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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
verfeinert den Geist und giebt den Sinnen des Gehörs und des Gesichts eine fast krankhafte Schärfe. Champenois witterte eine Liebesgeschichte in der Arbeitsstätte des Vaters Vincart. Er belauschte die beiden jungen Leute und errieth von ihnen die Natur des noch unbewußten Gefühls, das Einen zum Anderen zog. Von diesem Augenblicke an erzeugten seine getäuschten Begierden, seine verletzte Eitelkeit einen giftigen Haß, dessen Opfer der unglückliche Lehrling wurde. Der Holzschuhmacher ersann alle möglichen Ränke, um ihm das Leben unerträglich zu machen, und ersparte ihm weder Schimpfworte noch schlechte Behandlung.
Herzkirsche, der seit langer Zeit an die Gefängniß
Helle Nacht.
Weich küßt die zweige
der weiße Mond;
ein Flüstern wohnk
im Taub, als neige,
als schweige sich der Hain zur Ruh- Geliebte du.
Der Weiher ruht, und
Die Weide schimmert;
ihr Schaffen flimmert
in seiner Fluth, und
der Wind weint in den Bäumen.
wir fräumen... fräumen.
Die Weiten leuchten
Beruhigung;
die Wiederung
hebt bleich den feuchten
Schleier hin zum Himmelssaum
oh hin
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o Traum...
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Wäscherinnen am Gardasee . Der größte Alpensee Oberitaliens und berühmt durch die Schönheit seiner landschaftlichen Szenerien ist der Gardasee . In die Alpen schneidet sein nördlicher Theil bis hinein nach Tirol. Wilde Felsenkolosse treten hier dicht an's Ufer. Von wunderbarer Fruchtbarkeit und Schönheit sind die Ufer au der westlichen und südlichen Seite. Ein mächtiger See, schier ein kleines Meer ist er, eine stark entwickelte Schifffahrt wird auf ihm getrieben. Ewig fahren scharfe Winde über ihn hin, und plößlich ausbrechende Stürme werden der Schifffahrt gefährlich. Der starke Wind, der vom See her zum Lande bläft, giebt auch der Natur in unserem Bilde, das Ettore Tito gemalt, die Stimmung. Das ist freilich ein anderes Bild als das sonniger Schönheit, von dem die Reisenden zu erzählen wissen. Ded dehnt sich das Ufer hin, von unzähligen Steinen und Geröll bedeckt. Unabsehbar weit geht der Blick über die Wasserwüste; drüben in der Ferne, am anderen Ufer, verlaufen die letzten Glieder der Alpenkette; wie ein grauer Wolkenstreif über dem Wasser liegen sie da. Hastig rauschen die kurzen Wellen an den Strand, von kleinen Schaumföpfen gekrönt. In eiligem Zuge jagen die Wolken vor'm Winde her, Regen drohend. Kalt und unfreundlich ist's, kein rechtes Wetter zur Wäsche. Hilft aber den Mädeln im Dorfe nichts; sie müssen mit der Wäsche hinaus an den See. Ganze Körbe voll haben sie herangeschleppt Die Aermel weit aufgefrempelt, die Röcke hochgeschürzt mit nackten Füßen hocken sie auf ihren niedrigen Wasch: bänkchen am Rande des Wassers, reiben die Wäsche mi den Händen, bis sie sauber ist, und spülen sie. Der Wind weht ihnen scharf um die Ohren, zerzauft ihnen die Haare und lockert ihnen die schmucken Kopftücher. Das darf natürlich nicht sein. In aller Arbeit ist die Eine aufgestanden und legt das Kopftuch wieder zurecht. Hoch reckt sie sich, es thut ihr so wohl, den Rücken, der den ganzen Tag sich frümmen muß, einmal gerade zu richten. Ein gutes Stück der Arbeit ist schon gethan, auf den Leinen, die am Ufer entlang auf Stüßen gezogen sind, flattern die rein- weißen Stücke luftig im Winde.
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In der Wüste am Sinaï . Hinter den Bergen der afrikanischen Küste versinkt die Sonne. Dunkel und ge= spensterhaft heben sich die seltsam geformten Massen des Djebel Gharib vom leuchtenden Purpur des westlichen Himmels ab. Da entfaltet sich im Osten auf asiatischer Erde ein tief ergreifendes Bild. Rothglühend wie ge
behandlung und an die Scheltreden der Aufseher gewöhnt war, ertrug die schlechte Laune und das ungerechte Benehmen des Gesellen zuerst ziemlich philosophisch. Troßdem stieg ihm manchmal der Aerger in's Gesicht, und er mußte oft seinen Zorn gewaltsam hinunterwürgen, um eine Schlägerei zu vermeiden, bei der er sicherlich den Kürzeren gezogen, und die seine Verweisung aus der Werkstatt zur Folge gehabt hätte.
" Ich halt's nicht mehr aus!" sagte er zu Norine eines Morgens, als sie zusammen Krebse im Fontenellebach fingen. Wenn der Schielbock es so weiter treibt, werde ich ihm schließlich an die Gurgel springen und ihn erwürgen."
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Силж
Feuilleton.
schmolzenes Metall und doch scharfkantig wie mit dem Meißel geschlagen, ragt die mächtige Kette der Sinaïberge mit ihren spizen Kegeln und hellblauen Selüften majestätisch in den mattgrünen Abendhimmel hinauf. Zu ihren Füßen dehnt sich weit und weiter, von der scheidenden Sonne bereits verlassen, in fahlem Braun die Wüste El Kâa. Völlige Leblosigkeit und Dede herrscht rings umher. Nur born am Strande, wo das dunkelblaue Meer den Wüstensand bespült, erheben sich auf schlanken Stämmen einzelne dürre Palmen, traurig das Haupt zur Seite geneigt, wie flagend über verlorenes Leben, und zwischen den Palmen, halb vom Sande verweht, liegen die niedrigen Hütten des Fischerfleckens El Tor. Es ist ein gewaltiges, farbenglühendes Bild tief melancholischer Einsamkeit und Weltentjagung.
Man mag Begeisterung für die Wüste als eine Geschmacklosigkeit betrachten. Thatsache ist, daß bisher noch Keiner die Wüste sah, ohne ihren Reizen zu erliegen. Die Wüste ist eben nicht jene einförmige, ebene, lang= weilige Sandfläche, auch wenn sie von Weitem als solche erscheint. Die Wüste ist ungeheuer mannigfaltig in ihrem Charakter und anders an jedem Punkt. Was aber der Wüste immer wieder von Neuem ihren Neiz verleiht, was fie charakterisirt vor allen anderen Landschaften der Erde, ist der fortwährende Konflikt zweier ganz entgegengesetter Stimmungen: der tiefen Melancholie der unermeßlichen, gewaltigen Einöde und der heiteren Farbenpracht und Lichtfülle, die der blaue Himmel und die lachende Sonne des Südens darüber gießt. Eines ergänzt das Andere und mildert es. Die Dede und Einsamkeit wird nie das Gefühl der Unluft erzeugen, nur das Gefühl geheimnißvoller Erwartung und Spannung. Die glühende Farbenpracht der durchsichtigen Luft wird niemals aufdringlich erscheinen und grell wie die Blumen im Frühling. Der ewige Konflikt beider Elemente wirkt anregend und läßt das Gefühl der Eintönigkeit oder Langeweile garnicht aufkommen
So beginnt der Jenenser Forscher Mar Verworn, den physiologische Studien an den Seethieren des rothen Meeres nach der Sinaïwüste führten, eine Aufsabfolge Wüstenwanderungen am Sinai " in der„ Neuen deutschen Rundschau".
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Aus Friedrich Hebbel's Tagebüchern. Die alten Achterklärungen der Kaiser von Deutschland hoben eigentlich, statt ein Aft der Gerechtigkeitspflege zu sein, alles Recht auf. In dem Augenblick, wo ein Mensch außer dem Gesetz erklärt wird, wird ihm seine natürliche Freiheit zurückgegeben; gegen den Staat, der ihn nicht mehr als sein Mitglied anerkennt, hat er auch nicht mehr die Pflichten eines Mitgliedes. Er befindet sich ganz im rohen Naturzustande, und jeder Einzelne mag ihn betrachten wie ein wildes Thier, an dem er sich nicht allein deswegen vergreifen darf, wenn es ihm geschadet hat, sondern auch deswegen, weil es ihm schaden kann; nur der Staat selbst, als Gesammtheit, hat kein Recht der Strafe, denn durch das Hinausstoßen aus seiner Mitte hat er den Menschen selbst dispensirt von den Gesetzen, die nur Kraft für den haben, der auch ihre Vortheile genießt.
,, Weil mein Vorfahr den Deinigen vor 1000 Jahren beraubt oder überlistet hat, und weil seine Familie die auf solche Weise errungenen Vortheile nun schon 1000 Jahre genießt, und weil, wenn sie dieselben nicht noch länger genösse, sie an Fett verlieren würde, und weil Du nicht leugnen kannst, daß jene Vortheile wirklich Vortheile sind, Ich und uns zu etwas Besonderem gemacht haben." wüßte nicht, was der Adel weiter für sich anführen könnte.
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Die redenden Küchlein. Sie hatten einen neuen Pfarrer aus der Stadt erhalten, und seine Frau war eine richtige Stadtdame, die sich auf nichts verstand, weder auf Kleinvieh, noch auf Großvieh. Nun sollte sie aber Hühner halten, und es ging auch ganz gut, und sie bekam Küchlein, auf die sie sehr stolz war.
Da geschah es eines Tages, daß ein Käthner jener Gegend auf dem Pfarrhof zuni Besuch war, und der
" Haben Sie Geduld, mein armer Claude," versetzte das junge Mädchen, zog ihre triefenden Arme aus dem Wasser und warf die rebellischen Haare nach hinten über. Das wird vorübergehen, wie ein Negenschauer im März... Champenois wird nicht immer bei uns bleiben... Ich werde schon ein Mittel finden, ihn mit dem Vater zu entzweien, damit dieser ihm den Abschied giebt.. Aber bis dahin müssen Sie schlau sein, denn er ist pfiffig wie ein Herenmeister, und so lange wir in dieser Gegend sind, habe ich stets Furcht, er möchte schließlich errathen, woher Sie stammen..."
( Fortsetzung folgt.)
mußte natürlich die hübschen, kleinen Küchlein besehen, und sie liebkoste sie und füßte sie, und klopfte sie und dann fragte sie den Käthner, ob er schon jemals so schöne Kleine Küchlein gesehen hätte.
" Oja, das schon," meinte er, aber es fehlt ihnen etwas, Frau Pfarrerin."
Nein, wie er so etwas von ihren süßen Küchlein sagen könnte! Was das denn wäre?
„ Ja, seht, ihnen fehlt nur, daß sie nicht reden können!" „ Reden, ja, aber mein Gott, Küchlein können doch niemals reden!"
" O ja, das kommt schon vor," meinte er, er hätte in jedem Fall welche, die ganz versessen darauf wären, zu reden, und wenn sie wolle, könnte er es auch den ihrigen beibringen.
„ Ja, das wäre nett," meinte sie, wenn er so gut sein wollte."
Das wollte er schon, aber dann müßte er ihnen eine Tonne Gerste geben können; und die bekam er denn auch.
Na, er fuhr dann mit den Küchlein und der Gerste heim, und einige Tage darauf kam die Pfarrersfrau an= gestiegen und fragte, ob ihre Hühnchen nun schon reden könnten.
„ Nein, das geht nicht so schnell, Frau Pfarrerin, aber da wir nun schon dabei sind, könnte ich sie auch noch etwas Anderes lehren!"
,, Und was ist das?"
" Ja, seht, ich könnte sie lehren, Geld zählen!"
"
, Geld zählen, ih, ist das möglich?"
" Möglich, ja, das könnt Ihr glauben!"
"
Aber wie das?"
" Ja, sie müssen etwas Geld haben, um darauf zu liegen, dann kommt es so nach und nach!"
So was habe ich doch noch niemals gehört, seht, hier ist ein Hundertthalerschein, laßt sie auf dem liegen, dann können sie wohl bald zählen?"
" Ja, daran fehlt's niemals," sagte der Mann und steckte den Zettel bei den Hühnern unter. Nun sollt Ihr nur sehen, wie es geht."
Einige Tage später kam sie wieder und fragte, wie es ging.
" Jezzt können sie wohl bald reden?" meinte sie. " Ja, jetzt fangen sie so allmälig an!"
" Ist es wahr? Was sagen sie denn?"
" D, sie piepen etwas davon, daß sie noch eine Tonne Gerste haben möchten!"
Die sollen sie noch heute haben, die lieben Küchlein," sagte sie, und die bekamen sie auch.
Einige Zeit später ging die Frau wieder hin, um nach den Küchlein zu fragen, und der Mann sagte: " Ja, jetzt geht es brillant, nun reden sie ganz deutlich!"
" I Gott, was sagen sie denn?"
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" Ja, hm es ist böse, was sie sagen!" " Böse, so, was denn?"
„ Ja
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a sie sagen " Was sagen sie?"
"
" Ja, ich möchte nicht gern unhöflich erscheinen, nun Ihr so gut gegen mich alten Kerl gewesen seid
Aber was ist es denn?"
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" Ja, wenn Ihr es durchaus wissen wollt, so ja, müßt Ihr es wohl erfahren, sie sagen nämlich sie sagen ein dummes Geschwäb, dessen bin ich sicher Aber mein Gott, was sagen sie denn?" daß der Großbauernknecht neulich " Ja, sie sagen füßte in der Haselnußallee die Frau Pfarrerin Gott , was sagen fie?! Dreht ihnen den Hals um, dreht den abscheulichen Thieren sofort den Hals um und damit war sie zur Thür hinaus und kam niemals mehr zu dem Käthner.
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Er aber kochte sich eine gute Suppe von den Küchlein und dann hatte er noch zwei Tonnen Gerste und hundert Börge Janssen. Thaler Zugabe.-
Nachdruck des Juhalts verboten!