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Blick auf die Stadt."
Sinnend schau ich nieder auf die Stadt: Aus den tausend Schloten der Fabriken Steigen feierlich wie von Altären
Säulen Rauchs empor.
Bom Wind bewegt, Einen sie sich in ein graues Wölkchen, Das entschwebt. Ich folg' ihm mit den Blicken Zeit in's Land.
Am Hügel eines Dorfes Siecht des ärmften Bauern karges Feld, Dürftend und im Sonnenbrand verschmachtend. Schwebt ein graues Reisewölkchen her, Das von tausend hohen Schloten träumt And vom Groll der keuchenden Maschinen And von hunderttausend schwieligen Händen: And der Schweiß der hunderttausend Hände Fällt herab und tränkt die trockne Furche Diefes kargen, ausgedörrten Feldes.. Auf die tausend Schlote dieser Stadt Seh' ich mit verklärten Blicken nieder, Wie auf eine goldne Frühlingslandschaft. Hugo Salus .
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Eine Gemeinderathssitzung. Eine prächtige Reihe von Portraitköpfen aus der Kleinstadt hat der Dresdener Maler Richard Scholz in dem Bilde, das wir heute bringen, getroffen. Ein Gemeinderath in voller Thätig feit: links der Tisch, an dem der Bürgermeister und die Stadträthe fißen, rechts auf einer einfachen Bank die Vertreter der Bürgerschaft. Der Fall scheint schwierig, der gerade zur Verhandlung steht, und eine gewisse Spannung zwischen den Parteien rechts und links ist unverkennbar. Die beiden Herren Stadträthe" kehren sich ab und sehen sich gegenseitig an:„ Unglaublich, was die Gesellschaft Einem für Schwierigkeiten macht!" Augenblicklich geht die Diskussion zwischen dem Bürgermeister und dem einen Stadtverordneten, der als Sprecher etwas aus der Reihe der Anderen herausgerückt ist. Ein kleiner Ackerbürger ist's, seinem Aussehen nach. In aller Bescheidenheit bringt er seine Bedenken vor, man darf dem Stadtoberhaupt doch nicht grob kommen! Nachdenklich schaut er vor sich hin. Fast zögernd und wie um Entschuldigung bittend ist seine Handbewegung; es ist, als hörte man sein:" Ich wollte ja blos meinen..." und
doch weiß der Alte so gut, was er will, und um kein Haar breit wird er davon zurückweichen! Der Herr Bürgermeister" muß wohl zuhören, obgleich er ihnen Allen am liebsten den Rücken drehen möchte. Köstlich, wie in der Art, in der er sich zum Sprecher wendet, sein Aerger zum Ausdruck kommt! Da hat er nun Alles so gründlich überlegt und bis auf's Tipfelchen über'm i fertig, fehlt nur noch die Zustimmung der Stadtverordneten und
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nun kommt ihm dieser Querkopf dazwischen und will etwas einwenden! Als ob der es besser verstände als er, der Herr Bürgermeister! Und wie die Anderen Gesichter auffezen; die hat er wohl auch schon aufgehebt, Der alte Querulant... Sein Gesicht verzicht sich noch zu einem gezwungen freundlichen Lächeln, aber die Linke liegt schon geballt auf dem Knie, und in dem Gesicht gleich wird er losfahren und mit einem zuckt es " Donnerwetter!" auf den Tisch schlagen. Die Vier da hinten ſizen in Reserve, der Ernst des Augenblicks ist ihnen bewußt. In steifer Haltung der Krämer mit dem Hauskäppchen auf dem Kopf, sinnirend der Leinweber, und in höchster Spannung hinten der Schuhmachermeister. Ein feiner Humor gelangt in der Szene, bei aller Sachlichkeit der Schilderung, zum Durchbruch. Das Bild war in diesem Jahre in der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt.-
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Von den Küftenoasen in Tripolis erzählt Dr. 2. H. Grothe in der Geographischen Zeitschrift": Wenige hundert Meter vom Mauerkranz der Stadt Tripolis beginnt westlich, östlich und südöstlich das Dasenbereich der Küste.„ Grüne Inseln" nennt der durch den Wüstensand einherwandernde Araber die Oasen. Und wahrlich, etwas herrlich Eilandmäßiges, Glückliches haben diese Gartenflächen. Drei Stufen von Frucht und Ernte gebenden Pflanzen gedeihen, und stellenweise übereinander. In der Höhe die Kronen der Dattelpalmen in regelmäßigen weiten Reihen, als zweite Schicht die breitäftigen Oliven und niedriger die Aprikosen-, Pfirsich-, Mandel-, Orangen-, Zitronen-, Granaten-, Johannesbrot- und Feigenbäume; die Oliven wie die Maulbeerbäume zu selbstständigen * Aus, Neue Gedichte". München , Albert Langen .
Feuilleton.
Hainen geschaart, die übrigen Obstpflanzen zumeist tief unter den Palmenfächern. Als dritte Schicht steht zwischen den Baumstämmen die Gerealien- und Gemüsekultur: Gerste, Weizen, Korn, Saubohnen, Mohrenhirse, Mais, Klee, Fenchel, Kümmel, Bockshornsamen, Pfefferschoten, Melonenarten, Gurken, Kürbisse und das den Frauen zum Färben der Fingernägel dienende Hennakraut. Breite Straßen, die sich seitwärts zu vielgewundenen Pfaden abzweigen, durchqueren die Oasenpflanzungen. Nach der Straße zu grenzen schnell aufgeworfene Erdwälle von doppelter Manneshöhe die Gärten ab. Bald sezen sich der Opuntienfaftus, die Agave und allerlei strauchartige Gewächse in diesem Erdreich fest, durchziehen es mit ihren üppig wuchernden Wurzeln und erhalten es so vor dem Einsturz bei den Wassergüssen der Regenmonate.
Einen föftlichen Genuß bietet es, des Morgens oder des Abends durch diese Gartenüppigkeit zu Pferd oder zu Esel streifen zu können, namentlich zur Frühjahrszeit. Aus den Gärten heraus zieht ein schwerer, schwüler Duft von Orangenblüthen die Blätter an den dichten Opuntienhecken zeigen große rothgelbe Blüthen zwischen dem Baumreich verfallene, von Buschwerk überkletterte Mauern verlassener Behausungen oder die weißen Plattdächer eines friedlichen Wohnhauses von Zeit zu Zeit werden die umfriedeten Gärten mit ihren Palmenkronen von Hainen üppiger Oliven oder hochgewachsener Maulbeerbäume abgelöst unter ihnen zeigen sich einige Nomadenzelte mit ihren schwarzbraunen Kameelhäuten oder die Reiserhütten der Neger. Wandert man nach Sonnenuntergang durch die Oase, so ist überall Leben und Beschäftigung. Eigenthümlich freischen die Schöpfräder der nória", der Bewässerungsbrunnen, und in laut plätSchernden Tönen fließt das Wasser aus den Bocksbeuteln, die als Eimer dienen, in die Wasserbecken, von denen es in Kanälen und Kanälchen durch den ganzen Garten fickert.
Charakteristisch für Tripolitanien sind die Bewässe= rungsbrunnen der Küstenoasen in ihrer ursprünglichen, mühselige Bedienung erfordernden Form. Zu Seiten der Brunnenmündung erheben sich vertikal zwei mit Kalk gestrichene, drei bis vier Meter hohe Mauern, die sich nach oben in Stufenform verjüngen. Diese beiden Mauerpfeiler tragen in der Höhe eine horizontal eingefügte Holzstange, die einem Holz- oder Eisenzylinder zur Are dient. Um diesen läuft flaschenzugartig ein Strick, dessen eines Ende einen Bocksbeutel hält, dessen anderes Ende an dem Joch eines Ochsen oder Maulthiers befestigt ist. Als Beutel dient eine Bockshaut, die hinten aufgeschlitt und sackartig dergestalt angehängt wird, daß das Halsende nach unten fällt. Das Thier, welches die Winde in Bewegung fett, schreitet in ein schräg sich vertiefendes Erdloch hinein, das die gleiche Länge zeigt, wie die Entfernung von der oberen Holzsparre bis zur Oberfläche des Wassers im Brunnen. Mit jedem Schritt, den das Thier die schräge Fläche hinunter zurücklegt, hebt sich der gefüllte lederne Eimer. Ist derselbe in der Höhe des Schöpfrades angelangt, läßt der das Zugthier führende Eingeborene einen von ihm straff gespannten Strick nach, der die untere Deffnung des Beutels, den Hals der Bockshaut, während des Aufsteigens nach oben hielt, diese trichterförmig sich verlängernde Mündung schlägt auf eine zweite, in halber Höhe über der Brunnenoberfläche gleichfalls horizontal angebrachte dünnere Holzsparre auf und schüttet den Wasserinhalt in ein vor dem Brunnen befindliches Becken. Dieses Reservoir ist sorgfältig gemauert und gekalkt. Füllt es sich bis ziemlich zum Rande, so läuft das Wasser durch seitliche Kehlungen in ein tiefer gelegenes Becken und vertheilt sich von diesem durch nach den verschiedenen Richtungen gezogene Rinnen über die ganze Gartenanlage.
Kaum ist in den neun heißen Monaten des Jahres die Sonne erloschen, so beginnt der Eingeborene seine Bewässerungsarbeit, sie stundenlang, in stumpfer Einförmigkeit und Beharrlichkeit, gleich geduldig wie das Zugthier an seiner Seite, oft lange bis Mitternacht ausführend. Ein eigenthümliches Tönen erfüllt dann die Pflanzungen. Wie ein schweres Stöhnen flingt es, wenn das niemals gefettete oder geölte Schöpfrad sich widerwillig um seine Are dreht, um den vollen schweren Beutel aus dem Brunnen zu heben. Der morsche Holzmechanismus fnarrt und ächzt bei seiner Arbeit, das Wasser plätschert laut und hell, wenn es jäh vom Beutel in das Becken schießt dann ein abermaliges quietschendes Knirschen, aber einige Noten heller, fast wie ein wohlgefälliges Auflachen anzuhören, sobald der erleichterte Eimer in die Tiefe fährt alle diese Töne geben eine bizarre Musit, die für Den, welcher ein paar Jahre da unten seßhaft geworden ist, wenn er des Abends auf der Veranda seines Landhäuschens lässig und träumend auf der Halfamatte gestreckt liegt, den Klang lieber heimathlicher Laute annimmt.
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Das europäische Dedland. Dieses Thema behandelt eine Differtation N. Grieb's, deren Inhalt im„ Globus " wiedergegeben wird: Theoretisch müßte man unter Dedland alle die Ländereien verstehen, die bei überhaupt möglicher Kultur derzeit entweder völlig ertraglos find, oder aber einer den Verhältnissen nicht entsprechenden, unwirthschaftlichen Benutzungsart unterliegen; thatsächlich rechnet man dazu jeden Boden mit 1,20 Mark Reinertrag
pro Hektar und Jahr, oder noch weniger. Man trifft Dedland im der Ebene wie im Gebirge; Haide, Moor und Sumpf findet sich an beiden Stellen. Wissenschaftlich sind am besten zu unterscheiden Haide-, Sand-, Kalkund Moor- Cedland. Die Gesammt- Oedfläche in Deutsch land rechnet Grieb zu 3700000 Hektar oder etwa 670 Quadratmeilen heraus. In Preußen liegt die Hauptmasse in der Provinz Hannover , wo die Lüneburger Haide etwa 200 Quadratmeilen groß ist; danach folgen Schleswig- Holstein , Westpreußen , Oldenburg , die Reichslande. In Desterreich- Ungarn ist das Karstgebiet das klassische Wüstengebiet, welches 49,3 Prozent der Gesammtfläche der daran partizipirenden Provinzen umfaßt. Frankreich weist trog opferwilliger Dedlandskultur immerhin noch ungefähr 1400 Quadratmeilen Dedland auf; Rußland ist das an Wüsteneien reichste Land Europas , wo in Südrußland etwa 18000 Quadratmeilen dazu rechnen. In Italien beläuft sich das Oedland auf etwa 18,2 Prozent der gesammten Landesfläche usw., so daß die Gesammtsumme der europäischen Ledländereien sich sicher auf über 22000 Quadratmeilen beläuft, d. H. eine Fläche bedeckt, die ungefähr so groß ist wie Deutschland , Desterreich- Ungarn, Holland und Dänemark zusammengenommen! Mit geringer Ausnahme des natürlichen Bedlandes ist das übrige künstlich durch Einwirkung des Menschen und seiner Wirthschaft hervorgerufen worden; wo sich heute unermeßliche Dedlandflächen ausdehnen, waren früher meist die schönsten Wälder. Nach der Meinung des Verfassers geht man nicht fehl, wenn man auch jetzt noch eine allmälige Zunahme der Dedungen annimmt. Dadurch wird stetig das Klima verschlechtert, Kulturland versandet leicht, Ueberschwemmungsgefahren drohen usw. Jedenfalls muß jeder Staat danach trachten, das Oedland in doppelter Beziehung nußbar zu machen, direkt dadurch, daß es Erträge abwirft, indirekt durch das Verschwinden seines schädigenden Einflusses. Dedland muß Kulturland, d. h. je nach seinen besonderen Eigenschaften Wald, Acker oder Wiesenland werden, doch eignen sich eigentlich nur die Moore der Ebenen zu landwirthschaftlichen Zwecken.-
Ein nettes Früchtchen. Die englischen Gelehr.en Grenfell und Hunt haben auf dem Boden des alten Oryhsynchos, des heutigen Banasseh in Ober- Aegypten, Ausgrabungen veranstaltet und auf den Schutthalden der alten Stadt eine Menge beschriebener Papyrusblätter und Fezzen zu Tage gefördert. Aften, Rechnungen, Briefe, felbft einzelne Gedichte sind auf diese Weise uns bekannt und neuerdings davon 158 kleinere und größere Terte in Druck gelegt worden. Unter den Briefen findet sich der folgende:" Theanos entbietet seinem Vater Theon seinen Gruß. Das war ja schön von Dir, daß Du mich nicht mit in die Stadt genommen hast. Wenn Du mich nicht mit Dir nach Alexandria nehmen willst, so werde ich Dir keine Briefe mehr schreiben und kein Wort mit Dir sprechen und Dir nicht Gesundheit wünschen. Und wenn Du von Alexandria heim kommst, geb' ich Dir keine Hand und grüße Dich überhaupt nicht mehr. Das geschieht wahrhaftig, wenn Du mich nicht hinkommen lassen willst. Und auch Mama hat dem Archelaos( wahrscheinlich ist das der Herr Großvater des Schlingels!) gesagt:„ Es ist empörend, daß er ihn nicht mitnimmt." Aber schön war es von Dir, daß Du die großen Zuckerschoten schickteft. Sie haben mir vorgeschwindelt, daß Du dort schon am 12. abführeft. Schick mir, bitte, auch eine Trinkschale. Wenn Du's nicht thust, ess' ich nicht und trink ich nicht. Doch genug. Lebe wohl. Am 19. Tybi. Abzuliefern dem Theon von seinem Sohne Theonas."
Im Jahre 1709 hatte man zu London ein Ballet vorgestellt, in welchem die monarchische Gewalt und der republikanische Staat figurirten. Der Monarch, mit einem großen hölzernen Scepter in der Hand, gab nach einem lächerlich gravitätischen und etwas schwerfälligen Entre pas( Streuzsprung beim Tanzen) seinem ersten Minister einen derben Tritt in den Hinteren, welcher einem Zweiten, dieser einem Dritten ihn wiedergab, und der Letzte traf nach dem Beispiel des Monarchen eine Art von stummer und unbeweglicher Person, die Alles stillschweigend litt, ohne sich an Jemand zu rächen. Man braucht es wohl nicht erst zu sagen, daß diese stumme Person das Volk vorstellte. Die republikanische Regierungsform war durch einen Contretanz vorgestellt, der lebhaft und leicht in Reihen herumging, wo Alle fich an der Hand haltend und wechselweise die Plätze verändernd, ihren Kameraden antworteten, so wie auch jeder Tänzer mit frohem Muthe seiner freien Phantasie folgte.
Mercier.
Der Arme, der sich ganz von unten herauf arbeiten muß, wird, wenn wirklich etwas Bedeutendes in ihm liegt, wohl immer undankbar gescholten werden. Denn er hat eine Legion von Wohlthätern und begegnet auf jedem Schritt Einem, der von ihm verlangt, daß er sich bücken soll; stets krumm zu gehen, ist aber doch keinem Friedrich Hebbel . Menschen möglich.-
Nachdruck des Juhalts verboten!