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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

geregt, ihm, der nie das Dorf verlassen hatte, waren die Worte Streit und Aufruhr" ganz unklare Be­griffe. So etwas hatte er noch niemals gesehen und in der ganzen Umgebung niemals davon gehört. Seine Aufregung kam nur durch das verhängniß­volle, giftige Zischen, mit dem der Unglücksrabe sein Krächzen begleitete.

Anders war es mit Fedot Fedotowitsch. Er hielt sich schon für den unglücklichsten Menschen. Er hatte von der Sache einen Begriff, wenn auch einen sehr unklaren. Er hatte das Wort Revolution schon aus­sprechen hören von Leuten, denen die Wuth darüber aus den Augen leuchtete.

Man muß das Eisen schmieden, so lange es warm ist. Es ist nöthig, den Brand zur rechten Zeit zu löschen, die Aufrührer ordentlich zu nehmen. Man muß ein Beispiel statuiren. Natürlich dürfen die Maßnahmen nicht zu strenge sein, milde und human muß man strafen, so meine ich. Ich denfe mir, man sollte, so was... furz, man sollte die Steuern einziehen."

" Wieso die Steuern plöglich einziehen?" schrie mit weit aufgerissenen Augen der Schulze; er war gänzlich paff, das hätte er gewiß nicht erwartet.

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,, Ercellenz," piepte Fedot Fedotowitsch, wenn Sie nicht zu scherzen geruhen, ist das doch einfach ganz unmöglich... ganz unmöglich!"

" Ich weiß sehr wohl, was möglich und unmög lich sein kann. Und wenn ich Euch hierher gerufen habe und meine Zeit mit Euch vergeude, so geschieht es gewiß nicht, um Euch eine Fabel zu erzählen. Ich bin kein Freund von Scherzen. Ich sage Euch, die Steuern müssen eingezogen werden, müssen, missen. Und gleich heute schon. Das ist die fligste

Unfern Susum.*

er Abend faftet mälig auf die Heide, In Schlick und Prielen sinkt das Waffen­

meer.

Mein Himmel ist wie purpurblaue Seide, Heber den Deich geh'n Hille Debel her. Die Binsengräser ziffern leise, leise. Das thut der wunderweiche Westerwind. Heimlich von drüben eine Tiederweise Auf grauer Hallig fingt ein Friesenkind. Ich greife mit verhülltem Blick hinaus- Wo liegt das Land der sehnsuchtffillen Ruh? Der Krake breitet seine Flügel aus Und lenkt den Inseln zu...

Hand Bethge. Aus, Die Perlenschnur". Eine Anthologie moderner Lyrit, herausgegeben von Ludwig Gemmel. Berlin und Leipzig , Schuster& Loeffler.-

In den Dünen. Max Liebermann , der Schöpfer des von uns heute zur Abbildung gebrachten Bildes, steht unter den deutschen Malern der Gegenwart in der vordersten Reihe. Er ist einer der Ersten gewesen, der sich der vom Ausland kommenden naturalistischen Kunst angeschlossen hat; und er gilt jezt als das Haupt der Berliner Schule, soweit man von einer solchen überhaupt sprechen kann. An holländischen und französischen Vor­bildern hat er sich geschult. Millet's, des großen Bauern­malers, schlichte und ernste Kunst hat einen bestimmenden Einfluß auf ihn geübt; in seinen besten Bildern hat er eine Größe der künstlerischen Anschauung erreicht, die an Millet gemahnt. Was an Liebermann's Bildern so be= sonders wirkt, das ist der tiefe Ernst der künstlerischen Arbeit, der in ihnen allen zum Ausdruck kommt. Was er erreicht hat, ist ihm nicht mühelos in den Schooß gefallen. Er hat schwer um seine Kunst gerungen und in unermüdlicher Arbeit seinen Stil entwickelt. Ein Stück dieser Arbeit läßt sich in den Bildern verfolgen, die in der Neuen Welt" bisher schon zur Abbildung gelangt find, dem Altmännerhaus in Amsterdam " und den " Flachsspinnerinnen in Holland " aus den achtziger Jahren ( beide im Jahrgang 1896 der N. W.") und dem heutigen.

Zunächst das Altmännerhaus". Alte Leute fizen auf Bänken einander gegenüber oder stehen herum in einer Baumhalle, durch deren stark gelichtetes Laub überall die Sonnenstrahlen dringen. Weich legt sich die Luft

Maßnahme. Das wird sie erinnern, daß es über ihnen noch eine Behörde giebt."

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Wie Euer Gnaden will," sagte ehrfurchtsvoll der Schulze, aber die Steuern zu dieser Zeit ein­ziehen, das... nein... das ist überhaupt nicht das ist überhaupt nicht denkbar, daraus wird einfach nichts!"

Na, wie Ihr wollt." Perechwatow zuckte mit den Achseln. Wie Ihr wollt, meine Herren, ich stehe der Sache ja ganz fern. Falls etwas vor­kommt, so beschuldigt Euch selbst... Ist also unmöglich?"

" Durchaus unmöglich," sagte bestimmt der Schulze und zuckte ebenfalls mit den Achseln, als Zeichen, daß es ihm überhaupt unbegreiflich sei, wie Jemandem so etwas nur einfallen fönne.

Fedot Fedotowitsch erhob sich. Anscheinend dachte er ganz anders über die Sache, als der Schulze. Nimmer hätte er sich entschlossen, so kategorisch zu erklären, daß die Sache unmöglich wäre. Er kannte Perechwałow und verstand sehr wohl in seinen Worten das zu lesen, was in ihnen versteckt lag, und er hatte Folgendes herausgelesen: Wie Ihr wollt, ich stehe der Sache fern, aber bedenkt, ich werde es Euch nie vergeben und vergessen. Umsonst ist man doch nicht mit dem Adelsmarschall auf so gutem Fuße.

Na, Gott befohlen," sagte Perechwatow ,,, ich habe Euch gewarnt und somit meine Schuldigkeit gethan."

Der Schulze hatte sich schon zur Thür gewandt, um zu gehen, aber Fedotowitsch stand noch auf der selben Stelle wie gebannt. Weggehen mit solch Weggehen mit solch einem schweren Stein auf dem Herzen, das ging über seine Kräfte.

" Excellenz," sagte er leise und ängstlich, ohne Perechwatow anzusehen, der schon mit stolzem Blick

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Feuilleton.

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um die ergrauten Alten, in einzelnen Tupfen spielen die Strahlen über sie, über den Erdboden, über die Baum­stämme hin. Das ist alles mit großer Schärfe erfaßt, jeder Zug in einfacher, bis in die Einzelheiten getreuer Weise dargestellt jeder Mann für sich eine Charakter­figur. Im zweiten Bilde, den Flachsspinnerinnen", ist schon das Format bedeutend größer, fast lebensgroß. Auch hier sind zahlreiche Figuren, noch dazu in einem engen Raum, beisammen; aber in der Komposition treten die ersten zwei oder drei im Vordergrunde stark heraus. Sie sind einfach und groß gegeben, in der Zeichnung nicht mehr so detaillirt, sondern in den großen Zügen herausgearbeitet und mit breitem Pinsel breit und kräftig hingeschrieben. Auf diesem Wege ist Liebermann fort­geschritten. Das Stoffgebiet, das er in den Bereich seiner Malerei einbezog, ist nicht leicht zu umschreiben, auch in dem Kleinsten und Unscheinbarsten wußte er malerische Neize zu entdecken. Am nächsten wird er uns freilich immer als Darsteller des Menschenlebens stehen; in diesen Bildern klingt ein so tiefes menschliches Mitempfinden mit, daß sie uns gerade dadurch, weit über die rein fünstlerische Wirkung hinaus, in ihren Bann zwingen. Unser heutiges Bild reiht sich auch in diesem Betracht dem Besten, was er geschaffen, an.

Die Vereinfachung des Motivs ist in Bildern wie diesem zu ihrem letzten Ziel gekommen. Ein Weg über öde Dünen, ein müder alter Mann am Wege fizzend: das ist alles. Und doch ist der Eindruck des Bildes so start, eine große Stimmung klar zum Ausdruck gebracht. Ein regenschwerer Tag. In trübem Grau verhängt der Himmel. Die Wolfen streichen in nicdrigem Zuge über das Land hin. Es geht sich schwer auf dem glitschigen Dünensande, und der Weg über die Dünen zum nächsten Dorfe war weit. Schon früh am Morgen hatte sich der Alte mit schwerbepackter Kiepe aufgemacht, jetzt ist er auf dem Heimwege. Die feuchte Luft, die Mühen des Weges haben den unter der Last seiner Jahre schon Gebeugten so müde gemacht. Er kann nicht weiter, er muß erst ruhen. So sigt er da, mit gebeugtem Rücken und gesenktem Kopf, mit müdem, grämlichem Ausdruck in den ver­witterten Zügen, hindämmernd, kaum fähig, einen Gedanken oder einen Entschluß zu fassen, die zerarbeiteten Hände auf seinen Stab gestüßt. Das ist so einfach im Aus­druck, ohne jedes übertriebene Pathos, und doch von so tiefergreifender Wirkung. Und dann die Natur! Mit außerordentlicher Kraft sind die Linien der welligen Dünen herausgearbeitet, vor allem die Grenzlinie gegen den Horizont; ihre trostlose Dede und die schwer darauf lastenden Wolfen geben den geeigneten Hintergrund für die schwere melancholische Stimmung des ganzen Motivs.

Metallcarbide. Die Kenntniß des Calciumcarbids, das in Berührung mit Wasser sich unter Bildung von

Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg .

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die Gäste hinauszubefördern schien, Ercellenz, er laubt uns, zu überlegen."

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Na, überlegt es Euch, überlegt es Euch," er laubte großmüthig der Gutsherr. Warum sollt Ihr es Euch nicht überlegen? Mir ist es eigentlich ganz gleich..

" Hier ist überhaupt nichts zu überlegen," be fräftigte mit einer Handbewegung der Schulze. So etwas ist nirgends und nie vorgekommen. Verzeihung, fügte er sich verneigend hinzu und ging hinaus.

Ihm folgte, sich fast bis zum Boden neigend, Fedot Fedotowitsch.

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, Ach ja, ich habe vergessen" plöblich fiel Berechwatow etwas ein ich habe mit Dir, Fedot Perechwatow etwas ein- ,, ich Fedotowitsch, noch eine Angelegenheit zu besprechen. Bleib' noch ein paar Minuten, der Schulze wird draußen ein wenig auf Dich warten."

Und wirklich, der Schulze ging hinaus, und Fedot Fedotowitsch blieb leichteren Herzens bei Perechwatow. Jezt überschaute er die ganze Situation. Es wurde ihm flar, wie weit sein Gutsherr in dieser Sache ein unbetheiligter Mensch war. Er sah ein, daß seine, Fedot Fedotowitsch's Dienste auch etwas werth ſein fönnten.

Die Situation hatte sich jetzt gründlich geändert. Mit der majestätischen Ruhe Perechwatow's war es vorbei. Seine Augen öffneten sich und sahen un ruhig umher. Seine Bewegungen verriethen ängst liche Eile und die sonst so langsam dahinfließende Sprache war hastig. Die ganze Erscheinung schien mit einem Male klein und unbedeutend. Er sah sich vorsichtig um, ging zur Thür, um sich zu über­zeugen, daß der Schulze auch wirklich weg war. ( Fortsetzung folgt.)

Acetylen zersetzt, hat eben wegen dieser Reaktion und der praktischen Verwendbarkeit des entstandenen Gases in del letzten Jahren eine große Verbreitung gewonnen. Weit weniger bekannt ist dagegen, daß auch eine Menge anderer Metalle Verbindungen mit Kohle eingehen, also Garbide liefern, die in ihren Eigenschaften eine große Aehnlichkeit mit dem Calciumcarbid zeigen. Gewonnen werden diese Carbide sämmtlich in ähnlicher Weise, wie das Calcium carbid, indem man nämlich das Metall oder ein Metall oryd im elektrischen Ofen mit Kohle zusammenbringt und einen starken elektrischen Strom hindurchschickt.

Für die meisten dieser Carbide ist ihre Neaktion mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur charakteristisch; doch ist sie nicht stets so stürmisch, wie beim Calciumcarbid . Aluminiumcarbid 3. 2. wird erst in 10-12 Tagen volls ständig zersetzt. Dabei entsteht nicht Acetylen, sondern das giftige Sumpf- oder Grubengas oder Methan, wie sein wissenschaftlicher Namen lautet. Diese Eigenschaft legt die Vermuthung nahe, daß das Sumpfgas, welches seit Jahrhunderten der Erde an vielen Stellen entströmt und schon so oft in Bergwerfen zu Erplosionen Veran lassung gegeben hat, durch die Tausende von Menschens leben vernichtet wurden, durch eine Einwirkung von Wasser auf Aluminiumcarbid im Innern der Erde entstanden ist.

Auch sonst haben die Metallcarbide bei der geologischen Entwickelung der Erde wahrscheinlich eine große Rolle gespielt, ja, es ist nicht unwahrscheinlich, daß einstmals fast der gesammte Kohlenstoff nur in Verbindung mit Metallen vorhanden gewesen ist und dann durch die Ein­wirkung des Wassers auf diese Verbindungen Kohlen wasserstoffe, wie Grubengas, Acetylen 2c., sowie auch die flüssigen Stohlenwasserstoffe des Petroleums und selbst feste, wie Paraffin, entstanden sind; denn auch die Bildung von festen flüssigen und festen Kohlenwasserstoffen ist dur die Einwirkung von Wasser auf manche Metallcarbide, 3. B. auf Gercarbid und vor allem auf Urancarbid bes obachtet worden. Andererseits giebt es auch einige stimmte Metalle, Chrom z. B., deren Carbide sehr beständig sind und von Wasser selbst bei der Siedetemperatur feiner Weise angegriffen werden. Die nähere Erforschung dieser Körper, deren Darstellung den Chemifern erit i den letzten Jahren gelungen ist, verspricht der Wissenschaft noch manche unerwartete und vielleicht überraschende Be

reicherung.­

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Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg . Drud: Mar Bading in Berlin .

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