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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Er fand sich. Ich fing selber an, Diejenigen unbarmherzig mit Wollust zu quälen, die sich nicht beklagen konnten und die schwächer als ich waren. Ja, ich hatte angefangen, Thiere zu quälen. Was ich doch Alles mit ihnen machte! Mäuse und Natten begoß ich mit Petroleum und verbrannte sie in den Fallen, den Kazen schnitt ich die Schwänze ab, den unglücklichen Hunden gab ich Brot zu fressen, in dem sich Glassplitter und Stecknadeln befanden; den Tauben stach ich die Augen aus gar nicht zu reden von den Qualen, denen die Fliegen und Spinnen unterworfen waren. Nur ein Mensch, der mit solcher Ungerechtigkeit, in solcher Einsamkeit und unter solchen Beleidigungen erzogen war, konnte so schwere Qualen ausdenken.
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Als ich zu lesen anfing und mein Geist sich etwas entwickelte, kam ich unwillkürlich auf den Gedanken, die Menschheit habe alle ihre Mörder solcher Weise erzogen. Die Torquemada Ludwig XI. , Johann IV. müssen in ihrer Kindheit auch solche Eindrücke erlebt haben. Wenn die Geschichte davon schweigt, so beweist dies nur, daß sie deren Jugendjahre nicht fennt.
Wenn man diese Leute Verrückte oder Irrsinnige nennen würde, so würde ich dazu nur lächeln. Das, was für Andere unklar, ist für mich so klar, wie zweimal zwei gleich vier": Sie rächten sich an den Menschen!
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Hätte mich das Schicksal ein paar Stufen höher gestellt, so hätte ich dasselbe gethan. Jetzt konnte ich mich nur an den Thieren rächen, und merkwürdig, je mehr ich das that, je größer und stärker wurde mein Haß gegen die ganze Welt.
Die Rohheit stillte meinen leidenschaftlichen Nachedurst nicht, nein im Gegentheil, sie vergrößerte
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Heimkehr vom Heringsfang.
Hooollländer Heeerr=
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ring! Hooollländer Heeerrring!" Solange ich denken kann, klingt mir der Ruf in den Ohren. Einen Tag um mit einem richden anderen fuhr der alte Graubart tigen Fischerbart unter dem Kinn; sah selber wie ein Heringsfischer aus- auf seinem kleinen Wagen durch die Straßen der Stadt; man konnte sich nicht retten vor dem langgezogenen, fast flagenden Ruf. Seitdem weiß ich's, daß der Holländer Hering der beste ist. Immer war der Wagen umlagert, und wenn es gar Maties oder frische Vollheringe gab, so war das, nach Ansicht der Eltern, ein Festessen.„ Du, das ist Maties- Hering!" Wie oft habe ich das gehört, aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sahen wir Jungen die Herrlichkeit nicht ein, machten auch keine so feinen Unterschiede. Leckerbissen sahen uns anders aus. Mancher Holländer Hering", den wir gegessen, mag auch an einer näheren Küste ge= fangen worden sein; aber die Marke hat einen guten Klang. Die Holländer haben einen alten, schon Jahrhunderte währenden Ruhm darin. Der guten Methode des Einsalzens, Sortirens und Verpackens haben sie ihren Erfolg zu verdanken, noch heute gehört der Heringsfang zu den wichtigsten Erwerbszweigen der Holländer.
In einem Volf, das an der See wohnt und in seiner ganzen Lebenshaltung so sehr auf die See angewiesen ist, fann auch die Kunst- es flingt sonderbar, daß schließlich auch zwischen den Heringen und der Kunst eine Beziehung bestehen soll nicht lange an diesen Motiven vorübergehen. So find die Holländer die ersten Seemaler im eigentlichen Sinne geworden. Im 17. Jahrhundert schon fommt in Amsterdam eine bedeutende Schule auf. Diese Tradition hat sich bewahrt, und in der Gegenwart, die sich mehr als jede frühere Epoche der Darstellung des Arbeitslebens zugewandt hat, ist die Seemalerei das wichtigste Glied der holländischen Kunst. Und unter den Seemalern steht einer unbestritten obenan: Hendrik Willem Mesdag , der Schöpfer unseres Bildes.
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Ein rechter Seemaler mag von den modernen Dampfschiffen nicht viel wissen es sei denn, daß er„ aus patriotischen Gründen" Panzerungethüme und Torpedos zu malen hat. Mesdag liebt die derben Fischerboote, mit denen der Küstenfang betrieben wird. Vielleicht machen auch sie bald Fischdampfern Play; dann ist wieder ein Stück Romantik und Gefahr aus der Welt geschafft.
Wer einmal in einer Ausstellung einen Saal hollän= discher Künstler durchwandert, wird sich wundern über die Gleichförmigkeit des Eindrucks. Ein trüber, fast schmutzig grau- brauner Ton giebt all' ihren Bildern den Charakter. Nirgends eine gesättigte, leuchtende Farbe. Die Natur des Landes giebt die Erklärung dafür: ein ewig verhangener Himmel, ewig graue Wolken, die allen Farben die Leuchtkraft nehmen und sie in den einen trüben Ton
ihn noch. Schließlich nannte man mich zu Hause nur Johann- Kain*, und ich war stolz auf diesen Namen. Ich wußte, daß Alle den Räuber dieses Namens fürchteten, folglich, dachte ich, wird man vor mir auch Furcht haben. Wenn man von Keinem geliebt werden kann, dann bleibt Einem nur übrig, sich von Allen gefürchtet zu machen, um sich eine Stellung in der Welt zu sichern.
Ich verstand dies schon sehr frühzeitig. Man sagt, daß solche Gedanken Gift seien. Ich war von diesem Gift durchdrungen: mein Blut, mein Gehirn, mein Herz Alles war vollständig davon durch drungen! Ist es schlecht, so habe ich auch keine Schuld daran. Ich wurde nicht so geboren, ich wuchs in meinen Jugendjahren nicht so heran..,
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Selbstverständlich konnte ich diesem rosigen Cherubim, meinem Bruder, nichts thun. So lange er noch nicht sprechen konnte, hatte ich mich noch nicht entwickelt; später fürchtete ich mich vor ihm. Ich habe schon einmal angedeutet, daß ich feige und gemein geworden war. Ich schäme mich auch dessen nicht; denn ich meine, daß alle Diejenigen, vor denen die Menschen sich fürchteten, auch so feige und gemein waren wie ich: sie thaten Uebles, da sie wußten, daß keine Strafe folgen wird. Feigheit und Rohheit sind leibliche Schwestern. Tiberius war feige und böse, Nero desgleichen.
In diesem Falle urtheile ich nach mir selber. Und es ist doch merkwürdig: im ganzen Hause liebte mich nur der rosige Cherubim. O, könnte sich Jemand vorstellen, wie mich seine Liebe beleidigte! Sie war ja seinerseits Großmuth. Ich schlug mit einer besonderen Wuth die Hunde, die er liebte.
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* Ein berühmter russischer Räuber.
Feuilleton.
zusammenklingen lassen. Ebenso schwer wie der Charakter der Farbe ist auch die malerische Technik. Die Farbe, dick aufgetragen, mit breitem Pinsel hingestrichen, wirkt weich und fleckig, recht eigentlich malerisch. Selbst unser Holzschnitt zeigt in den Wolfenpartieen etwas von dieser Art der Behandlung.
Mesdag hat das Meer in allen Stimmungen gemalt: die Meeresstille, wenn die weite Wasserfläche regungslos liegt, und nur selten eine Welle mit leisem Rauschen den Strand spült; den wilden Sturm, der die Wellen gegen das Land peitscht, daß, so weit das Auge reicht, nichts als grünweißlicher Schaum auf ihnen zu sehen ist; und besonders gern, wie auch auf unserem Bilde, die Stimmung vor dem Sturm. Am Himmel steigt eine schwere Wetterwand herauf. Zerrissene Wolfenfeßen jagen vor ihr her und verdecken schon von Zeit zu Zeit die Sonne; ihre fast glanzlose Scheibe ist eben hinter einem schwarzen Fleck hervorgetreten, ein matter, fahler Schein dringt hie und da noch hindurch, umsäumt die Wolken, fällt hier auf ein Segel, läßt dort die Wogenfämme aufglänzen, umspielt die aufgeregt hin- und herschießenden Möben. Schon fährt ein stärkerer Wind über das Wasser hin, es ist die höchste Zeit für die Boote, an den sicheren Strand zu kommen. Vor'm Winde sausen sie heran. Jetzt sind sie am Ziel und legen bei. Die Vorsegel her= unter, die Großsegel flattern im Winde. Es ist, als hörte man das Knarren der Taue, das kurze Schlagen der Segel und das unruhige Knattern der Wimpel. Weit hinten auf hoher See liegen größere Segler, deren Silhouetten fast verschwimmen in der schwerfeuchten, grauen Dunstluft, die über dem Wasser liegt.-
Von einer fernen Welt. Der Planet Mars, der an dem hellglänzenden, röthlichen Lichte kenntlich ist, entfernt sich von der Erde bis zu 53%, Millionen Meilen; dann aber kommt er uns auch wieder bis auf 8 Millionen Meilen nahe, und da er eine ziemlich durchsichtige Atmosphäre besitzt, so bietet er dann seine Oberfläche den forschenden Fernrohren dar. Wir wissen, daß auf ihm Meere und Kontinente existiren, daß es auf ihm regnet und schneit, wie bei uns; die Jahreszeiten wechseln, wie auf Erden, mur sind sie auf der Nord- und Südhälfte viel schroffer in ihren Gegensätzen, als auf der Erde. Man hat dort auf der nördlichen Halbfugel einen langen, milden Sommer, auf den ein kurzer, ebenso milder Winter folgt; auf der südlichen Halbkugel dagegen ist der Sommer furz und drückend, heiß, worauf ein überaus harter und langer Winter kommt. Im Sommer schmelzen die Eisund Schneekoppen, welche seine Pole viele Meilen weit umhüllen, die Meere schwellen stark an und verursachen oft fürchterliche Ueberschwemmungen. Ein ausgedehntes Kanalsystem verbindet die einzelnen Meere, und einzelne
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Und dieser Glückliche, was für ein Recht hatte er denn, mich zu lieben, da ich ihn so tief haßte? ich warf Er theilte seine Süßigkeiten mit mir ich sie fort. Er schenkte mir sein Spielzeug - zerbrach es mit Wuth, denn bis zu seiner Geburt war ja Alles mein gewesen: diese Süßigkeiten, die Spielzeuge und selbst die Liebkosungen meiner Mutter, die er mir geraubt hatte.
Ich erzählte ihm, meinem Bruder, furchtbare Märchen, weckte ihn oft Nachts, fragend: ob er nicht im Winkel seiner Stube ein weißes Gespenst sähe? Darüber erschrocken, barg er seinen Kopf in's Betttissen und weinte bitterlich, während ich über seinen Schmerz jubelte und freudig lachte.
Aber bald ward ich dieser Freude beraubt. Man fand nämlich, daß wir nicht zusammen in einem Zimmer bleiben könnten, da er nervös würde. Von nun an wurde ich immer frühzeitig in meine Hundehütte zu Bett geschickt und durfte mich dem Bette meines Bruders nicht nähern, um ihm Märchen zu erzählen, selbst dann nicht, wenn er es selber haben wollte.
Ich nahm von ihm nur einen einzigen Dienst an; als man ihn zu unterrichten begann und er zu Hause Privatunterricht erhielt, wollte er, ich solle an den Lektionen theilnehmen; es war ihin lang= weilig, allein zu lernen. Nur diesem Zufalle danke ich's, wenn meine Eltern vorläufig noch davon abstanden, mich in die Handwerksschule zu schicken, wie sie es früher zu thun gedachten. Sie werden jezt zusammen lernen, meinten meine Eltern; ihn ( d. h. mich) in die Handwerksschule zu schicken, haben wir immer noch Zeit. O, dieses Immer!", es flingt noch jetzt wie ein Begräbnißklang in meinen Ohren. ( Fortsetzung folgt.)
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dieser Kanäle verdoppeln sich, so daß die von den Polargegenden heranfluthenden Wassermassen einen bequemeren Abfluß finden. Deswegen hat man diese Kanäle für mächtige Kunstbauten gehalten, durch die die vernünftigen Marsbewohner die Gefahren der Ueberschwemmung abwehren. Freilich fehlt uns jede Vorstellung von den Kräften, mit denen man solche Werke herstellen könnte; denn die engsten Kanäle, die wir wahrnehmen, sind mindestens 60 Kilometer breit. Allerdings müssen wir zugeben, daß die Marsmenschen in der Bewältigung schwerer Massen viel geringere Mühe haben würden, als wir. Mehr als doppelt so leicht ist dort Alles. Dieselbe Kraft, mittelst deren wir hier einen Meter hoch springen, würde uns dort über 2½ Meter vom Boden entfernen, und ebenso würden wir zentnerschwere Massen, die wir hier nur feuchend fortbewegen, dort spielend an ihren Plaz bringen. Zwei Monde umkreisen den Mars , welche den Bewohnern dieses Planeten, falls es solche giebt, sonderbare Erscheinungen an ihrem Himmel darbieten. Der eine Mond bewahrt fast unbeweglich seine Stellung am Himmel, ändert aber beständig seine Lichtgestalt. Während die Sonne und die Sterne ihre tägliche Bahn von Osten nach Westen ziehen, bewegt sich dieser Mond nur sehr wenig nach Westen zu vom Plaze; steht er Mittags im Süden, so erscheint er als Neumond, Abends zeigt er dann erstes Viertel, um Mitternacht erglänzt er noch immer im Süden als Vollmond, und am Morgen ist er letztes Viertel geworden, worauf er zu Mittag wieder als Neumond erscheint. Aus seiner Lichtgestalt kann man also leicht die Tagesstunde ablesen. Da er aber, wenn auch langsam, fortrückt, so geht er endlich im Westen unter und fehlt dann ebenso viele Tage am Himmel, als er vorher da gestanden hat. Aber ein die Zeit messendes Gestirn sieht der Marsbewohner auch dann, einen zweiten Mond nämlich, der mit quecksilberner Beweglichkeit ein völliges Gegenstück zu dem langsam wandelnden ersten Monde bildet. Dieser merkwürdige zweite Mond geht, allen sonstigen Regeln zuwider, im Westen auf und eilt über Süden nach Osten, wo er versinkt, und diese Reise vollführt er zweimal an jedem Tage; geht er z. B. des Morgens als Vollmond im Westen auf, so ist er schon Vormittags Neumond geworden und sinkt gegen Mittag im Often als erstes Viertel unter den Horizont hinab, um am Abend bei der untergehenden Sonne im Westen schon wieder als Neumond aufzusteigen. Um 9 Uhr Abends strahlt er als Vollmond am südlichen Himmel und geht gegen Mitternacht im Osten als letztes Viertel unter, um am nächsten Tage wieder im Westen zu er= dt. scheinen.
Nachdruck des Juhalts verboten!
Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg .- Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .
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