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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Sicher haben Sie Necht, gnädige Frau. So lange eine Frau liebt, ist ihr schlechterdings fein Opfer zu groß. Insoweit halte ich die Einwände der Herren, daß auch die moderne Frau berechnend, falt und womöglich noch egoistischer wäre als der moderne Mann, für unhaltbar. Einer wirklichen Liebe opfert die Frau Alles. Natürlich giebt es auch gefühllose und egoistische Frauen, namentlich in den oberen Schichten. Aber die lieben eben nicht. Weshalb sollten sie auch? Sie werden ja auch nicht geliebt, wenigstens nicht von ihren Männern. Die Ehe ist eine Institution, also heutzutage ein Geschäft auf beiden Seiten. Dem Mann ihrer Liebe Den Mann ihrer Liebe aber bringt die Frau in der That jedes Opfer, in allen Schichten, nur daß es, wie gesagt, je höher hinauf, desto seltener ihr Mann ist, und aus den angeführten Gründen ihr Mann sein kann, den sie liebt."

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Diese Unterhaltung der Frau vom Hause mit dem berühmten Romancier Roderich Northmann be­gann die Gesellschaft etwas unruhig, etwas bedenklich zu machen. Es giebt eben Dinge, die sind, über die man aber nicht spricht. Und es giebt Vieles,

Ueberschwemmt. Anfang März. Wie der Gluth­hauch einer Esse ist der Südwind dahergefahren, hinter ihm her rinnen die Wässer. Von den Bäumen tropft und stäubt es, es gluckst und klingt: Zu Thal, zu Thal! Die blanke Eisdecke des Flusses ist weiß geworden, ein dumpfes Krachen in den Tiefen, die Eisdecke zer= klafft, und aus den Spalten springt das Schneewasser. Eine Eisscholle wird unruhig, sie stößt an eine andere, die Bewegung setzt sich fort; bald ist ein ganzes Ge­schwader im Absegeln. Muthwillige giebt es darunter: fie springen über zwei, drei Vordermänner hinweg, stellen sich auf den Kopf und schlagen einen Purzelbaum. Ein Knirschen und Brausen erfüllt die Luft, Krachen tönt hinein; das Eis ist im Abgehen. Bis zu den Uferrändern steigt die Fluth, über jede niedrigere Stelle schwappen die Wässer und füllen die Niederungen. Aus dem Fluß ist ein See geworden, durch den ein Eisstrom schießt. Und schon melden sich mit firrendem Schrei die Möwen; Meerschwalben nennt man in Mitteldeutschland diese Frühjahrsgäfte. Das ist die Situation, die unser heutiges Bild zur Anschauung bringt. Das fleine Haus mit dem hohen, vermoosten Dach ist durch die Frühjahrs­wässer vollständig abgeschnitten worden. Bis in den Schuppen ist die Fluth gedrungen, schon ist das auf­gestapelte Brennholz ins Nollen gekommen. Eine eigent­liche Gefahr droht für das Haus und seine Bewohner noch nicht. Aber der vorsichtige Hausvater trifft Vor­fehrungen, untersucht seinen Kahn, das einzige Rettungs­mittel, wenn der angeschwollene Fluß auch hinter dem baunumstandenen Hause das Ufer überschreiten sollte.-

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Das Zurichten und Färben der Rauchwaaren. Wenn ein Fremder zum ersten Mal nach Leipzig kommit und den Brühl besucht, wird er erstaunt sein über die vielen Rauchwaarenhandlungen, die ihm dort vor Augen kommen. Noch mehr wird er aber erstaunen, wenn er das Leben und Treiben im Brühl während der Messen, hauptsächlich während der Ostermesse beobachten kann. Da sind Rauch­waarenhändler aus fast allen Kulturländern der Welt an­wesend. Da wird gehandelt und getauscht. Rollwagen, hochbeladen mit rohen Fellen, fahren an, Wagen der Zu­richtereien bringen fertige Waaren und fahren rohe wieder ab. Leipzig ist seit Jahrhunderten die Metropole für den Pelzhandel. Millionen sind in Form von Nauchwaaren hier stets aufgestapelt. Sie kommen roh hier an, und der größte Theil wird im zugerichteten Zustande wieder an die Kürschner und Pelzfabriken verschickt.

Was Leipzig für den Rauchwaarenhandel, das sind die Orte der Leipziger Umgegend für die Zurichterei und Färberei von Rauchwaaren: Markranstädt , Lindenau , Nötha, Schkeudig, Taucha , Weißenfels . Der weitaus größte Theil der in den Handel kommenden fertigen Rauch­waaren wird hier zugerichtet.

Was heißt mun Zurichten? Das heißt, die Felle aus dem rohen Zustande im Haar und Leder so weit zu bringen, daß sie zu Pelzen, Muffen, Kragen, Müßen und dergleichen verarbeitet werden können. Es giebt nur zwei Hauptmethoden der Zurichtung; entweder wird das Fell gewalkt oder es wird aus dem Nassen" zugerichtet. Aus Sem Nassen werden meistens die Felle zugerichtet, für die sich das Walken nicht eignet. Es sind dies australisches und amerikanisches Opossum, Zobel , Luchse, Füchse, Wölfe, Bären, Schuppen( Waschbär), Wallabi( Känguruh).

Bei dieser Methode wird folgendermaßen vorgegangen: Die Felle werden mit Wasser bestrichen, in nassen Säge­spahn eingelegt, anderen Tages herausgenommen, ge= fleischt( fleischen heißt, mit einem Eisen das Fleisch vom

was man thut, wozu man sich aber nicht befenut. Das Thun ist läßliche Schwäche das Bekenntniß ist Todsünde.

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,, Aber bleiben wir doch nicht bei dieser einen Seite unserer Streitfrage," unterbrach den Redenden Frau Rechtsanwalt Doktor Schummerich, unzweifel­haft hat unsere geistvolle Frau von Bärensprung so weit Recht: der Opfermuth der Liebenden ist ohne Grenzen. Ich möchte sogar bestreiten, was die gnädige Frau einräumt: daß aus betrogener Liebe immer Haß entstehen werde, und daß die Frau, die am heißesten geliebt habe, auch die rach­süchtigste Frau werde. Entsagendes Dulden ist bei der Frau, wenigstens bei uns in Deutschland , auch dann noch die Regel."

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Entsagendes Dulden," sagte Northmann nach denklich. Hm, häufig auch schweigende Verachtung. Die Frau fann viel gründlicher verachten, als der Mann, so daß sie den Elenden ihres Zornes und ihrer Nache füir völlig unwerth hält... Ich möchte Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.. wenn die Herr schaften erlauben."

Aber bitte, bitte, Herr Northmann," rief es

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Feuilleton.

Leder entfernen), zwei- bis dreimal mit der sogenannten Schnellbeize, einer aus Wasser, Salz, Schwefelsäure und Salmiakgeist bestehenden Flüssigkeit, gebeizt. Hierauf werden die Felle getrocknet, und das Leder mit einem Gemenge aus Wasser, Mehl, Butter und Thran geschmiert. Nun werden die Felle, geläutert". Sie kommen zu diesem Zwecke zusammen mit Sand und Sägespahn in große Blechtonnen, die durch Holzkohlenfeuer erwärmt und durch Dampf- oder Wasserkraft getrieben werden. Nach dem Läutern wird Sand und Sägespahn wieder aus den Fellen entfernt, diese werden im Leder mit Seifenwasser bestrichen und anderen Tages beschnitten. Beschneiden heißt, das Fleisch, das sich noch im Leder befindet, mit scharfen Eisen herunterschneiden. Dann wird das Leder vor einem stumpfen Eisen durchgearbeitet, getrocknet, noch­mals geläutert und fertiggemacht.

Schaffelle, Kanin, Scheitelaffen u. A. werden nicht in nassen Spahn eingelegt, sondern in Wasser eingeweicht; die übrigen Arbeiten sind so ziemlich dieselben, wie bei den vorher angeführten Fellsorten.

Das Walfen hat den Zweck, die Felle schneller fertig zu stellen, als es bei der Arbeit aus dem Nassen" möglich wäre. Das Walfen geschicht durch große Holzhänimer oder in Kurbelwalken, die durch Dampf- oder Wasserkraft getrieben werden. Ein gewalftes Fell braucht nicht ge= fleischt und gebeizt zu werden, es wird nach dem Walken geläutert, bestrichen und kann anderen Tages gleich be­schnitten werden. Die übrigen Arbeiten sind dieselben, wie bei der Methode aus dem Nassen". Gewalkt werden hauptsächlich folgende Sorten: Biber, Bisam, Iltis, Nerz, Stunts, Ottern, Kazen, Hunde, Murmel u. A. Biber und Bisam werden erst aus dem Nassen" gearbeitet und dann gewalkt. Verschiedene Fellsorten, die sehr starkes Leder haben, müssen dünn gefalzt werden; es sind dies: Biber, Bisam, Schuppen, Bären, Tiger, Panther, Leoparden, Ottern.

Das Zurichten ist nicht immer in der heute be= stehenden Form vor sich gegangen. Früher richtete jeder Kürschnermeister seine Waare selbst mit seinen Leuten zu. Das geschah natürlich in der primitivsten und auch in der gemüthlichsten Weise; denn erstens fehlten die hente eristirenden Hülfsmittel, wie Schnellbeize, Walk-, Läuter­tonnen und verschiedenes Andere. Zweitens hatten diese Leute nicht nöthig so intensiv zu arbeiten wie jetzt, cs wurde lange nicht so viel Pelzwerk getragen wie heute, und dann hatten sie auch den ganzen Sommer Zeit, ihre Waare zuzurichten.

Heute ist das anders. In der Belzbranche hat sich, wie in anderen Branchen, eine großartige Revolution vollzogen. Die mächtigen Pelzfabriken und Konfektions­firmen haben die kleinen Kürschnermeister in den meisten Fällen verdrängt, oder sie zu Händlern degradirt. Der fleine Meister kann die meisten Artikel nicht so billig herstellen, als er sie aus den Fabriken bezieht. Infolge dieser Umwälzung mußten naturgemäß auch für das Zurichten andere Formen und ein schnelleres Herstellungs­verfahren geschaffen werden; so wird nun das Zurichten fabrikmäßig betrieben.

In noch schnellerem Tempo als die Zurichterei hat sich die Nauchwaarenfärberei entwickelt. Die Färbereien befinden sich fast ohne Ausnahme in den Händen von Großkapitalisten.

Warum werden nun eigentlich die Rauchwaaren gefärbt?

Erstens, um den Sorten, die im naturellen Zustande nicht gut verarbeitet werden können, ein schönes Aussehen

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von allen Seiten, und Das ist ja reizend von Wir be Ihnen," sagte die Frau vom Hause. kommen hente sither ein verspätetes Souper. Als Comité sind unsere Herren schrecklich, nicht wahr, meine Liebe?" fiigte sie hinzu, indem sie sich an Frau Doktor Schummerich wandte, und fuhr dann, wieder zur Gesellschaft gewandt, fort: Rücken wir zusammen und ehren wir unseres berühmten Er zählers Güte durch lautlose Andacht. Wer noch sie deutete auf eine Tasse Thee haben will"

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das durch ihr Klingeln herbeigerufene Mädchen der möge solches anbringen, zur rechten Zeit und und am rechten Orte, nachher aber sich jeder Störung enthalten."

Noderich Northmann war noch ein wirklicher Gr zähler, die immer mehr aussterben in dieser Zeit der Druckerschwärze und des papiernen Stils. Man hörte aus seinem Munde häufig ein kleines Kunst werk von unendlichem Reiz, wie man es in der Literatur unter dem Strich und auch in Büchern nur selten antrifft, und hier in diesem Hause, 3 dessen Intimsten er gehörte, war das wohl bekannt. ( Schluß folgt.)

zu geben, z. B. Murmel, Opossum, Wallabi, Sealsfy Persianer( und andere Schaffellarten); zweitens, um für die theure, echte Waare eine billige Imitation zu schaffen.

Es werden imitirt: Nerz durch Murmel, Sealsk durch Bisam und Kanin, Iltis und Skunks durch amerikanisches Opossum, Schwarzfuchs durch den billigeren Griesfuchs, Seehund durch Murmel.

Erwähnenswerth ist noch die Biberimitation. Dazu werden benutzt: Nutria( Sumpfbiber) und Schuppen ( Waschbär). Diese beiden Sorten werden aber nicht durch Färben, sondern durch andere Manipulationen dem Biber ähnlich gemacht.

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Da es nun für den Nichtfachmann sehr schwierig, ja meistens unmöglich ist, die echte Waare von der Im tation zu unterscheiden, so ist beim Einkauf Vorsicht am Plaze. Ein reeller Geschäftsmann wird ja stets Imitation für das verkaufen, was es ist. Da es aber besonders in dieser Branche auch massenhaft unreelle Geschäftsleute giebt, so frage man beim Einkauf ſtets, ob die Waare echt oder imitirt ist. Kauft man sie für echt und es stellt sich das Gegentheil heraus, so it

der Verkäufer strafbar.

Um den geehrten Leserinnen einen kleinen Ueberblid über die theuren und billigeren Sorten zu geben, sei bas Nachfolgende hierhergesetzt. Die theuren Sorten find: Secotter( Kamtschatkabiber), Schwarz- und Blaufuchs Zobel, Sealsy, Baummarder, Vielfraß, Biber, Luch Persianer, Breitschwänze, Tibet , Strimmer. Zu be billigeren Sorten zählen: Nutria, Steinmarder, Ner Iltis, Visam, Murmel, Wallabi( Känguruh), verschiedene Schaffellsorten, australisches und amerikanisches Opoffunt Razen, Kanin, gefärbter Polarhase.

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Für die Arbeiterfamilien kommen ja die theuren Sorten nicht in Betracht, denn da ist in der Regel be Geldbeutel nicht gefüllt genug, um sich derartige theure Sachen anzuschaffen. Es giebt aber auch unter den billigeren Sorten einige, die sehr haltbar sind und schön aussehen, und deswegen empfehlenswerth sind. Es find dies: Bisam naturell und gefärbt, Kanin und Kaze g färbt, und für Den, der etwas mehr daran wenden kann

Nerz und Iltis naturell.

Vor gefärbtem Polarhasen sei aber ein Jeder gewarnt Idas Zeug ist zwar sehr billig, ist aber nicht das Nach hausetragen werth.

Zum Schluß seien noch einige Rathschläge gegeben betreffs der Behandlung der Pelzwaaren. Ist ein ber artiger Artikel naß geworden, so hänge man ihn nicht an den heißen Ofen, sondern lasse ihn langsamt trocknen möglichst an der Luft. Um Motteitfraß zu verhindern flopfe man die Pelzwaaren möglichst jede Woche aud haupt, ächlich im Sommer; das ist besser als alle in ben

Zeitungen angepriesenen Mottenmittel.-

Selbstsucht.

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Wo sich nur das eiq'ne Interesse rührt, Gleich wird eine andere Sprache geführt, Was gestern ein Topf war für die Frau Base, Heut' ist es eine etrurische Vase.

Hoffmann v. Fallersleben .

Nachdruck des Juhalts verboten!

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