Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

" Ich gehe mit Dir," sagt Arne Bing. Die beiden Herren verlassen das Lokal, Agestin sigt allein und wartet.

Da kommt eine lärmende Gesellschaft von jungen Menschen, ihr Anführer ist Bastian Lange. Er ist etwas angeheitert, redet laut und tritt in einer proẞigen, auffälligen Weise auf. Da er feinen anderen freien Plazz finden kann, kommt er schließlich auf Agestin's Tisch zu.

" Daß Du die Nase im Gesicht behältst!" ruft der angeheiterte Bastian. Sizt da nicht mein hoch­verehrter Lehrer und Magister? Ich denke, Sie lieben dieses Lokal nicht? Sie ziehen ja die Volks­küche fiche vor! Hahaha!... Denkt Euch, Kinder... er zieht die Volfsküche vor!... Aber darf ich nicht vorstellen: Peter Grün, auch der grüne Peter genannt, David Lunde, Salomon Saß, auch Salo­monsky genannt, und Eyolf Kragh, und so weiter. Die Namen der anderen Herren haben noch keine Rolle in der Weltgeschichte gespielt und mein hochverehrter Magister, Augustinus Martinus Klöften, Studentenfabrikant und Dichter von Gottes Gnaden, Demokrat und Voltstüchenabonnent... Die übrigen Pläge hier sind doch frei?"

Lärmend drängt sich die Gesellschaft um den Tisch, und nach einigen Bemühungen, die nöthige Anzahl Stühle aufzutreiben, haben sie Alle Plaz bekommen.

Wir trinken doch Alle Piolter?... Was meint Ihr zu einer Flasche Hennessy  ?... Ich habe den verdammten Whisky satt! Garçon  !... Pst!... Eine Flasche Hennessy  - Kognak und sieben Sodawasser! Und darf ich dann gefälligst um die hohen Krystall­felche bitten? Ich kann die plebejischen Gläser nicht verknusen!... Sollte der Oberkellner Schwierig­keiten machen, dann sagen Sie ihm nur, es wäre Bastian Lange, der es bestellt hätte, das wird schon helfen."

Der verlangte kostbare Hennessy kommt und die Krystallkelche auch. Die jungen, bereits etwas an= getrunkenen Menschen zechen weiter, erzählen pikante Anekdoten und reden über Damen vom Theater, über Chansonettensängerinnen und andere interessante Frauen mit großer Sachkenntniß.

Plößlich fragt Salomon Saß, dessen Aeußeres und Auftreten den verwöhnten Sohn reicher Eltern verräth: Entschuldigen Sie, Herr Dichter, womit werden Sie uns gewöhnliche Sterbliche demnächst beglücken?"

Agestin sieht den Fragenden zuerst überrascht an, im nächsten Moment empfindet er das Ver­legende, das im Ton und in der ganzen Art des Fragens liegt, unisomehr, da die Anwesenden, Einer nach dem Anderen, in ein schallendes Gelächter aus­brechen. Das Blut steigt ihm rasch zum Kopf, und in seinem singenden, heimathlichen Dialekt antwortet er schroff: Darüber mag ich nicht mit jedem be­liebigen Grünschnabel reden."

Es tritt eine augenblickliche Stille ein. Der soeben Zurechtgewiesene bereitet sich auf einen neuen An­griff vor.

Eine zweite Flasche Kognat und eine ganze Batterie von Sodawasserflaschen werden gebracht. Die Zecher füllen ihre Gläser. Bastian Lange wendet sich als liebenswürdiger Wirth an Agestin, der finster und mit zusammengefniffenen Lippen da sizt, und fragt:" Wollen Sie Ihr Glas nicht füllen, oder mögen Sie feinen Piolter?"

Eigentlich mag ich das Zeug nicht, aber... jezt... gerade jezt wäre es vielleicht nicht übel!" Er macht sich einen sehr kräftigen Piolter zurecht. ,, So, das lobe ich mir, stärken Sie Ihre Lebens­geister und geben Sie meinem Freund Salamonsty ordentlich Bescheid. Er interessirt sich lebhaft für die moderne Literatur."

,, Nicht für die Bauernliteratur," wirft Sala­monsky mit höhnischer Betonung ein.

"

O, sage das nicht!" ruft ein Dritter, die Bauernliteratur hat viel für sich...."

Er wird von Anderen übertönt. Einer redet von der Wiedergeburt des Nationalitätsgefühls, ein Anderer brüllt etwas von einer Oase in der Wüstenei des Naturalismus, Alle sind sie mehr oder weniger bezecht und stoßen mit der Zunge an.

Die Sonne ist hinter dem Schlosse untergegangen, das Gas noch nicht angezündet. Im Café und auf der Straße herrscht ein Halbdunkel, das diesen Auftritt insofern begünstigt, daß er nicht allzuviel Aufsehen erregt. Salamonsky, der in aller Stille sich auf einen neuen Angriff vorbereitet hat, fragt jetzt mit kazenfreundlicher Stimme:" Verzeihen Sie, Herr Augustinus  , sind Sie es etwa, der im Dere­blatt" die tägliche volksküchenthümliche Wochenüber­sicht verfaßt?"

Ein schallendes Gelächter. Agestin erhebt sich blitz­schnell und mißt mit den Augen die ganze johlende Gesellschaft. Dann dreht er, ohne ein Wort zu sagen, der ganzen Versammlung den Rücken, nimmt seinen Hut, verläßt den Tisch und tritt auf die Straße. Bastian Lange, der, troß seines Rausches, fühlt, daß er als Wirth für das Geschehene die Verantwor tung trägt, eilt ihm nach und will ihn besänftigen, aber in demselben Augenblick kommt auch der Kellner und macht Agestin unter vielen Entschuldigungen darauf aufmerksam, daß seine und Johnsen's Zeche darauf aufmerksam, daß seine und Johnsen's Zeche noch nicht bezahlt ist. Agestin aber, in dem es innerlich vor Wuth kocht, faßt Bastian Lange an der Schulter und schleudert ihn dem verblüfften Kellner mit den Worten in die Arme: Hier, nehmen Sie diesen Goldfisch als Deckung meiner nehmen Sie diesen Goldfisch als Deckung meiner Schuld!"

Eine Sekunde darauf ist Agestin in dem Gewiihl der Spaziergänger verschwunden.-

( Fortsegung folgt.)

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losen Freilassungen verringerten weiter den Vorrath von unfreien, d. h. staatsrechtlich unfreien, sklavischen Arbeitskräften immer mehr. Schon das Alterthum kannte seine staatsrechtlich freien, aber wirthschaftlich in tiefem Druck und Elend dahin lebenden Hand­werker, Arbeiter und Tagelöhner, deren Inanspruch­nahme für den Unternehmer sich billiger stellte, als wenn er jahraus jahrein große Heerden von Sklaven dauernd unterhielt und, wenn auch elend genug, speiste, bekleidete und behauste.

Eine Veränderung doppelter Art ging durch die Einschränkung der Sklavenarbeit vor sich, die Schäzung der Arbeit stieg, andererseits aber nahm trotz alledem die Geringschäßung der Leute, die um Lohn und Brot arbeiteten, nicht ab. Man vergaß eben nicht mit einem Schlage, daß deren Arbeit vor Kurzem noch von Sklaven geleistet wurde. Dazu kam, daß der absolute Cäsarismus, besonders in seiner brutal militärischen Form des römischen Cäsarismus alle Freien in ihrer staatsbürgerlichen Geltung herabdrückte. Dies Alles wirkte zusammen, daß die Reichsgewalt zu Zeiten daran denken mußte, neue soziale Organisations­formen zu suchen; und zwar ging die Bewegung in der Richtung des alt- orientalischen Kastenwesens, wie ja gewöhnlich alle Reformen von oben in Wahrheit Rückschritt darstellen, bei welchen aus den Fugen gehende Organisationen in alte Ordnungsschablonen eingezwängt werden sollen. Beamtungen, Berufe und Beschäftigungen wurden förmlich persönlich und erb­lich festgelegt. Hatte schon das Kaiserthum der Julier angefangen, eine eherne Bureaukratie zu schaffen, so ging diese Entwickelung noch entschiedener vor sich im dritten und vierten Jahrhundert, wo die soziale Berseßung zu strafferer Organisation drängte.

Bauernkriege des römischen Alterthums. Unter den bedeutenden Soldaten- und Bureautraten­

Von Ernst Wahrmund.

enn vom Bauernkrieg die Rede ist, denkt man gemeinlich an die große deutsche  Bauernerhebung zur Zeit der sogenannten Reformation, die in Wahrheit eine große soziale Reformation, die in Wahrheit eine große soziale Revolution war.

Die Landfrage, die Quelle aller Bauernkriege, ist aber uralt, schon im grauesten Alterthum, in Hellas und Rom  , begegnen wir ihr. Die Klein­bauern Attikas  , von Lokris  , von Mitylene, von Me­ gara  , wie die Plebejer Altroms sind die hauptsächlich in Betracht kommenden Klassen, welche die Demo­kratien des klassischen Alterthums errichteten. Der Vergleich ihrer Bedrücker und Peiniger, der groß­grundbesitzenden Adeligen, mit dem Adel der Re­formationszeit wie mit dem der ostelbischen Junker unserer Tage ist überraschend zutreffend.

Dasselbe Schauspiel, das Aufsaugen des kleinen Landbesizes durch den gierig schlingenden Großgrund­besitz, hatte auch schon das alte Israel   geboten, und die großen Propheten, welche dagegen mit glühendem Agitatoreneifer auftraten, sind die gewaltigen Führer des Volkes zu sozialen Reformen.

Es ist bekannt, wie die gemeinfreien kleinen Bauern des griechisch- römischen Alterthums durch Verschuldung in Schuldknechtschaft ihrer Bedrücker Verschuldung in Schuldknechtschaft ihrer Bedrücker geriethen und zu gleicher Sklaverei herabgedrückt geriethen und zu gleicher Sklaverei herabgedrückt wurden, wie die kriegsgefangenen Bewohner unter­jochter Gebiete und die Angehörigen besiegter, blut­fremder Völker.

Ein irländischer Schriftsteller, John Koll Tu­gram, fagt uns, warum die Frage der antiken Sklaverei für die modernen Lohnarbeiter so inter­essant und wichtig ist. Er erklärt kurz und bindig: Aus der Sklavenklasse, wie die Römer sie in den von ihnen unterjochten Ländern organisirten, hat sich das moderne Proletariat entwickelt."

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Jedoch nicht ohne Zwischenstufen.

Es kam die Zeit, wo die Arbeitsorganisation des Alterthums, die Sklaverei, sich nicht mehr halten konnte. Und dies ist nicht, wie man gefabelt hat, das Werk des Christenthums, sondern veränderter wirthschaftlicher und sozialpolitischer Zustände. Als Rom   zu einem internationalen Weltreich anschwoll, und einer Provinz nach der anderen das römische Bürgerrecht verliehen wurde, wurden die Jagdgründe für Auftreiben von Kriegssklaven, der Waare für Sklavenmärkte, immer mehr eingeschränkt. Die zahl­

kaisern, am deutlichsten bei Diocletian  , machte sich das Bestreben geltend, die Arbeit zu militarisiren und zu bureaukratisiren. Mehr oder minder ward Jedermann als Diener des Staates betrachtet und behandelt; Aemter wie Handwerke wurden erblich, und der staatliche Druck, durch den ihre Inhaber in ihrer Selbstbestimmung und Freiheit ganz gewaltig beeinträchtigt wurden, machte sie den Sklaven ähnlich, die ihrerseits aufstiegen und mit den freien" Ge­werbearbeitern zusammen unmerklich in den neuen Stand der Hörigen übergingen. Stand der Hörigen übergingen.

Eine besondere Berücksichtigung als Vorläufer der eigentlichen Leibeigenen und Hörigen verdienen die römischen Colonen, die Bächter von Grund und Boden, persönlich freie aber an die Scholle ge­bundene kleine Landwirthe. Diese rekrutirten sich aus kleinen freien Leuten, die der Staat ansiedelte gegen Erlegung einer bestimmten Pacht und mit der Pflicht, auf der Scholle zu bleiben, theils solchen Pächtern aus Privatvertrag, deren Freizügigkeit durch große Schuldenlast hinfällig geworden war, theils aus gefangenen oder eingewanderten Ausländern, oder Eingeborenen eroberter Landstriche, die zu be= bauen den Eroberern, speziell den Antheilempfängern an der Beute an Grund und Boden, die nöthigen Arbeitskräfte( Sklaven) eben jezt fehlten. Diese Colonen waren verpflichtet, einen Theil des Ertrages aus dem von ihnen bebauten Lande dem Großgrund­herrn oder dem Staat abzuliefern, außerdem auf den Gütern des Herrn, die dieser selbst verwaltete, oder auf den Domänen des Staates wenn sie Staatsland in Pacht hatten- bestimmte Arbeiten zu leisten. Die Pächter von Privatland mußten natürlich auch Staatssteuern entrichten, für deren richtige Ablieferung die Großgutsherren verantwort­lich gemacht wurden. Das war schon ziemlich all­gemeiner Zustand der Bauern im römischen Kaiser­reich, lange bevor Konstantin der Große   sie für an Grund und Boden gebundene Leute erklärte ( 332 n. Chr.). Der Colone, welcher sein Anwesen verließ, wurde mit Gewalt zurückgebracht und be­straft, wer ihn aufnahmi, mußte ihn wiederbringen und Strafe zahlen.

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So standen die Dinge auch in Gallien  , d. h. Frankreich   mit einem Theile Norditaliens  , mit Belgien  und Theilen Germaniens oder Deutschlands  .

Auf dem jungfräulichen Boden Galliens  , den dichte Urwälder, ausgedehnte Brachfelder, unregulirte Ströme und wenig zivilisirte Menschen einnahmen,