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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
los tödten! Wir fingen an, uns sehr unbehaglich zu fühlen. Der Polizeimeister stieg vom Pferde und verkroch sich hinter seinem Roß, während ein anderer Offizier seinem Beispiel folgte. Sogar unser tapferer Hauptmann legte sich flach auf den Hals seines Thieres und der Isprawnik versteckte sich hinter einem Baum.
Glücklicherweise hatten wir Polonsky bei uns, der an der polnischen Revolution theilgenommen hatte und zu Allem bereit war. Er machte sich über unsere Furcht lustig. Bei Gott !" sagte er zu uns, ,, ich habe ganz andere Dinge gesehen. Diese Thiere verstecken sich in ihren Kellern, wie Natten in ihren Löchern; doch seien Sie unbesorgt, ich übernehme
Sommerabend.
lar ruh'n die Lüfte auf der weiten Flur; Hera dampft der See, das hohe Röhricht flimmert, Im Schilfe glüht die lehte Sonnenspur, Ein blaffes Wölkchen röthet sich und schimmert. Bom Wiesengrunde naht ein Glockenton, Ein Duft von Thau entweicht der warmen Erde, Im stillen alde lauscht die Dämm'rung schon, Der Hirte sammelt feine fatte Heerde.
Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm, Die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden; Nur noch die Grillen geigen ihren Pfalm. So sei doch froh, mein Herz, in all' dem Frieden!
Mignon. Die Gestalt des heimathflüchtigen, in der Fremde umhergestoßenen Kindes aus Goethe's " Wilhelm Meister " lebt heute in der Vorstellung des Volkes. Die Mignon- Lieder find allgemein bekannt, ihrem zarten Reiz kann sich Niemand entziehen. Eine solche Gestalt mußte auch die Phantasie der Künstler fesseln; immer wieder wurde das Wagniß unternommen, die zart umrissene Figur in den festeren und bestimmteren Linien der bildlichen Darstellung zu gestalten. Es ist nur natürlich, daß keine so ganz zu befriedigen vermag; die Gestalt des Dichters giebt der Phantasie einen größeren Spielraum als der bildende Künstler cs vermöchte. Anziehend ist die Verkörperung der Mignon von Joseph v. Kopf, die wir heute in der Abbildung vorführen; sie giebt das Zarte, Schene, Mädchenhafte des Urbildes in feinsinniger Darstellung wieder. Der jetzt schon alte Bildhauer ist noch in den Traditionen der klassischen Schule aufgewachsen, die Rücksicht auf die schönen Konturen giebt seiner Kunst den Charakter. Von dem, was diese Schule zu leisten vermochte, legt unsere Statue ein schönes Zeugniß ab; sie ist von einer das Auge fesselnden Weichheit und Anmuth der Formen. Langsam, zögernd schreitet Mignon vor, mit schmerzli.h- schnenden Ausdruck im Gesicht wendet sie den leise gesenkten Kopf zurück. Wie fröstelnd zieht sich die ganze Gestalt zusammen, eng preßt sie den rechten Arm an den Körper und greift mit der Linken hinüber, als wollte sie sich noch stärker in sich zusammendrücken. Der Fluß der Linien des von der Rechten zusammengerafften Gewandes geht mit den weichen Umrißlinien zu einer reinen Harmonie zusammen.
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Mäher. Längst ehe die Sonne hinter der Waldwand emporgefticgen, waren die drei Mäher auf der Wiese, die sich zwischen dem Waldrand und dem See hinzicht. Der frische Nachtthau mußte noch an den Gräsern haften, sollte der Schnitt gut von Statten gehen. Jezzt, wo die Sonne schon hoch steht, ist der größte Theil der Arbeit bereits gethan; hinten liegen in geraden Reihen die Schwaden, und nur ein Streifen am Rande des Sees entlang ist noch niederzulegen. In gleichIn gleich mäßigen Abständen rücken die Mäher sei.wäris vor; eben aber hat der Vorderste, der Vormäher, der sonst am weitesten außen stand, die Arbeit unterbrechen müssen, seine Sense ist stumpf geworden und muß mit dem Wegstein geschärft werden. Ein paar schnelle Striche längs der Schneide, und die Arbeit beginnt von Neuem. Die beiden anderen Mäher haben unterdessen nicht geraftet; in regelmäßigem Schwunge fährt die Sense durch das Gras, halb breht sich der Körper mit, während er fest auf den weit auseinander gestellten Beinen ruht. Wie eine Maschine, in jeder Bewegung genau bemessen, arbeiten die Menschen. Schon liegt eine drückende Hize auf der Natur und macht die Arbeit, die in der thanfrischen Morgenstunde begonnen wurde, immer beschwerlicher. Regungslos liegt der Spiegel des Secs, kaum daß cin
es, sie herauszulocken." Und unter seiner Führung schritten wir auf die ersten Häuser zu.
Niemand hier!" rief Polonsky, nachdem er in eines der Häuser gedrungen war. Dann blinzelte er mit den Augen und suchte weiter.
Wir schämten uns unserer Feigheit und schworen, daß wir nicht die geringste Furcht gehabt hätten. Der Hauptmann machte sich am Zügel seines Pferdes zu schaffen, die Anderen suchten sich zu fassen, so gut sie konnten. Auf Augenblicke sahen wir Polonsky) wieder erscheinen; er durchsuchte alle Winkel; und seine fröhliche Miene hatte genügt, uns zu beruhigen.
Dennoch vergingen die Minuten sehr langsam, und unsere Herzen schlugen zum Zerspringen. Um
Feuilleton.
Windhauch in einem leisen Strich über das Wasser fährt. Von flimmerndem Schein crzittert die Luft. In ihrem Glanze verschwinden Wald und Häuser, die um den See sich hinziehen.-
Riesenwürste. Mit den Aufzügen und Tänzen, die von den Metzgern im Mittelalter zur Fastnachtszeit veranstaltet wurden, waren in mehreren Städten DeutschSo lands Umzüge mit riesigen Würsten verbunden. verehrten, wie Rudolf Eckart in seiner kleinen Schrift Brauch und Sitte"( Oldenburg und Leipzig , Schulze's Verlag) erzählt, die Schweinemesger in Nürnberg dem dortigen Rathe einst eine Bratwurst von 60 Ellen Länge, welche in feierlichem Zuge mit musikalischer Begleitung von zwei Meggerknechten auf einer Stange auf das Rathhaus getragen wurde zu sonderbarer Ergößung" der Rathsherren; die Stange war roth und weiß und mit Rosmarin umwunden. Später fand ein ähnlicher Aufzug statt, nur war die Wurst größer, denn diese, die von gutem„ Bratwurstzeuge" in fünf Stunden gemacht war, hatte 493 Ellen( die Mezgerknechte hätten sie gerne ,, uf 500 Ellen gebracht, ist ihnen aber am Gedärm zerrunnen") und enthielt 183 Pfund lauter gut schweinen fleisch und speck, 20 Pfund ganzen Pfeffer und anderthalb Pfund Muskatblüe". Zwölf Mezgergesellen( der Chronist hat die Namen derselben aufcewahrt, sowie die Namen der Gesellen, welche d'e Wurst angefertigt) trugen dieselbe an einer der eben beschriebenen ähnlichen Stange, die in der Mitte mit eisernem Scharnierbande versehen war, daß sich die stange, wenn sie in eine gassen und in die grimme gegangen, hat biegen können". Am Abend des Aschermittwochs aber wurde die Wurst zerschnitten und den Herren des Nathes, auch Freunden und Bekannten etliche Ellen davon verehrt, die übrigen„ Drümmer" aber beim Tanze in der Ploben Flasche in Fröhlichkeit mit einander verzehrt". Diese Riesenwürste scheinen Beifall ge, unden zu haben, denn mehrere Jahre darauf wird abermals von einem ähnlichen Fabrikate erzählt, das 596 Ellen lang und 232 Pfund schwer war, und es ist sogar durch einen Kupferstich ein in Nürnberg im Jahre 1658 am 8. und 9. Februar gehaltener Umzug der Metzger auf uns gekommen, bei welchem eine 514 Pfund schwere und 658 Ellen lange Bratwurst von 12 Metzgergesellen an einer 49 Fuß langen Stange in der Stadt umhergetragen wurde. Gleiche Umzüge findet man zu Königs berg in Preußen, wo 1583 zu Neujahr 91 Fleischergesellen eine Bratwurst von 596 Ellen Länge und 434 Pfund Schwere, zu welcher 36 Schweineschinken verwendet worden, auf hölzernen Hebeln und unter freudigem Gesange durch die Stadt trugen. Die Palme aber ist derjenigen Wurst zuzuerkennen, die ebenfalls in Königsberg achtzehn Jahre später fabrizirt wurde, denn sie war 1005 Ellen lang, wog beinahe 900 Pfund und enthielt 81 geräucherte Schinken und 18 Pfund Pfeffer. Dieses Mammuth unter den Würsten wurde ebenfalls am Neujahrstage in Gesellschaft der Bäcker verzehrt, welche in edlem Wetteifer einige Tage später aus zwölf Scheffeln Weizenmehl acht große Striegeln, jeder fünf Ellen lang, und sechs große Brezeln backten, dieselben durch die Stadt trugen und dann mit denselben die Fleischer regalirten. Diese Vegebenheit hat ein gewisser Josua Neigshorn in einem lateinischen Gedicht verherrlicht, in welchem er besonde: s malerisch die Verfertigung der Bratwurst schildert.-
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Mondhöfe. Jedermann hat sicher den Mond schon von einem Hof umgeben gesehen, einem verwaschenen weißlichen Schein, der sich vom dunklen Hintergrunde des Himmels abhebt. Zuweilen erscheint ein solcher Hof deutlich gefärbt, indem der Mond sich von einen bläulichen Kreis umgeben zeigt, der nach innen in ein helleres Weiß übergeht, während er nach außen von einem gelben und rothen Kreis begrenzt ist, auf die manchmal noch weitere farbige, abwechselnd grüne und rothe Kreise folgen.
Bestreut man cine Glasplatte mit einem feinen Staub, etwa Semen Lycopodii, und blickt dann durch das Glas nach einer Flamme, so sieht man diese in gleicher Weise von einem Hof umgeben. Derselbe entsteht, weil die Lich strahlen, wenn sie durch die feinen Oeffnungen
uns herum noch immer dasselbe Todess.hweigen. Kein anderes Geräu ch, als der rhythmische Schritt der Perde. Die Niemand sprach ein Wort. Spannung wurde unerträglich; es war uns, als sinfe der Boden zu unseren Füßen ein.
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Endlich tauchte Polonsky hinter einer Hecke auf. „ Ich habe sie gefunden!" rief er, und in demselben Augenblick vernahmen wir ein entsetzliches Geschrei. Frauen heulten, Kinder, weinten; und hinter der Hecke hörte man ein seltsames Geräusch, als wenn eine Armee sich auf dem Plaze bewegte, ohne den selben verlassen zu können. ( Schluß folgt.)
zwischen den Staubtheilchen hindurchgehen, eigenthümliche Ablenkungen von ihrem Wege, sogenannte Beugungen, erleiden, wobei zugleich ein Auflösen des weißen Lichtes in seine Bestandtheile stattfindet.
Auf die genaue Darlegung der vielfachen, oft sehr schönen Beugungserscheinungen muß hier verzichtet werden; ich will nur darauf hinweisen, daß sie überall auftreten, wo man weißes Licht durch sehr enge Ceffnungen gehen läßt. Blickt man z. B. durch das feinmaschige Netz eines seidenen Regen- oder Sonnenschirmes nach einer Lichtquelle, so wird man deutlich eine farbige Beugungserscheinung wahrnehmen.
Aehnliche Erscheinungen pflegen ähnliche Ursachen zu haben. Auch die Höfe um den Mond werden durch Beugung des Lichtes beim Durchgang durch enge Lef mungen erklärt. Sie erscheinen nur, wenn die Luft nicht ganz klar ist, sondern einen ziemlichen Dunstgehalt hat. Der Wasserdampf, welcher in der Luft schwebt, ist keine zusammenhängende Masse, sondern besteht aus einzelnen feinen Nebelbläschen, die das auffallende Licht zurück halten. Durch die Zwischenräume zwischen den einzelnen Bläschen geht das Licht hindurch und erleidet dabei die Beugung, durch welche die farbigen Ringe entstehen.
Die Größe dieser Ringe, die nicht immer dieselbe ist, steht in engem Zusammenhange mit der Größe der Nebelbläschen, so daß man diese aus der Beobachtung der Höfe berechnen kann. Ihr Durchmesser ergiebt sich zuweilen als 1/20 eines Millimeters, zuweilen erheblich geringer, bis zu 1/70 eines Millimeters. Gewöhnlich sind nicht alle Nebelbläschen von nahezu gleicher Größe, sondern es schweben in der Atmosphäre Bläschen von sehr ver schiedenem Durchmesser. Dann sind die einzelnen farbigen Kreise nicht scharf getrennt, sondern fallen übereinander, so daß ein weißliches Licht entsteht. Man hat dann den häufigen Fall eines Hofes ohne Farben.
Auch um die Sonne erscheinen zuweilen solche Höfe, doch sind sie hier wegen des blendenden Lichtes der Sonne oft nicht zu erblicken; betrachtet man aber das Spiegelbild der Sonne in einem ruhigen Wasser, so erblickt man den Hof recht deutlich.
b.
Sommernacht im Archipel. In seinem Buche„ Zwei Neisen in der Türkei "( Berlin , F. Fontane& Co.) giebt Rudolph Lindau , nachdem er von seinem Aufenthalt in Lesbos erzählt, nachstehende Schilderung des Abends und der sternhellen Nächte in jenen Gegenden: Ich habe mich während meines Lebens oftmals am Nachthimmel der südlichen Breiten erfre: en können, aber die Nächte im Archipel hatten etwas eigenthümlich Schönes, das ich nicht beschreiben kann. Bei Sonnenuntergang erglühten di: kahlen Felsen in milder Farbenpracht, wie ich sie anderswo als in Griechenland nicht gesehen habe; und wenn ich mich später auf dem Verdeck ausgestreckt hatte, vor mir die geza: ften Umrisse dunkler ruhender Höhen und im Mondlicht gebadete, weiße stille Städte, über mir den tiefen Dom des reichen Himmels und unter mir das goldig, filbern, bläulich, schwarz erzitternde Meer, das, kaum hörbar plätschernd, mit sanftem Rauschen und Summen ein Schlummerlied der Natur an mein Ohr trug, dann kam Ruhe, sorgloser Friede, eine unendlich wohlthuende Abspannung über mich, wie Opium sie dent von Schmerzen befreiten Körper bringen kann. Das, was mir im Laufe des Tages Sorge bereitet haben mochte, war aus meinem Geiste verwischt, und wenn es in u deutlichen, schwachen Umrissen auftauchte, so erschiene nichtig: nichtig das Sorgen, nichtig das Wünschen und Hoffen, ein schmerzloses Erlöschen- Nirwana, das Glück des Alters. Während der stillen, milden Sommer nächte des Archipels war es mir beschieden.
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