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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

der angehende Autokrat dem hohen Hause gegenüber wahrte. Angeblich Mitregent des Kaisers sollte der Senat sein. Augustus setzte nun fest, daß ein Senatskandidat einen ganz bedeutenden Vermögens­besiz nachzuweisen hatte. Verlor ein Senator so viel, daß er diesen Satz nicht mehr besaß, so wurde er aus der Liste gestrichen; wenn es sich aber um einen dem Kaiser genehmen Mann handelte, so schenkte Augustus einem solchen öfter Das, was er zu wenig besaß. Gestrichen, beziehungsweise nicht aufgenommen wurden Die, welche sich des Eldes auf die Geseze und die Regierungshandlungen des Kaisers weigerten.

Alle diese Maßregeln bewirkten, daß nur Leute, die entweder dem Kaiser ganz ergeben waren, im Senat saßen, oder Solche, die aus Rücksicht auf ihre Stellung und ihr Vermögen es nicht ristirten, einer cäsarfeindlichen Anwandlung ihres Herzens Folge zu geben.

Dabei übte Augustus alle die Kleinkünfte konven tioneller Höflichkeit und jener Leutseligkeit, die einem Monarchen so wenig kosten und ihm so gut stehen.

Wenn irgend möglich, richtete er es bei seinen Reisen immer so ein, daß Abfahrt und Ankunft aus und nach der Hauptstadt oder einer Provinzial­stadt immer auf die Spätabend- oder Nachtzeit fielen, um einem durch Empfangs- und Abschieds­ehrenbezeugungen Mühe und Unruhe zu machen.

In einem eigenhändigen Briefe an Tiberius schreibt Augustus: Ich habe 20 000 Sesterzen ver= loren, doch nur, weil ich überaus liberal gespielt habe, wie das gewöhnlich meine Art ist. Denn wenn ich alle die nachgelassenen Würfe eingefordert oder Das behalten hätte, was ich den einzelnen Mitspielern geschenkt habe, so hätte ich wohl an die 50 000 gewonnen. Aber es ist mir so lieber: denn der Ruhm meiner Freigebigkeit wird bis in den Himmel erhoben werden."

Wir sehen, daß bei dem Herrscher der römischen Welt Alles, bis auf sein Benehmen bei seinem Lieblingszeitvertreib, dem Würfelspiel, Berechnung und immer wieder Berechnung war.

Auch ausgesprochen religiöse Momente benutzte der neue Herrscher der römischen Welt, um seiner Person eine höhere Weihe und größere Sicherheit zu verleihen. Thron und Altar, Monarchie und Priesterthum haben ja von je und je in innigen Wechselbeziehungen gestanden. Natürlich konnte sich ein so feiner Streber nach Beherrschung der Ge­müther der Menschen sich dieses Hülfsmittel der Politik nicht entgehen lassen.

Von priesterlichen Aemtern besaß Augustus auch eine ganze Menge; vom 6. März des Jahres 12 v. Chr. ab war er Oberpriester durch Wahl; zu­gleich gehörte er allen übrigen großen Priesterkollegien an; er war Augur( Vogelschaupriester), Septemvir, Quindecimvir und Pontifer, Mitglied der Kollegien

A

' n einem lauen Oktobernachmittag kehrte der Holzhändler Bittmann aus einer der benach barten Ortschaften, wo er das Geld für die Winterlieferungen einkaffirt hatte, nach Hause zurück. Ein feiner Nebel lag über der Landschaft, und die Dämmerung sant nieder, als Bittmann das letzte Gehölz betrat,' das ihn von dem Dorfe trennte. Tagsüber hatte er viel getrunken und war nun guter Laune.

Langsam und vorsichtig ging er den schmalen, glatten Fußpfad, der mit welkem, nassem Laub bedeckt war. Dabei überlegte er, was er morgen Alles einkaufen müsse, denn er wollte morgen in die Stadt hinein. Er dachte an einen kleinen, eisernen Ofen für die Gesindestube und an die neuen Strohmatten für den Stall.

Dann fielen ihm die zwei Wallachen ein, die man ihm vorige Woche zum Kaufe angeboten hatte. Es hatte ihn gleich gereut, daß er sie damals nicht genommen. Heute hatte er zufällig erfahren, daß sie noch zu haben seien. Da durfte er also

der Arvalen, Fetialen und Titier. Am wesentlichsten war dabei, daß mit dem Oberpriesteramt das Ver­fügungsrecht über das Kirchengut mit allen seinen Dependenzen verbunden war, natürlich eine sehr wesentliche Stärkung der Stellung eines Herrschers.

Sicherlich war ihm die Religion in der Hauptsache nur Mittel zum Zweck, gut dazu, Andere an diesem Lenkseil und Gängelbande zu führen. Trotz der vielen Priesterämter, die er sich übertragen ließ, empörte er sich, wenn ihm dies politischen Erfolg versprach, wider die Götter. 3. B. um zu zeigen, daß er Sicilien um jeden Preis erobern wolle, woran ihn mehrere Stürme gehindert hatten, rief er aus, er werde auch gegen den Willen des Meeresgottes Neptun siegen, und er ließ bei den nächsten Zirkusspielen in der Reihe der Götterbilder die Statue des un­gehorsamen Neptun nicht mit einhertragen. Der Erfolg sprach für ihn, Sicilien fiel endlich in seine Hand. sprach für ihn, Sicilien fiel endlich in seine Hand.

Um wirklich selbst ganz ungläubig zu sein, fehlte ihm die philosophische Durchbildung; er glaubte an Astrologie, Wunder und Vorzeichen, fürchtete sich vor starken Gewittern und trug ein Stück Seekalbs­fell als schiißendes Amulett.

Gern sah er es, wenn ihn das Volk als einen besonders geliebten Günstling und Schüßling der Götter betrachtete.

Octavianus ließ es geschehen, daß sein Sekretär Julius Marathus von wunderbaren Vorzeichen be= richtete, welche bei Octavian's Geburt geschehen sein sollten; auch, daß man ihn einen Sohn des Gottes Apollo nannte, und die Stadt Aphrodisias dies so= gar auf ihre Münzen schreiben ließ. Fremden Kulten gegenüber steckte er den starken Geist und Nationalisten heraus. In Egypten z. B. wollte er dem heiligen Apis- Stier keine Huldigungen erweisen, wobei er bemerkte, er bete die Götter, aber keine Ochsen an. Ochsen an. Damit machte er auch zugleich den freigeistig gesinnten Geistern seines Reiches ein Kompliment, das ihn nichts foſtete.

Wie die Religion, so sind sicher auch die Künste und die Künstler, die Wissenschaften und die Ge­lehrten ihm stets in erster Linie Waffen zur Be­hauptung seiner Herrschaft, zur Erhaltung der Zu­friedenheit des Volkes mit den von ihm geschaffenen Verhältnissen gewesen.

Wein und Weiber waren Augustus nicht gefähr­lich; infolge seiner schwächlichen Gesundheit, für die er allezeit ängstlich besorgt war, enthielt er sich hierin sorgfältig aller Ausschreitungen. Ein neuerer Historiker bemerkt dazu: Jene kräftige Sinnlichkeit, wie sie an seinem Gegner Antonius hervortritt, ver­bot sich bei Cäsar ( Augustus) von selbst." Wenn er demnach als äußerst solides Haus" auftrat, so hatte das seine guten Gründe und war nicht der Ausfluß einer erhabenen Tugendhaftigkeit.

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Es ist keinen Augenblick zu verkennen, daß Augustus Ordnung und Frieden und viel Gutes

geschaffen hat, aber ebenso wenig kann geleugnet werden, daß all' dieses Gute in erster Linie ihm selbst niißlich und vortheilhaft war für Aufrecht­erhaltung seines Regiments.

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Selbst ein so lebhafter Vertheidiger des Augustus wie Gardthausen schreibt: Seine Erfolge verdankt er zum großen Theile einer seltenen Mischung und Verbindung von Eigenschaften, die einzeln nicht selten genannt werden können. Er besaß einen ungewöhn­lich scharfen Verstand, der Anderen gern ihre Illu­fionen gönnte, aber unbarmherzig mit den eigenen aufräumte, eine zähe Ausdauer und einen energischen Willen, der einerseits sich durch keine Schwierig­keiten abschrecken ließ, andererseits aber nicht so rechthaberisch war, das Ziel blos auf dem einen Wege erreichen zu wollen; ferner einen eminent praktischen Sinn, der auch unter schwierigen Ver­hältnissen um Auskunftsmittel nicht verlegen war. Dazu kam ein kühles Herz, das in wichtigen Fragen die Entschlüsse des Willens und Verstandes nicht kreuzte, und ein weites Gewissen, das sich eben­falls, namentlich in der ersten Zeit, den Forderungen der politischen Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit gegenüber zu bescheiden(!) verstand. Es war also der kalte, völlig rücksichtslose Egoismus, verbunden mit einer ganz ungewöhnlichen, ruhig ab­wägenden Klugheit, dem er seine Erfolge verdankte... Ein Fehler wog bei ihm schwerer als ein Verbrechen."

Man sieht den Staatsmann im Heroen- und Großen- Männer- Stil, der jenseits von Gut und Böse" nur eine Richtschnur seines Handelns kennt: den Erfolg! Und den hatte er; oft auch schlug zufälliges Mißgeschick geradezu zu seinem Vortheil aus. Ein Mordanschlag z. B., den er gegen Anto­nius, seinen Kollegen im Triumvirat( in der Tri­archie, der Dreimännerherrschaft, zu der Antonius, Augustus und Lepidus gehörten), machen ließ, miß­glückte ihm zum Heil, denn im Falle des Gelingens wäre wahrscheinlich seine Sache verloren gewesen für alle Zeit.

Glück war es auch, daß er stets die geeigneten Helfer und Handlanger" bei seinen Plänen fand, deren Fähigkeiten und Leistungen er sich so vor­trefflich zu Nuße zu machen verstand.

Man hat Augustus mit den Napoleonen ver­glichen; treffender scheint mir der Vergleich mit einem anderen der rücksichtslosesten und raffinirtesten Egoisten, mit Ludwig XIV . Auch Augustus hul­digte der Anschauung: Der Staat bin ich!" Er förderte in der That das Staatswohl stets als das seine zugleich, und nach beiden Richtungen verband er Glück und Geschick in fast gleichem Maße mit­einander.

Er durfte eine bejahende Antwort erwarten, als er auf seinem Sterbelager seine Umgebung fragte: " Meint Ihr nicht, daß ich das Schauspiel des Lebens ganz artig gespielt habe?"

Der Steinbruch..ஒரு

Novelle von G. Macasy.

nicht vergessen, morgen den Knecht zum Schloß­verwalter zu schicken, damit ihm wenigstens kein Anderer zuvorkomme. Und übermorgen wollte er selbst hinüber.

" Fünfzig muß er mir noch nachlassen," dachte er, und freute sich im Vorans auf das gute Geschäft.

In der Mitte des Gehölzes begann der Weg ein wenig zu steigen und führte an einem Stein­bruch vorbei, der schon vor vielen Jahren aufgelassen worden war.

Kleines, weißes Geröll bedeckte, vermischt mit größeren, abgerutschten Felsblöcken, den Weg. Zwischen dem jungen, dünnen Laubholz hindurch sah man eine alte, halbverfallene Hütte, die ehemals den Stein­meßen zum Schuß gedient hatte. Die Thür war aus den Angeln gebrochen und lag schief an die Wand gelehnt. Die durchziehenden Vagabunden und Kesselflicker benußten die Hütte oftmals als Lagerstätte. Lagerstätte. Ein schwarzer Halbkreis vor der Thiir bezeichnete die Stelle, wo sie ihre Feuer anzumachen pflegten.

Vor dem Steinbruch stand Bittmann eine Weile still, um Athem zu schöpfen.

Ein lauer, beklemmender Südwind strich durch das braune, dürre Laub und bog die dünnen Stämme. Traurig klang das Aechzen des Holzes durch die weite, tiefe Stille. Von den entlaubten Aesten sickerte langsam Tropfen für Tropfen in den weichen, duf­tenden Waldboden.

Bittmann stand auf seinen Stock, gestützt und starrte nach dem Steinbruch hinüber, dessen steile, blendend weiße Innenwand sich grell von dem dunklen Waldgrunde abhob, der sich zu beiden Seiten darüber thürmte.

Von Zeit zu Zeit löfte sich ein kleiner Stein oder eine Handvoll Erde oben vom Rande los und fiel mit gedämpftem Geräusch in die Tiefe.

Als Bittmann im Begriffe war, seine Wande­rung fortzusetzen, hörte er hart neben sich ein Geräusch. Er wandte sich zur Seite und sah an der Biegung des Weges seinen Schwager, den Polier Fellner, stehen, der ihn schon längere Zeit beobachtet haben mußte.