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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Eines Nachts erwachte er. Seine Augen blickten ganz klar.
waren versiegt. Sie lag auf den Knieen, stemmte die Ellenbogen auf's Lager und sah den Gatten unAuf dem Tisch brannte die kleine Lampe mit verwandt, welt- und zeitvergessen, wie versunken an. trüb verhangenem Schein.
„ Heller!" rief er laut.
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Lena ging und schob den Schirm zurück, dann machte sie:„ Pst" und legte den Finger an die Lippen. Leise glitt sie wieder neben sein Lager. Daß er nicht aufwacht," fliisterte sie, wir sind allein!" " Ja, allein," sagte er ebenso leise, allein sie sollen uns Alle allein lassen- ganz allein tomm!" Er bewegte die Lippen wie zum Kuß und sah sie sehnsüchtig an.
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Sie legte ihren Mund auf den seinen und sog seinen fieberhaften Athem ein.
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" Mein Mann mein Geliebter Richard!" hauchte sie im Kuß; es tlang mehr wie ein Stöhnen.
Er athmete schwer, sie fühlte, daß sie ihn bedrückte, und zog ihre Lippen zuriick; sie waren auch heiß geworden von seinen trockenen, verbrannten.
Seine übergroßen Augen suchten ihren Blick. " Ich muß sterben," sprach er jetzt deutlich und so ruhig, als ob Jemand sagte:„ Ich muß reisen."
Sie widersprach ihm nicht; sie preßte nur stumm die Hände zusammen in einem furchtbaren, entseglichen Schmerz.
„ Ich sterbe," wiederholte er,„ gern! Arme Lena Du mußt bleiben das Leben es drückt drückt Alles und Alle!"
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Es zog sie nieder mit gewaltiger Last, ihre Kniee fnickten ein; wie niedergeschmettert sank sie vor dem Bett hin und legte die Stirn auf dessen Nand.
" Arme Lena," flüsterte er immerfort, hob schwach die zitternde Hand und legte sie auf ihren lockigen Scheitel.
Die trockene Gluth dieser armen Hand durchrieselfe ihren Störrper bis in die feinsten Nervenfäden. Ein nicht endemwollender Thränenstrom drängte sich ihr in die Augen und fluthete wieder auf das Leinen des Bettes. Mit beiden Armen umflammerte sie den Körper des Sterbenden. Bleibe, Richard," schluchzte fie verzweifelt, bleibe bei uns, bei mir- bei Deinem Kind!"
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, Deinem Kind! Gellend lösten sich die zwei Worte von dem übrigen Geflüster und drangen in schneidendem Jammer durch die einsame Nacht.
Was war das?! Er fuhr zusammen und richtete sich, plößlich stark geworden, halb auf.„ Kind?- Lena, Lena!"
Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und ächzte:„ Ja, ja mein Kind, Dein Kind--!"
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Er war ganz still, er rührte sich nicht; seine Augen hatten ein stilles, gespenstisches Leuchten. Und nun zuckte es in seinem Gesicht, so kläglich, so schmerzlich, wie bei einem Kind, das weinen will. Seine Lippen öffneten sich und schlossen sich und formten nur die zwei einzigen kurzen Worte:„ Mein
Kind!"
Lena richtete sich auf, mit gefrallten Fingern griff sie sich in's Haar und riß daran. Halb von Sinnen, schrie sie mehr als sie sprach:" Du wirst es nie sehen nie nie!" Dumpf schlug ihr Kopf wieder auf die Bettstatt. So blieb sie liegen. Lange Minuten vergingen, eine Viertelstunde. Nebenan schnarchte der Wärter.
Der Kranke hatte sich zurückgelegt, aber er schlief nicht; unverwandt ruhte sein glasiger werdender Blick auf dem Kopf des Weibes. Lena," lallte er. Sie fuhr auf und starrte ihn an. Stuß"
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Kaum konnte man das Wort hören, sie verstand es gleich. Ein Lächeln irrte über seine Züge, flüchtig wie ein letzter Sonnenschimmer vor Anbruch der Nacht. Jegt danke ich Dirverzeih
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ver
te" Das Lallen wurde ganz undeutlich,
immer unverständlicher. Was, was sagst Du? Richard, noch einmal,
p sag's!"
Lächeln
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Er schüttelte den Kopf - wieder jenes irrende und dann deutlicher:" Jezt gern gelebt!" Er machte eine lange Pause, und dann kam's nach wie ein Hauch: Gern gelebt danke-!" Lena schluchzte nicht mehr wild, ihre Thränen
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Unsicher taſteten seine Hände, bis sie ihre Wangen fanden; da schmiegten sie sich an.
So blieben die Beiden. Die Nacht verging und der graue Morgen stahl sich durch's Fenster. ( Fortsetzung folgt.)
Kunst und Wirthschaft.
( Schluß.)
Von L. Schönhoff.
ie Renaissance ist so farbenreich, so groß, daß hier nur ihre elenientarsten Wesenszüge gestreift werden können. Auf den verschütteten klassischen Stätten in Italien waren neue städtische Mittelpunkte gewachsen. Sie hatten schwere Wider stände zu besiegen, innere und äußere blutige Kämpfe; aber im Grunde erſtarkten sie doch. Aus den Kämpfen der führenden Mächte schlug ihr Stadtadel, wie ihr Bürgerthum Privilegien heraus. Für den Wohlstand in Florenz mag z. B. der eine Umstand sprechen, daß vor der Zeit des Buchdrucks eine ganze Menge von Handschriften, kunstgewerblich werthvollen Dokumenten, florentinischen Arbeitern gehörte. florentinischen Arbeitern gehörte. Aehnlich berichtet der deutsche Historiker Janssen von den Gesellenverbindungen im deutschen Südwesten zur städtischen Blithezeit, daß sie auf kunstgewerblichen Besitz geachtet hätten, ehe es zu den Gesellenbedrückungen und Ausständen kam. Durch die Kreuzfahrten schon war der Orient nahegeriickt, wagemuthige Entdecker in ununterbrochener Stette, von der Kolumbus nur ein epo.hemachendes Glied ist, reiſten in ganz entlegene Gebiete. Zu den Forscherinteressen, wie denen eines Marco Polo gesellten sich die merkantilen, die kaufmännischen der italienischen Freiſtädte. Wer gewann, der konnte wirklich gelten. Freistädte. Wer gewann, der konnte wirklich gelten. Dazu kam, wie in der hellenischen Polis, ein heftiger Wettbewerb zwischen den kleinen städtischen Staaten; und auf der anderen Seite war die Ständegliederung unterwiihlt, zerrittet. Es 30g wie ein Rausch durch Ein waghalsiger die Frühzeit der Renaissance. Abenteurer, ein Bastard, ein Lanzknecht und Condottiere konnte sich das Herrenrecht erobern; er wurde dann eben der Erste seines Stammes. Die Colleoni- Neiterstatue in Venedig ist vielleicht das bezeichnendste Muster solches Truzmenschen, der sich und seine Individualität ehern durchzusetzen weiß.
Das neugefundene Judividualitätsprinzip fonnte im Taumel toll werden und hatte danu ſeine furcht bare Seite.„ Erlaubt ist, was gefällt", sagten in ihrer Weise die erobernden Renaissance- Naturen, und über Widerstände rasten sie mit blutig- grausamer Rücksichtslosigkeit hinweg.
Diese ganze sturmgepeitschte Zeit läßt sich nicht nach landläufig sittlichen Begriffen messen; sie sah Ungemeines in Begierde, wie in Entsagung, im Guten ebenso wie im Bösen. Reiche Ausgrabungen und Funde förderten dazu die helleniſch- humanistische Erkenntniß. Die Humaniſten diesseits und jenseits der Alpen führten, auch in geschlechtlichen Dingen, eine so fühne Sprache, daß sie in unseren polizeifrommen Tagen unerhört flingt. Die zahlreichen neugefürsteten Eroberergeschlechter der übermächtigen Handelsherren, wie die Florentiner Medici, wetteiferten in ihren Hofhaltungen um Künstler und Künstlerruhm, und so geschah in wild- iippiger Triebfraft die große Wiedergeburt. Individuell beseelter, reicher an intimen Reizen als die Antike, treten schon im 14. Jahrhundert Giotto und die„ Giottesken" auf, und überquellend reich ist die Auslese künstlerischer Geister von den Vor- Nafaeliten bis zum anmuthigen Genie Nafael und dem pathetischsten aller Renaissance künstler Michelangelo , dem Bildhauer, Baumeister, Maler und Lyriker, der den gewaltigen Bau Bramantes fortsetzen sollte, den Petersdom, der für den kühn fortsetzen sollte, den Petersdom, der für den kühn aufstrebenden Papst Julius ein Sinnbild der allumfassenden Kirche bedeutete.
Erstaunlich ist die Mannigfaltigkeit der Interessen in der Renaissance. Das Individuum konnte sich nicht genug thun im Ausmaß seiner Empfindung und Erkenntniß. Lionardo da Vinci war Festungs
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ingenieur, Mathematiker und Künstler, Tizian - in der späteren Renaissance zu Venedig , vielleicht der größte Kolorist aller Zeiten, hob das rein Malerische, Farbensatte auf eine vorher ungeahnte Stufe, und welchen Geist besaß der politische Naisoneur und Beobachter Machiavelli oder selbst der feile Lumpen journalist Peter Aretin, er in seiner Pamphletmanier und gierigen Profitsucht, wie Hutten in seinen heißen idealistischen Aufrufen oder Satiren Vorläufer des modernen Journalismus, doch Beide nach verschiedenen Seiten hin. Auch Petrarca's , des Lyrikers, muß hier gedacht werden. Denn mit Petrarca hebt eine durchaus moderne Naturempfindung an. Der Mensch beginnt seine Persönlichkeit mit der landschaftlichen Umwelt zu vergleichen; deutliche Stimmungen klingen an. Petrarca unternahm als einer der ersten Modernen eine Bergbesteigung und empfand nicht mehr die rauhen Schrecken der Natur, wie die Alten, sondern die Erhabenheit der Rundschau.
Den schrankenlosen Bethätigungsdrang mußte naturgemäß der bilderstürmende, schönheitsfeindliche Rückschlag begegnen, zumal auch er wirthschaftlich begründet war. Gegen den heidnischen Frohsinn der Päpste, gegen die üppige Verweltlichung, die noch ungeheure Geldsummen verschlang, gegen die fürstlichen Handelsherren, die wiederum, je mächtiger ihr Vermögen anschwoll, um so mehr proletarisirten, fehrte sich der Bußeifer der Prediger und Propheten, und die Schwärmgeister wurden zu Zeiten sieghaft, wie die Episode der theokratischen, geistlichen Republik Savanarola's darlegt.
Aber das Neuland war und blieb entdeckt. Das Individualbewußtsein, das zu Anfang über alle Stränge sezte, wog allmälig zwischen sich und der Umwelt ab, es ermaß die Grenzen, die seinem überschwänglichen Wollen gesetzt sind; der Widerspruch löste sich in lyrisch- musikalischen Stimmungen, oder es wurde seiner in dramatisch- pathetischer Kunst gedacht oder auch in wehmüthiger Ironie, im Humor, wie man ihn zuvor nicht fannte. So entstanden die Faustischen Probleme; ein Vorläufer Shakespeare's , Christoph Marlowe, schrieb in der That einen Faust, vom deutschen Renaissancetiinstler Albrecht Dürer eristirt ein Blatt, Melancholie", durch das man geradezu an die Klage des Goethe'schen Faust:„ Ich seh', daß wir nichts wissen können" erinnert wird; Shakespeare selbst rührt neben seinen breitwürfigen dramatischen Frestengemälden im tiefsinnigen Hamletproblem an ähnlich schwermüthige Gedankenreihen, und im letzten Grunde bleibt der ironische Humor im Don Quixote des Cervantes wehmüthig, tragisch. Ein irrender Ritter, der zwischen sich und der Mitwelt nicht mehr klar unterscheiden konnte und so die bizarrsten Abenteuer erlebte, bis er zu spät sehend wurde., Auch Molière's Menschenfeind " in dem tragikomischen Mißverhältniß zwischen der eigenen Individualität und der Gesellschaft könnte man hierher rechnen. Ganz gewiß war es ebenso kein Zufall, daß Palestrina , ein erster neuzeitlicher Musiker, auf dem Renaissanceboden erwuchs. In seinen kirchlichen Tonstücken ist er fromm bis zur Verzlichung; es ist die Kehrseite der individualistischen Auflehnung, die Sehnsucht nach friedlicher Harmonie, nach Gläubigkeit.
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Die Renaissance in Deutschland und den germanischen Niederlanden greift nicht so unbändig und zeitlich später ein. Aber auch sie zeitigt eine Höhenkraft in ihrer Weise. Der Wirthschaftsgang ist ähnlich. Das Bürgerthum gewinnt Macht und Privilegien. Augsburg , Nürnberg u. A. werden Stätten wundersamen kunstgewerblichen Fleißes und kaufmännische Mittelpunkte. Ebenso Köln am Rhein . Die Verbindungen der niederdeutschen Hansestädte schaffen Weitblick und gefestetes Selbstvertrauen. Rathspaläste werden erbaut; Liibecks Bürgerschaft errichtet sich ihren imponirenden gothischen Backsteinbau, die Marienkirche. Die prächtigen Zunftund Gildenhäuser entstehen je nach dem Baumaterial, zu dem man greifen muß. zu dem man greifen muß. In Niedersachsen zum Beispiel, in Halberstadt , Hildesheim mit seinem herrlichen Amtshaus der Knochenhauer, bliht der Fachwerkbau. Im 15. Jahrhundert endlich gewinnt der erste deutsche Maler einen Weltruf, es ist der Schongauer Martin aus Augsburg . Der große Nürnberger und vielseitige Renaissancemensch Albrecht