224
Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
in ihr Gesicht. Ohne ein Wort zu erwidern, warf sie den Kranz in den Fluß und stand auf: Wollen wir nicht gehen?"
" Ja, kommen Sie!" Er erhob sich. Langsam schritten sie am Ufer hin. Ihre Brust hob und senkte sich, ihre Augen gingen gerade aus, sie war offenbar hoch erregt. Er beobachtete sie eine Weile schweigend, dann fragte er: Zürnen Sie mir?"
" 1
Aber was ist Ihnen?"
Nichts."
"
-
" Nein."
hört, der Einen versteht? Niemand! Niemand!" Sie brach in ein konvulsivisches Schluchzen aus. „ Ja... aber mein Gott... ich weiß garnicht.." er war völlig konsternirt.„ Bitte, be,, Bitte, beruhigen Sie sich doch! Sie wissen doch, daß ich immer Ihr Freund bin. Ihr bester Freund! Hat es Sie wirklich so gekränkt, daß ich den Kranz zurückwies?"
Sie schwieg, aber nach einer Weile blieb sie stehen und trocknete die Augen:„ Neden wir nicht
Wieder eine lange Pause; er nahm ihre Hand: mehr davon... Sie verstehen mich auch nicht... ,, Sagen Sie mir, was Ihnen fehlt!" Sie sind eine furchtbar kalte Natur."
Sie stand vor ihm wie ein troßiges Kind und schlug die Augen nieder, ohne zu antworten. Dann riß sie sich los, und nun kam es über ihre Lippen, heiß, leidenschaftlich, ruckweise: Liebe will ich!" will ich!" " Frau Hella!"
Sie warf ihm einen zornigen Blick zu:„ Ja, Liebe will ich! Das wundert Sie wohl? Denken Sie wirklich, daß es glücklich macht, so allein zu stehen in der Welt? Niemand zu haben, der Einem ge
#
Wie. wie meinen Sie das?"
,, Ach, lassen Sie doch!... Nichts... wirklich nichts, nur eine Stimmung. Da ist übrigens der Pavillon, lassen Sie uns soupiren, und- lustig lustig sein." Sie brach in ein forcirt übermüthiges Lachen aus:„ Trinken wir Bier oder Bowle? Ich meine Bowle."
" Oder Sekt? Was meinen Sie einmal zu Seft? Zur Feier des Tages?" Er versuchte gleichfalls
einen scherzhaften Ton, und sie stimmte sogleich ein: " Jawohl: Zur Feier des Tages!""
Als sie sich später vor ihrer Hausthür trennten, sagte sie noch einmal:" Nicht wahr, Sie vergessen das vot heute?" Er vergaß„ das" aber dennoch nicht. Ihr wildes„ Liebe will ich!" klang ihm in den Ohren. Was für Liebe meinte sie? Hatte sie wirklich nur die Zurückweisung des Kranzes verdrossen und an seiner Freundschaft zweifeln lassen? Oder wollte sie doch eine andere Liebe haben, seine Liebe? Hatte das schöne, innige Verhältniß, das fie verbunden, bei ihr etwa tiefere Gefühle erweckt? Der Gedanke erregte in ihm nervöse Unruhe. Er wußte zu gut, daß er solche Empfindungen niemals würde erwidern können. Er war in der That eine kalte Natur, ein viel mehr geistiger als sinnlicher Mensch. Was er brauchte und ersehnte, war eine geistvolle Freundin, die mit ihm zusammen strebte und arbeitete, wie Hella das bisher gethan. Sollte er diese Freundin jetzt verlieren? In sorgenvollem Sinnen schritt er heim. ( Schluß folgt.)
-
Ein Monumentalbrunnen. Noch hartnäckiger als die Maler haben sich die Bildhauer unseres Jahrhunderts gegen das Eindringen der naturalistischen Form in ihre Stunft gewehrt. Wie, in der Kunst, in der die alten Griechen, die schönheitstrunkenen, den Kanon ewig vor= bildlicher Gestalten, Körper von einer unendlichen Anmuth und Harmonie geschaffen haben, sollte die häßliche, gemeine Wirklichkeit ihren Einzug halten? An die Stelle des vollendeten Ebenmaßes und Liebreizes, der„ edlen Einfalt und stillen Größe" der antiken Statuen sollten die unschönen Linien der Menschen von heute treten? Nein! Kommende Geschlechter haben nichts Besseres zu thun als jenen erhabenen Vorbildern nachzueifern, und glücklich sollte der sein, der ihnen nahekommt; denn sie zu übertreffen ist unmöglich. Also sprachen die Kunstgelehrten, und lange Zeit waren die Künstler ihre gläubigen Schüler. Die Entwickelung ging aber über diese Schönheitsfanatiker hinweg. Ein jüngeres Geschlecht kommt auf, dem die Herbe des wirklichen Lebens Darstellungswürdiger erscheint, die Götter und Helden müssen den Bildern hart arbeitender Menschen, die das Leben gezeichnet, Plaz machen. Ja, man prüft auch die Werke der Griechennachfolger mit schärferem Blick und findet, daß sie den Alten nur die äußere Form abgesehen haben. Der innere Gehalt fehlt ihren Werken, es ist ein Spiel mit leeren Formen. So entwickelte sich eine plastische Kunst, die in geradem Gegensatz zu dieser älteren, auf rein formale Schönheit ausgehenden Richtung steht. Ihre Prinzipien bilden sich aus in Anlehnung an den Naturalismus der Malerei. Das Wesen eines Dinges zu geben, die charakteristischen Züge herauszuarbeiten und ein Bild von ihm zu gestalten, das zu leben scheint, das wurde das Hauptziel der neuen Kunst.
Der Monumentalbrunnen, den Ludwig Manzel für Stettin entworfen hat, ordnet sich durch seine Hauptfigur in den Kreis dieser Bestrebungen ein. In diesem Weibe, das hochaufgerichtet dasteht, hat er ein Bild fraftvollen Lebens geschaffen. Durch die Attribute, das große Segel und den starken Anker, ist es genügend gefennzeichnet: es ist die Verförperung der Handelsschifffahrt. Ein Weib aus dem Volke ist es, arbeitsgewohnt, mit sehnigent Körper und muskelstarkem Arm. Alles an ihm bezeugt die Kraft, die in diesem Körper lebt: die Haltung, der zurückgeworfene Kopf, die derben Linien ihres Gesichts, der feste Blick, der sich auf das ferne Ziel richtet. Alles giebt den Eindruck des Lebens. Ein ganz bestimmter Typus hat dem Künstler vorgeschwebt, wie man ihn in der deutsch - slavischen Mischbevölkerung der Ostseeprovinzen findet. Dem Kleide sogar ist sein natürlicher Stoffcharakter gewahrt. Wer das Werk selbst sähe, würde das noch besser feststellen können. Und doch liegt etwas darin, was die Natur selbst nicht ge= geben. Die Linien sind vereinfacht, stiliſirt. Zunächst hatte man in der Plastik geglaubt, den lebenswahren Eindruck nur erreichen zu können, indem man jede Einzelheit der Natur getreu wiedergab, dann aber lernte man dieselbe Wirkung auch erzielen, wenn man bestimmte große charakteristische Linien stärker hervortreten ließ. Auf diese Weise kommt ein großer Schwung in die Komposition. Gerade bei Manzels Figuren fällt der große Fluß der Linien auf, in den Umrissen sowohl wie in den einzelnen Linien des Segels wie der Falten.
Der dominirenden Frauengestalt sind drei andere beigegeben, die bestimmt sind, die zu Grunde liegende Idee weiter auszuführen. Ihr Postament ist ein Schiff, deffen Spize nach Wikingerart in einen Geierschnabel ausläuft. Auf dem Bug fist, den Oberkörper auflehnend, in gespannter Haltung Hermes, der Gott des Handels
aus.
Feuilleton.
-
doch noch eine griechische Neminiscenz und lugt scharf Ein gewaltiger Aufbau von Felsen, der Meeres= grund, trägt das Ganze. Muscheln und groteske Fische bedecken ihn. Zu beiden Seiten schieben kräftige Weiber das Schiff vorwärts die Symbolisirung der Meereswellen, von denen das Schiff dahingetragen wird.
-
Bei einer solchen Gruppendarstellung kann es nicht genügen, jede einzelne Figur lebenswahr zu bilden. Sie müssen auch in Beziehung zueinander gesetzt werden. Ein bestimmter Aufbau, eine Komposition muß alle Elemente in eine einheitliche Wirkung zusammenfassen. So sind die Figuren bei unserem Brunnen zu einem Dreieck aufgegipfelt, das in den mächtigen Felsblöcken seine Basis und in der aufragenden Figur des Weibes seine Spizze hat. Damit aber diese Spize dem Unterbau gegenüber nicht zu winzig erscheine, ist ihr in dem breit ausladenden Segel ein Gegengewicht gegeben.
Die drei Nebenfiguren ordnen sich in allen ihren Bewegungen mit äußerst wuchtiger Wirkung zu einem unaufhaltsamen vordringenden Zuge. Der muskulöse Körper des Hermes giebt in seinen vorwärts strebenden Linien die starke Bewegung des Schiffsschnabels wieder, und ebenso strebt eine Linie von den Füßen des Weibes bis zu dem Geierschnabel in einem einzigen Zuge nach vorn und aufwärts. Um so stärker hebt sich hiervon die Gestalt der Hauptfigur in ihrer gesammelten Kraft ab.
-
Das Funkeln der Sterne. Der Anblick des gestirnten Himmels, dieses erhabene Schauspiel, wird häufig durch das glitzernde Funkeln der Sterne noch zu einem besonders reizvollen gemacht. Bald scheint ein Stern zu verlöschen, bald blizzt er wieder besonders hell auf, und dabei sendet er uns häufig in den Momenten des Aufblizens farbiges Licht zu, bald rothes, bald grünes oder blaues, bald auch wieder glänzend weißes. Dieses prächtige Schauspiel zeigen aber nur die Firſterne, während die Planeten in einem ruhigen, milden Lichte erstrahlen. Auch ist das Funkeln feineswegs in allen Nächten gleich stark. In südlichen Breiten, wo die Luft gewöhnlich außerordentlich ruhig und klar ist, erscheint das Funkeln nur überaus schwach, und in unseren nördlichen Breiten ist es am stärksten und glänzendsten, wenn sich Wasserdampf in der Atmosphäre zu verbreiten beginnt, so daß man aus einem besonders auffallenden Funkeln auf regnerisches Wetter am folgenden Tage schließen kann.
Ist es somit klar, daß der Zustand der Luft ein Hauptfaktor für das Funkeln der Sterne ist, so ist die Art und Weise, wie dasselbe zu Stande kommt, doch durchaus nicht so einfach zu begreifen. Man muß sich hierzu die Thatsache gegenwärtig halten, daß die Ausbreitung des Lichtes durch wellenartige Bewegung im Aether geschieht, und daß durch Zusammenwirken solcher Bewegungen bald eine Verstärkung, bald eine Schwächung, also Auslöschung des Lichtes erfolgen kann. Ob zwei Lichtstrahlen, die von einem Sterne ausgehend auf der Netzhaut des Auges in einem Punkte vereinigt werden, sich dort verstärken oder schwächen, hängt davon ab, ob sie dort mit gleichem oder verschiedenem Schwingungszustand des Aethers auftreffen, und dies wiederum ist davon abhängig, ob sie auf ihrem Wege bis zum Auge stets durch ganz gleichartige Luftschichten gehen. Das ist durchaus nicht der Fall; denn so nahe sie auch neben einander hineilen, so sind doch kleine Unterschiede in der Temperatur, im Druck und Wassergehalt der Luft zu bemerken, welche auf die Geschwindigkeit der Strahlen von Einfluß sind und daher bei den ewigen Schwankungen in der Luft bald eine Verstärkung, bald eine Schwächung des Lichteindrucks im Auge hervorrufen.
-
Das Funkeln selbst, das abwechselnde Aufleuchten und Verlöschen, wird hiernach begreiflich sein, nicht aber das Funkeln in verschiedenen Farben. Doch erklärt sich dies jetzt sehr einfach. Das weiße Licht der Sterne ist, wie das der Sonne, aus unendlich vielen farbigen Lichtstrahlen zusammengesetzt, die sich wesentlich durch die verschiedene Wellenlänge der betreffenden Lichtarten unterscheiden. Verschiedenheiten der Luft wirken auf die Geschwindigkeit der verschiedenfarbigen Lichtstrahlen verschieden ein, und deshalb können z. B. die rothen Strahlen sich verstärken, wenn sich die grünen und blauen in ihrer Wirkung vernichten; der Stern blißt dann roth auf. Bald darauf verstärken sich die grünen oder blauen Strahlen, während die rothen und gelben geschwächt werden; dann blitzt der Stern grün oder blau auf, und bald darauf wieder weiß, wenn sich alle Strahlen verstärken.
Warum aber funkeln nur die Firsterne, die Planeten bagegen gar nicht, oder doch nur viel schwächer? Die Planeten erscheinen uns wegen ihrer größeren Nähe als fleine Scheiben gegenüber den punktförmigen Firſternen, die auch in den stärksten Fernrohren keine meßbaren Größen haben. Jeder einzelne Punkt einer Planetenscheibe wird nun ebenfalls funkeln, aber nicht alle gleichzeitig in derselben Weise; ein Punkt z. B. blitt blan auf, die benachbarten aber roth, oder grün und weiß. Daher heben sie sich in ihrer Wirkung auf, und der Planet erglänzt in um so ruhigerem Lichte, je größer uns seine Scheibe erscheint, der Morgen- und Abendstern 3. B. ruhiger als der Jupiter , und die große Monddt. scheibe in völlig ruhigem Silberglanze.
-
Eine Botschaft. Periandros, der Tyrann von Korinth war zu Anfang seiner Herrschaft milder als sein Vater Kypselos; nachdem er aber in Verkehr gekommen mit Thrasybulos , dem Tyrannen von Miletos, wurde er noch viel blutgieriger als sein Vater. Er sandte nämlich einen Herold an Thrasybulos und fragte an, wie er seine Angelegenheiten auf die sicherste Art einrichtete, um die Stadt wohl zu verwalten. Und Thrasybulos führte den Mann hinaus vor die Stadt, ging auf einen befäeten Acker, und als er das Saatfeld durchwanderte, fragte er den Herold nach seiner Sendung und fragte immer wieder, und dabei riß er immer die Aehren ab, die er hervorragen sah, und warf sie fort, bis daß er den Theil des Saatfeldes, wo das Korn am schönsten und dicksten stand, auf diese Art verwüstet hatte. Als er das Feld durchgegangen, schickte er den Boten wieder fort, und bestellte ihm weiter fein Wort. Und als der Bote zurückgekommen nach Korinth , war Perioandros sehr begierig, den Rath des Thrasybulos zu vernehmen. Der aber sagte: Thrasybulos hätte gar nichts bestellt, und er wundere sich, daß er ihn zu einem solchen Manne geschickt, das wäre ja ein ganz verrückter Mensch, der auf seinen eigenen Schaden ausginge, und nun erzählte er, was er von Thrasybulos gesehen. Periandros aber, der da verstand, was er gethan, und der da überlegte, Thrasybulos riethe ihm, die vornehmsten Bürger umzubringen, fing nun ein entsetzliches Verfahren gegen die Leute der Stadt an; denn was Kypselos übriggelassen und nicht getödtet oder vertrieben, das vollendete nun Periandros. ( Herodotus, Geschichten II.)
Nachdruck des Juhalts verboten!
Alle für die Redaktion der Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.
Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg . Druck: Mar Bading in Berlin .
-
g
T
13
2
11
i
a
e
e
36