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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

weise das des Papstes, ist natürlich allemal heil und flattert fröhlich und siegverheißend im Winde.

Auch in den kirchlichen Schauspielen der Geist lichen, gedichtet und aufgeführt von Priestern und Mönchen mit dem Zweck, die heilige Geschichte wie die Lehren des Christenthums der Gemeinde recht finnfällig einzuprägen, regt sich der christliche Juden­haß in bissiger Satire. In den Osterspielen, welche die Passion Christi darstellten, werden die Pharisäer und Juden, welche Christus vor dem römischen Land­pfleger verklagen und seine Verurtheilung erzielen, den Zuschauern in lächerlichen Kostümen und grotesken Tänzen vorgeführt, welche sie mit kauderwelschen Sprüchen und Gesängen begleiten.

Namentlich am Verräther Judas weßt die geist liche Dramenjatire ihren Zahn. Dann war eine beliebte, aus dem Leben gegriffene Gestalt die des Krämers, dem Maria Magdalena Narde und köst­liche Spezereien abkaufte. In den ältesten Spielen, in denen dieser Krämer auftritt, wird er als eine gleichgültige, farblose, typische Gestalt aufgefaßt. Immer mehr aber verwandelt er sich zu einer anti­semitischen Karrikatur, geschaffen, dem Publikum etwas zum Lachen zu geben und die schon im Volke start entwickelte Abneigung gegen die Juden zu fizeln; er wird zum marktschreierischen, betrügerischen Quacksalber, wie man sie im Lande umherziehen sah.

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In einem Osterspiel aus Schlesien findet sich folgende Szene: Eben haben die Wächter am Grabe Christi, die Ritter", wie sie im Spiele heißen, dienstschuldig die Auferstehung und das Verschwinden des Leichnams Christi aus dem Grabe gemeldet, da tritt der Krämerjude auf, von dem die das Grab besuchenden Frauen Spezereien kaufen sollten. Dieser preist ihnen seine Waare an:

Ich bin wahrlich kommen von Pareis( Paris ), Auf Arzenei hab' ich gelegt meinen Fleiß:

Was ich euch sage, das ist nicht wahr!

Nun hört, ihr Jungen und ihr Alten,

Ihr Rauhen und ihr Kalten,

Num höret alle gleich,

Beide, Arm und Reich,

Ich bin ein Meister her' kommen,

Ihr sollt mein nehmen kleinen Frommen.

( d. i. ihr sollt wenig Nuzen von mir haben, weil

ich auch betrügen will!)

Ich habe Arzenei allsoviel,

Die ich euch jetzt nennen will:..

Ich bin ein Meister hochgeboren

Und habe meinen Knecht verloren:

Und wär' irgend einer in dem Lande,

Der angeſtiftet hätte eine Schande,

Und wollt er meines Dienstes pflegen, Wahrlich, reich an Sold wollt ich ihm geben.

Da meldet sich ein Jüngling Namens Rubin und bietet sich an, indem er sich auf folgende Weise zu empfehlen sucht:

Herr, wie dünket euch um mich?

Ich bin jung und höfelich.

Ich kann den alten Weiben

Die Beutel abeschneiden;

Auch kann ich stehlen und gar wohl verschlagen Und bin doch nie zur Staupe gegangen. Aber ich[ hatte weniger Glück] in Baierland, Da ward ich durch die Backen gebrannt: Wär ich nicht entgangen,

Man hätte mich fürwahr gehangen.

Der Krämer fragt nach dem Namen des Volontairs".

Rubin bin ich genannt,

In Baiern ward ich geschandt.*

Ich kann kaufen und verkaufen

Und die Leute wohl leichen( betrügen).

Dann wird der Lohn ausbedungen.

Herre, mein Lohn ist gar stark,

Ein Pfund Pulze** und ein gebratener Quart. Der Meister verspricht ihm noch einen Fladen von unaussprechlicher Art als Ertragabe und weiht ihn in die Geheimnisse seiner Büchsen und Flaschen ein, alle nöthigen Reklamephrasen und ihre kräftigen Wir­fungen beifügend. Dann schildert er ihm sein ,, säuberlich Weib", gleichsam sie vorstellend:

Sie hat wahrlich einen frummen Mund Und sieht über die Nase wie ein Hund. Kesselfarbig ist ihr Haar wohl, Ihre Augen, die sind Wassers voll, Bei den Schreibern ist sie gerne

* Eine Verspottung der Beschneidung oder auch eine barbarische Strafe soll damit gemeint sein.

** Pfannenbolz, in der Pfanne gebratene Mehlspeise.

Als die drei Marien Salben faufen wollen und die Büchsen anfassen, ergrimmt des Krämers Drache und will sie mit Knütteln forttreiben; daraus entwickelt sich ein fabelhaft grober ehelicher Zwist zwischen den Beiden, der der schwächeren Frau eine Tracht Prügel einträgt. Die droht ihrem Gatten mit Anzeige seiner verschiedenen Betrügereien und jagt ihn damit derart in's Bockshorn, daß er gute Worte giebt und über Hals und Kopf seinen Kram zusammenrafft, um sich schleunigst aus dem Staube zu machen.

Dasselbe Stück ist auch in tschechischer Sprache vorhanden, und in dieser Fassung unterscheidet sich die Krämerszene von der deutschen nur dadurch, daß sich hier die Sprache des Juden in einer so schmutzigen sich hier die Sprache des Juden in einer so schmußigen Tiefe. bewegt, daß selbst die derbsten Fastnachtsspiele eines Hans Rosenbliit oder Folz zart dagegen er­scheinen.

Der als Schmied Regenbogen bekannte Dichter des dreizehnten Jahrhunderts hat ein Gedicht in der Form eines Streites zwischen sich und einem Juden verfaßt, in dem er mit seinem Gegenredner einen förmlichen Erorzismus, eine Teufelsaustreibung vor­nimmt. Mit schalen Wizen und nackten Grobheiten beweist er nichts, sondern stellt nur Behauptungen auf, die jeder auch nur oberflächlich mit den Lehr­biichern seines Glaubens vertraute Hebräer hätte als nichtig erweisen können.

Der österreichische Dichter Helbling soll der Ver­fasser von lehrhaften Dichtungen gewesen sein, in welchen sich unter anderen Verse finden wie folgende: Der Juden sind gar zu viel Hier in diesem Lande.

Es ist Sünde und Schande,

Es ward nie so groß eine Stadt, So wurde sie von dreißig Juden satt Voll Stankes und Unglauben. Welcher Christ lernet rauben Unter der Juden Panier,

Den fälle Gott und thu das schier( schnell) Und wär ich ein Fürst zu nennen,

Ich ließ euch alle brennen,

Ihr Juden, wo ich euch fäm an.

Das ging allgemach natürlich auch dem Volke

in's Blut über.

In jenem Hort der Volksweisheit und dessen, was dem Volk jeweilig für Weisheit galt, in seinem Sprichwörterschatz begegnen wir häufig dem alten Rassenhaß. Wir heben zum Beweise nur eine fleine Zahl aus, die wir verzehnfachen könnten, wenn wir es nicht für überflüssig hielten. Zum fliegenden Wort und Sprichwort ward eine dem Kaiser Auguſtus von Macrobius zugeschriebene Aeußerung bei Kennt nißnahme von dem Bethlehemischen Kindermord: Bei den Juden ist es besser ein Schwein als ein Mensch zu sein. Vor Geschäftsschlauheit und Ueber­vortheilungslust der Juden warnen folgende Worte: Bei Juden, Bettlern und Spielern bringt man sein Geld alle Zeit für voll an. De ehrlichen Jiuden het Hor in der Hand( im Handteller, wo keine wachsen). Der Jud weiß sich zu wehren und andere zu scheren. Des Juden liebste Farbe ist gelb. Die Juden schreiben gern mit doppelter Kreide. Die Juden seynd in einem Land so nuß als die Mäuß auf dem Getreideboden und die Motten einem Kleide. Fluddrige( zerlumpte) Juden haben das meiste Geld. Jüden und Ministen( Mennoniten) bedregt alle Christen. Wenn die Juden von Moses reden, so denken sie auch an die Propheten. Wo viele Juden sind, da sind viele Diebe. Hans Sachs zitirt als Beleg für den Erbhaß zwischen Juden und Christen:

Das alt Sprichwort sagt: Juden und Christen: Hund und Katz auf einer Misten!

Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wurde das Wort auch immer gehässig für etwas Schlechtes angewendet. Juden nannten einige Handwerke die Jungen, welche noch nicht die sogenannte Gesellen taufe überstanden hatten. Einen liigenhaften Bericht bezeichnete man als einen Juden, daher die Nedens­art: Einem einen Juden aufhängen, ihm etwas weis machen. Ferner hieß ein stachlicher, unreinlicher Bart ein Jude; im Rheinischen nannte man den Juden zum Hohn einen bestimmten Theil des Nick­grats vom Schweine den Juden. Am nächstliegenden ist der Gebrauch des Wortes Jude als Schimpf­

name für einen unsauberen, wucherischen und be­trügerischen Nichtjuden, deren es genug gab und von denen schon Hugo von Trimberg in seinem Renner" jagt:

Sind böse Jüden des Teufels Nüden ( Jagdhunde), Wes Rüden sind dann getaufte Jüden?

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1523

Die Quintessenz des mittelalterlichen Antisemitis mus finden wir noch in Luther's Schriften: Von den Juden und ihren Lügen" und" Vom Schem Hamphoras"( 1543). Der Verfasser dieser Fluch und Schimpfbücher gehört freilich wenigstens von 1525 an nach seiner legten revolutionären" That, seiner Eheschließung! mehr dem scholas stischen Mittelalter als der Neuzeit an. hatte Luther in seiner Schrift: Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei" ganz anders nämlich vernünftig und tolerant über diesen Gegen stand geschrieben, 1543 aber läßt er fein gutes Haar an den Juden. Sie sind ihm aller Bosheit voll, voll Geizes, Neides, Hasses untereinander, Hochmuths, Wuchers, Stolzes, Fluchens wider uns Heiden... Der Teufel hat dies Volt besessen mit seinen Engeln... sie sind die rechten Lügener und Bluthunde, die die ganze Schrift mit ihren erlogenen Glossen von Anfang an bis noch daher ohne Auf hören verkehret und verfälscht haben. Und all ihres Herzens ängstlich Seufzen und Sehnen und Hoffen geht dahin, daß sie einmal mit uns Heiden möchten umbgehen, wie sie zur Zeit Esther in Persia mit Schreiben doch ihre den Heiden umbgingen.. Talmund und Rabbinen, das Tödten sei nicht Siinde, so ein Jude einen Heiden tödtet... und so er einem Heiden den Eid nicht hält, ist nicht Siinde... Stehlen und Rauben, wie sie durch den Wucher thun den Gojin, sei ein Gottesdienst, den sie halten... Auf solcher Lehre beharren auch noch heutigen Tages die Juden und thun wie ihre Väter, verkehren Gottes Wort, geizen, wuchern, stehlen, morden, wo sie können, und lehren solches ihre Kinder immer für und für nachthun."

Seine praktischen Nathschläge stehen ganz auf der nämlichen Stufe der Vernunft und Sittlichkeit: Ausweisung, Wegnahme alles Vermögens, Zwangs arbeit; die Synagogen sollten verbrannt, ihre heiligen Bücher ihnen genommen, bei Todesstrafe ihnen ver boten werden, im deutschen Lande Gott zu loben, zu danken, zu beten und zu lehren. Und weil wir wissen, daß sie es heimlich thun, so ist es ebenso viel, als thäten sie es öffentlich. Denn was ma weiß, das heimlich geschieht und geduldet wird, das heißt doch nicht heimlich."

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Genug davon! Die mittelalterliche Barbarei ist ja bis zur Stunde in der Christenheit" noch nicht abgethan. Noch heute hat Luther Nachfolger und Gesinnungsgenossen! Ueber hundert Jahre nach Lej sing, nach der französischen Revolution, die zuerst die Gleichheit aller Bürger vor dem Geseze pro klamirt hat, geht das finstere Mittelalter ohne Schell auf offener Straße einher!

Die Konfektionsstoff- Fabrikation.

Von Arno Hirsch.

an versteht unter Konfektion im Allgemeinen alle diejenigen Kleidungsstücke, welche, sagen wir, den Stubenanzug zur Straßen toilette vervollständigen. Aus dieser Definition läßt sich näher bestimmen, welche einzelnen Stücke dahin zu rechnen sind: Herrenüberzieher, Damenmäntel, Jaquets, Capes 2c. Die Stoffe, die zu diesen Be kleidungsgegenständen verwendet werden, schwanken in der Qualität von den feinsten Seiden- und Mohair stoffen bis herab zu den ruppigsten Schundimitationen in Baumwolle; alle haben aber eins gemeinsam: möglichste Stärke bei möglichste Stärke bei thunlichst ausgesprochener Weichheit. Diese Eigenthümlichkeit bedingt bei fat allen eine Zusammensetzung aus zwei Geweben; eine zur Erzielung des äußeren Ansehens, das andere zur Hervorbringung der Stärke. Man spricht halb gewöhnlich von Oberwaare und Unterwaare,

das

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