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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

die Sie uns hier erzählen ohne es zu ahnen, selbstverständlich. Aber ich sehe nicht ein, weshalb ich nicht dariiber sprechen soll," wandte sie sich er­regt seitwärts zu Frau Doktor Schummerich, die sie zurückzuhalten suchte, es ist nöthig. Also, lieber Freund, sagen Sie nur Ihrem Gewährsmann: unter dem Namen Rosa Kemptner verberge sich die ge­schiedene Frau meines Mannes, der ich, ich selbst, wie ich jetzt fast befürchte, sehr thörichter Weise durch meinen Anwalt, Doktor Schummerich, monat­lich fünfhundert Mark auszahlen lasse. Ich ver­pflichte Sie dazu, den Klatsch da richtig zu stellen, wo Sie ihn gehört haben."

Northmann erhob sich. Was für ein unentwirr barer Knäuel. Wie konnte das Alles zusammen hängen. Er sah, wie der Herr des Hauses von der Thür auf ihn zuschritt und fühlte die Hand Doktor Schratte's auf seinem Arm. Er reckte sich auf und antwortete, seinerseits gereizt durch den Rattenkönig von Lug und Trug, vor dem er stand:

" Ich bedaure, nicht dienen zu können, gnädigste Frau, denn ich weiß zu genau, daß Rosa Kemptner nicht mit Ihrem Herrn Gemahl, daß sie überhaupt niemals verheirathet war, höchstens auf Vorstadt­bühnen mit Menelaus dem Guten... Gnädigste

Frau," fuhr er dann rasch fort, als er die Wirkung seiner Worte sah, es thut mir wahrhaftig furcht bar leid, daß ich die unschuldige Veranlassung..."

Das glaubt Ihnen der Teufel, Herr," schnauzte ihn in diesem Augenblick der Nittmeister an," Sie sind ein heimtückischer Stänker, ein infamer Hallunte."

Northmann sah ruhig in das erhißte, rohe Ge­sicht, von dem die Maske gesellschaftlicher Erziehung vollständig gefallen war. Ich werde mich erkundigen, ob Sie noch satisfattionsfähig sind," erwiderte er falt.

Doktor Schratt, Doktor Schummerich und einige andere Herren fielen dem Rittmeister in die Arme und hielten ihn zurück, als er sich jetzt auf Northmann stürzen wollte, der ruhig, mit einer Verbeugung gegen die Gesellschaft an der ohnmächtig zusammengebrochenen Frau vom Hause vorüber hinausschritt.

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Der Zweikampf fand statt. Die Satisfattions fähigkeit ließ sich dem Rittmeister a. D. von Bären­sprung- Plaut in feiner Weise bestreiten. Er war von seiner Frau geschieden. Das ist an sich nichts Unehren haftes. Er hatte eine Rente, die seine Frau, seine haftes. Er hatte eine Rente, die seine Frau, seine jezige Frau, seiner früheren ausseßen wollte, seiner Maitresse zugewandt. Das war ja nicht schön. Aber schließlich: die geschiedene Frau hatte nun einmal

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Feuilleton.

nichts annehmen wollen. Er war der Ruhe seiner Frau diesen frommen Betrug schuldig gewesen. Eine Abfindung für frühere Verpflichtungen sollte es doch sein. Warum sollte er sie nicht da verwenden, wo man eine solche Abfindung von ihm verlangte. Es sollten noch jetzt Beziehungen zwischen Nosa und dent Rittmeister bestehen. Nun ja, aber was hat das mit der Ehre zu thun?

Der Zweikampf fand statt. Der Ausgang eines Duells ist unsicher wie der eines Prozesses und die Gerechtigkeit ist fast ebenso selten in Pistolenläufen wie in Gerichtsurtheilen. Der Rittmeister erhielt einen leichten Streifschuß an der rechten Schläfe und Noderich Northmann eine Kugel durch die Lungen. Er hat monatelang im Krankenhaus gelegen und lebt jezt im Süden zur Schonung seiner sehr an gegriffenen Gesundheit. In Dresden wäre er übrigens sowieso unmöglich gewesen. Der von ihm provozirte Standal hatte alle Welt gegen ihn aufgebracht.

Die Stellung des Herrn von Bärensprung- Plaut ist durch diese Sache sehr befestigt worden: sie be wies doch, daß eigentlich nichts gegen ihn vorlag, und bewies auch, daß er nicht mit sich spaßen ließ. Ob das Glück seiner Ehe gelitten hat, läßt sich von Außen schwer beurtheilen.

Blindenklage.*

enn ich dich frage, dem das Leben blüht: fag' mir, sage, wie das Wohnfeld glüht! Das rothe Mohnfeld, wie es jauchzt und lacht: Zodt ist mein Pfad und ewig meine Nacht. Wohl manch' ein Anglück schlägt den Menschen schwer,

Her so viel trägt, kennt keinen Hammer mehr. Die Sonnenhellen Fluren wankt er blind

nd tappt nach Spuren, die verschüttet sind. Ich träume Honnen, strecke weit die Hand, Ich möchte greifen durch die dunkle Wand, Ich möchte faffen durch der Schatten Schicht In rothen Mohn und strahlendgold'nes Licht... Hus alten Zeiten zuckt ein Schimmer nach, Im todten Huge blieb die Sehnsucht wach, And wissend von der Herrlichkeit des Lichts, So ganz enterbt geh' ich durch Nacht und Nichts. Ob Freud ', ob Leid begegnet meinen Wegen, Todt ist mein Fluch und todt ist auch mein Hegen.

Karl Henckell .

Der röthliche Schimmer des Mondes bei seiner Verfinsterung. Eine Mondfinsterniß tritt bekanntlich dann ein, wenn der Mond, als Vollmond der Sonne gegen­überstehend, in den Schatten eintritt, den die Erdkugel hinter sich wirft. Da die Sonne fein leuchtender Punkt ist, sondern eine leuchtende Kugel, die die Erde viel tausend mal an Größe übertrifft, so ist der Erdschatten nicht scharf begrenzt, sondern der eigentlich ganz dunkle Kernschatten ist von einem breiten Halbschatten umgeben, der an Dunkelheit nach außen hin abnimmt. Wenn daher der Mond in den Erdschatten einzutreten beginnt, erscheint sein ver= finsterter Theil nicht schwarz, sondern in einem gleich­mäßigen Grau, in welchem alle Einzelheiten der Ober­fläche verschwinden. Wenn er sich nun mehr und mehr in den Schatten einsenkt, so sollte man erwarten, daß er bei totaler Verfinsterung, wenn der tiefe Kernschatten sich über ihm lagert, absolut schwarz werden müßte; statt dessen schimmert er aber in einem zarten, rosigen Licht, in welchem die Einzelheiten auf seiner Oberfläche wieder mit einiger Deutlichkeit hervortreten.

die fast überall in Norddeutschland bei flarem Himmel sehr schön zu beobachten war, zeigte sich mehr als drei Viertel der Mondscheibe in zartem rosigen Licht, während nur ein fleiner Theil am westlichen Rande der Scheibe fast schwarz erschien.

Der Grund dieser eigenthümlichen Färbung ist wahr­scheinlich in der irdischen Atmosphäre zu suchen. Die Sonnenstrahlen, welche unsere luftige Hülle treffen, werden an den Dunst- und Staubtheilchen in ihr nach allen Seiten hin zerstreut und erhellen sie weithin, so daß wir nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang das sogenannte Dämmerlicht haben. Bei ganz geringer Be­wölkung erscheint dann der Himmel im zartesten Roth, der allbekannten Abend- und Morgenröthe , dem legten Gruße der scheidenden und dem Vorboten der nahenden Sonne. Das zerstreute röthliche Licht, dessen Stärke aber wesentlich von dem Dunstgehalt der Luft abhängt, wird jedenfalls auch ziemlich weit in den Erdschatten hinein geworfen, so daß dieser an seinen Grenzen weithin in röthlichem Lichte glänzen muß. Wenn daher die Mond­scheibe in den Kernschatten eintritt, so lagert sich dieses röthliche Licht über sie und giebt der falten, starren Natur, in der alles Organische längst erstorben ist, durch die zarten und verschieden abgestuften Farbentöne für wenige Stunden den Schein des Lebens. Die Luft, das erste Erforderniß des Lebens, sendet so dem luftlosen, todten Monde gewissermaßen einen Gruß zu.- ―r.

Kampher. Kein Baum in Japan erreicht so unge­heure Dimensionen, wie der Kampherbaum; in den noch in einzelnen Theilen von Kiuhsin und Schikoku vor­handenen Wäldern, sowie in Tempelhainen, findet man häufig Bäume von 10 bis 15 m Umfang. Der Reisende Ernst v. Hesse- Wartegg widmet dieſem Baunt in seinem Werke, China und Japan"( Leipzig , J. J. Weber) ein besonderes Kapitel, dem wir das Folgende ent­nehmen: Die Japaner unterscheiden zwei Arten von Kampherbäumen, rothe und blaue, je nach der Färbung der jungen Blättchen, die erst, wenn sie ausgewachsen sind, die grüne Farbe annehmen. Die rothen Bäume follen größeren Ertrag liefern. Am kampherreichsten find die Wurzeln und der Stamm; am wenigsten enthalten die dünnen Zweige und die Blätter. Früher fällten die Japaner daher nur Bäume, die ein Alter von über achtzig Jahren erreicht hatten, und verbrauchten auch an diesen nur Stamm und Wurzeln. Seit dem gesteigerten Bedarf und der allmäligen Ausrottung der Kampher­wälder verwerthet man auch die kleineren Zweige und Blätter. Nur bei mehrere hundert Jahre alten Bäumen

fleinen, etwa 5 cm langen und 1 cm dicken Spähnen von Kampherholz gefüllt, zu deren Gewinnung sich der Japaner ein paar Aeste von dem nächsten ihm gehörigen Baume schlägt; dann wird das Faß geschlossen, der obere Deckel mit Lehm hermetisch verschmiert und durch ein Bambusrohr aus einem darüber befindlichen Behälter Waffer zugeführt, das, durch die Spähne sickernd, den Eisenkessel füllt. Nun wird unter dem letzteren das Feuer entzündet. Allmälig wird das Wasser zum Kochen gebracht, der Dampf, durchzieht die Kampherspähne, nimmt den Kamphergehalt in flüssiger Form in sich auf und zieht durch ein Bambusrohr nach einem 2 bis 2 entfernten Stühlapparat. Dieser legtere besteht aus zwei übereinander befindlichen Trögen, von denen der untere überdies noch in einem zweiten, größeren Trog stedt und in seinem Inneren fünf bis zehn Querstäbe enthält. In diesen letzteren werden die Kampherdämpfe geleitet. Dort verdichten sie sich durch die Abkühlung mittel Wassers, und der Kampher jegt sich an den Innenwänden und Querstäben an.

Die Feuerung wird die Nacht über und den ganze folgenden Tag unterhalten, während dessen der Arbeiter die Zeit zum Spalten neuer Spähne benutzt; er fan davon etwa 125 kg in einem Tage schneiden. Am Abend wird der Deckel des Retortenfasses losgelöst, die aus gedämpften alten Spähne werden durch frische erfest, und der Prozeß beginnt von Neuem. Die Spähne bleiben also durchschnittlich 24 Stunden dem Ausdämpfen unters worfen. Den gewonnenen Kampher fragt man von den Innenwänden und Stäben des Kühlers ab, läßt ihn zu oberflächlichen Reinigung durch ein Sieb tropfen un verpackt ihn schließlich in Kübel mit doppelten und wohlverwahrten Deckeln. So kommt er zur Ausfuhr. Natürlich geht bei dieser primitiven Art der Destillirung ungemein viel Kampher verloren; von 100 kg Kampher holz ist der Ertrag nur etwas über 1 kg. Der rohe Sampher enthält durchschnittlich 10 bis 15 Prozent Cel das aber auch wieder zur Hälfte aus Kampher besteht; dieser wird aus dem Del durch einen einfachen Kältungs prozeß gewonnen.

Der rohe Kampher wird nach Amerika und Europa exportirt, und erst dort für den Gebrauch raffiniet. Geit 1892 find aber die Japaner selbst zur Kenntniß des Raffinerie- Verfahrens gekommen, und es entstand in Kobe die große Sumitomo- Naffinerie. In Japan macht fid jetzt schon eine Bewegung bemerkbar, um die Ausfuhr von rohem Kampher nach Europa und Amerifa gänzlid zu verbieten, damit die japanische Industrie sich hebe kommt das Ausschwitzen von Kampher vor; bei diesen gemacht. Nur auf den japanischen Inseln und auf Der europäischen Kampherindustrie wäre damit ein Ende Formosa giebt es bis jetzt Rampherbäume in größeren Mengen. Da Formosa auch in japanischen Besitz ge kommen ist, so besigen die Japaner auf Jahre hinaus bis auch an anderen Orten Plantagen von Kampher bäumen entstehen, das Kamphermonopol.

zeigt sich die Rinde mit einer salzartigen, weißen Kampher­fruste bedeckt.

Die Kampherbereitung wird in der unmittelbaren Nähe von Flüssen oder Bergbächen vorgenommen. Der dafür erforderliche Apparat steht unter freiem Himmel: ein eiserner Kessel von etwa 1 m Durchmesser und 12 m Tiefe, der zum Kochen des Wassers dient und dazu in einen aus Lehm hergestellten Herd eingelassen ist; auf dem Kessel ruht ein vielfach durchlochter Deckel, und über diesen ist ein etwa 1 m hohes, bodenloses Faß gestülpt, dessen obere Oeffnung etwas kleiner ist als die untere. Faß und Kessel werden durch eine Lehmschicht mit ein­ander fest verbunden. Das Faß wird vollständig mit

Nachdruck des Juhalts verboten!

Alle für die Redaktion der Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19,

Bisweilen ist diese rothe Färbung des verfinsterten Mondes nur schwach, bisweilen jedoch ziemlich stark; bei der legten totalen Mondfinsterniß vom 27. Dezember 1898, * Aus Gedichte". Zürich und Leipzig . Karl Henckell& Co. Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg. - Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg . Druck: Mar Bading in Berlin .

Beuthstraße 2, zu richten.

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