Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
wandte sich ab, wenn der Schiffer nach seinem Nachmittagsschläfchen eine kleine Promenade auf Deck machte und nachlässig und gemächlich mit der Meerschaumspige zwischen den Zähnen hin- und her schlenderte und zärtlich lockte:„ Such' Jack! Pick, pick!"
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Dann lachte, wie gesagt, der zweite Steuermann verächtlich und mitleidig: Pfui Teufel! Es ist gräßlich, einen alten Schiffer solche Narrenspossen mit einem Hahn treiben zu sehen!"
Wenn dann der Hahn steifbeinig, mit langen Schritten und hängenden Flügeln angelaufen kam, bereitete es dem Steuermann ein Vergnügen, wenn er ihm ein Bein stellen konnte, ohne daß der Schiffer es bemerkte.
" Paß auf!" schrie er dann dem Nächsten zu, ,, tun fommit Goldbrand!"
Und er schüttelte ärgerlich den Kopf:„ Hol mich der Teufel! Ist das nicht schlimmer, als wenn wir hier einen dicken Kavalleristen auf Deck herum fliegen und hiipfen hätten."
Man kann von einem Steward nicht erwarten,
daß er für alle Ewigkeit auf ein und derselben Schute bleiben soll. So war es denn nicht verwunderlich, daß der alte Steward der„ Marie Louise" das Schiff in Sutton Bridge verließ. Er hatte erwartet, daß die Schute nach dieser Fahrt heimfehren würde. Das war auch die Absicht gewesen; als sie dann aber sich fertig machte, nach Mobile zu gehen, dankte er für seinen Theil.
Es gab in Sutton Bridge teine große Auswahl an Stewards, aber dennoch konnte Schiffer Gerhardtsen einen anmustern, gerade an dem Tage, bevor er die Anfer lichten sollte. Er war von Mandal her, ein„ Mandalufier", wie er sagte, und er war, nach seiner eigenen Aussage, in den letzten Jahren meist mit Amerikanern gefahren, am liebsten mit Steamern. Wenn es sich also um Puddings, Basteten oder Klöße handelte, war er vor jedem Anderen der Mann dafür. Und Seemann wäre er auch, wenn Noth an Mann ging; das sah man an dem Yanfeebart und den Tuschzeichnungen auf dem Handbogen, dem Arm und in der Bruſtöffnung des Flanellhemdes.
Der Steward hatte in diesem Augenblick eine große Idee bekommen. Er lachte über das ganze Gesicht vor bloßer Verwunderung, daß er daran nicht früher gedacht hatte. nicht früher gedacht hatte. Er schlug mit entschiedener Bewegung mit der Hand aus.
,, Ach, zum Teufel- entschuldigen Sie, Kapitän aber wir haben ja das Hahnenvieh! Wir haben ja den Hahn! Wollen Sie ihn in Butter gebraten haben, oder soll er gekocht werden mit..."
Der Schiffer Gerhardtsen erbleichte bei dem bloßen Gedanken.
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Den Guinea - Jack! Den afrikanischen Hahn! Ich meine, Du bist rein verrückt, Steward! Ich tauschte ihn bei einem Negerhäuptling ein, als ich das letzte Mal dort unten war. Der ist nun drei Jahre an Bord, der Guinea - Jack! Haha! Ich meine, Du bist verrückt! Glaubst Du vielleicht, ich esse meine eigene Besazung auf? Der Guinea - Jack! Solch' einen Hahn giebt's garnicht mehr, er kräht wie ein Uhrwerk; der der..."
Seit diesem Abend ging es dem Guinea- Jack nicht mehr so gut wie früher. Der Steward gab ihm nichts, außer wenn gerade der Schiffer auf Deck war; dennoch war der Hahn gleich stolz, frähte ebenso regelmäßig und that, als wenn ihm nichts abginge.
In diesem Steward hatte der Guinea - Jack seinen Todfeind gefunden. Nicht etwa, daß der Steward cs sogleich darauf angelegt hätte, dem Hahn etwas anzuthun, aber er behandelte ihn einfach nur als etwas Eßbares. Er gab ihm reichlich Essen und Abfälle, aber hatte eine teufliche Weise, ihn anzu fassen; er packte ihn an der Brust und hob ihn so Schweizer oder eine Kuhmagd! auf, wenn er ihn traf. In den ersten Tagen hatte er etwas davon gesagt, daß der Hahn so verdammt
trähe, er wecke die ganze Freiwacht um drei Uhr am Morgen. Aber dann dachte er wieder bei sich im Stillen: es vergehen ja nicht viele Tage, dann habe ich ihn in der Pfanne.
Als„ Marie Louise" etwa eine Woche in See gewesen war, nimmt Schiffer Gerhardtsen sich an einem Sonnabend Abend seinen Steward vor und
jagt: " Du, Steward , morgen ist Sonntag, und, as mehr ist, morgen hätte ich silberne Hochzeit feiern sollen, wenn ich zu Hause gewesen wäre. Ja, ja, morgen sind es fünfundzwanzig Jahre... Darum wäre es nicht so iibel angebracht, wenn Du uns' was Gutes zum Mittag beschaffen würdest." Das war etwas für den Mandalusier", den Steamer- Steward, der nur darauf gelauert hatte,
feine
ganze unglaubliche Fertigkeit in der Kochkunst hier an Bord, wo es nichts weiter
zu zeigen
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gab, als Salzfleisch, Speck, Stockfisch und Syrup
Aber alle Tage jammerte der Steward gegenüber der übrigen Mannschaft: Er wäre einfach angeführt worden, sagte er, und es wäre die Pflicht der Jungen gewesen, ihm zu sagen, wie es sich hier verhielte. Als er an Bord kam und diesen rothen Hahn auf Deck umherstolziren sah, hätte er natiirlich geglaubt, es wäre mit ihm, wie sonst mit den Hähnen an Bord auderer christlicher Schuten, daß er als frisches Fleisch zu betrachten sei, sonst hätte er sich niemals auf der Schute verheuert. Er hätte auch zu dieser Thorheit stillgeschwiegen, weil er meinte, es würde in einer Woche oder dergleichen ein Ende nehmen. Aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er mit Federvieh und anderem Vieh zusammenfahren sollte! Es wäre doch wohl kein Bauernhof, wo er an Bord gegangen war? Das wäre ja schlimmer, als wenn er sich auf einem Negerboot verheuert hätte unter lauter Stannaiten und Heiden, gerade wie in einer Menagerie. Er fahre nun über zweiundzwanzig Jahre zur See; aber das hätte er doch noch niemals erlebt, daß er jeden einzigen Morgen während des ganzen Jahres sollte durch Hahnen geschrei gestört werden. geschrei gestört werden. Er wäre doch noch kein Krank wäre er, ja wirklich frank: jeden Morgen hätte er Alpdriicken! Jedes Mal, wenn er lag und schlief und hörte dann dieses Hahnengekräh direkt draußen, überkäme es ihn, als säße er in einem alten Bauernprahm und fahre mit Kartoffeln und Milchtonnen. Ja, fünf Morgen hintereinander hätte er schwißend dagelegen und geträumt, daß ein altes Weib über ihm stände und sagte, er müßte sich ermuntern und aufstehen, er müßte hinaus und Preißelbeeren pflücken. Gerade, als wenn er wieder ein kleiner Schulbube wäre! Hätten sie ihm nur gleich in Sutton Bridge gesagt, daß dieses Hahnenbest angemustert war, hätte er dem Krähen schon ein Ende gemacht, ohne dem Vieh was zu Leide zu thun, da es ja dem Schiffer so viel Freude bereitete. Er wollte gewiß Niemandem zu nahe treten, weder Mensch noch Thier, aber er wollte in jedem Fall nicht nach Mobile kommen, ohne nicht sofort zum Ap'teker zu gehen. Gott sei Lob, es gäbe noch Tropfen für solche Unvernunft! Als Marie Louise", auch auf dieser Fahrt
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Tödten? Seh' ich aus, als wenn ich Jemand tödten wollte? Hätt' ich diesen Regerhahn morden wollen, so hätte ich ihn wohl schon lange auf die Seite gebracht, und hätte ich es thun wollen, ohne daß es Jemand gemerkt hätte, dann brauchte ich nur Gips aus der Flasche im Lampenraum zu nehmen und es ihm in den Brei zu thun; dann wäre er inwendig zugespundet worden, und Niemand wäre darauf gekommen. Nein, ich werde ihm sicher nichts anthun, was ihn ,, auteriren" kann! Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht dem Gefrähe ein Ende mache Ende mache wenigstens um die Hundewache...." Damit ging der Steward, fein ausgepußt und in bester Laune, an's Land.
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Es ging schon stark auf den Morgen, als der Steward von seinem Landurlaub zurückkam. Der Guinea- Jack hatte bereits sein Krähen wegen des Morgengrauens abgethan, und der Steward ging ganz ruhig in die Kofe, um noch zwei bis drei Stunden zu schlafen, bis er den Kaffeekessel aufsezen mußte. Er drohte nur nach dem Käfig unter der Back hin, wo der Hahn ganz wach saß und mit den Schnabel auf der Aufflugstange hin- und herwezte.
„ Ja, wart' nur! Nu ist es, heil'ges Kreuz, vorbei mit Deinem Gefrähe!"
Nach seinem Mittagsschläfchen ging Schiffer Gerhardtsen an's Land, wie es seine Gewohnheit war, wenn er im Hafen lag, und der Steward machte sofort ein langes Nachmittagsschläfchen, wie es auch seine Gewohnheit war, wenn er an Land
gewesen war.
Gegen Abend saß er, sehr eifrig beschäftigt, in der Kombisenthür und bereitete einen seltsamen Teig aus Mehl, zerbröckeltem Schiffsbrot und Wasser. Ringsum standen die Jungen und sahen mißtrauisch zu.
Als der Teig beinahe fertig war, zog der Steward eine fleine Flasche hervor und las auf dem Etiquet: " Zehn Tropfen für Erwachsene. Kinder ein Tropfen für jedes Jahr bis fünf."
" Ja, erwachsen ist er," murmelte er, und damit goß er nicht tropfenweise, sondern einen tüchtigen Schluck in die Teigschüssel und rührte es gründlich um.
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,, Auf die Weise vermischt es sich nicht ordenlich," sagte Martin, bisweilen wird's was, bisweilen nichts!"
" Du hast wahrlich Recht," sagte der Steward und fragte sich hinter'm Ohr, nahm dann die Wasserkelle halb voll Wasser und goß eine ordentliche Portion aus der Flasche hinein, rührte es einen Augenblick um und goß dann das Ganze auf den Teig. Er wurde sogleich wieder suppig, aber eine Handvoll Mehl und einige Brotstückchen machten ihn bald fester.
,, Nun ist er gut vermengt," nickte der Steward und. beroch ihn.„ Nun hab' ich wahrlich Nachtruh für eine ganze, lange Reise. Er wird sich doch nicht widerspenstig zeigen und das Zeug nicht essen wollen?! Ach nein!"
Er stand auf und watschelte über Deck, indem er sich bemühte, den Schiffer nach Möglichkeit nachzuahmen. Und er rief mit zärtlicher Stimme:" Such', Jack! Pick, pick, pick!"
Die ganze Mannschaft stand sehr gespannt um die Hahnensteige, während der Steward die Teigschüssel hineinstellte und den Hahn freundlich lockte. " Na, mein Jungchen, das ist für Dich! Geh' So, so, das war nett, Jungchen! Es an!.. schmeckt ihm gut! Das ist recht was für Jack!
juppe. Sein ganzes Gesicht leuchtete bei dem bloßen endlich an's Ziel gelangt, in das Dock geschleppt Pick, pic, pick! Geh' an!"
Gedanken an all' das, was er bereiten wollte.
„ Einen Augenblick, Kapitän! Ich sag' nur einen Augenblick! Ich backe morgen früh frisches Weizenbrod, wirklich, das thu' ich; und zum MittagDonnerwetter, daß wir keine Maccaroni an Bord
war und am Hafendamm verankert lag, und der Steward seinen ersten Landurlaubstag hatte, nickte er den anderen Jungen vielsagend zu:„ Nun werd' ich dem Hahnenbest bald den Schnabel stopfen!"
Willst Du den Konsul bitten, sich seiner anzu
haben! Ich kann so einen feinen, lockeren Pudding nehmen?" lachte einer der Jungen.
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Den Konsul? Bist Du verrückt? Nein, Du. Nun leg' ich hart bei'm Ap'tefer an. Der hat
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baden aber ich muß einen Reispudding machen, er ist auch gut und sehr wohlschmeckend; und dann will ich eine neue Pastete aus gesalzenem Hammel- Tropfen!"
fleisch machen, die schmeckt auch gut... Alles so weichliches Zeug, Steward ;
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Das
ist
Jesses, Du willst doch wohl nicht dem Goldbrand an's Leben?" fragte der Zimmermann erschreckt.
ich wollte eigentlich' was Neelleres haben," meinte„ Na, wenn der Schiffer erführe, daß Du den Guinea
Schiffer Ge.hardtsen.
Saf getödtet hast, dann wärst Du sicher auch fertig!"
Der Guinea- Jack gluckste und hackte in die Teichschüssel, anfangs gleichgültig, später mit gierigem Appetit. Der Steward hatte dafür gesorgt, daß er gegen Abend Hunger haben sollte. Schließlich mußte er ihm die Schüssel fortnehmen.
Na, na, Du elender, rother Kammritter! Willst Du Alles auf einmal auffressen? Nu hat er ordentlich geladen!" wandte er sich an die Anderen.„ Nu fräht er so bald nicht wieder!"
,, Aber was in aller Welt ist es denn, was Du Da hineingemischt hast? Es war doch nichts Ge= fährliches?" fragte der Zimmermann ängstlich. Was es war?, Opiumtropfen natürlich, Du
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