186

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

mand auf dem Gange war, der durch einen Spalt hätte zusehen können.

Mit ganz besonderer Liebe betrachtete er die zehn Dere, die er genommen hatte. Er fing an zu be= rechnen, was daraus werden könnte, wie weit er es treiben dürfte, wie er sein Kapital anlegen sollte- aber jetzt war er so todtmiide, daß er kaum sein Geld und seine Kleider verwahrt hatte, als er in einen tiefen, gesunden Schlaf versank.

V.

Die Tage vergingen, und Törres arbeitete so, daß der Hausknecht Simon Varhong, welcher ein frommer Anhänger von Olaf Spödeland war, zu seinem guten Freund und Mitchristen Halvor Röide­vaag sagte:

" Dieser junge Mensch hat den Teufel; denn kaum ist er aus dem Bett, so ist er überall. Ich fann mich nicht mucksen, ohne daß er über mir ist, und das ganze Lager konnte er schon den dritten Tag auswendig, jede Kiste, jede Tonne, jedes Tau­ende; ja ich glaube ganz gewiß, er kennt jede ein zelne Ratte im Hause sozusagen pro persona."

Während dessen wurde von oben her nach Simon gerufen, und er eilte davon und ließ die Speicher­thiir offen stehen. Unten lag Halvor Nöidevaag und brütete; er wollte auf Simon warten, er hätte ihm gern noch etwas gesagt.

Der Südwind stieß mit schweren Stößen aus der Bucht, und der Herbstregen tropfte gerade über der halbdunklen Stadt. Halvor Röidevaag hatte gut Zeit, denn er war Fährmann. Er saß in seinem Boote und sah auf und nieder an Frau Knudsen's großem Speicher; darauf nahm er Brandt's in Augen­schein. Aber während er seine Pfeife in Brand seßen wollte, trieb das Boot weit hinüber. Und als er endlich, troz Wind und Nässe, Feuer bekam, da war just ein Comptorist auf der Schiffsbrücke, der ihn anrief, und er mußte für zehn Dere zum Zollamt rudern.

Obschon Törres ausschweifend von der Stadt geträumt und sich geradezu vorgestellt hatte, daß er mit einem Male in die Herrlichkeit hineinsteigen würde, war er doch im Anfang ganz überwältigt in dem großen Geschäft.

Er entdeckte bald die stille Mauer, welche Herr Jessen und Fräulein Thorsen ungefähr in der Mitte des Ladens aufrichteten. Er nahm jedoch, als ob er es selbstverständlich fände, den einfachen Theil des Ladens für sich, bis er sich ordentlich fest­gesezt hätte.

Jezt wurden auch seine neuen Kleider fertig. Sie hatten so unvernünftig viel gekostet, daß es ihn wie ein Schmerz immer trieb, die Geldkasse zu um kreisen, bis er den Betrag wieder eingebracht hätte.

Aber schon am ersten Tage, als er in städti­scher Kleidung erschien, war es unmöglich, eine un­sichtbare Mauer im Laden aufrecht zu erhalten. Es konnte Niemandem einfallen, eine so feine Person zum Speicher hinunter nach einem Sacke Mehl zu schicken; das sah selbst Herr Jessen sofort ein, während er spig den Anzug durchging und ihn voller Falten und Fehler fand.

Fräulein Thorsen wagte nicht, sich selbst zu ge­stehen, was sie fühlte; sie sagte aber zu ihren Freun dinnen, daß sie eine solche Veränderung nicht fiir möglich gehalten hätte. In wirklichen Kleidern sähe Herr Wall bedeutend aus, nahezu ertra! Er hatte sein Haar geschnitten und den ganzen dummen, flan­migen Bart wegrasirt, so daß er jetzt nur einen weichen blonden Schnurrbart über dem Munde hatte; ja, er war ertra!

Selbst Frau Knudsen stuzte und wurde roth, als sie ihn wieder erkannte, und die Leute bemerkten die Neuerung; Fräulein Thorsen's Freundinnen kamen herein, ihn anzusehen, ja Herr Jessen bemerkte sogar, daß Fremde und Kinder sich unwillkürlich an Törres wandten, als ob er der Erste wäre.

-

Törres selber war glücklicher als je. Jedesmal, wenn er das Silbergeld in der Stasse rasseln hörte oder die Kassenscheine beim Entfalten in ihrer Art fuitterten, da ging ein Strom der Freude durch ihn hindurch. Er war den ganzen Tag in ununter­brochener Thätigkeit, und bald brauchte er die Auderen um nichts mehr zu fragen.

Aber das Leben, das in diesem jungen Blute war, gab auch Leben ab an die Anderen, au die, welche famen, und an die, welche gingen, an das Geschäft selbst. Die Leute bekamen Lust zu kaufen in diesem Laden, wo es so lebhaft war, wo die Kunden lächelten und die Bedienung zwischen Tisch und Regalen nur so flog.

"

Neue Besen kehren gut," sagte Herr Jessen, ,, aber auf die Dauer ist es doch ein wirklich ge= bildetes Wesen, welches das gute Publikum an ein Geschäft fesselt."

Fräulein Thorsen nickte, aber Törres, welcher auch die Bemerkung gehört hatte-was übrigens auch die Absicht war fiel schnell einige Stufen tiefer.

-

Als armer Käthnersohn fannte er die aristokra­tische Ordnung unter den Bauern wohl vollauf. Aber über die große Kluft zwischen Land- und Stadt­leuten war er unsicher und ängstlich.

Es waren nicht so sehr die großen ernsthaften Mächte auf Seiten der Stadtleute: Religion und Recht; das hatte er ja doch in seiner Jugend gesehen und gelernt, daß in Advokatenkniffen und Winkelziigen, sowie in Scheinheiligkeit der Bauer nicht zurück stand; Alles, was sich hinter ernsten Gesichtern und schwer fälligen Worten bergen konnte, verstand der Bauer so gut wie die Stadtleute.

Aber all' die Lebhaftigkeit und der Leichtsinn, welche die Stadt sich erlauben konnte, all' diese Ver­schwendung auf große Häuser mit Spiegelscheiben, auf feine Kleider und kostbare Vergnügungen, das Geld, welches täglich von Hand zu Hand rollte, dieses leichte Leben und Lachen man sehe nur das Lachen, welch' großer Unterschied in diesem einen Ding!

-

Von Kindheit auf hatte Törres Lachen an ernst­haften Leuten nie gekannt; er erinnerte sich nicht, daß die Mutter jemals lachte, außer zum Hohne, wenn Jemand dumm angelaufen war. Sonst lachten Burschen und Dirnen, wenn sie unter sich schäferten und tollten, am liebsten unter Abend in der Dämme­rung. Aber das Lächeln und Herauslachen um nichts wie bei den Stadtleuten, das kannte er nicht von Hause her.

Darum glaubte er zu Anfang, daß alle Leute in der Stadt so ungemein spaßig wären, und er spaßte und alberte mit. Aber er wurde bald be­denklich.

Es kam vor, gerade wenn er in der lebhaftesten Unterhandlung stand und dabei das eine oder das andere Scherzwvort fiel, daß die feinen Damen, wenn er plöglich sein lautes schallendes Bauerulachen auf schlug, mit einem Male sich zuriickzogen und die aus­gepackten Waaren liegen ließen. Vergebens strengte er alle seine Liebenswürdigkeit an; sie zogen sich zuriick.

Er fühlte, daß es hier etwas Dummes gab, daß er an der Kluft stand; es brannte in ihm, als er von Herrn Jessen das Wort gebildet" hörte.

So hörte er denn nach Herrn Jessen's Lachen; es war fast lautlos und inwendig; aber doch war er in einem ständigen Lächeln und Spaßen, und immer brachte er die Kunden zum Lachen.

Fräulein Thorsen sagte nur" tjitjitji," wenn sie lachte, ungefähr wie eine Kaze, wenn sie niest, dachte Törres.

Abends aber übte er sich in seiner Kammer vor dem Spiegel; und er selbst wurde ganz erschrocken, als er den Mund recht aufmachte und alle seine starken Zähne sah, und sich das mächtige Zahnfleisch zeigte, so wie er zu lachen gewohnt war. Er wunderte sich nicht, wenn die feinen Damen einen Schreck bekamen vor einem solchen Maul. Und zugleich erinnerte er sich, daß daheim auf dem Lande die Leute gewöhnlich häßlich wurden, wenn sie lachten; nicht gerade die Weiber. Aber es war doch viel siißer, wenn Fräulein Thorsen sagte: tjitjitji."

"

Einige Tage lang übte sich Törres in dem stillen Lachen, ohne den Mund aufzureißen; aber ohne es selbst zu wissen, kam es zu einem Tji- tji- tji," und als er das zum ersten Male im Laden hören ließ, entstand ein allgemeines Kichern. Herr Jessen sah ihn durch die Lorgnette an; als aber auch Fräulein Thorsen anfing, wandte er sich von ihr mit einer Miene, welche ausdrückte, daß er sie Beide aufgab.

Herr Auton Jessen und wohnte zu Hause Sie bei seiner Mutter, einer Schullehrerwitiwe. hatte weder Mangel noch Mühe gescheut, ihren kleinen Anton so fein und nett zu halten, wie eine Puppe, und das war ihr geglüdt. Als er klein war, nannte man ihn den" Polfajungen"; aber jeßt war er unbestritten der hübscheste junge Mann in der Laden­branche.

Sein Leben war bis jest eben und ohne Hinder nisse hingeglittent. Seine Mutter entfernte nach Kräften jeden Stein aus seinem Wege, und da er selbst musterhaft fleißig und anstellig war, gelang es ihm bald, Geschäftsführer in Frau Knudsen's Geschäft zu werden.

Frau Jessen hatte sehr jung geheirathet. Schon als ihr Mann noch ein blasser Schuljunge war mit matten Augen und langem Haar, war sie seine verlobte Braut gewesen, und sobald er mit seinem theologischen Gramen fertig war, heiratheten sie.

Aber noch ehe ſeine kleine Frau ihm das erste Kind geboren, erlag der schwächliche Mann einer ganz gewöhnlichen Erkältung, welche im Nu seine Lungen zerstörte.

Während seines traurigen Begräbnisses hörte Frau Jessen den alten Doktor mit einem Verwandten ihres Mannes über den Verstorbenen sprechen.

Ja," sagte der Arzt, es war ja Wahnwis, daß er heirathete. Er vertrug das garnicht. Das hat ihm im Grunde das Leben gekostet."

Das konnte sie nie vergessen. Die Ehe selbst war hingegangen, ohne daß sie viel bemerkt hätte. Ihres Mannes Schwäche, welche plößlich wie tödt liche Mattigkeit über ihn fam, gerade, wenn es ihr schien, als seien sie in ihrem fleinen Puppenheim jo recht glücklich, seine heftig aufflackernde Leidenschaft, die ihn fast schmerzhaft hinriß in ihrem furzen Liebes glück nachher verstand sie das Alles besser, und sie fühlte fast eine Beschänzung, die sie nicht ver winden konnte.

-

So neu war ihr noch die Erweckung ihrer Sinne, daß eine schüchterne Schamhaftigkeit noch empfind licher als bei jungen Mädchen über sie kam, sobald ihr Mann sie verlassen hatte. Sie fühlte fast eine Angst vor sich, vor ihrem Geschlechte, und seit sie den kleinen Anton in ihren Armen wiegte, dachte sie darauf, wie sie ihn beschüßen könnte.

Die Mittel fehlten, uni den Jungen studiren zu lassen, und Frau Jessen hätte auch nicht daran denken mögen, ihn in dem gefährlichen Alter nach Christiania unter die Studenten gehen zu lassen. Darum blieb er in der Stadt und wurde Kaufmann, während sie ihn behielt und mit wachsamer Sorglichkeit an das Haus fesselte. Sie machte ihn so unbeholfen wie nur möglich, indem sie für seine geringsten Bedürf nisse sorgte und für ihn an alle möglichen Kleinig feiten voraus dachte, so daß er das Kind in ihrer Hand blieb, außer Stande, selbst etwas zu bestimmen, oder sich zu entschließen, ob er Schirm oder Stock nehmen sollte, ehe er Mutter gefragt, in der größten Verlegenheit, wenn Mutter nicht das Taschentuch in die rechte Tasche gesteckt, und ohne Geschmack für anderes Essen als das, welches die Mutter anges richtet.

In der Schule hatte man ja den Polfajungen" unbarmherzig aufgezogen und seine Schüchternheit beschmußt, so gut man konnte. Dann war er wieder heimgefehrt zu seiner reinen Mutter, och verschüch terter und verwirrter, und seine Natur, welche sich entwickeln sollte, verkrippelte in Ungesundheit.

Aber als er erwachsen war und einen fleinen schwarzen Schnurrbart bekam, fing er an, sich leb haft für die jungen Mädchen zu interessiren; und die famen ihm reichlich entgegen, weil er so fein und ehrerbietig war.

Er war auch bald so halb verlobt; das gefiel ihm sehr gut; am liebsten mit Mehreren auf ein mal; da fühlte er sich doch etwas sicherer. De wenn er ernsthaft an Hochzeit und diese Dinge dachte, fühlte er sich beklemmt und genirt. Er konnte doch seine Mutter nie verlassen ind sein warmes Schlaf zimmer neben ihrer Kammer.

C

б

It

b

9

in

a

T

"

h

11

et

be

R

6

11t

de B dc ſe

ge de

da

ci

F

pr

fic

ſa D

tar

1111 au Sch ha

10

10

Bi

311

P es

alt

100

ich

ſtä

bo

S₁

hit

501

die

G

ihr

fun

Ita

hal

101

hel

all

wa

ge

wo

Be

ou

ode

prå

Schl

Ar

1111 Di

fai

ſett

ohr

( Fortsetzung folgt.)

Sta

vie

llef

geä