaute Oefen aus feuer­festem Thon, wie man ja auch in neuester Zeit bei Anstellung gewisser anderer Untersuchungen, bei denen man ebenfalls außerordentlich hoher Tempera­turen bedarf und bei denen der aus einer so erfolg­reichen Thätigkeit leider jäh herausgerissene Viktor Meyer in Heidelberg als einer der verdienstreichsten Forscher genannt werden muß, Defen aus besonders zu diesem Zwecke gebildeten Porzellan verwendet.

Diejenigen, welche das wirksame Prinzip in der Auflösung der Körper ansahen, mußten darauf ver­zichten, als Lösungsmittel dasjenige anzuwenden, was in der Natur als das allerverbreitetste vor­kommt und in dem auch nach ihrer eigenen Theorie in der Erde alle Körper gelöst gewesen waren: das Wasser. In den vielen Jahrtausenden, die der Aufbau der Erde erforderte, konnten sich eben, wie schon erwähnt, im Wasser auch sehr harte Körper allmälig lösen; dem Menschen stehen aber leider nur sehr kurz bemessene Zeiträume zur Verfügung, und um in ihnen die nöthigen Lösungen herzustellen, mußte man sich scharfer, äßender Flüssigkeiten, Säuren und Laugen bedienen.

So arbeitete denn eine große Reihe eifriger und verdienstvoller Naturforscher verschiedener Nationen, wie der schon erwähnte Mitscherlich, Gurlt, Desprez , Becquerel, Ebelmen, Gaudin, Forchhammer, James Hall, Silliman, Hutton, Cagniard de Latourum nur einige Namen herauszugreifen. Das Resultat ihrer Mühen war die Herstellung von einer ganzen Reihe der Gruppe der Edelsteine angehöriger Minerale, wie Gorund, Türkis, Rubin . Merkwürdiger Weise war es sehr schwierig, beim Analysiren der natür­lichen Edelsteine zu finden, welcher Stoff jedem einzelnen die ihn charakterisirende Farbe verleiht, während im Uebrigen die Zusammensetzung relativ leicht festzustellen war. Jene Schwierigkeit erklärt sich aus dem Umstande, daß die Farbstoffe nicht etwa, wie man vielleicht nach dem äußeren Anschein zu glauben geneigt sein möchte, in großen Mengen beigemischt sind, sondern nur äußerst spärlich; darum bedurfte es auch großer Anstrengung, dem fünstlichen Edelstein die Färbung des natürlichen zu geben, ja sehr oft war dies garnicht möglich, während der künstliche Edelstein dem natürlichen in allen übrigen Eigenschaften, wie Zusammensetzung, Härte, spezifischem Gewicht, Krystallform, Lichtbrechung völlig glich aber so lange die Farbe des künstlichen Edelsteins nicht die des natürlichen ist, ist eben auch der natür­liche Edelstein nicht erreicht. Sehr viele der wirklich hergestellten künstlichen Edelsteine haben als Haupt­bestandtheil die Thonerde, jenen weit verbreiteten Stoff, der sich in immer steigendem Maße als einer der dem Menschen nüßlichsten erweist. Aus Thon­erde verfertigen wir alle unsere feramischen Gebrauchs­artikel: Töpfe, Teller, Oefen, Wasserleitungs- und ähnliche Röhren, aus Thonerde stellen wir das so. interessante und zukunftsreiche Aluminium her, aus Thonerde bilden sich also auch sehr viele unserer zierlichsten und schönsten Edelsteine.

Der Erste aller Edelsteine jedoch ist ohne Frage der Diamant, und auf seine Herstellung namentlich wurden sehr viele Anstrengungen gemacht. Die Zusammensetzung des Diamanten macht die geringsten Schwierigkeiten. Er ist garnicht zusammengefeßt, sondern besteht aus reiner Kohle, ist also nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ebensogut wie das Gold ein Element. Um so schwieriger aber ist es,