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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Nein, weder er noch ich. Schade darum, die Leute waren auch zu der Zeit so unwissend, daß wenn Einer sagte, er wollte Bildhauer oder Musiker werden, dann grinsten sie einen nur an und meinten, er wäre reif fiir's Tollhaus."

" Nun," meinte Agestin, das ist bei uns im Thale   noch immer so."

Ach, wirklich? Nun warte Du, bis die großen Arbeiten fertig sind. Ihr bekommt bald regelmäßige Postverbindung und Telegraph nach Tangen. Bei uns im Thale   sieht es jetzt anders aus als vor zehn Jahren, das kannst Du glauben. Das haben wir zum großen Theil der Post zu verdanken. Mit der Post kamen die Zeitungen, und durch die Zeitungen lernten wir unsere Dichter und Führer kennen. Und so kamen die Bücher, weißt Du... und die Vor­träge, haha! Die haben Hauge und den ganzen Pietismus herausgeschmissen." Der Alte lachte herzlich und rieb sich die Hände. Aber immer mehr müssen wir von der Sorte haben, bis jetzt war es wie ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein. Solche Bücher können wir gebrauchen, die versteht ja jede Kuhmagd vom Lande und doch haben wir es zum großen Theil ihnen zu verdanken, daß wir eine Volks- Hochschule in Sylljord bekommen. O ja, wir kommen jegt, wir Bauern." Er schlug Agestin vergnügt auf die Schulter und lachte.

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Komm, Thormod, ich nenne Dich so, denn Du sichst Deinem Vater doch riesig ähnlich... komm alter Freund, wir wollen ein Glas zusammen trinken."

Agestin, der sich von dem Jugendfreund seines Vaters stark angezogen fühlte, ergriff die ihm gereichte Hand und erwiderte herzlich: Ja, das wollen wir thun, Alter!" Die Beiden gingen eng unschlungen wie zwei alte Freunde, die sich wieder gefunden haben, in's Haus. Bald darauf saßen sie gemüthlich in einer Ecke und tranken ein Glas Grog.

Unter den buschigen Augenbrauen des alten Bauern schossen hin und wieder prüfende Blicke hervor, die mit Wohlgefallen auf der jugendlichen Gestalt des Jünglings verweilten. Plößlich stieß er sein Glas gegen das seine und sprach:" Nun bin ich aber neu­gierig man sagt: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, aber nach Deiner ganzen Art zu urtheilen, bist Du kein Spielmann und Bauer erst recht nicht. Du bist Student, nicht wahr?"

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" Ja, ich bin Student."

" Ich müßte mich sehr irren, wenn Du nicht ein bedeutendes Erbtheil von Deinem Vater mitbekommen hättest."

Und endlich hat" man" seine Geschäfte abgewickelt und kann seine Stoffer packen, um sich aus der drückenden Schwile der Großstadt hinaus zu flüchten an die fühlen Gestade der Nord- oder Ostsee   oder in's Gebirge.

Wo sie auch hinkommen, die nervösen, über­reizten reichen Großstädter, sie finden Alles zu ihrem Empfange bereit. Ihnen voraus ist der Kellner geeilt und die Schaar der übrigen in Gastwirth­schaften Angestellten. Wenn die Reisesaison naht, hält es auch ein groß Theil von ihnen nicht mehr aus in den Hotels und Restaurants der Großstädte, sie suchen an einem der Saisonpläße des In- oder Auslandes eine Stellung zu erhalten.

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Der Kellner ist ein Kosmopolit; er geht von Deutschland   nach der Schweiz  , Tyrol, Steiermark  oder neuerdings auch nach den skandinavischen Län­dern, um im Winter in Italien  , an der Riviera oder in Egypten seine Saison zu machen". Freilich geht das nicht immer so glatt von statten. Häufig genug ist er den ganzen Winter stellungslos gewesen. Mühselig hat er sich da durchgeschlagen als Lohn­fellner", wie sie bei Bällen, großen Festlichkeiten, Hochzeiten in den Hotels und Balllokalen zur Aus­hilfe herangezogen werden. Mit Freuden begrüßt auch er das Herannahen der Sommersaison mit dem Unterschied, daß er arbeiten, viel arbeiten will, damit er recht viel Geld verdient, um die während des langen Winters gemachten Schulden bezahlen und sich wieder neu ausstatten zu können; seine Garderobe hat bei dem langen Bummeln stark ge­litten.

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nur

Schon frühzeitig, im Januar, Februar beginnen die Engagements für die Saisonstellen. Die Stellen vermittler, natürlich alles ,, alte ehrliche Seemänner", sind gern bereit, für gute Bezahlung den gastwirth­schaftlichen Personal solche Stellen zuzuweisen. Ob­gleich eine ganze Anzahl Kellner- Vereinigungen seit Jahrzehnten bestrebt ist, die Plazirung an sich zu ziehen und die Stellenagenten zu beseitigen, haben diese doch noch immer die Mehrzahl derselben zu besezen. Und sie sind nicht blöde, diese Herren; fiir ihre Mühe, die darin besteht, daß sie die ab­geschriebenen Zeugnisse ihrer Auftraggeber und deren Photographie den Prinzipalen zusenden, verlangen sie und erhalten auch Honorare von 20, 30, 50, ja bis 100 Mark. Köche, Küchenchefs müssen diesen , Vampyren" meist einen bestimmten Prozentsatz ihres Monats- oder Saisongehaltes zahlen und außerdem durch Unterschrift sich verpflichten, in den nächsten

Agestin erwiderte nichts, aber sein Herz klopfte ein, zwei, auch drei Jahren dieselbe Steuer zu leisten,

heftig.

Was willst Du denn studiren?"

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falls sie die Stelle wiederum, wenn auch ohne Zu thun des Agenten, erhalten. Viele Engagements

Meine Mutter und die Anderen möchten kommen allerdings auch durch die Kellnervereine, gern, daß ich Prediger werden soll."

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Und Du selbst?"

Ich möchte Künstler werden."

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Aha!" lachte der Alte, da kam es heraus. Kiinstler! Ja, ja, das ist ein langer und schwerer Weg, das weißt Du wohl, aber Ihr Jungen habt es leichter als wir damals. Da ist Ole Bull  , der hat es verstanden, er hatte aber auch einen Schädel, sage ich Dir! Durch wollte er und durch drang er. Ein Allerweltskerl, der Ole Bull  ! Jetzt spielt er unseren Halling und unsere Volksmelodien drüben in Amerita. Er macht uns bekannt da draußen in der großzen Welt. Und nun erst unsere Dichter?- Was für eine Kunst betreibst Du denn?"

" Ich... möchte Schriftsteller werden," er­widerte Agestin mit leuchtenden Augen... ( Fortsetzung folgt.)

Der moderne Kellner.

Von Hugo Poetsch.

riihling! Die Sonne steigt höher und höher,

die Ball- und Theatersaison ist vorüber, die Barlamente arbeiten mit Hochdruck, um ihre Thätigkeit zu einem Abschluß zu bringen. Die Ge­sellschaft" ist ermüdet von den Bankets, Soiréen und Bällen und sehnt sich nach Nuhe und Erholung.

von denen geringere Gebühren erhoben werden, oder durch direktes schriftliches Inverbindungtreten des Stellesuchenden mit dem Prinzipal zu Stande.

Die Gehälter sind für die Kellner auch in den Saisonpläßen nicht sehr hoch, erhalten doch selbst die sprachkundigen Zimmerfellner nur etwa 40, 50, höchstens 60 Mark für den Monat. Nur wenige höchstens 60 Mark für den Monat. Nur wenige Oberkellner bringen es auf 75 oder gar 100 Mark und haben dann in der Regel die Funktionen eines Buchhalters mit zu versehen. Die Restaurant- und die Saalfellner erhalten selten mehr als 30 Mart monatlich. Die Saalfellner refrutiren sich meist aus den aus der Lehre kommenden jungen Leuten; sie werden unter der Leitung eines Obersaalfellners zu dem leichteren Table d'hôte- Service verwendet, haben außerdem die Restaurant- und Zimmerfellner in ihrem Dienst zu unterstüßen, Aufräumungs- und Buzarbeiten zu verrichten.

Die Hochsaison" in den hoch gelegenen Luft­furorten und in den Seebädern dauert nur furze Zeit, kaum zwei Monate, in den übrigen Kurorten drei Monate, und so muß der Kellner viel Trink­gelder, die ja seine Haupteinnahme bilden, erhaschen, um auf seine Rechnung zu kommen. Und es muß hart gearbeitet werden. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend muß der Kellner dem erholungs­bedürftigen und vergnügungssüchtigen Publikum zu Diensten sein. Besondere Qualen bereiten ihm die eingebildeten Kranken, die an Allem fritteln und nörgeln, die sich in ihren Salons bedienen lassen

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und denen die Bouillon bald zu fett, bald zu mager, das Lendenstück einmal zu, englisch  ", einmal zu start durchgebraten ist, und denen der Champagner viel besser schmecken wiirde, wenn er just zwei Grad kälter wäre, kurz, die immer Schmerzen haben, durch die das gesammte Personal fortgesetzt in Athem gehalten wird.

Sind die 9 bis 10 Wochen der Hochsaison vor­über, Ende August, Anfang September, während welcher Zeit das Personal fast keine freie Stunde gehabt hat, dann wird der größte Theil desselben ent­lassen. Nur ein paar Personen bleiben zurück. Die Hausdiener und Zimmermädchen packen die Bestecks weg, rollen die Teppiche zusammen, umhüllen die Möbel, es wird Inventur gemacht; noch wenige Wochen und dort, wo noch vor Kurzem eitel Lust und Fröhlichkeit herrschte, ist es ganz still und öde geworden. Die Saison ist vorbei, die Hotels werden geschlossen. Vielfach hat der Besizer, Pächter oder Direktor eines Badehotels noch ein anderes Geschäft in der Stadt oder, wie viele der Schweizer   Hoteliers, im Süden.

Freilich bleiben auch in einer Reihe von Saison­pläßen, wie Wiesbaden   oder wie Montreur in der Schweiz  , die Hotels auch im Winter geöffnet. Montreur sowohl, wie die in den Graubündner Alpen gelegenen berühmten Luftkurorte St. Moriz, Davos   und andere mehr haben eine zweite Saison im Winter.

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Aber auch das zeitige Frühjahr und der Herbst hat seine besonderen, von der Gesellschaft" bevor­zugten Saisonpläße. Wenn der Fremdenstrom aus den deutschen   und schweizer   Kurorten nach Südtirol  , nach der Niviera, nach Italien   sich ergießt, macht er vorerst in Lausanne  , Genf  , an den oberitalienischen Seen Halt; und im Frühjahr, wenn die Welt" aus dem Süden zurückkehrt, dienen diese Pläze wiederum als Uebergangsstationen.

Und überall, wo die fashionable Welt sich amiisirt, an den schönsten Orten unserer schönen Erde, ist ihr vorausgeeilt der Kellner und das übrige Personal- meist deutsche Schweizer   und Desterreicher. Das germanische Element scheint sich zu diesem Dienst am besten zu eignen, es ist am anpassungsfähigsten. Dem französischen   Kellner behagt die viel größere Gebundenheit im Hotel nicht, er hält nur die Stellen in den Restaurants und Cafés besetzt. Er überläßt auch im eigenen Lande den Fremden die Stel­lungen in den Hotels, die in der Regel einen Deutschen  oder Schweizer   als Besizer oder Direktor haben. und nicht blos die Kellner, auch die Portiers, die Kondukteure, die den Hotel- Omnibus zur Bahn be­gleiten, die Hausdiener, selbst die Zimmermädchen sind in Frankreich   und Italien   sowohl, wie in Eng­land und Belgien   Deutsche   und Schweizer  . Dagegen nimmt der französische   Koch als ,, Chef de Cuisine" in den großen Hotels fast überall, auch in Deutsch­ land  , den ersten Rang ein.

Was den deutschen   Kellner, und das gilt zum Theil auch von den schweizerischen und österreichischen, besonders befähigt, alle seine ausländischen Kon­furrenten auch in ihrem eigenen Lande aus dem Felde zu schlagen, sind nicht nur die oben erwähnten, nicht sehr lobenswerthen Eigenschaften, sondern auch seine größere Piinktlichkeit, Sauberkeit und Ord­nungsliebe, Eigenschaften, die im Hotelbetrieb uner­läßlich sind. Vor Allem aber ist es das größere Sprachentalent der deutschen   Rasse, unterstützt durch eine große Lernbegier, was den Deutschen   besonders geeignet macht, eine solche internationale Industrie, wie es die moderne Hotelerie ist, zu beherrschen.

Wie erlangt der Kellner diese Sprachkenntnisse? In der Lehre lernt er meist herzlich wenig. Die kleinen Gasthäuser, Restaurants, Bahnhofswirth­schaften der Provinzstädte, das sind so die eigent­lichen Lehrlingszüchtereien. Der Prinzipal iſt in der Regel sehr darauf bedacht, den Jungen gehörig auszub- ilden. Damit er in allen Zweigen der Gastronomie unterrichtet werde, muß er vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein, oft fünfzehn, sechzehn Stunden und noch länger thätig sein. Diese ungeheuren Strapazen, Personen auferlegt, die sich gerade in der Periode körperlicher Entwickelung befinden, die kurz bemessene Schlafzeit, der stetige