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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
wohl noch etwas höher bringen, aber der Preis wird dadurch so sehr beeinflußt, daß man nur in den allerseltensten Fällen zu diesen Hülfsmitteln greift. Und dennoch hätte gerade die deutsche Industrie ganz besonders Ursache, diesem Kunstbedürfniß, das sich in dem großem Teppichverbrauch der letzten Jahre zeigt, Rechnung zu tragen. Besonders sind es die imitirten Gobelins französischen Ursprungs, die in ungeheueren Quantitäten importirt werden und ihrer geschmackvollen Ausführung und des billigen Preises wegen eine gern gekaufte Waare sind. Troßdem wird man in Deutschland , von stümperhaften Anfängen abgesehen, noch nichts davon gewahr, daß die deutsche Industrie bemüht wäre, sich die Franzosen auf dem eigenen Markte als Konkurrenten vom Leibe zu halten; dazu wäre nicht einmal eine starke Handelsflotte nöthig!
Die Haute- lisse - Technik verwendet im Gegensaz zu unserer heutigen Basse- lisse- Technik senkrecht aufgespannte Fäden als Kette, während diese an unseren Stühlen wagerecht verarbeitet werden. Bei den ersteren Stühlen sind zwischen zwei ca. 1 Meter von einander entfernt senkrecht aufgerichteten Balfen zwei Querbäume befestigt, einer oben, der andere unten. Zwischen diesen wurden wohl anfänglich, ehe man einen drehbaren Kett- und Waarenbaum in ihre Stelle sezte, die Kettfäden aufgespannt und vermittelst Durchflechten anderer Fäden in senkrechter Richtung ein Gewebe erzeugt. Die Verflechtungsweise kann Die Verflechtungsweise kann eine willkürliche gewesen sein; die Ueberreste aus der ältesten Periode zeigen schon unsere heutigen Grundbindungen. Später ist man jedenfalls zu den unseren heutigen Webgeschirren entsprechenden Vorrichtungen gekommen. Ueber die Einrichtung dieses Geschirres berichtet A. von Cohausen Näheres:„ In der Brusthöhe( 1,25 Meter) ist durch kurze Arme vor den Ständern der Brustbaum, und 20 Zentimeter tiefer der Kamm befestigt. Hinter ihm hängen die Kettfäden senkrecht herab. Damit sie diese Lage beibehalten, und besonders, damit die Breite des Gewebes dieselbe bleibt, besteht der Kamm aus einem Querholz, welches auf seiner ganzen Länge in regelmäßigen Abständen mit einer Reihe kopfloser Stifte besetzt ist, zwischen welchen ein oder mehrere Fäden liegen."
Wollte man in diese Fäden( Kette) Schuß eintragen, so müßte man jeden Faden, der über dem Schußfaden liegen soll, vorziehen und den Schuß dahinter weiter stecken. Um mehr Fäden gleichzeitig und gleichmäßig vorziehen zu können, wird auf jeden Kettfaden eine verschiebbare Schleife geknüpft und diese in entsprechender Reihenfolge an einem Stab befestigt, der vorn über den Brustbaum hinweggelegt wird. Um ein Leinwandgewebe, bei welchem je ein Faden über dem Schuß liegt, der nächste unter demselben u. s. f., herzustellen, kann man alle Fäden in zwei Gruppen theilen; zu der einen gehören die geraden Zahlen, zur anderen die ungeraden. Knüpft man alle Schleifen, welche an den geradzahligen Fäden sind, auf einen Stab, die übrigen auf einen zweiten, so ist man in der Lage, durch Vorziehen eines Stabes die Hälfte der ganzen Kette zugleich vorziehen zu können, die Kette zu theilen. Bleiben die nicht gezogenen Fäden senkrecht hängen, so wird sich zwischen ihnen und den nach vorn bewegten ein spizer Winkel bilden, in welchen sehr leicht und bequem mit Hülfe einer Nadel oder eines Holzstabes ein Querfaden einzulegen ist; durch Drücken mit der Nadel oder Leiste wird der Schußfaden möglichst fest in den Winkel eingepreßt. Nach Zurücklassen
( Schluß.)
M
artha stand wie betäubt. Mechanisch wischte sie an einem Fleck, der längst vom Aermel verschwunden war. Und dazu murmelte sie blos:„ Jesus Maria! Jesus Maria! Was ist Dir denn eingefallen?"
Fellner hatte sich wieder beruhigt.
Er saß und starrte vor sich hin und schien Alles um sich herum vergessen zu haben. Martha raffte
des ersten Stabes wird darauf der zweite vorgezogen, welcher die zweite Hälfte Kettenfäden trägt und in dem neu gebildeten Winkel, auch Fach genannt, der zweite Schuß eingetragen.
Ebenso gut kann man auch die Kette in drei und vier oder mehr Gruppen theilen und eine Verschnürung an entsprechend viel Stäben ausführen. Die Kreuzungsweise der Fäden wird dadurch eine freiere, mannigfaltigere.
Die Gobelins zeigen durchgehend eine Bindung, zu deren Herstellung nur zwei Stäbe, heute Schäfte genannt, verwendet sind. Der Schuß ist so dicht eingetragen, daß von der Kette nichts zu sehen ist, eingetragen, daß von der Kette nichts zu sehen ist, es sind also die Figuren lediglich aus Schußmaterial gebildet; zu den guten Gobelins wurde als Kettenmaterial weiße Wolle verwendet.
Die Herstellung eines solchen Teppichs stellte an den betreffenden Arbeiter ganz bedeutende Anforderungen. Da die richtige Auswahl der jeweilig zu verwendenden Schußmaterialien betreffs der feinen Nüancirung vollständig dem Gefühl des Webers über lassen war, so erforderte die Herstellung einer brauch baren, der Vorlage entsprechenden Arbeit nicht allein eine große Uebung und Geschicklichkeit der Hand, sondern auch eine feine, künstlerische Empfindung für die Wirkung der verschiedenen Farben in allen ihren zahlreichen Abstufungen.
Das, was man heute unter Gebild- Weberei versteht, war in diesem Industriezweige nicht vorhanden; die vielen modernen Beiwerke, wie Jacquardmaschine, Kartenmuster, Wechsellade u. dgl., gab es damals noch nicht; Alles, was hervorgebracht wurde, war mehr oder minder von der individuellen Fähigkeit Ses Einzelnen abhängig. Waren auch die Muster, die Kartons selbst nicht das geistige Erzeugniß des Webers, so mußte er doch zur Herstellung einer treuen Kopie mit ganz anderen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgerüstet sein, als der heute am mechanischen Jacquardstuhl stehende Weber, der von all' den anderen, in die Weberei eingreifenden komplizirten Verrichtungen, man möchte fast sagen Wissens schaften, keine Ahnung mehr hat; sein Gesichtskreis hat sich heute so verengert, seine Person ist von so wenig Bedeutung, daß das Fehlen des Einzelnen garnicht mehr in Betracht kommt. Aus dem Jahre 1433 wird aus Barcelona berichtet, daß Meister der Teppichwebekunst Mitglieder des großen Rathes waren, heute ist der Weber in den Augen des Spieß birgers ein so erbarmungswürdiges Geschöpf, daß man mitleidig achselzuckend über ihn hinwegsieht.
Eine Analogie des Arbeitsprozesses für die Gobelinfabrikation hat man noch heute in den Smyrnateppichen: eine aufrecht stehende Kette, in welche nach Maßgabe der Vorlage verschiedenfarbige Wollstückchen durch Anschleifen befestigt werden. Noch näher kommt derselben, abgesehen von der wagerechten Kette, die Herstellung einzelner Figuren in Schußmöbelstoffen durch sogenannte Stechspulen. Nachdem das Fach durch die Maschine ausgehoben ist, wird mit kleinen Handschüßen ohne Rollen ein bestimmtes Material, welches sich von dem durch gehenden Schuß in Stärke und Güte besonders abhebt, nur unter einer fleinen Fadenpartie hinweg gezogen, nicht über die ganze Breite, und zieht, den legten Faden als Fangfaden benugend, im nächsten Fach wieder zurück. Genau so verfuhr man bei Haute- lisse; das auf die weiße Kette gezeichnete Muster wurde, nachdem ein Schaftstab vorgezogen war, mit farbigen Wollfäden, die auf kleine Holzstäbe gewickelt waren, ausgefüllt; beim nächsten
Der Steinbruch.
Novelle von G. Macasy.
die Kleidungsstücke vom Boden auf und murmelte ohne Unterlaß:„ Jesus Maria! Was ist Dir denn eingefallen!" Endlich schwieg auch sie.
Hart flangen die Pendelschläge der alten Gehäuseuhr durch die bleierne Ruhe des Zimmers.
Als die alte Magd die Lampe hereinbrachte, erschrafen die Beiden, als sähen sie ein Gespenst.
Dann erhob sich Fellner und ging auf und ab.
Schuß gingen alle in derselben Richtung zurück. Dadurch entstanden am Rande jeder Figur Schlize, Löcher, die später durch Nähen beseitigt werden mußten; in den alten Gobelins sind diese Nähstellen häufig schon wieder aufgegangen, das zum Nähen verwendete Material ist vermorscht und die Schlize sind wieder zum Vorschein gekommen. Im Aussehen gleichen diese Gewebe unseren Ripsen, was sie im Grunde genommen ja auch sind, nur mit dem Unterschied, daß sie mit der heutigen Herstellungsweise derselben nichts gemein haben.
In verschiedenen europäischen Ländern ist diese Technik noch heute im Gebrauch. So beschäftigen fich z. B. schon seit Jahrhunderten die Ruthenen oder Russniaken in Galizien mit der Herstellung von Teppichen, sogenannten Kilims. Der Umstand, daß dieser Teppich ausschließlich ein Lurusgegenstand der dortigen Bauern ist, der nur bei ganz außergewöhnlichen Gelegenheiten benußt, zur anderen Zeit aber als kostbares Familiengut in der Truhe aufbewahrt wird, läßt die Fabrikation als schon weit zurückliegend annehmen; der Eindruck des alterthümlichen Zenges wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, daß der Kilim an den meisten Orten noch in der herkömmlichen, von den Vorfahren übernommenen Weise gearbeitet und auch verwendet wird. Im südöstlichen Ungarn bis nach Siebenbürgen konnte man noch vor einigen Jahren beobachten, daß sich immer noch eine stattliche Anzahl solcher Kilims bei der Landbevölkerung im Gebrauch befindet. Um dieſe Art der Produktion zu erhalten, nahm die ungarische Regierung der Zeit Veranlassung, derselben durch Subvention unter die Arme zu greifen, um ihr einen momentanen Halt zu gewähren.
Abgesehen von der Musterung, welche bei den Kilims meist geometrischer Natur ist, höchst selten pflanzliche Ornamente verwendet, niemals aber thierische oder menschliche Formen, finden sich auch bei den nordischen Völkerschaften noch solche primitive Webformen. Eine jüngst im Lichtsaale des Kunstgewerbemuseums zu Berlin veranstaltete Ausstellung der nordischen Kunstweberei zeigte eine große Kollektion von Geweben, deren Grund, sireng im Gobelincharakter gehalten, mit Figuren aus stärkerem Material verziert war; diese Figuren waren größten Theils ebenfalls geometrischer Natur; und überall ist auf den ersten Blick nachweisbar, daß sie nicht in der heutigen Weise von einem quer durchgehenden Schuß gebildet sind, sondern sich immer nur über ein fleines Stück erstrecken und dann wieder umkehren, also wahrscheinlich in unserer heutigen Stechspuleumanier ausgeführt sind. Eigenthümlich an diesen Geweben ist dem echten Gobelin gegenüber der Verlauf der Rippen; derselbe ist nicht quer, sondern der Länge nach. Die alten Gobelins find ebenfalls so gewebt, daß, während des Webprozesses betrachtet, die Rippe in Richtung der senkrecht aufgespannten Kette verlief; das Muster, die Figuren wurden aber nicht in dieser Stellung gewebt, sondern auf der Seite liegend, so daß dieselben im fertigen Teppich quergerippt wurden. Da es sich bei diesen nordischen Kunstwebereiprodukten jedoch um andere Figuren handelt, um Figuren, die nicht in den Gobelingrund, sondern auf denselben mit separatem Material aufgetragen sind und häufig innerhalb der Figur eine Rippe als Unterbrechung oder bei geradlinig geometrischen Figuren als Grenzlinie zum Vorschein kommen lassen, so mag dieser Unterschied als durch den Charakter des Gewebes geboten erscheinen. ( Schluß folgt.)
Martha stand vor dem Schrank und nahm fortwährend dieselben Kleider wieder heraus und hängte sie wieder hinein. Sie wußte nicht, was sie that. So verlief auch das Nachtmahl: unter tiefem, beängstigendem Schweigen. Fellner bereute nun, daß er sein Geheimniß preisgegeben hatte. Ihm ahnte nichts Gutes davon. Er begriff jetzt nicht mehr, warum er das gethan hatte.