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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Dürer   trifft schon in seinem Wirken mit der Re­formation zusammen. Ein Kunstzweig, der Holz­schnitt, stand schon lange im Dienst der Reformation, und zwar auf wirthschaftlichem Gebiet. Massenhaft wurde der Ablaßhandel im agitatorischen Wigblatt verspottet.

Luther  , der Sprachkünstler, fand in seinem Eifer Vorarbeit auf allen Seiten. Wie Reformation und Gegenreformation zur Erhöhung fürstlicher Machtstellung benutzt wurde, wie die Groß­bourgeoisie der fürstlichen Handelsleute Deutschlands  großkapitalistisch aussaugte, wie dann Erhebungen gleich dem Bauernfrieg möglich wurden, das hat weniger direkt, als indirekt mit Deutschlands   Kunst­übung zu thun. Es unterband großes Beginnen, es zerrittete im entsetzlichen dreißigjährigen Kriege

aber freilich komisch- naiv, noch durchaus nirgends sentimental, wie in der neuesten Zeit erfaßt. Und der feinsinnige, geistvolle Rembrandt   schafft sich seine Sonderstellung durch seine Gesellschaftsbilder selbst bewußter Bürgerschaft, durch sein so individuelles koloristisches Vermögen.

Zu gleich monumentaler Wucht gelangte die Kunstübung seit der Renaissance nicht. Alle modernen Kunstübung seit der Renaissance nicht. Alle modernen Fundamente waren gegeben. Die reine Renaissance­kunst wurde ausschweifender in den Formen, als sie kunst wurde ausschweifender in den Formen, als sie den Kavalieren, den Hofhaltungen zu dienen hatte; sie wurde barock". Der Baustil der Privatschlösser und Stadtpaläste ist malerischer, aber nicht mehr so ernst monumental; es kommt vollends zum Nokoko, ernst monumental; es kommt vollends zum Nokoko, zur tändelnden Grazie, nicht ohne Neiz in der Zeit

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bezeichnen; und ein musikbegeisterter Mann, wie Ernst Wolzogen, betont schon etwas Charakteristisches dabei: die Angst vor dem Freiwerden der ungeheuren sozialen Gegensäge unserer Zeit habe die Besitzenden zu einem stillschweigenden Ning geführt. Das bischen Kunstbedürfniß nun dieser ängstlichen Gesellschaft be­friedige die Musikmacherei, die beim besten Willen nicht politisch werden könne. In der That sind neue kiinstlerische Werthe unserer Zeit durch inbrünstiges Suchen und Sehnen geschaffen worden. Musik durch Richard Wagner   und in der bildenden Kunst durch die Flucht zur Natur, zur Landschafts­malerei. Künstlergruppen ergaben sich der Verein­samung in der Landschaft; und ein Großer, der sich von Jahr zu Jahr mehr von der anderen Künstler­

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Sturm. Nach dem Gemälde von Hans am   Ende.

die bedeutsame, kunstgewerblich volksthiimliche- deutsche der absoluten Fürstenmacht. Die Kunst sei gefällig, Bewegung. Aus   Dürer spricht noch die ungebrochene Bürgerkraft. Sein Holzschuher- Bildniß in   Berlin ist ein zeitgeschichtliches Dokument des gediegenen, kräftig milden Bürgerbewußtseins. Die Krone  deutscher Bau- Renaissance, das Heidelberger   Schloß, der Ott- Heinrich- Bau ist schon ein Zeugniß fürst lichen Glanzes.

Das originale Merkmal der niederländischen Renaissance ist innerlich ohne Zweifel ebenfalls mit Wirthschaftszuständen verkniipft. Auch hier eine Fülle freigewordener Geister. Nach langen Befreiungs­fämpfen wird man seines Daseins und seiner Selbst­ständigkeit mit Behagen froh. An den neu ent­deckten Welten hat man sein gemessen Antheil. Im Volkslied, in der Komödie, in der Malerei liebt man derbsaftige Keckheit, ähnlich wie in dem alten, lustigen England nach der Niederlage   Spaniens in der elisabethinischen Zeit. Ein heroisch- dramatischer Zug von   Shakespeare'scher Art erfüllt die Gemälde des prächtigen   Rubens; Alles darf gesagt werden; Franz   Hals darf die trunkene Vettel Hille Bobbe ( im   Berliner Museum) malen; Bauern, Proletarier erscheinen auf den Bildern von   Teniers, Brouwer,

süß, wie ein Schäferspiel. Selbst geniale Stöpfe, Selbst geniale Köpfe, wie der zierliche Watteau, mußten ihrer Ehrlichkeit Schönpflästerchen ankleben. Die große Revolution bedeutete in ihren Folgen die volle Emanzipation der modernen Bourgeoisie. Für die deutsche Musik, für die deutsche klassische Literatur war sie sammt der Aufklärungsperiode Voltaire'  s, die ihr voranging, ein mächtiger Hebel, eine Befreiung. Der Sturm und   Drang, Schiller's Pathos wurzeln in ihr. Der anmuthreiche Mozart, der hochgestimmte, freiheits­trunkene Beethoven haben demokratisch- bürgerliche Elemente in sich aufgenommen.

Ueber die neueste Zeit angesichts der großen sozialen Geisterbewegung zu prophezeien, wäre thöricht. Es ist eine Zeit der Sehnsucht, nicht der Erfüllung. Einen monumentalen Stil fennen wir nicht; wir leben von der Auslese aus fremden Perioden. Auch der neue Reichstagspalast bedeutet fein neues Sinn bild; und die Hoffnungen, die an die Eisenkonstruktion der modernen Waarenhäuser gekuiipft werden, sind höchst ungewisse Zukunftsmusik. Als eigentlich häus­liche Kunst, als Bildungsmittel bis in die Kreise des mittleren Bürgerthums hinein, können wir die Musik

schaft abzuheben scheint, Arnold   Böcklin, schöpft seinen Zauber aus ganz persönlicher Beseelung der Landschaft.

Eine umfassende, meist pessimistisch verklingende Anklage- und Mitleidsliteratur beschäftigt sich mit den sozialen Problemen. Daß sie pessimistisch ist, beweist, daß sie nicht proletarisch sein kann. Das Proletariat strebt zur Höhe, es braucht Hoffnungs freude und Schwungkraft. Die bittere Anklage- und die bang- elegische Mitleidsliteratur können sie ihr nicht verleihen. Auf Durchlebtem, auf Erfülltem baut sich Kunst auf. Sie ist, ob groß, ob flein, ob schöpferisch, ob epigonisch, eine Erscheinung mensch licher Thätigkeit, die niemals völlig fehlt. Sie fliegt aber den Thaten nicht voran. Wenn die prole tarischen Emanzipationskämpfe ihrem geistigen In­halte nach erfüllt sein werden, dann erst mag eine große, neue Kunstweise sich einstellen. Hegel ge braucht über die Philosophie ein espritvolles Bild: die Eule der Minerva fliege erst aus, wenn es zi dämmern beginne. Das heißt, die Philosophie ziehe gleichsam die Bilanz aus neugewonnenen Erkennt nissen und Erlebnissen der Menschheit. Mit noch größerem Rechte ließe sich das von der Kunst be haupten.

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