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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Jahre hinein größere Quantitäten überhaupt nicht erhältlich waren, ist das größte Aluminiumwerk des Kontinents, Neuhausen bei Schaffhausen , auf eine Tagesproduktion von 2000 Kilogramm eingerichtet. Die neuen Aluminiumwerke an den Niagarafällen weisen eine bedeutend größere Leistungsfähigkeit auf. Wegen seines außerordentlich geringen spezifischen Gewichtes( es ist ungefähr dreimal leichter als Eisen) hatte man früher große Hoffnungen auf die technische Verwendbarkeit des Aluminiums gesetzt, Hoffnungen, die sich bisher im Allgemeinen nicht erfüllt haben. Für sich allein wird es fast nur zu Haus- und Küchengeräthen, zu physikalischen Instrumenten, Truppenausrüstungsgegenständen, Kunstgegenständen usw. verwandt. Dagegen hat es eine außerordentliche Bedentung für die Metallraffination gewonnen. Beim Eisen, Stahl- und Kupferguß, selbst in geringen Quantitäten zugefeßt, wirft es stark reduzirend auf vorhandene Sauerstoffverbindungen und ermöglicht einen blasenfreien, dichten Guß, wodurch die werthvollen Eigenschaften der genannten Metalle besonders start hervortreten. Das Geheimniß der Krupp'schen Gußstahlfabrikation beruht wohl wesentlich auf der Verwendung von Aluminium, wodurch der deutsche Gußstahl zu einer Zeit, wo die Stahlfabrikation noch in den Kinderschuhen steckte, sich die Superiorität über die ausländische Stahlfabrikation sicherte.
Ganz in die letzte Zeit fällt eine Verwendungsart des Aluminiums, die jedenfalls noch sehr große Bedeutung gewinnen wird. Es handelt sich hier um die Verwendung des Aluminiums zur Erzeugung sehr hoher Temperaturen, auf das einzugehen sich vielleicht an anderer Stelle Gelegenheit bieten wird.
Ein anderes elektrolytisches Verfahren hat in der Gegenwart eine über alle Maßen große Bedeutung gewonnen, nämlich die Herstellung von Calciumcarbid aus Kohle und Kalf im elektrischen Schmelzofen. Bei den Versuchen, den metallischen Bestandtheil des Kalkes, das Calcium, zu isoliren, wobei noch Kohle als Reduktionsmittel angewendet wurde, erhielt man nicht das gewünschte Calcium, sondern einen neuen, oder vielmehr bis dahin noch nicht genau erforschten Körper, nämlich das Calciumcarbid . Das Calcium carbid hat insofern eine große Bedeutung, als dasselbe gestattet, auf einem sehr einfachen und bequemen Wege Acetylen herzustellen, das in der Gegenwart so viel genannte Gas, welches eine 16 mal größere Leuchtkraft als das Steinkohlengas besitzt. Bringt man nämlich Calciumcarbid mit Wasser in Berührung, so zersetzen sich beide Stoffe in Acetylen und KalkInprat. Das Acetylen wird in einem Gasometer aufgefangen und kann nun, in einer Röhrenleitung vertheilt, zur Beleuchtung von Wohnräumen 2c. bemußt werden. Die außerordentliche Bequemlichkeit der Acetylenherstellung hat dazu geführt, daß in den legten zwei Jahren eine ganze große Industrie neu entstanden ist. Und wenn bisher auch die Acetylen beleuchtung noch nicht den Umfang gewonnen hat, den sie verdient, so liegt das im wesentlichen daran, daß einmal die Acetylenbeleuchtung die Konkurrenz der bereits vorhandenen Gas- und elektrischen Beleuchtung zu überwinden hat, und daß andererseits der Preis des Calciumcarbids noch nicht so niedrig ist, als daß sich die Acetylenbeleuchtung billiger als die Glühlichtbeleuchtung stellt. Als ernstlicher Nivale des Gasglühlichtes kann das Acetylenlicht vorläufig noch nicht auftreten, dagegen gewinnt es eine von Tag zu Tag steigende Bedeutung da, wo es sich um isolirte Beleuchtungsanlagen, abseits von Gaszentralen und elektrischen Zentralen handelt. Erst wenn es gelingt, das Calciumcarbid , dessen Preis naturgemäß von den Kosten der Elektrizität abhängig ist, für 16 Pfennige per Kilo zu erzeugen, wird es auch dem Gasglühlicht den Rang streitig machen.
Wesentlich älter als die elektrometallurgische Verwendung des elektrischen Stromes ist die Galvanoplastik und die Galvanostegie. Unter Galvanoplastif versteht man die Abformung von Gegenständen durch Metalle, die von dem elektrischen Strome nieder geschlagen werden, während man unter Galvanostegie das Ueberziehen von leitend gemachten Körpern oder Metallen mit einem fremden Metall versteht. Das Prinzip der Galvanostegie und der Galvanoplastik ist jedoch dasselbe. Bereits Wollaston fand im Jahre
1801, daß, wenn ein Stück Silber z. B. mit Zink leitend verbunden, in eine Lösung von Kupfervitriol gebracht wird, sich das Silber mit Kupfer von solcher Festigkeit überzieht, daß der Niederschlag die Behandlung mit dem Polirstahl verträgt. Bereits im Jahre 1805 gelang es Brugnatelli, silberne MeJahre 1805 gelang es Brugnatelli, silberne Medaillen zu vergolden, indem er sie mit dem negativen Pole einer Batterie leitend verband und als Kathode in eine Goldlösung tauchte, während er am positiven Pole ein Goldstück in die Lösung hing.
Die Galvanoplastik ist etwas neueren Datums. Im Jahre 1838 machte Jacoby der Petersburger Akademie die Mittheilung, daß sich mit Hülfe des elektrischen Stromes Kopien von Metallen und anderen Gegenständen in Kupfer herstellen ließen. 1840 ge= lang es Murray, auch nichtmetallische Flächen, also Nichtleiter des elektrischen Stromes, durch Ueberziehen mit Graphit für den elektrischen Strom leitend zu machen und dadurch die Abnahme galvanischer Kopien von Holzschnitten, Gipsabdrücken 2c. zu ermöglichen.
Die Galvanoplastik und die Galvanostegie haben seit dieser Zeit eine außerordentliche Bedeutung gewonnen. Mit Hülfe der Galvanoplastik werden heute allgemein von Holzstöcken metallische Kopien, sogeallgemein von Holzstöcken metallische Kopien, sogenannte Clichés und Kupferclichés angefertigt, die an Stelle der Originalholzstöcke zum Druck dienen. Der Vorzug der Kupferclichés vor den Holzstöcken beruht vor Allem darin, daß dieselben ungleich widerstandsfähiger als der Holzstock sind, und daß man weiterhin von demselben Holzstock eine beliebige Anzahl von Clichés abformen kann. Erst durch das galvanoplastische Verfahren ist es möglich geworden, von einem einzigen Holzschnitt Massenauflagen zu drucken, so daß man heute im Stande ist, Bildern eine Verbreitung zu geben, wie sie vordem unmöglich gewesen wäre. Aber nicht blos Holzschnitte, Zinfäßungen und dergleichen werden heute galvanoplastisch vervielfältigt, sondern auch Kunstwerke aller Art, wie Statuetten, Bisten und dergleichen. In außerordentlicher Treue und für einen vergleichsweise sehr niedrigen Preis lassen sich so plastische Kunstwerke in Kupfer fopiren.
Vielleicht eine noch größere Bedeutung als die Galvanoplastik hat heute die Galvanostegie in der Industrie und Technif gewonnen. Bei einer großen Anzahl von Gebrauchsgegenständen überzieht man heute das Zinn oder Eisen, das deren Hauptmaterial heute das Zinn oder Eisen, das deren Hauptmaterial bildet, mit einem Ueberzug von Nickel oder Edelmetall, wodurch eine größere Widerstandsfähigkeit gegen die zerstörenden Einflüsse der Atmosphärilien geboten wird. Erst durch die Galvanostegie, die ihre große Verbreitung in dem Augenblicke gewonnen hatte, als man Elektrizität mit Hülfe der dynamoelektrischen Maschinen billig zu erzeugen im Stande war, ist das Nickel populär geworden. Vernickeltes Zinn, Blech, vernickelte Waaren aus Zinnlegirungen, Zierrath aller Art ersetzen heute Silber- und ZinnZierrath aller Art ersezen heute Silber- und Zinu
waaren.
Um Gegenstände zu vernickeln, überzieht man sie gewöhnlich erst auf galvanischem Wege mit einer dünnen Kupferschicht, worauf man sie dann als Rathode in ein sogenanntes Nickelbad hängt, d. h. in ein Gefäß, das die Auflösung eines Nickelsalzes enthält, und taucht gleichzeitig als Anode ein Nickelblech in das Bad. Das Nickelsalz zersetzt sich beim Durchgang des Stromes und an der Kathode schlägt sich Nickel nieder, während die Anode langsam abgelöst wird und die gleiche Konzentration des Nickelbades erhält.
In analoger Weise wird die galvanische Verkupferung, Versilberung, Vergoldung 2c. vorgenommen.
Die Herstellung galvanostegischer Metallniederschläge hat deshalb eine so hohe Vedeutung, weil es so ermöglicht wird, unedlen Metallen durch leberziehen mit einer außerordentlich diinnen Schicht edlen Metalls den Anschein der Echtheit zu verleihen. In unserer Zeit, wo so häufig der Schein für das Sein eintreten muß, kann es deshalb garnicht verwunder lich sein, daß man sich an diesen frommen Betrug gewöhnt hat. Andererseits darf man aber doch auch nicht verkennen, daß es erst durch die Galvanostegie ermöglicht worden ist, Metalle, die sonst unter dem zerseßenden Einfluß der Atmosphäre leicht zerstört worden wären, gegen diesen widerstandsfähig zu machen.
Hiermit aber sind die chemischen Wirkungen des elektrischen Stromes noch bei Weitem nicht erschöpft. In einer ganzen Reihe der heterogensten Industrien wird die Eigenschaft des elektrischen Stromes, chemische Verbindungen zu zersetzen, ausgenußt, so in der Färberei, Bleicherei , Gerberei usw.
Für die Färberei kommt die elektrolytische Herstellung von Anilin, Anilinschwarz, Indigo- Kiepe uſw. in Betracht. Sofern es sich um außerordentliche Neinheit des Erzeugnisses handelt, verdient das eleftrochemische Verfahren bei weitem den Vorzug vor dem rein chemischen.
Beim elektrischen Bleichverfahren handelt es sich im Wesentlichen um die Erzeugung von Chlor oder Ozon auf der zu bleichenden Faser. Sowohl Chlor als auch Dzon haben eine außerordentlich große chemische Verwandtschaft zum Wasserstoff, der einen wesentlichen Bestandtheil der meisten organischen Farbstoffe bildet. Wird diesen der Wasserstoff entzogen, so zerfallen sie und verlieren ihre färbende Wirkung. Bei dem elektrolytischen Bleichverfahren von Hermite werden verschiedene Chlorsalze, deren bekanntestes unser Kochsalz ist, in wässeriger Lösung verwandt, in welche die zu lösenden Stoffe eingetaucht werden. Läßt man nun den elektrischen Strom durch die Lösung hindurchgehen, so werden an der Kathode Chlor und gewisse Sauerstoffverbindungen frei, die ein sehr starkes Bleichvermögen besitzen.
Von Ozon- Bleichverfahren wird besonders das von Siemens& Halske in der Praris angewendet. Das Verfahren besteht darin, daß die zu bleichenden Gegenstände in feuchtem Zustande in die sogenannte Ozonfammer kommen, wo sie ungleich rascher, als dies bei der Nasenbleiche der Fall ist, wo ebenfalls die Wirkung des Ozons in's Spiel kommt, gebleicht werden. Weitere technische Verwendungen hat das Ozon gewonnen zum künstlichen Altern der Weine, des Cognacs, zur Fermentirung des Tabaks usw. usw. Die Herstellung des Ozons, bekanntlich die aktive Form des Sauerstoffs, geschieht in der Weise, daß man einen Strom von Luft oder Sauerstoff an Spigen oder Platten vorüber führt, zwischen denen eine elektrische Ladung stattfindet.
Bei der elektrischen Gerberei finden ähnliche chemische Vorgänge statt. Es handelt sich hier im Wesentlichen um eine Unterstützung der gerbenden Wirkung der Gerbsäure durch Vermittelung ebenfalls von Chlor und Ozon.
Hiermit wären wir an dem Schluß unserer Betrachtungen angelangt. Wir haben gesehen, wie die Elektrizität, die vor hundert Jahren faum erst in den Laboratorien der Physiker eine Rolle spielte, immer mehr und mehr Eingang in die Industrie gewinnt, wie sie als wohlwollende Fee bei allen Manipulationen, bei fast jeder Thätigkeit des Menschen auftritt, wie sie im Kleinsten und Größten hilfreiche Dienste leistet, wie sie die Länder miteinander verbindet, als ob fein Weltmeer sie trennt, wie sie gestattet, die gewaltige Energie der wilden Bergströme, der in der Kohle aufgespeicherten Sonnenwärme auszunutzen. Wir haben auch weiterhin gesehen, daß die Strömung der Elektrizität nichts Anderes als eine besondere Form der Energie ist und daß sie in legter Hinsicht, ebenso wie alles Leben auf der Erde, wie alle Energieformen, die uns hilfreiche Dienste leisten, der Sonne ihr Dasein verdankt.
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Die Gebild- Weberei.
Von Gustav Strahl.
ie in den Muſeen aufbewahrten Stoffüberrefte gewähren uns interessante Einblicke in die Kunstfertigkeit unserer Vorfahren. Mit primitiven Hilfsmitteln haben sie es verstanden, Gewebe herzustellen, die man durchaus als mustergültig an= erfennen muß. Troz unserer hochentwickelten Technik sind wir heute nicht im Stande, dieselben besser zu fabriziren; im Gegentheil, in der steigenden Hast unserer Zeit ist es unmöglich, das zu leisten, was zu Zeiten unserer Väter langsam und bedächtig, umständlich und kostspielig, aber mit Ernst und Ver
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