Die zeeue Welt
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Nr. 4
( Fortsetzung.)
Bllustrirte Unterhaltungsbeilage.
Dilettanten des Lebens.
ürdevoll mit dem Kopfe nickend verließ der
berühmte Mann den Musiksaal: an der Thür stieß er mit Lena Langen zusammen. Sie wollte an ihm vorüber huschen, sein Blick traf gerade noch ihr zierliches Ohr, den schlanken Hals und die darauf sich kräuselnden widerspenstigen Haare. Er faßte nach ihrem Arm.
Unwillig fah sie ihn an, sie war ihm böse, 30rnig auf Jedes und Jeden, dabei hätte sie bitterlich weinen mögen.
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Fräulein Langen, was ich Ihnen sagen wollte," der Professor in seinem fostbaren Pelz bengte die lange Gestalt näher Sie sollten nur Schumann singen. Sie haben darin so etwas- etwas
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ein chnisches Lächeln flog flüchtig über sein Gesicht, er legte für einen Augenblick den Zeigefinger unter das zarte Kinn des Mädchens,„ Sie haben sehr viel Temperament, Fräulein Langen!"
Sie wurde blutroth und warf den Kopf zurück. " Keine Schande, mein liebes Kind, im Gegentheil!" Professor Dämel wurde ganz väterlich, er legte die Hand auf die Schulter.„ Keine Künstlerin ohne Passion! Blut, warmes Blut gehört zum Beruf; nicht blos zur Bühnensängerin, auch für den Konzertsaal, für den Konzertsaal! Wer in die Deffentlichkeit tritt, etwas erreichen will, der" Er lächelte wieder, das gleiche, unangenehme Lächeln wie vorher, und dabei nahm er jezt ihre Hand und tätschelte sie.„ Hören Sie, mein Kind, und wenn Sie etwa diesen Winter in einemt größeren Konzert singen wollen, ich arrangire Ihnen das. Wenden Sie sich nur vertrauensvoll an mich, ich bin Ihr bester Freund!"
Wieder das Tätscheln, dann zog er den hohen Hut und ging. Das Mädchen sah ihm nach mit zusammengezogenen Brauen und einen bitteren Zug um den Mund. Sie hätte ihn fortstoßen mögen, diesen Mann mit den platten Wizen und der schleichenden Liebenswürdigkeit; sie hatte oft erzählen hören, daß Schülerinnen, die vom Professor besonders protegirt wurden, nicht immer am besten sangen. Heute hatte auch sie ihm gefallen. Aber nicht ihr Gesang interessirte ihn, ihr heißes Bemühen, ihr heißes Streben einzig und allein das Andere!
Heftig trat sie auf den Boden. Ihre Hand ballte sich in den Falten des Kleides zur Faust. Nein, uur um der Stunft willen, der reinen, hohen Kunst willen wollte sie aus dem Gros hervorgezogen werden und dastehen und den staunenden Zuhörern an's Herz legen, was unvergängliche Meister an Poesie und Empfindung in Melodien gegossen. O wie schön mußte es sein, in andächtige, bewundernde, thränenfeuchte Augen zu sehen, sich eine zu fühlen mit dem großen Stomponisten, sein Mund zu sein, seine Gefährtin im Dienst der göttlichen Musik!
Lena fühlte sich begeistert, erhoben. Ein Strom von Empfindungen wallte in ihrer Seele hin und her, sie fühlte sich augenblicklich ganz besonders berufen und auserwählt. Eine heilige Freude erfüllte sie, ein Gehobensein über die ganze Welt- da sie zuckte zusammen, eine beringte Hand tupfte sie auf den Arm.
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Na, Langenchen, Kindchen, was stehen Sie da? Das Mannchen war heut' ganz niedlich, hat sich auch bei Ihnen' rangeschmuggelt, was? Glauben Sie mir, Mit der Kindchen, das is das Baste, das Baste. Kunst ist das so' ne Sache!" Die schöne„ AstAstpreißin" steckte zwei Finger in den Mundund pfiff darauf. ,, Lassen Sie mich in Ruh'," sagte Lena herb und stieß sie zurück.
Wo war die heilige Freude, wo das Gehobensein? Weg, ganz weg: statt ihrer eine tiefe Niedergeschlagenheit, eine kleinmüthige Triibseligkeit sonder gleichen. Den Kopf tief gesenkt, schritt sie über's Trottoir, die belebte Potsdamerstraße hinunter. Draußen in einer der neuen Straßen, nicht weit vom Matthäi- Kirchhof, wohnten sie.
Sie fühlte sich miide, an allen Gliedern zerschlagen, im Hals saß ihr ein Rizel und in der Brust ein Brennen. Was wollte sie eigentlich mit der ganzen Singerei, dem In- die- Stunden- laufen, dem Aus ihr wurde Solfeggiren, dem Arienkollern? doch Zeitlebens nichts, garnichts. Lange Zeit zum Warten, zum Werden lag auch nicht mehr vor ihr, sie war schon Fünfundzwanzig; und wenn auch die überschlanke Figur sie sehr jungmädchenhaft erscheinen ließ, der Spiegel zeigte ihr oft müde Augen und auf den Wangen eine gewisse herbstliche Blässe. Wie lange noch, und sie war zu alt für eine Anfängerin auf der Bahn des Gesangesruhms.
Langsam stolperte Lena voran. In ihrem Kopf nichts wie trübe Gedanken. Alles ging ihr auch feh! im Leben; worauf sie sich freute, das wurde zu Wasser, was sie liebte, das wurde ihr genommen. Sie dachte an all' die Courmachereien und das Getändel, aus dem nichts Ernstes geworden, von dem nichts haften geblieben war, als eine kleine beschämende Erinnerung. Und doch hatte sie immer Herz gegeben, viel Herz. Und dann dachte sie an ihren Bruder, und der niedergeschlagene Ausdruck ihres Gesichts vertiefte sich noch. Er schrieb so selten, so spärlich. Seit ihrer plößlichen Abreise aus seinem Hause im Herbst war etwas zwischen sie getreten; was, fonnte man nicht recht bestimmen, aber es war doch da. In jedem seiner Briefe schrieb er von Amalie, viel; sonst hatte er das nie gethan. Er nannte sie verständig, tüchtig, alles Angenehme suchte er auf sie zurückzuführen. Er hatte nicht viel Glück damit, weder bei der Mutter, noch bei der Schwester.
W
1899
Sie hat ihn gut unter'm Pantoffel," sagte Lena und fräuselte perächtlich die Lippen. Den Brief, den sie bald nach ihrer Rückkehr nach Berlin von der Schwägerin bekommen, hatte sie in kleine und immer fleinere Stückchen zerrissen und in den Kehricht geworfen." Die Scheinheilige, da schreibt sie mir, Alles soll vergessen sein. Wir sind Beide heftig gewesen. Ich vergebe Dir von Herzen, liebe Lena' Die!"
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,, Ja, sie thut wirklich so, als seiest Du allein die Schuldige," seufzte die Mutter.„ Es ist unerhört!" hört!" Frau Langen fand viel an ihrer Lena zu tadeln, aber wenn Andere der Tochter zu nahe traten, das vertrug sie nicht. So ein armes Ding," pflegte sie zu sagen, was hat das denn in der Welt? Und wenn ich einmal nicht mehr bin ach! Meine Lena soll wenigstens nur mit Liebe an mich zurückdenken." Frau Langen war böse auf ihren Sohn und ihre Schwiegertochter, und wenn es ihr auch schwer wurde und sie heimlich Thränen vergoß, sie zwang sich, kühl zu schreiben.
So standen die Sachen. Ein Mißton hatte sich eingeschlichen in die schöne Harmonie der Geschwister. Lena durfte garnicht daran denken, dann fühlte sie ihr Herz pochen und Thränen in ihren Augen aufquellen. Heute besonders nicht; heute war ohnehin Alles Grau in Grau, ein Flor deckte das ganze Leben.
Schwer, als hätte sie Gewichte an den Füßen, stieg Lena die sogenannten zwei Treppen zur Wohnung hinan; eigentlich waren es drei. Auf jeder Stufe zögerte sie; warum eilen? Sie kam noch früh genug, von Freude wartete nichts auf sie, die Mutter würde deprimirt sein, wie sie selbst.
Die Stimmungen der Tochter waren der Barometer für die Laune der Mutter; ließ Lena den Kopf hängen, schlich auch diese betriibt umher, seufzte über ihr Geschick, Wittwe zu sein, eine unversorgte Tochter zu haben, und über das Loos der Frauen im Allgemeinen. War Lena vergnügt, dann färbte auch ein zartes Roth Frau Langen's schmales Gesicht, sie wurde lebhaft, wie ein junges Mädchen, gesprächig, und baute Zukunftsschlösser in rosigem Licht.-
Ist Mutter zu Haus?" fragte Lena müde, als das Dienstmädchen öffnete. Sie fragte es nur aus Gewohnheit, sie hatte heute keine Gile; so garnichts Es that ihr leid, die Freudiges brachte sie mit. Mutter mit hineinzuziehen in das Grau ihrer Gedanken, und doch fonnte sie's nicht über sich gewinnen, ihre Mißstimmung zu verbergen.
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Zögernd öffnete sie die leis knarrende Thür zum Eßzimmer da war der Nähtisch der Mutter am Fenster, sie selbst saß davor. Frau Langen war beschäftigt. Neben ihr stand ein Stuhl, über dessen