Nr. 14
SSKujlrtrlc O-CnicrivaduTTCjsbeUagc.
1899
Direttanten des Lebens.
(Forlsetzung)
ena war halb erschrockeil, halb geschmeichelt. „Aber Signora Perriccioni— nehmen Sie die doch mit," stotterte sie. Lavallo lächelte schwermiithig.„ Sie hat für Monate iine, eine— sagen wir.Abhaltung' in Deutsch - �nd; ich hole sie erst wieder, wenn sie genug hat. Sie singt auch keine Volkslieder, sie ist eine viel zu Kwße Künstlerin. Was wollen Sie? Sie weiß biel, zu viel. Kleine Lieder kann nur singen, der eine weiße Seele hat, wie Sie, Madame!" Er iah sie zärtlich bewundernd und zugleich kühl und abwägend an mit seinen matten, traurigen Augen. . Lena fühlte eine entschiedene Sympathie für den AJann; er erschien ihr wie Einer, der schon viele Enttäuschungen hinter sich hat. „Wann kann ich Sie singen hören, Madame?" nagte wieder seine weiche einschmeichelnde Stimme. Sie sah unschlüssig in ihren Schooß und dann Z« ihrem Mann hin; er beachtete sie nicht, so ver- �eft war er in die Unterhaltung mit der Signora, konnte sich nicht mit ihm in Einverständniß setzen. «Wenn Sie zu uns kommen wollen," sagte sie halb- �a»t und verlegen,„dann will ich Ihnen gern vor- mgen. Bitte, besuchen Sie uns, mein Mann wird M) freuen!" „Dank, tausend Dank!" Er geberdete sich wie Einer, dem ein großer Gnadenakt zu Theil geworden. »Ich werde kommen, es müßte denn die Erde ver- Sehen!« Er legte die Hand auf's Herz:„Bei den Heiligen, ich schwöre es! Madame, singen Sie Volks- fader oder kleine Lieder, bei denen man weinen muß?" Sie beachtete nicht, daß er sie prüfend taxirte. Ein liebliches Roth färbte ihre Wangen, es that ihr S>ohl, daß sich Jemand so warm für ihre Kunst interessirte. Sie hatte das so lange entbehrt. Mit listigem Athem und einem begeisterten Blick in den �ugen sprach sie von der Musik. Sie fragte ihn: «Kennen Sie Dies, kennen Sie Das?" Und wenn �'s nicht kannte, was meistens der Fall war, so mmmte sie ihm die Melodie vor und sprach leise die Worte. Sie empfand mehr Freude als seit lange, lange. Es saß sich so schön hier beim kühlen Wasser, �nrauscht von den Klängen einer temperamentvollen Wusik. Die Menge zog vorüber und doch mar sie seitab. Kleiderrauschen, Kiesknirschen, Sprechen Und Lachen klangen wie hinter einer Nebelmauer. Die da oben fiedelten und fiedelten! Die Gestalt des Dirigenten beugte sich hin und her wie ein Rohr fa Winde, jedes Glied an ihm lebte, jeder Zoll war Musik. Er holte weitaus mit dem Arm, schleuderte ihn hin und her und warf sich vornüber, daß die Ichwarze Mähne ihm in'S Gesicht fiel. Und nun «m der Mond hervor, voll und silbern, beschämte
Roman von Clara Viebig . das elektrische Licht, übergoß die braunen Musikanten und spiegelte sich blendend in jeder Perle des Spring- brunnens. „Zauberhaft," sagte Bredenhofer.„Man kann die weite Pußta sehen und die braunen Gestalten darauf. Die Zigeuner fiedeln und klagen, das Feuer unter'm Kessel brennt, und die Sterne bleiben am Himmel stehen. Jetzt Tanzen und Jauchzen. Das Leben ist doch schön! Es lebe!" „O ja," flüsterte Lena und suchte unter'm Tisch die Hand ihres Mannes. Sie hatte keinen Tropfen Wein im Glas gehabt, und doch war sie wie be- rauscht. Die Mondnacht und die Zauberklänge hatten das gemacht und das ganze wunderbare Entrücktsein vom alltäglichen Leben und dem Kummer der letzten Wochen. Der Springbrunnen rauschte ein Adagio, ein Schlunnnerlied in Moll. Die Menschen waren weniger geworden; ab und zu ein flüsterndes Pärchen, im Mondschein rasch vorübergleitend und dunklere Büsche suchend. Ein leiser Nachtwind raschelte in den Bäumen und säuselte heran, einen Duft von Heliottop und Grün mit sich bringend. Es war wie im Märchen. Die Zigerner spielten schmelzender und schmelzen- der, Lena's Augen glänzten im Mondenschimnier wie die eines seligen Kindes; jetzt gedachte sie nicht mehr ihres Schmerzes. Es war wunderschön so zu leben — wunderschön! Sie fuhr zusammen, die Signora hatte geniest. Jetzt sagte die:„Es wird kühl; morgen singe ich die ,Traviata '. Ui Jegerl, i krieg' a Schnupfen," setzte sie plötzlich im unverfälschtesten Wienerisch hinzu. Die Anderen lachten, die kleine Gesellschaft er- hob sich. Lavallo stürzte wie ein Unsinniger auf die Sängerin zu und hing ihr einen dicken kostbaren Shawl um. Er zog sie am Arm eilig mit sich fort, immer bemüht, ihr mit seiner Gestalt den äugen- blicklich stärker wehenden Wind abzufangen. „Da geht er hin," sagte Reuter,„und schützt seine kostbare Pflanze vor'm Nachtthau. Ja, das ist ein famoser Kerl, der Lavallo! Der versteht's. Ein Jnipressario, wie ihn sich Keine besser wünschen kann! Und dabei nicht herrisch. Die Perriccioni—" er näherte seinen Mund dem Ohr Bredenhofer's und flüstecte; dann schloß er laut:„Sie sehen, er ist sehr bequem; er tritt vom Schauplatz ab und ist wieder da, wenn er gebraucht wird. Die Sache mit dem Fürsten dauert ja nicht lange, die Per- riccioni ist ein Zugvogel, sie hält's selbst in höchsten Fesseln nicht aus. Brillanten hat sie, sage ich Ihnen, Brillanten— die thun's ihr nicht mehr an!" Sie waren am Ausgang angelangt.„Und nun mein Sekt?" fragte die Perriccioni und blinzelte mit ihren Kohlenaugen.
Auch Reuter war noch nicht für die Trennung, am allerwenigsten Bredenhofer. Er winkte zwei Droschken heran und forderte die Gesellschaften auf, einzusteigen. „Ich bitte die Herrschaften, meine Gäste zu sein. Es ist ein schöner Abend, und wir sind nun einmal jung! Sei vergnügt," raunte er seiner Frau zu, „Reuter sagt mir, mein Bild gefalle sehr; es ist so gut wie verkauft. Freue Dich!" Eine halbe Stunde später saßen sie in dem kleinen versteckten Weinrestaurant in der Nähe der Linden; Bredenhofer kannte es von seiner Junggeselleuzeit her. Die Perricvioni verstand zu trinken, und Appetit hatte sie— erstaunlich! Es war allerliebst, wie sie mit ihren weißen Zähnen die Krammetsvögel zer- knabberte, und bei der Gänseleberpastete versicherte, sie hätte sich noch nie den Magen verdorben. Sie nippte nicht vom Champagner, sie goß den ganzen Kelch auf einen Ruck hinunter; man sah garnicht, daß sie schluckte. Sie wurde ungemein drollig, über- stürzte sich in Theatergeschichten, die sie mit Gesten und funkelnden Augen vortrug; dabei war sie nicht frivol, sondern von der ungezogenen Ausgelassenheit eines anmuthigen Kindes. Man konnte ihr nicht böse sein, die ganze Person wurde jünger und reizender. „Das ist das Genie," flüsterte Reuter verzückt. Bredenhofer zog seinerseits alle Schleusen auf. Er sekundirte der Diva, er wurde ganz der sorglose lustige Mensch, als den Lena ihn kennen gelernt. Eine plötzliche Verliebtheit überkam sie. Wie er da saß, die schlanke Gestalt, nachlässig hintenüber gelehnt, mit der weichen Hand die Haare zurückstreichend, jung, hübsch, sprühendes Leben in den Augen, auf dem schmalen Gesicht einen geistreichen Zug! Sie hätte ihn küssen mögen; sie zog ihren Stuhl näher an ihn heran. Er nickte ihr zu, und dann legte er zärtlich den Arn: um ihre Schultern.„Verzeihen die Herr- schaften," sagte er in kläglichem Ton,„aber ich ver- hungere und verdurste hier!" Sie sahen ihn erstaunt an. „Ich halt's nicht mehr aus, ich muß meiner Frau einen Kuß geben," fuhr er übermiithig fort, „ich Hab' sie zu lieb!" Allgemeines Gelächter. „O, Ihr Glücklichen," rief enthusiastisch der alte Reuter,„Ihr Glücklichen, Ihr habt Euch lieb!" Mit schwimmenden, gerührten Augen sah er das junge Paar an.„O Ihr, Ihr! Alle Eharisinnen Euch hold— und Musen— und Amor, der lächelnde Knabe— und—" Er wurde von Bewegung über- mannt. Beim dritten Glase stellte sich diese Be- wegung regelmäßig ein. Die Signora lachte laut auf und warf sich gegen