Nr. 5
2>IUi|Irtr(c tnlevhaUurig&h ciia�c.
1899
r-�p.. Direttanten des Lebens.-4�-
fffortfcSung.)
kergniigen?! Lena warf die Lippen auf und zog sich ganz hinter ihre Portiere zu­rück; am liebsten hätte sie sich verkrochen. Sie mochte hier nicht singen; sie fühlte, wie sich ihr langsam die Kehle zuschnürte und wie ihr Herz zu klopfen begann. O, wenn sie nur fortlaufen könnte! Was machte sich die Hoheit aus ihrem Gesang? Gar- nichts, garnichts; Hoheit rannten ein paar nackten Schultern nach und reckten den Hals nach ein paar weißen Armen! Lena's Fußspitze klopfte nervös den Boden. Vor ihren Ohren wirrte und schwirrte es, und da, in all den Lärm hinein, sollte sie singen? Eine jähe Angst überkam sie. Wenn all die theil- nahmlosen Augen sie gleichgülsig anstarrten, wenn wan sich ganz nah, ganz nah, aber nur aus lauter Neugier um den Flügel drängte, was dann? Man würde sie mustern, seine Glossen machen, sie hatte la keine blendenden Schultern und keine klassischen Arme; die Hoheit würde gähnen und verstohlen nach Besserem ausschauen. Ein bitteres Gefühl jagte Lena das Blut aus den Wangen und machte sie bleich. In ihren Knieen begann ein Beben; hastig athmete sie mehrmals hintereinander und schluckte, der Hals war ihr ganz ausgetrocknet. Sie preßte die Handflächen zusammen, sie waren feucht und kalt. Es war eine Qual, hier ZU sein. Das Geschwirr ließ plötzlich nach; eine auf- fällige Stille war eingetreten. In der Nähe flüsterte es:Ruhe Musik es wird Musik gemacht!" iiud nun hörte Lena eine kichernde Mädchenstimme: »Wie schade, nun muß man still sein, kann sich nicht wehr unterhalten!" lind ein Herr sagte verdrießlich und ziemlich laut:Wenn nur die Musizirerei bald wsginge! Je eher, desto rascher ist's überstanden. Hoffentlich ist der Schmerz kurz!" Lena zitterte am ganzen Leib nein, singen wunte sie hier nicht! Entschlossen schob sie die sortiere zurück; sie wollte gehen, rasch, fort! «u spät! . Vor ihr stand Ncuter und bot ihr galant den 4tn'-Also, Kindchen, en avant! Erlauben Sie, wenie Herrschaften! Bitte, bitte so, danke schön, "un können wir schon durch." Mit liebenswürdigen, "cheln schob sich der Hausherr weiter, er zog Lena °w Arme nach. Vor der Thür des Musikzimmers flaute sich's die Hoheit war drinnen. .»Bitte, bitte ah, erlauben Sie gnädige wnu, ein klein bischen rücken!" Reuter dienerte °°r einer umfangreichen, brillantenbcsetzten Taille °°u Gesicht nichts zu sehen, Alles versank hinter der "luchtigen Fülle dieses Brustkastens.Tanke sehr, gnadige Frau ah, unendlich liebenswürdig, meiner "einen Nachtigall Platz zu schaffen!" Er küßte den
Roman von Clara Biebig. Arm, der ans der brillantenbesetzten Taille hervor- quoll.Charmant, wie immer ganz charmant! lieben Sie Gnade bei diesem schüchternen Vögelchen, meine Allergnädigste! Die Sonne duldet ja auch andere Gestirne neben sich; sie müssen freilich erbleichen vor Ihrer Glorie!" Wieder eine Verbeugung und ein zweiter Kuß auf den vorquellenden Arm. Die Brillantenbesetzte knisterte und wogte. So!" Reuter zog Lena über die Schwelle des Musikzimmers.Eine hochberiihmte Sängerin," flüsterte er ihr in's Ohr,jetzt Gattin des Bankiers Goldammer   famose Diners höchst sympathische Frau, ganz charmant!" Lena fühlte noch den kalten, starren Blick der hochberllhmten Sängerin auf sich ruhen, sie sah den brillantenbesetzten Busen wogen.Ich kann nicht singen," sagte sie leise,wirklich, ich kann nicht!" Sie versuchte ihren Arm ans dem seinen zu ziehen. O, lassen Sie mich!" Fahnenflüchtig? Hoho, nichts da, nichts da!" Reuter drückte ihren Arm noch fester.Nur nicht ängstlich, Kindchen! Nun freut man sich, daß man der kleinen Nachtigall mal Gelegenheit geben kann, sich hören zu lassen, und sie will davonfliegen? Oho, nichts da! Bitte, meine Herrschaften pst, pst einen Augenblick Gehör! Fräulein Magdalene Langen wird die Güte haben, uns einige Schu- mann'sche Lieder zu singen pst pst!" Vor Lena's Augen tanzten rothe Funken, und dann wurde es schwarze Nacht. Mechanisch, ohne zu sehen, machte sie ein paar Schritte gegen den Flügel.Soll ich mich selbst begleiten," ftagte sie stockend,oder" Nein, bitte." Doktor Reuter klopfte ihr be- ruhigend die Hand.Es sind so viel musikalische Leute hier, Jemand wird die Güte haben." Er sah sich suchend um.Ah, sieh' da, lieber Bredenhofer ganz charmant Sie wollen begleiten schön, wunderschön! Sie verstehen ja Schumann aus dem ff, Sie Hans in allen Ecken!" Er legte dem schlanken, jungen Mann, der sich eben durchgedrängt hatte, die Hand auf die Schulter.Noch ganz außer Athen  ,? Dacht ich's doch, natürlich noch in x anderen Ge- sellschaften gewesen! Also bitte, lieber Bredenhofer, darf ich vorstellen: Fräulein Magdalene Langen Herr Richard Br ah, Sie kennen sich schon, charmant, ganz charmant!" Vor Lena's Auge» war es noch dunkler geworden und jetzt plötzlich hell, blendend hell. Schwankend lehnte sie sich an den Flügel. Ein eiskalter Stron, lief ihr über den Leib, und dann schlug ihr eine glühende Hitze in's Gesicht. Da stand er vor ihr, dem sie nie mehr zu begegnen geglaubt er! Die Gesichter ringsum wurden zu weißen, tanzenden
Flecken, die Lichter in den Kandelabern streckten feurige, ellenlange Zungen heraus, es war ein Ge- löse, ein Rattern, ein Rasseln Wollen wir nicht anfangen, gnädiges Fräulein?" Sie fühlte sich an der Hand gefaßt, warme Finger umspannten mit leisem Druck die ihren. Welches Glück, Sie wiederzusehen, Fräulein Langen!" Sie hob den Blick; jetzt sah sie wieder. Da waren Menschen, eine ganze Menge Menschen, die nach ihr hinschauten; in der vordersten Reihe auf einem Samnietfauteuil die Hoheit, dahinter das nickende Gesicht Doktor Reuter's. Sie lächelte, sie nickte wieder..Welches Glück, Sie wiederzusehen' wie Musik klang das! Einer war doch da, Einer, der sich freute, sie zu sehen, der fühlte, wie sie fühlte, mit Andacht vor die heilige Kunst trat. Vor dem lohnte es sich, zu singen. Fangen wir an," sagte sie. Sie fühlte Muth, seine Augen sahen sie strahlend und zuversichtlich an. Sie mußte gut singen. Er stellte das Notenheft auf.Was?" Und dann blätterten sie Beide, bis sie, wie von einem Impuls getrieben, den Finger auf die Seite legten. Sie sagten Beide:Hier!" Pst, pst!" Doktor Reuter klatschte in die Hände. Es wurde ganz still, nur ein leises Bewegen ging durch die Roben und Fräcke. Bredenhofer präludirte zur Einleitung, sehr weich und hübsch; wie Sammet glitten seine Finger über die Tasten. Jeder Ton war Lena eine Offenbarung er freute sich, sie wiederzusehen was mochte er von ihr denken?! Fast hätte sie den Anfang versäumt, aber nun setzte sie ein, so kräftig sie konnte; mit einer gewissen Siegesfreudigkeit schleuderte sie die Töne heraus. Im Rhein  , im schönen Strome, Da spiegelt sich in den Well'n Mit seinem großen Dome Das große heilige Köln  ." Wie Schelmerei glitt's um ihre Lippen. Sie hatte den Flügel und den Begleiter im Rücken, nun wendete sie den Kopf ein klein wenig nach hinten. Bredenhofer sah ihre zarte Wange und den Ansatz zum Grübchen darin, er sah die braunen Haarringel um das zierliche Ohr zittern. Es schweben Blumen und Englein Um unsre liebe Frau, Tie Augen, die Lippen, die Wänglein, Die gleichen der Liebsten genau." Schumann mochte sich den Schluß des Liedes anders gedacht haben, mehr wie ein zartes Erinnern in sanft dahingleitender Melodie. Lena machte ein jubelndes, freudvolles Wiedererkennen daraus; sie