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Nr. 29

( Fortsetzung.)

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

uch den Kretscham von Halbenau besuchte Karl öfters. Kachelernst kicherte vergnügt, sobald er des Neffen ansichtig wurde. Mit der Miene des theilnehmenden Verwandten erzählte er ihm auch gelegentlich, was der Alte" mache. Seinen Vater hatte Karl noch nicht wieder gesehen, seit er im Frühjahr nach Wörmsbach gezogen war.

"

Natürlich war Rachelernst äußerst neugierig, zu erfahren, wie es mit des Neffen Gelde stehe. Bald hatte er auch herausbekommen, daß Karl da nicht ' ran dürfe. Die Geschichte ergößte den alten Gauner auf's Höchste; dergleichen Angelegenheiten waren ganz nach seinem Sinne.

Eines Tages fam er mit geheimnißvoller Miene an Karl heran, tuschelte ihm in's Ohr: Wenn er noch etwas von seinem Gelde sehen wolle, möge er sich dazuhalten; Therese sei drauf und dran, ein paar Ziegen davon zu kaufen.

Karl lief spornstreichs nach Haus. Diese Nach­richt hatte den Trägen in Aufruhr gebracht. Therese Ziegen kaufen von seinem Gelde! Jezt wollte er's heraus haben von ihr!

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Aber auf dem Wege von Halbenau nach Wörms= bach hatte er Zeit, sich die Sache zu überlegen. Wenn er was sagte, würde sie's merken, und er hatte wieder das Nachsehen. Diesmal wollte er's schlauer anfangen. Sie hielt ihn zwar für dumm; zehnmal am Tage bekam er einen" Uchsen" an den Kopf geworfen, aber nun wollte er sie grade mal überlisten. Er beschloß, zunächst den Mund zu halten und zu warten.

Am nächsten Morgen zog Therese die Sonntags­Kleider an, band eine frische Schürze darüber und legte ein buntes Kopftuch an. Sie wolle' mal zum " Duchter" gehn, wegen der Kinder, erklärte sie. Er möchte die Töpfe auf dem Herde beobachten und gelegentlich rücken, damit's nicht überkoche. Der freundliche Ton, in dem sie das sagte, war verdächtig.

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Er paßte genau auf jede ihrer Bewegungen auf. Ob sie das Geld schon bei sich hatte? Sie ging in die Kammer nebenan. Er lauschte. Fast klang es, als steige sie auf einen Stuhl. Sie riicte etwas, Dann fonnte er ein schwaches Slimpern vernehmen. Das war Geld!

Nach einiger Zeit kam sie wieder in's Zimmer. Nun wolle sie aber gehen, sagte sie, sie habe sich nur noch ihr Sacktuch geholt.

Er ließ sie durch die Thür schreiten; aber dann war er auch sofort hinter ihr drein. Noch ehe sie in's Freie gelangt, hielt er sie am Arme. Auf der anderen Seite des Hausflurs war ein leerer Stall; eben der Ort, den sich Therese für ihre Ziegen aus­ersehen hatte. Dahinein riß er sie, schob den höl­zernen Riegel vor, sobald er sie drin hatte.

Der Büttnerbauer.

Roman von Wilhelm von Polenz .

" De

Giebst De's Geld' raus!" knurrte er. hast's ei der Tasche stacken. Ich weeß' s!" Sie leugnete ihm in's Gesicht. ,, Mach kee Gefize nich! Ich ha's gehiert, wie De's eigesteckt hast."

Sie wollte an ihm vorbei, dem Ausgange zu. Aber er umfaßte sie rechtzeitig, schleppte sie nach dem Hintergrund des Stalles.

" Giebst De's har!"

Ne, Dir ne!"

Er suchte ihr mit einer Hand die Arme festzu­halten und mit der anderen in ihre Kleidertasche zu gelangen. Sie setzte sich zur Wehr, biß und kraẞte. In der Dunkelheit des Stalles funfelten ihre Augen wie die einer Kaze. Karl brüllte auf, ihre Nägel in seinem Halse brannten wie Feuer. Er schüttelte sie ab. Dann warf er sich mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers auf sie, daß sie stöhnend zusammen brach.

Giebst De's raus?"

"!

,, Ne, im Leben ne!"

Nun kniete er auf ihr, ihren Leib mit dem Knie niederstemmend. Ihre Hände drückte er mit seiner Riesenfaust zusammen, daß sie gänzlich wehr­los dalag. Mit der freien Hand suchte er in ihren Kleidern. Aber Therese lag auf dem Geldtäschchen; noch in dieser verzweifelten Lage wußte sie den Schatz mit ihrem Leibe zu decken. Er konnte nicht dazu gelangen, so sehr er sich auch bemühte.

Darüber wurde er toll vor Wuth. Blindlings griff er in die Kleider, zerfetzte Alles, was ihm zwischen die Finger fam. Therese wand und bäumte sich, aber was vermochte sie gegen die entfesselte Raserei dieses Wilden!

Giebst De's nu?"

Sie konnte nicht mehr sprechen, spuckte ihm statt der Antwort ihren Geifer in's Gesicht.

Da griff er mit einer Taße zu, vor der Alles wich. Ein Naz- das Sonntagskleid in Fezen!

Jetzt fühlte er's; hier im Futter saß es. Die Näthe sprangen. Das Ledertäschchen mit dem Stahl­biigel kam zum Vorschein. Nun hielt er's in Händen. Er stand auf.

Aus der Ecke kam eine Jammergestalt hervor: halb nackt, blutend, mit hängendem, zerfeßtem Haar seine Frau!

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Er schob das Geldtäschchen schnell in die Tasche, sprang nach der Thiir und lief aus dem Hause. Eine Stunde darauf saß er im Kretscham von Halbenau.

*

Inzwischen waren die Frauen von der Wander arbeit im Rübenlande nach der Heimath zurück­

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1898

gekehrt. Pauline war mit ihrem Jungen zur Mutter gezogen, wartete hier auf Gustav's Rückfehr. Ernestine wohnte wieder auf dem Bauernhofe beim alten Vater.

Ernestine war sehr verändert zurückgekehrt aus der Fremde. Sie hatte sich im Laufe des Sommers ein gewisses hochnäfiges Herabblicken auf ihre Um­gebung angewöhnt. Den heimischen Verhältnissen brachte sie ganz unverhohlene Verachtung entgegen. Sie sagte es auch Jedermann, der es hören wollte, daß sie es in Halbenau nicht lange aushalten werde.

Sie war im Besize größerer Geldmittel als irgend ein anderes Mitglied ihrer Familie. Und sie hielt gut Haus damit. Die anderen Nüben­mädchen brachten ihr Erspartes schnell unter die Leute; Kleider, Schmuck und allerhand unnüßer Tand wurde gekauft. Manch eine ließ sich auch ihre mühsam erworbenen Groschen von einem Burschen abschwazen, oder man verjubelte die Ersparnisse gemeinsam. Die Tanzereien und Gelage gingen in diesem Winter besonders flott im Kretscham von Halbenau; die" Nunkelweiber" hatten Geld in's Dorf gebracht.

Ernestine Büttner war viel zu vernünftig und zu berechnend, um sich an solchem Treiben zu be­theiligen. Sie machte sich daran, mit ihrem und Häschtekarl's Gelde eine Ausstattung zu besorgen. Das Mädchen faufte Stoffe ein und Leinwand. Mit Pauline saß sie oft bis spät in die Nacht hin­ein in Frau Katschner's Behausung über die Nadel gebiickt. Schwerlich ahnte ihr Bräutigam Häschke, wie energisch, praktisch und sparsam das Regiment sein würde, unter das er kommen sollte.

Auch dem Vater gegenüber wollte Ernestine ihre Selbstständigkeit zur Geltung bringen. Der alte Bauer hatte sich noch nicht darein gefunden, in ihr etwas Anderes zu sehen, als das jüngste Kind. Sie sollte sich seinem Willen in allen Stücken fügen, wie er es von jeher von seinen Kindern, ganz besonders aber von den Töchtern verlangt hatte.

Er nahm als selbstverständlich an, daß Ernestine die häuslichen Arbeiten übernehmen würde, welche seit dem Tode der Mutter arg vernachlässigt waren.

Aber Ernestine that nur, was ihr paßte. Den Befehlen des Vaters antwortete sie mit Achselzucken, spizen Worten oder auch mit Vorwürfen. Der alte Mann bekam von der Tochter zu hören, er sei ja selbst daran schuld, daß sie nichts mehr hätten, nicht einmal so viel, um sich eine Magd zu halten. Er habe ja das Vermögen durchgebracht mit liederlicher Wirthschaft. Nun sei Haus und Hof in fremde Hände gerathen durch seine Schuld, und sie, die Kinder, könnten betteln gehen.

Der Büttnerbauer mußte das mit anhören und seinen Kummer in sich hineinschlucken. Jetzt warf