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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Traugott Büttner achtete nicht auf das Summen Wie die Drehung und Bewegung

und den Duft. Er maß den Baum mit prüfendem Blicke. Hier der unterste Ast war stark genug. Wenn er auf den Steinhaufen stieg, konnte er ihn erreichen. Eine Schlinge dann die Füße los­gelassen und dann...

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Wieder lief ihm ein Fröfteln durch alle Glieder. Ein Druck am Halse, als würde er ihm zugeschnürt, ein würgendes Gefühl im Unterleibe; die Beine drohten ihm den Dienst zu versagen.

Er mußte sich, von Schwäche übermannt, an den Stamm lehnen. Vor den Augen flimmerte es ihm. Er stand da mit offenem Munde, stieren Blickes. Es war zu fürchterlich, was er thun wollte: Hand an sich selbst legen! Fürchterlich! Wenn ihm das Einer in der Jugend gesagt hätte, daß er so enden werde!

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Er betete ein Vaterunser, das erleichterte ihn. Dann richtete er sich auf; der Furchtanfall war boriiber.

Er wollte sterben; tausendmal hatte er sich's überlegt. Es war nicht das erste Mal, daß er mit dem Stricke in der Tasche hier draußen stand. Bisher hatte ihn immer noch der Gedanke an seine Kinder abgehalten, das Leyte zu thun. Sie sollten ihn nicht so hängen sehen.

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Nun waren sie fort. Was die Anderen sagen würden, die Fremden, war ihm gleichgültig.

Heute wollte er's mal zu Ende führen. Er war ja gut zum Sterben vorbereitet: war zur Beichte gewesen, hatte das heilige Abendmahl genossen; Gott mußte ihm seine Sünde vergeben.-

Jezt stand er auf dem Steinhaufen, der Strick saß fest am Aste, er brauchte nur den Kopf durch die Schlinge zu stecken.

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Noch einmal hielt er inne. Sein Blick flog über die Felder und Wiesen zu seinen Füßen. Das war sein Land, er starb auf seinem Grund und Boden. Sein Auge suchte das Vaterhaus; da unten lag es, winkte zu ihm herüber aus blühenden Baum­fronen.

Fast unbewußt streifte er die Schlinge über den Kopf. Wenn er sich nun mit den Füßen abstieß, war's geschehen.

Noch ein Vaterunser!

Der Strick würgte ihn schon am Halse. Er fühlte die Steine unter sich rollen. Unwillkürlich Unwillkürlich suchte er eine Stüße mit den Füßen. Umsonst! Er hatte den Grund verloren, sein Körper wurde lang. Was war denn das an seinem Halse? Ein Ein Band mit eisernen Stacheln!- Sie rissen ihm den Körper in Stücke! Hing er denn? Er sah ja noch Alles, ganz deutlich: dort die beiden Leute, zehn Schritte von ihm.

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So helft mir doch! Schneidet mich ab! Seht Ihr's denn nicht!-

Nichts! Sie rühren sich nicht.

Der Wind spielt mit ihren Haaren, sie haben große, stille Augen. Der Eine ist sein Vater, er erkennt ihn ganz genau, der Vater mit dem langen, gelben Haar, bartlos. Und das kleine gebückte Männchen daneben ist der Großvater. Ein uralter Mann mit schiefer Nase und rothumränderten Augen. So stehen sie da und sehen ihm ernst und schweigend zu.

Er will mit ihnen reden. Wenn nur das Band am Halse nicht wäre. Hülfe! Helft mir!-

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So,

Jezt kommt der Vater heran. Vater! jezt wird's leichter. Was sind das für große, schwarze Vögel?.

Der Wind schaukelt den Körper hin und her. Die Bienen im Kirschbaum lassen sich deshalb in ihrem Geschäfte nicht stören. Der Kopf mit dem grauen Haar hängt tief auf die Brust herab. Die weit aus ihren Höhlen hervorquellenden Augen starren die Scholle an; die Scholle, der sein Leben gegolten, der er Leib und Seele verschrieben hatte.-

Ende.

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der Erde erkannt wurde.

Von Karl Wernher.

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Pedes Kind weiß heutzutage, daß die Erde sich in 24 Stunden einmal um ihre Are dreht, und daß sie im Laufe eines Jahres einen Umlauf um die Sonne vollendet. Es ist dies eine Erkenntniß, die seit den Zeiten des Copernicus ( 1473-1543) vollständig in das allgemeine Be­wußtsein übergegangen, zu einem Bestandtheil der allgemeinen Volksbildung geworden ist. Der Augen schein widerspricht einer Bewegung der Erde zwar durchaus; die Erde scheint das absolut Feste und im Raume Ruhende zu sein, der unverrückbare Punkt, um den das ganze Weltall   kreist. Da jedoch in der Schule gelehrt wird, daß die Erde sich bewegt, so wird dies allgemein angenommen, zumal ja Alles, was die Astronomen voraus verkünden, mit einer sehr großen Genauigkeit bis auf Bruchtheile einer Sefunde eintrifft. Dieser lettere Umstand ist es hauptsächlich, der den astronomischen Lehren so großes Vertrauen verschafft hat; denn der Erfolg zieht die Menge stets hinter sich her. Von den eigentlichen Gründen aber, die zu der Annahme der Erdbewegung geführt und die Annahme schließlich zur Gewißheit erhoben haben, wissen die Wenigsten etwas.

Uebrigens ist die Lehre von der Drehung und Bewegung der Erde keineswegs so jungen Datums, Bewegung der Erde keineswegs so jungen Datums, als die Meisten wohl meinen; schon anderthalb Jahr tausend vor Copernicus wurden ähnliche Gedanken ausgesprochen und fanden mehrere Jahrhunderte hindurch wissenschaftliche Anhänger und Vertreter. Daß die Erde eine fugelförmige Gestalt besißt, war den Menschen bekannt, seit sie überhaupt ihren Blick zum Himmel richteten. Den Seefahrern mußte die Krümmung der Erdoberfläche in allen Richtungen Krümmung der Erdoberfläche in allen Richtungen auffallen, da sie stets von einem herannahenden Schiff zuerst die Mastspizen, zuletzt den Rumpf er= blickten, und da von einem sich entfernenden Schiff zuerst der Rumpf den Blicken entschwand. Klarer noch trat die Kriimmung in der Nord- Süd- Richtung zu Tage, weil man bemerkte, daß beim Steuern nach Norden sich die Sterne am nördlichen Himmel mehr und mehr über den Horizont erhoben, die Sonne dagegen und die im Süden stehenden Sterne mehr und mehr herabsanken. Ebenso mußte man Die Krümmung in der West- Ost- Richtung bemerken; denn daß die östlich gelegenen Orte die Sonne früher erblickten, daß es dort früher Mittag und dann auch früher Abend wurde als an westlicher ge= legenen Orten, mußte ebenfalls schon frühzeitig be­merkt werden. Zwar hatte man keine sehr sicheren Uhren; aber es gab doch Ereignisse, die zu einer bestimmten Zeit eintreten und an verschiedenen Erd­orten zu offenbar verschiedenen Zeiten wahrgenommen wurden. Vor Allem sind dies die Verfinsterungen des Mondes, welche entstehen, wenn der Schatten, den die Erde wirft, über die glänzende Mondscheibe hinwegzieht. Ein solches Ereigniß tritt nicht etwa, wie eine Sonnenfinsterniß, für verschiedene Orte zu verschiedenen Zeiten ein, sondern für alle zu derselben Zeit. Bei einer Sonnenfinsterniß zieht der Schatten des Mondes über gewisse Theile der Erde hin, deren Bewohner daher die Sonne nacheinander ver­finstert erblicken; bei einer Mondfinsterniß dagegen geht der Mond durch den Schatten der Erde hin­durch und muß daher überall da, wo er sichtbar ist, gleichzeitig verfinstert erscheinen. Wenn trotzdem die Verfinsterung der Mondscheibe an einigen Orten in den frühen Nachtstunden, an weiter westlich gelegenen erst nach Mitternacht   beobachtet wurde, so ergab sich hieraus ein deutlicher Zeitunterschied für die in der Richtung West- Ost gelegenen Orte, der nur durch eine Krümmung der Erdoberfläche zu erklären war. Daß die Krümmung die einer Kugel ist, ergab sich aus der kreisförmigen Form des Schattens, den die Erde bei den Verfinsterungen des Mondes zeigte; denn nur eine Kugel wirft allezeit einen freisförmigen Schatten, von welcher Seite sie auch beleuchtet werden mag.

So ist es denn nicht zu verwundern, daß schon in den ältesten Zeiten die Kugelgestalt der Erde

bekannt war, und daß wir aus verhältnißmäßig früher Zeit von Bemühungen hören, die Dimensionen

der Erdkugel zu bestimmen. Schon um 280 vor Christi Geburt nahm der berühmte Geograph und Naturforscher Eratosthenes   in Alexandria   eine Grad­messung vor, aus der er für den Umfang der Erde einen ziemlich zutreffenden Werth ableitete.

Stand die Kugelgestalt der Erde einmal fest und sie ist in dem ganzen Alterthum nie ernsthaft in Zweifel gezogen worden, so sollte man es eigentlich für einen sehr naheliegenden Gedanken halten, die scheinbare Umdrehung des ganzen Himmels­gewölbes durch eine tägliche Drehung der doch ver­hältnißmäßig fleinen Erdkugel zu erklären. Was für ungeheuere Geschwindigkeiten müßten die Sonne und die Planeten, sowie vor Allem die Firsterne haben, wenn sie sich bei ihren ungemessenen Entfernungen in 24 Stunden um die Erde herumdrehen sollten! Doch ist dem gegenüber festzuhalten, daß die Alten die Sterne an durchsichtigen Sphären( Kugeln) be­festigt glaubten, wobei sie für sämmtliche Fixsterne eine einzige Sphäre annahmen, und daß sie die Lehre von der Umdrehung dieser Sphären schon einige Jahr­hunderte früher ausbildeten, ehe sie im Stande waren, irgend welche Entfernungen im Weltenraume zu be= stimmen. Daher ist es nicht unmittelbare astro­nomische Beobachtung gewesen, vielmehr philosophische Gedankenbildung und Ueberlegung war es, die zuerst zu der Annahme einer Bewegung der Erde führten. In der von Pythagoras  ( um 580 v. Chr.) ge­gründeten Gemeinschaft, die wissenschaftliche Forschung mit politischer und ethischer Reformthätigkeit verband, wurde zuerst die Bewegung der Erde gelehrt. In der Pythagoräischen Schule, wie diese Gemeinschaft genannt wurde, trieb man vor Allem Mathematik und Musik, und bahnbrechende mathematische Ent­deckungen sind hier gemacht worden. Dieselben wurden mit mystischen Gedanken über die Zahlen, welche von den Pythagoräern mit dem Wesen und dem Ursprung der Dinge in Verbindung gesezt wurden, verknüpft. Die Anzahl der allgemein bekannten Welt­förper war acht, nämlich Erde, Sonne, Mond, nebst den fünf Planeten Merkur, Venus  , Mars  , Jupiter  , Saturn; zu diesen wurde ein heiliges Feuer als neunter ersonnen, das gleichzeitig in den Mittelpunkt der Welt gesetzt wurde. Das Feuer galt als das Symbol des Reinen und Wahren und Vollkommenen gegenüber dem Unvollkommenen und Irdischen; daher schien es undenkbar, daß die unvollkommene Erde der unverrückbare Mittelpunkt des freisenden All sein sollte, und so wurde vielmehr das himmlische Feuer in's Zentrum gerückt. Man sieht, daß es nicht astronomische Beobachtungen waren, die zur Annahme der Erdbewegung führten, sondern lediglich der philo­sophischen Ueberlegung entsprungene Gründe, die daher fein großes Gewicht beanspruchen konnten. Aus den­selben Ursachen wurde auch die Zahl der Weltförper um einen vermehrt; mit dem Zentralfeuer war sie auf neun gestiegen; zehn aber galt als die heilige Zahl, die durch die Summirung von 1+ 2+ 3+ 4 zu Stande kommt. Daher erfannen die Pythagoräer als zehnten Körper die Gegenerde, die wir nie er­blicken könnten, weil sie an der von uns abgekehrten Seite des Zentralfeuers stehe, um das sie sich in gleicher Weise wie die Erde bewege. Dann erst folgen in größeren Abständen Mond, Sonne und die anderen Planeten. Während nun die Firſtern­sphäre nur einen Umschwung in 24 Stunden voll­führt, nehmen die anderen Sphären zwar an diesem Umschwunge Theil, haben aber außerdem noch eine zweite langsamere Bewegung um das heilige Feuer, deren Perioden in bestimmten Verhältnissen zu ihren Entfernungen stehen. Bei dieser Bewegung erklingen sie in einer überaus wohltönenden und zarten Musik, die wir freilich mit unseren groben Sinnen nicht wahrnehmen können; dagegen gewährt die Sphären­musik den vollkommenen Geistern in ihrer reinen Harmonie die bedeutendste und schönste Freude.

Man sieht, daß diese Gedanken von nüchterner, wissenschaftlicher Beobachtung sich ziemlich weit ent­fernen; daher konnten sie auch keinen übermäßigen Einfluß auf die Verbreitung thatsächlichen Wissens gewinnen, ganz abgesehen davon, daß die Pythagoräer ihr Wissen zum großen Theil als Geheimniß ihrer