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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Es kam ihm schwer an, das junge Mädchen zu täuschen; doch er dachte, daß er dem letzten Willen Herzkirsche's gehorchte und daß der arme Teufel in seiner Herzenseinfalt geglaubt hatte, diese Lüge würde für Norine weniger grausam sein.

Die Augen Norine's standen voll dicker Thränen. Abgereist?!" stotterte sie. Ich werde ihn also nicht mehr sehen?"

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Er hat viel an Sie gedacht," fuhr der Wald­inspektor fort, vor der Abreise hat er mich noch " Ah, Dank!" rief sie, tief aufathmend." Und gebeten, Ihnen das hier zu geben." werde ich ihn bald sehen können?"

,, Leider, nein, mein Kind... Der Arzt hat Der Arzt hat erklärt, er bedürfe der Luftveränderung und man hat ihn weit von hier fortgebracht... In seine Heimath... Er ist heute Morgen... abgereist."

Der Hund.*

Wir sind allein im Zimmer: mein Hund und ich... Draußen wühlt und heult ein rasender Sturm.

Der Hund sizzt vor mir und sieht mir gerade in die Augen.

Und auch ich sehe ihm in die Augen.

Es ist, als ob er mir etwas sagen wollte. Er ist stumm, er ist ohne Worte, er versteht sich selbst nicht- aber ich verstehe ihn.

Ich verstehe, daß in diesem Augenblicke in ihm und in mir dasselbe Gefühl webt, daß zwischen uns kein Unterschied besteht. Wir sind vollkommen gleich; in Beiden brennt und leuchtet dasselbe ängstlich flackernde Flämmchen.

Er reichte ihr das Messer. Norine nahm es und drückte es in ihren Fingern hin und her.

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verbranntes Gesicht hin, und er füßte sie auf die Stirn.

,, Nun," seufzte sie; wenn es zu seinem Besten ist... Sie müssen mir schwören, daß es ihm dort besser geht!"- Ich schwöre es Ihnen!"

Und er log nicht, der Waldinspektor!. Auf dem neuen Kirchhof, am Rande des Gehölzes, wo die hohen Eichen sein Grab beschatten, befand sich

Er hat mich auch beauftragt, Sie für ihn zu Herzkirsche besser". Hier erfreute er sich einer un­umarmen."

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gestörten Ruhe, die die bösen Träume und die Püffe Da fing sie zu schluchzen an, hielt ihr sonnen- der Aufseher nicht mehr störten.

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Feuilleton.

nicht; wir können getrost ein Auge schließen und werden immer noch die Gegenstände vor uns deutlich und gut sehen; es wird also durch jedes Auge ein Bild der Außendinge auf der Netzhaut entworfen, und es könnte scheinen, als ob jedes dieser Bilder in uns eine selbstständige Empfindung hervorruft, so daß wir eigentlich alle Gegenstände doppelt sehen müßten. Nun, thatsächlich sehen wir auch die meisten Gegenstände nicht blos in der Trunkenheit, sondern auch in ganz nüchternem Zustande zweifach; wenn uns das im Allgemeinen nicht stört, so rührt das daher, daß wir gerade diejenigen Gegenstände, auf welche wir unsere Auf­merksamkeit richten, die wir in's Auge fassen oder firiren, nur einfach sehen. Von der Thatsache des Zweifach­Sehens fann man sich leicht überzeugen. Hält man zwei schmale Gegenstände, z. B. zwei Federhalter, in einiger Entfernung aufrecht hintereinander vor das Gesicht und firirt den näheren, so sieht man den entfernteren doppelt; umgekehrt erscheint der nähere doppelt, sobald man den

Es kommt der Tod herangesaust, schwingt seine entfernteren fest in's Auge fast. Also nur, was wir falten, mächtigen Fittige...

Und es ist aus!

Wer kann später ergründen, welcher Art das Flämmchen war, daß in uns Beiden geflackert?

Nein! es tauschen nicht Thier und Mensch ihre Blicke aus... Es sind zwei Paar gleichgearteter Augen aufeinander geheftet.

Und in jedem Augenpaare, im Thier wie im Menschen, schmiegt sich das eine Leben bang an das gleiche andere... Jwan Turgenjew.

Schiffbruch. Von Hamburg   aus war die schmucke Segelbark Fortuna  " nun schon seit Langem unterwegs. Sie hatte gute Fahrt gehabt. Da zieht eines Morgens ein Wetter herauf. Grau überdeckt sich der Himmel. Ein schwerer Wind macht sich auf. Die See wird un­ruhig. Immer höher gehen die Wogen, immer schwerer wälzen sie sich heran. Das Schiff hält sich wacker. Wenn es auch der Wucht dieser Wassermassen gegenüber nur wie ein Spielball ist, es bahnt sich doch seinen Weg. Alle Mann sind auf Deck. Bis auf wenige kleine Feßen sind die Segel geborgen. Der Kapitän, der schon in so vielen Stürmen erprobt ist, hat heute Sorge. Die Gegend, in der das Schiff segelt, ist gefährlich; Klippen, die bei ruhigem Wetter nur wenig über die Oberfläche emporragen und jetzt von den Wogen überspült sein fönnen, müssen in der Nähe liegen... Krach! Da sizt das Schiff schon fest! Ein Stoß, der es bis in die letzten Balfen erzittern läßt! Ein rascher Blick: Das Schiff ist verloren! Durch ein starkes Leck schießt das Wasser in den Raumt. Das Schiff beginnt langsam zu sinken. Jetzt heißt es an die Rettung denken!

Das ist der Moment, den sich der Karlsruher   Maler Carlos Grethe   auf unserem Bilde zum Vorwurf ge­wählt hat. Das Schiff hat sich auf die Seite gelegt. Vorhin waren die Wellen nur in einzelnen Sprißern über Deck gekommen, jezt schlagen fie wildschäumend darüber hin. Die Mannschaft hat Mühe, sich auf dem abschüssigen glatten Boden aufrecht zu halten. Das starke Boot, das wohlverwahrt hinter der Reeling geborgen war, ist jetzt die einzige Rettung. Alle Mann sind damit beschäftigt, es über Bord zu heben. Mit Aufbietung aller Kräfte ziehen es Einige hoch; Einer ist schon hinein gestiegen, Einer schleppt die Nienten herbei. Der Kapitän überwacht die Bewegungen, schreit durch den heulenden Sturm seine Befehle. Seine Frau ist mit an Bord. Er ist an ihrer Seite geblieben, hat schüßend ihren Arm erfaßt. Ihr find die Glieder wie gelähmt, in ihren Augen malt sich sprachloses Entsezen. Die Männer sind in wilder Er­regung, sie schreien, fluchen durcheinander. Aber sie ar= beiten auch verzweifelt, sie wissen, daß sie einzeln gegen= über den Elementen wehrlos sind, daß nur, wenn sie zusammen halten vielleicht! ihr Leben gerettet werden kann..

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Das Einfach- Sehen mit zwei Augen. Zwei Augen haben wir und doch sehen wir alle Gegenstände nur ein­fach. Unbedingt nothwendig zum Sehen sind beide Augen

* Aus ,, Gedichte in Profa." Mitau  . Victor Felsko..

firiren, wird einfach gesehen, alles Andere zweifach. Daß wir diejenigen Gegenstände, auf die unsere Augen speziell gerichtet werden, einfach sehen, ist eine Folge längerer Erfahrung; am deutlichsten erkennen wir einen Gegen­stand, wenn sein Bild im Auge auf die Mitte der Netz­haut, in die sogenannte Nezhautgrube fällt. Beim Firiren richten wir daher unser Auge so und geben der Krystall­linse im Auge eine solche Wölbung, daß dies geschieht. Da wir das mit beiden Augen thun, so lernen wir sehr bald, daß den beiden Bildern in den Netzhautgruben und ihrer nächsten Umgebung stets nur ein Gegenstand ent­spricht, während wir das für andere Stellen der Netz­haut nicht lernen. Daß es sich wirklich um ein Lernen handelt, geht unter Anderem daraus hervor, daß Blind­geborene, die durch eine Operation sehend werden, An­fangs ihren Augen keine gemeinsame Bewegung zu geben vermögen, sondern sie unabhängig voneinander umher­rollen lassen. Erst mit der Zeit lernen sie, beide Augen auf denselben Gegenstand zu richten, und gewöhnen sich dann sehr bald, ein Objekt, dessen Bilder auf die Mitte der beiden Nezhäute fallen, als ein einziges aufzufassen.

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Der absolute Nullpunkt. Unter dem Nullpunkt eines Thermometers versteht man im Allgemeinen den Gefrier­punkt des Wassers, d. H. derjenige Stand der Quecksilber­säule, der bei der Temperatur des gefrierenden Wassers oder schmelzenden Schnees vorhanden ist, wird als die Nullstellung bezeichnet, und von ihr aus werden die Wärmegrade nach oben( positiv), die Kältegrade nach unten( negativ) gezählt. Bei dem in England gebräuch­lichen Fahrenheit'schen Thermometer liegt allerdings der Nullpunkt erheblich unter dem Gefrierpunkt des Wassers; als Fahrenheit zu Anfang des vorigen Jahrhunderts diese Skala einführte, glaubte er, eine so große Kälte als Nullpunkt gewählt zu haben, daß in der Praris keine Kältegrade mehr vorfämen, und somit die negativen Wärmegrade vermieden würden. Das ist nun allerdings nicht der Fall, und speziell heutzutage, wo man selbst die Luft in den flüssigen Zustand übergeführt hat, kommen Temperaturen von 200 Grad Kälte und noch tiefer vor. Wenn man von solcher Kälte vernimmt, überläuft Einen förmlich ein Schauder, der nicht in gleicher Weise auftritt, wenn man von hohen Wärmegraden hört. Die Hize, die wir herstellen können, zählt nicht nach Hunderten, sondern nach Tausenden von Graden, die wir z. B. im elektrischen Flammenbogen erreichen. In Eisengießereien wird mit flüssigen Eisen gearbeitet, dessen Temperatur 1200 bis 1500 Grad ist, und auf der Sonne herrscht eine Temperatur, die nach den niedrigsten Schätzungen 20 000 Grad erreicht, nach anderen 100 000 Grad weit übersteigt. Ueberhaupt giebt es für unsere Vorstellung keine Grenze der Temperatur, und früher gab man die Sonnentemperatur auch auf drei Millionen Grade an. Man könnte vermuthen, daß es mit der Kälte ebenso ist, daß, an sich betrachtet, eine Kälte von mehreren Tausend und selbst Millionen Graden existiren könnte, und es nur an unseren beschränkten Mitteln liegt, daß wir nicht weiter als bis etwa 200 Grad, vor Kurzem sogar bis 240 Grad gekommen sind. Dem ist aber nicht so; es eristirt viel­mehr eine höchste Kältetemperatur( bei 273 Grad), über die hinaus eine größere Stälte in keiner Weise vor= gestellt werden kann.

Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg  .

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Um das einzusehen, braucht man nur daran zu denken, daß die Wärme eines Körpers auf's Innigste mit der Bewegung seiner kleinsten Theilchen( Molecule und Atome) zusammenhängt; je heftiger diese Bewegung ist, um so heißer ist der Körper, je geringer dieselbe wird, um so mehr fühlt er sich ab. Für die Stärke einer Bewegung kann es nun feine obere Grenze geben, die Geschwindig= feit eines bewegten Theilchens fann 100, 1000, Million und mehr Meter in der Sekunde betragen, und daher kann die Temperatur auf 100, 1000, Million und mehr Grade steigen und überhaupt nie eine Grenze erreichen. Anders aber ist es mit der Abnahme der Bewegung; sinkt die Geschwindigkeit immer mehr, so wird schließlich der Punkt erreicht, wo gar keine Bewegung mehr vor­handen ist, wo absolute Ruhe herrscht. Bis zu diesem Punkte kann die Temperatur abnehmen, weiter aber nicht mehr; denn eine noch geringere Geschwindigkeit als ab­solute Ruhe kann es natürlich nicht geben. Aus Gründen, auf die hier nicht eingegangen werden kann, ergiebt sich, daß die Temperatur bei der absoluten Nuhe der Molecüle 273 Grad ist; daher ist dieses die tiefste mögliche Temperatur, die deswegen auch mit dem Namen des absoluten Nullpunktes bezeichnet wird. Da vor Kurzem Temperaturen von 240 Grad Kälte erreicht sind, so erkennt man, daß man dem absoluten Nullpunkt, der mit dem absoluten Ruhepunkt der Materie übereinstimmt, in ganz erheblichem Maße nahe gekommen ist. Völlig erreichen wird man ihn wohl nie; denn Materie ohne jede Bewegung dürfte nicht nur unvorstellbar, sondern auch unwirklich sein, d. h. überhaupt nicht existiren. t.

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Ein theures Gutachten. Im Jahre 1758 klagte der Papierfabrikant Johann Bierdimpfel mit seinen Werks­inhabern den Nachbar Port beim Rath der Stadt Nürn­ berg   an, durch Erhöhung seines Wehres und Stecken­lassen der Eispfähle die theilweise Absperrung des für den Betrieb der Papiermühle nothwendigen Flusses be­wirkt zu haben. Es wurde eine Deputation zur Augen­scheinung" abgeordnet, wodurch folgende Unkosten ent­standen: Den drei Herrn Deputirten je 3 fl., den zwei Herrn Consulenten à 3 fl., dent Wasser- Amits- Aktuario 2 fl., den drei Wassermeistern à 1 fl., den zwei Herrn Kutschern und Vorreuthern 2 fl.; Summa 22 fl."- Weit mehr als diese Gebühren ausmachten, hat aber die Mahl­zeit gekostet, welche die Kommission auf der Heerstraß" also scheinbar nur so im Vorbeigehen eingenommen hat und worüber die Originalrechnung des Wirthes Johann Peter Loschge zu Laufenholz vorliegt. Verzehrt wurden: ,, 2 Schüssell Allapatry Suppen  , 1 Stück Rindfleisch auf 10 Pfund nebst falten und warmen Brüe, 3 gebraden Genz Baug( Gans- Bäuche) à 45 Xr., 2 Schüssell Spargeß, 1 Schüssell Salat, 1 Schüssell mit 5 Pfund Krebß à 32 Xr., 2 Stück Gebagner Waffel Küchl, Pr. Brod 20 Xr., Pr. 21 Maeß Wertheimer Wein, Pr. 30 Maeß Bir Nothß, weiß u. f. Bag.( Farnbacher), Pr. Zerfiß Licht Pfeiff und Tobac  , 16 Xr., die 10 Bedienten 1 Schl. Suppen Nebst 1 Rema auf 9 Pfund( Rindfleisch, sog. Niemenstück), 1 Schl. Kraut und Brüe, Pr. 10 Pfund Schweine Brathen Nebst 1 Schl. Sallad, Pr. Brod Nebst 6 Glaẞ Rossoly Brand- Wein, Pr. 2, Maeß Wein, Pr. 40 Maeß Bir, 61/2 Mezz Haber, 10 Bund Heu; Summa Summarumi 35 fl." Nach vorgenommenem Augenschein und Bericht hierüber mußte Port natürlich das Wasser wieder frei machen, die entstandenen Kosten aber hatte er nur zur Hälfte, die Kläger zu je 6 zu bezahlen.- gr.

( Versailles  ) Wer bleibt denn noch stehen, wenn er die Statuen regimentsweise aufgestellt sieht. Wer be­trachtet ein Gemälde, wo die Gemälde wie Kartenblätter unhergestreut find? Friedrich Hebbel  .

Nachdruck des Juhalts verboten!

Alle für die Redaktion der Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin  , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.

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Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg  .

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- Druck: Mar Bading in Berlin  ,