Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
die gewöhnliche Kohle in diejenige Kohlemodifikation umzuwandeln, die wir als Diamant bezeichnen. Auch hier machte sich die neptunische Lehre neben der vulkanischen geltend. Mehrere Forscher wiesen auf die Thatsache hin, daß man in Diamanten hier und da solche Mineralien eingeschlossen findet, die that sächlich keine sehr hohe Temperatur aushalten können, ohne sich in andere Körper zu zersetzen, und sie folgerten daraus, daß auch der Diamant nicht unter der Einwirkung hoher Temperaturen entstanden sein kann. Es hat sich speziell die Theorie herausgebildet, daß aus Kohlenwasserstoffen, also Störpern von der Art unseres Petroleums und Karbols, durch allmälige Entfernung des Wasserstoffs sich schließlich als rein zurückbleibende Kohle der Diamant gebildet habe. Justus von Liebig neigt dieser Ansicht zu. Andere Forscher aber glaubten schon vor längerer Zeit, daß große Hize und großer Druck nöthig seien, um den Diamanten entstehen zu lassen. Sillimann machte schon im Jahre 1823 dahingehende Versuche. Er
( Fortsetzung.)
chweigend schritt das Ehepaar seiner Wohnung zu. Erst als sie daheim waren, nahm Marie das Wort:
,, Sag', ist sie eigentlich eine Wittwe?"
Was denn sonst?" Die Frage reizte ihn. Sie schwieg wieder, dann sagte sie plötzlich und mit einer Leidenschaft, wie er sie noch nie an ihr bemerkt:„ Ich mag sie nicht!"
,, So, und warum denn nicht?"
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Weil... weil... sie hat solch ein Benehmen, ich weiß nicht... solch ein Benehmen... so herausfordernd und zudringlich. Es geht etwas Unreines von ihr aus!"
Du bist nicht recht gescheut!" Er lachte laut auf. Also Alles, was über Deine Alltagsmoral hinausgeht, ist unrein? Kostbar! Nun, beruhige Dich. Du hast Dich ja von einer so glänzenden Seite gezeigt, daß sie Dir ihren Verkehr kaum aufdrängen wird."
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Aber Du wirst mit ihr verkehren?"
" Ja, das werde ich! Da soll mich keiner dran hindern! Du schon garnicht! Niemals! Hörst Du? Niemals! Was weißt Du überhaupt von dem Charakter dieser Frau? Ich verbitte mir jedes Wort über sie!" Er wandte sich nach seiner Arbeitsstube.
Sie blieb eine Weile sizen ohne sich zu rühren, dann stürzte sie plößlich auf, riegelte die Thür zu, warf sich auf das Sopha und weinte.
Sie gingen zusammen nach dem SudermannAbend, und er las ihr am Sonntag seine Arbeiten
vor.
Sie verplauderten einen Nachmittag in der Kunstausstellung und waren dann wieder in dem dichtgefüllten Saal einer sozialdemokratischen Volksversammlung beieinander. Sie war unermüdlich im Entdecken von Vorträgen, Schaustellungen oder sonstigen anregenden Neuheiten, die ihn interessiren konnten, und die sie natürlich dann zu Zweien auf suchten. Es verging bald fein Tag, an dem sie nicht zusammen waren.
Er ließ sich gern von ihr leiten und führen. Der Neiz, die Freuden des Lebens in Gesellschaft einer anmuthigen und interessanten Frau zu genießen, war ihm zu neu, als daß er sich ihm hätte entziehen können. Das ungenirte Kameradschaftliche ihres Verkehrs, ihre unverwüstliche Heiterkeit fesselten ihn immer von Neuem. Die Bewunderung und das Interesse, das sie seinen Arbeiten und Studien entgegenbrachte, machten sie ihm unentbehrlich.
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Sie war nicht gerade flug, aber sie besaß die seltene Fähigkeit, über Alles, was gerade aktuell war, au fait zu sein und hatte außerdem die Gabe, graziös plaudern und zuhören zu können. Sie ließ sich überhaupt viel lieber unterhalten, als daß sie selbst mit einem Urtheil herauskam. Es war nicht gerade Liebe, was er für sie empfand, aber eine leidenschaft lich verehrende Freundschaft. Sie war ihm sein zweites Ich geworden, dem er rückhaltslos vertraute, imd mit dem er alle, auch feine innersten Empfin
ging aber nicht aus von der gewöhnlichen, allbekannten Kohle, sondern von der dritten Form, in der sich die Kohle vorfindet, nämlich vom Graphit, also von derjenigen Modifikation, aus welcher sich unsere Bleistifte zusammenseßen. Sillimann glaubte schon damals, daß der Graphit sich schmelzen lasse, und zwar bediente er sich schon zur Hervorbringung der dazu nöthigen außerordentlich hohen Temperatur einer galvanischen Batterie. Cagniard de Latour folgte ihm 1828 auf dem gleichen Wege, und er glaubte dadurch schon minimale Diamanten hervorgebracht zu haben, andere Gelehrte aber, denen er diese kleinen, natürlich nur mit außerordentlicher Mühe zu analy= firenden Krystallchen zur Nachprüfung übergab, meinten, firenden Krystallchen zur Nachprüfung übergab, meinten, er habe sich geirrt. Nicht besser erging es Despreß, der 1853 die Sache wieder aufnahm und die Einwirkung der durch die Elektrizität hervorgerufenen Hize dadurch verstärken wollte, daß er sie sehr lange andauern ließ. Nachdem er den elektrischen Strom mehrere Monate hindurch gleichmäßig und ununter
Schuldige. 。
Novelle von Dorothee Goebeler.
dungen berieth und besprach. Von Marie war nie mehr die Rede zwischen ihnen. Sie fragte nicht, und er sprach nicht von ihr. Er war seiner Frau in dieser Zeit völlig fremd geworden, aber er machte sich deshalb keine Vorwürfe. Sie hatte niemals einen geistigen Verkehr mit ihm beansprucht, war ihm sogar seit der Geburt des Kindes direkt aus dem Wege gegangen; daß er sich jetzt an die Freundin anschloß, that ihren Rechten also keinen Abbruch, und direkt untreu war er ihr ja nicht wollte es auch nicht sein.
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Gegen Ende des Sommers wurde ihm eine große Freude zu Theil. Seine ersten literarischen Versuche, eine Reihe von Essays über„ Die psychologischen Symptome der Moderne", waren in einer Monatsschrift erschienen und hatten nicht unbedeutendes Aufsehen erregt. Sturze Zeit nach ihrer Veröffentlichung erhielt er von einem Verlag die Aufforderung, den kleinen Versuch zu einem ganzen literaturgeschichtlichen Werk auszuarbeiten und dieses dann unter glänzenden Bedingungen erscheinen zu lassen. Die Nachricht versetzte ihn in einen förmlichen Freudenrausch, nach jahrelangem Entsagen ein Erfolg, wie er ihn nicht einmal in seinen fühusten Jugendträumen zu hoffen gewagt. Sein erster Weg galt Hella Grabow. Sie lauschte ihm mit jener ruhigen Aufmerksamkeit, die sie immer für ihn übrig hatte, und die ihn stets von Neuem bei ihr entzückte. Als er geendet, schüttelte sie etwas erstaunt den Kopf:„ Lieber Freund, das war doch vorauszusehen! Habe ich Ihnen nicht immer prophezeit, daß etwas Großes aus Ihnen wird?"
" Großes! Das nicht!"
„ Und doch Großes!" Sie nickte lebhaft, dann spielte plöglich ein strahlendes Lächeln um ihren Mund:" Wissen Sie, eigentlich müssen wir aber den heutigen Tag doch feiern. Wollen wir?"
Er verneigte sich:" Machen wir. Aber wie? Schlagen Sie etwas vor." Darf ich?"
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" Jeder Ihrer Wünsche ist Befehl!" „ Schön! Also, was meinen Sie zu einem Ausfluge? Sagen wir nach Wannsee ?" Angenommen, und Liddy kommt mit!" „ Liddy?" Sie sah erstaunt auf. Liddy?"
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„ Warum
,, Nun, ist das nicht selbstverständlich? Ich hab' mir schon oft genug Vorwürfe gemacht, daß meine Freundschaft Sie Ihrem Töchterchen entzieht. Heute in's Grüne könnte sie doch mitkommen."
Sie war bei seinen letzten Worten an den Blumentisch getreten und zupfte an einer Geranienblithe; nun drehte sie sich um:„ Schön also!... Liddy kommt mit. Wollen Sie nicht Ihre Gattin auch auffordern?" Es lag ein feiner Spott in ihrer Stimme. Er überhörte ihn indessen und sagte ruhig: ,, Sie wissen ja, daß Marie nicht ausgeht. Apropos, wo treffen wir uns?"
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brochen in Anwendung gebracht hatte, bemerkte er an der Spiße der einen der beiden Kohlen, zwischen welchen der elektrische Lichtbogen sich ausdehnt an der negativen der negativen einige kleine weiße Körper, welche er für Diamanten hielt; andere Gelehrte erklärten, es seien keine solchen. Der Engländer Marsden versuchte zu Beginn der achtziger Jahre Diamanten dadurch herzustellen, daß er Silber oder Platin in einer Umhiillung aus Zuckerkohle auf eine hohe Temperatur erhizte; in dieser Hize nimmt das Metall etwas von der Kohle in sich auf, welche bei der dann folgenden Abkühlung wieder ausgeschieden wird, und zwar in allerlei Gestalten; Marsden fand darunter auch einige kleine Krystalle, welche er für schwarze Diamanten erklärte; es kann sein, daß sie alle übrigen Eigenschaften der Diamanten besaßen, aber eine sehr wichtige Eigenschaft fehlte: Sie waren nicht durchsichtig.
In ein ganz anderes Stadium gerieth die Herstellung fünstlicher Diamanten durch Henri Moissan .
( Schluß folgt.)
„ Ich denke, um vier Uhr am Bahnhof 300logischer Garten."
Ja, das ist allerdings am bequemſten." Schlag vier Uhr war er am Rendezvousplatz, und ebenso pünktlich sah er sie um die Ecke biegen, aber - allein. Er ging ihr entgegen:„ Nun... Solo?" Sie zögerte etwas:„ Ja, Liddy mußte zu einer Freundin. Wollen Sie lieber hier bleiben?"
"
Wie kommen Sie darauf?"
"
Sie sah ihn an und lachte übermüthig, dann nahm sie den Schirm und klatschte ihn damit auf den Arm:„ Mensch, wissen Sie auch, daß Sie noch immer ein schrecklicher Pedant sind?"
"
Wieso?"
Allein sie konnte nicht mehr antworten, denn der Zug fuhr in die Halle, und sie mußten einsteigen.
Dann saßen sie im Coupé, und nun erst hatte er Muße, sie genauer zu betrachten. Sie trug ein Kostüm, in dem er sie noch nie gesehen: ein schwarzes Tüllkleid, das ihre schönen Formen scharf hervortreten ließ, die wundervollen weißen Arme und der edel gebogene Nacken schimmerten unter dem duftigen Stoff wie Elfenbein. Stoff wie Elfenbein. Sie sah noch frischer und jugendlicher aus als sonst. Dazu ging ein feines, berauschendes Parfüm von ihr aus, und um ihre vollen, rothen Lippen lag ein weicher, sehnsüchtiger Zug. Er meinte, sie noch nie so gesehen zu haben. Die Enge des überfüllten Coupés zwang sie, dicht zusammen zu rücken, ihr weicher, warmer Körper schmiegte sich an den seinen, er fühlte ihre duftige Wärme zu sich hinüberfluthen, und eine schwüle Gluth stieg in ihm empor, ein eigenartiges, dumpfes Gefühl, das ihm Unbehagen erregte.
Er riß das Fenster auf und ließ die frische Luft herein, allein das Unbehagen blieb, und erst als sie draußen im schwedischen Pavillon am Wasser saßen, fand er seine fröhliche Stimmung wieder. Hella riß ihn mit fort. Sie war heute von strahlendem Uebermuthe. Eine sonnige, belebende Heiterkeit ging von ihr aus, und als sie nach dem Kaffee in den Wald gingen, jagten sie sich durch die Büsche wie zwei übermüthige Kinder.
Dann lagerten sie sich am Ufer der Havel im Grase, sie wand einen Kranz aus Haideblumen und sah lachend zu ihm auf:„ So, das wird Ihr Ruhmesfranz, Ihr erster. Ich werde ihn Ihnen selbst auf die Locken drücken. Kommen Sie einmal her."
Sie schlang den Arm um seinen Nacken und bog sein Haupt zu sich hinunter. Ihr rother Mund war dicht vor dem seinen, so dicht, als wolle er sich zum Kusse bieten, ihre halbverschleierten, feuchten Augen leuchteten mit einem heißen, verlangenden Blick zu ihm empor, der feine Duft, der von ihr ausströmte, legte sich schwer auf seine Sinne. Wieder stieg das alte Unbehagen in ihm auf, und mit einem jähen Ruck machte er sich frei:„ Ach, nein, nicht lassen Sie das!"
Sie wich zuriick, und eine brennende Röthe stieg