Die reue Welt

Nr. 6

( Fortsetzung.)

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Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Dilettanten des Lebens.

ch Du Richard!", Susannens Gesicht flärte sich auf, sie streckte dem Bruder die

Arme entgegen.

Lachend setzte er sich auf den Rand des Ruhe­bettes und füßte ihre beiden Hände. Nun, wie geht's, Susi, wieder sehr angegriffen? O!"

Sie sah ihm zärtlich in's Gesicht und streichelte ihm die Wange. Man hätte ihrem harten, spröden Organ kaum die Modulation zugetraut: Ist es auch recht, daß Du bei solchem Nordost ausgehst? Du Leichtfuß! Wenn Du Dir nun wieder Deinen Husten holst!" Sie gab ihm einen leichten Klaps.

" Ach was!" Er haschte nach ihrer Hand. Nur nicht am Gängelbande führen wie ein fleines Kind! Was wollt Ihr?" Er recte sich. Ich bin ja jetzt ferngefund!"

Warum warst Du denn gestern nicht bei Beltens? Ich dachte, Du scheutest das Tanzen."

" I bewahre!"

" Dann war es recht ungezogen von Dir, weg­zubleiben

hinzu.

-und unflug," setzte sie bedeutungsvoll " Irene Reichenbach war da und umschwärmt wie feine. Du weißt, daß Du Chancen hast. Das Mädchen ist reizend und so bescheiden für die Millionen! Die Reichenbachs sind in der zweiten oder dritten Generation getauft, der Vater ist hoch­angefehen; warum fackelst Du eigentlich?"

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" Ich mag nicht," sagte er verdrossen. Aber Richard!" Sie wurde roth vor Schreck. Was für Launen! Anfang Winters machtest Du ihr sehr die Gour und nun auf einmal feine und nun auf einmal feine Lust?! Ich war schon so froh, ich sah Dich in Gedanken angenehm fituirt, eine hiibsche, reiche Frau, Du kannſt ganz Deinen Liebhabereien Leben! Die Neichenbach betet Dich an, und der Alte würde Dich gern als Schwiegersohn nehmen. Lieber Gott "- sie streichelte ihm wieder die Wange und sah ihn mit Genugthuung an ich bin ja auch stolz auf Dich! So viel Talente" wie Du hast! Nichard, ich werde Dich nächstens mit Irene Reichenbach zu­sammen einladen, ganz allein, da hast Du die beste Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen."

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Roman von Clara Viebig .

Du weißt garnicht, trat ihr auf die Wangen. was zum Leben gehört! Erst haben die Eltern für Dich gesorgt, und seit Deinem neunzehnten Jahre, seitdem wir sie verloren haben, sorge ich für Dich." Thränen tamen ihr in die Stimme. Ich habe, weiß Gott , Alles aus größter Liebe gethan, Keiner wacht ängstlicher und eifersüchtiger über Dein Genie, aber aber="

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Sei nur nicht so! Sufi! Ja, Du bist sehr gut, Er füßte sie. ich bin Dir auch sehr dankbar!" ,, Aber sieh' mal, ich will mich doch nicht ewig be­vormunden lassen, ich will doch nun auch einmal thun, wie ich will."

an.

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Sie sah ihn mit erstaunt aufgerissenen Augen Wenn man sich sein ganzes Leben lang hat leiten lassen und immer unselbstständig war und nun auf einmal-!"

Ungeduldig sprang er auf. Dann hat man's eben einmal satt! Ich mag nicht, ich will nicht immer Euer Spielzeug sein, die Marionette, die Du immer Euer Spielzeug sein, die Marionette, die Du hin und her schiebst, wie's Dir beliebt. Ich danke! Ich nehme die Reichenbach nicht, ich mache, was ich will und nun laß mich in Ruh'!" Mit erregten Schritten ging er auf und nieder.

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, Richard, nicht so laut! Richard, meine Nerven!" Ah so, entschuldige! Ich habe auch Nerven," jagte er gezwungen ruhig und seẞte sich wieder hin; aber auf einen Stuhl, nicht auf das Ruhebett.

Du hast Dich wohl anderweitig engagirt?" Die Schwester stützte sich auf den Ellenbogen und sah den Bruder mit halb zugekniffenen Augen forschend an. Richard, Richard, hast Du Dich wieder ver­plempert? Es ist schrecklich!" Sie zog ihr Taschen­tuch und fing an nervös zu weinen.

Er rührte sich nicht, er saß da wie angenagelt. Minuten vergingen. Endlich murmelte er: Ich liebe sie nicht. Ich will nur aus Liebe heirathen."

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Sie lachte auf, mitten in ihren Thränen; es war ein recht greller Klang in dem Lachen. Liebe-?! Mein Schaz, Karl und ich haben uns auch aus Liebe geheirathet! So was giebt sich in der Ehe, die ewigen Emotionen halten nicht vor. Du bist Liebe?!" Sie zuckte die wie ein Kind, Richard Liebe?!" Sie zuckte die Achseln und knäulte ihr Taschentuch zusammen. Natürlich, wir haben uns ja lieb, Karl und ich aber wie Du Dir sie denkst, selbstverständlich so ist die Ehe nicht. Künstlerlaunen! Unpraktische Geniegedanken! Die Hauptsache ist, daß man nachher sein gutes Auskommen hat und sich den erwünschten Komfort gewähren kann. Denke mal, was hast Du, wenn Du eine Frau noch so liebst und sie nachher nicht ernähren kannst?! Und dann fommen Kinder und alle möglichen Unannehmlichkeiten! Daß es Dir " Das ist bald alle," lachte er. " Was dann?" Fieberisches Noth der Erregung so gehen sollte, das macht mich schaudern."

sammen.

" Thu' das nicht, ich mag sie nicht." Er sah finster vor sich hin und faute an seinem Schnurrbart. Was fällt Dir ein?" Sie richtete sich in vollem Entfeßen auf und schlug die bebenden Hände 311= Jezt, nachdem ich die Sache so schön eingeleitet habe und so viel dafür gethan?! Du bist ein schrecklicher Mensch, von einem kindischen Eigen sinn! Sei doch nicht so thöricht, Du lebst und lebst in den Tag hinein und zehrst von Deinem mütterlichen

Erbtheil

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1899

Er war bleich geworden und senkte den Kopf auf die Brust. Jezt hob er ihn aber wieder zu= versichtlich. Ich werde arbeiten. Mein Buch muß doch endlich fertig werden und und dann habe ich schon viele Skizzen verkauft, wenn ich fleißig bin, male ich im Jahre mehrere Delgemälde. Klavierstunden à eine Mark brauche ich darum noch nicht zu geben!" Er lachte kurz und nervös und fuhr sich über die Stirn.

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Du bist ein Narr," rief sie ärgerlich und schnellte hastig die Füße vom Nuhebett." Hoffentlich machst Du keine Dummheiten! Ah, Karl, bitte,

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mache die Thiir zu. Entweder hinein oder hinaus, Dein Stehen so auf dem Sprung, zwischen Thür und Angel, ist mir schrecklich. Ich bin ganz krank!" Ja, Du scheinst heute sehr nervös zu sein!" Doktor Allenstein blieb ruhig auf der Schwelle stehen. " Karl!" sagte sie scharf.

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Ah entschuldige, mein Engel." Er schloß geräuschvoll die Thür und kam näher. Ich habe nicht lange Zeit. Morgen, guten Morgen, vielmehr Mittag, lieber Schwager! Wie geht's? Audienz gehabt?" Er lachte jovial, daß sich seine kräftige Gestalt schüttelte, und klopfte dann dem Anderen, den er bedeutend überragte, auf die Schulter. Du läßt Dich ja garnicht mehr bei uns sehen?" So sehr selten! Beleidigt irgend was bei uns Dein Kiinstlerauge? Ich etwa gar?" Er reckte sich und strich sich wohlgefällig den wundervollen blonden Bart.

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" Onein," Bredenhofer sah vor sich nieder ich bin eben beschäftigt, habe meine Gedanken und

und Abends seid Ihr ja nie zu Hause," setzte er rasch hinzu, wie froh, eine Ausrede ge­funden zu haben.

Natürlich

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geh', alter Junge!" Allenstein schlug ihm auf die Schulter und blinzelte mit den Als wenn Du großen, auffallend blauen Augen. Abends nicht auch was vorhättest! Mach' mich nicht dumm! Und am Tage was? da brütest Du wohl über ungelegten Giern?" Er lachte so herz­

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lich, daß ihm das Wasser in die Augen trat.

" Ich bitte Dich, Karl diese unzeitige Fröh lichkeit! Richard hat eben mit sich zu thun," sagte Susanne sehr gereizt. Du hast gar kein Ver­Susanne sehr gereizt. ständniß dafür. Wenn man so talentirt ist"

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Talent hin, Talent her!" Der Doktor trat an das Ruhebett und kniff seine Frau in die Wangen. ,, Sei man nicht so aigrirt, alte Lotte! Ich trete doch, weiß Gott , Deinem Herzensbruder nicht zu nah'! Weil er so'n famoser Kerl ist und ich ihn riesig gern mag, möchte ich ihn mehr hier haben. Aber der" er drückte pfiffig die Augen zusammen und that geheimnißvoll- der ist jetzt sehr in An­spruch genommen."

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