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Die Neue Welt. Jüustrirte Unterhaltungsbeilage.

Tante Sophie strickte und Julie lag in einem Schaukelstuhl zurückgelehnt mit einer Zeitung und hörte den Anderen zu, sagte selbst aber nichts.

Warum streitest Du dagegen, Sophie?" sagte Striiger.

Ich streite überhaupt nicht dagegen; ich frage nur, ist hier etwas für einen Ball da?"

" Julie hatte Lust."

Zwei Bauernlieutenants, anderthalb Studenten und im Uebrigen Ladenjungen. Kann das auch etwas werden?"

Du sollst ja doch nicht tanzen, Sophie!" ,, Nein, Gott sei Dank!"

Kurz darauf sagte Krüger, immer noch ohne vom Buche aufzusehen: Ich denke, es ist zumeist das, daß Du nicht Frau Steiner von allen ihren Aubetern umgeben sehen willst."

Aber da mußte Taute Sophie lachen, wirklich ein überlegenes spöttisches Lachen; das waren ein raar neite Anbeter, zum Beispiel Lehrer Jensen, der noch obendrein verheirathet war.

" Ja, das ist nun so mit alten Jungfern; die mögen nicht"

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Alte Jungfern!" sagte Tante Sophie; das Wort hat sie in's Haus gebracht; das hast Du früher nie gesagt, Gustav."

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" Ja, aber Du wirst doch nicht leugnen, Sophie, daß Du alt bist und und unverheirathet?" ,, Das leugne ich nicht," antwortete Tante Sophie. " Ja, ja!" antwortete Kriiger mit leichtem Gähnen, legte das Buch fort und schloß die Augen; etwas Anderes habe ich ja nicht gesagt."

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Kurz darauf schnarchte er in gleichmäßigen Takten; Tante Sophie's Stricknadeln gingen auch zur Ruhe, und Julie ließ die Zeitung auf den Fußboden nieder­gleiten und versant in Träumereien.

Seit sie von ihrem Dresdener Aufenthalt nach Hause gekommen war, und besonders jezt, seit sie sich so mit Frau Steiner befreundet hatte, waren die Stadt und alle Menschen ihr ganz entfremdet. Alle Damen, wie Frau Bankpräsident Christensen, und die anderen, welche sie von ihrer Mutter her tannten, sahen sie jetzt mit wunderlicher Miene an, wie ihr schien.

In den ersten Tagen hatten sich alle um sie gedrängt und sie eingeladen; und sie hatte immer wieder erzählt von ihrem Aufenthalte im Auslande, Alles, was sie erlebt, gesehen und gegessen hatte.

Aber einige Zeit darauf hielt ihre beste Freundin Jolla Blum es für ihre Pflicht, Julie anzuvertrauen, daß es der ganzen Stadt schien, sie wäre lächerlich mit dieser Auslandsreise, von welcher sie überall er= zählte, wo sie hinfam. Es wären ja so Viele, die gereist waren, zum Beispiel Frau Christensen, welche mit ihrem Mamie in Paris gewesen, und überdies Konsul With, der wäre doch genug gereist, und der hatte gesagt, daß Dresden ein langweiliges Nest wäre.

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Ja, aber Liebste!" meinte Julie; sie fragten ja Alle und wollten wissen-"

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schemel ", wie sie selbst sagte; und wäre es nicht ge rejen, daß die Männer sie suchten, so wäre sie vollständig von der Gesellschaft ausgeschlossen ge= wesen. Unter den Damen bekam sie auch feinen anderen rertrauten Verkehr als Julie Krüger, wes­halb sie diese auch vollständig mit Veschlag belegte.

Juzwischen hielten der ganze lligangs.reis und die Freundinnen ihrer Mutter noch an Julie fest; sie luden sie weiter ein und zwar mit solchem Eifer, daß Julie merfte, es sollte ein Versuch sein, sie dem gefährlichen Einflusse zu entziehen.

Und so wurde sie ärgerlich und that sich mit der jungen Frau zusammen; sie puzte sich und ver­anstaltete kleine Diners zur Freude ihres leicht­sinnigen Vaters.

Außerdem haben ja nicht Alle die Mittel zum Neisen," fuhr Jolla Blum fort, deren Herz voll war, ,, und darum scheint es Vielen, darum brauche man sich nicht so wichtig zu thun ja, das sagt man es fönne für Dich hier zu Hause wohl auch gut. geung sein fagt man wenn so viele Andere sich damit zufrieden geben."

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,, Liebste, habe ich etwas Anderes gesagt?" unter­brach Julie bestiirzt.

" Und es ist auch nicht Alles so ausgezeichnet im Auslande; denn der Fleischsalat, den Du Frau Ludwigsen lehrtest-

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, Sie bat um das Rezept-"

Ja, entschuldige, Julie, der war, weiß Gott! nicht zu essen; denn ich war selbst den Abend da; und das Mädchen, das den Nest bekam, mußte sich die ganze geschlagene Nacht übergeben."

Nach dieser Zeit nahm sich Julie wohl in Acht, das Ausland oder so etwas zu erwähnen; aber sie merfte wohl, daß es zu spät war. Es war eine Es war eine Kälte eingetreten; sie hatte sie Alle beleidigt. Und das wurde noch schlimmer, als Frau Steiner in die Stadt kam und Julie an sich zog.

Denn Frau Steiner saß sofort auf dem Isolir­

Sie hatte aber auch ihre bösen Stunden, in denen ihr Muth sank, wie diesen Nachmittag, wäh­rend sie ihre Freundin erwartete.

Julie hatte so viel von ihrer Mutter Blut und fannte ihre Welt so gut, daß keine Miene in einem Gesichte, te ne Andeutung im Tonfalle ihr entging. All' die scharfen Stacheln, in die Jeder gleichsam eingehillt war, trafen sie, und sie fühlte, daß das einzige Mittel wäre, ebenso sauer und stachelig zu werden wie die Stadt.

Von klein auf war sie herumgegangen, halb be­wußt von Einem zum Anderen schwankend. Hing sie um des Vaters Hals, lustig und froh, fühlte sie eine Art böses Gewissen. Aber saß sie vernünftig mit einer kleinen Arbeit zwischen den Freundinnen der Mutter und hörte sie die Unterhaltung gehen von Haus zu Haus, von Sorge zu Sorge, von lebel zu lebel, da litt sie, weil sie sich sehnte, hinaus zu kommen.

Nach dem Tode der Mutter und dem Aufent­halte im Auslande war sie etwas sicherer geworden; aber neue Grübeleien und Zweifel entstanden aus ihrem vertraulichen Verhältnisse zu Frau Steiner.

Die Männer waren es und wieder die Männer, von denen sie zu hören bekam. Abgründe von Schlechtigkeit und Schmutz öffneten sich vor Julie. Obschon sie oft nur die Hälfte verstand, bekam sie doh so gründlich Bescheid, daß sie sich selbst ihrem eigenen Vater gegenüber genirt fühlte.

Denn das konnte sie begreifen ihre Freundin hatte es sogar mit einem leichten Lachen geradezu gesagt, daß ihr Vater nicht um ein Haar breit besser wäre als die Anderen.

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Aber, daß Jemand darüber lachen konnte! und Lulli, welche das Schreckliche erfahren hatte, mit einem solchen Manne verheirathet zu sein, und sie, welche so heldenmüthig die Reinheit gerächt hatte, daß sie mit ihrer thener erkauften Erfahrung von der ungebundenen Sittenlosigkeit der Männer trotzdem beständig um diese Männer freiste, oder sie jeden falls um sich freifen ließ!

Nicht so, daß sie die Finger ausgestreckt hätte; sie bekamen gut zu hören; sie kannte sie aus- und inwendig und das gab sie ihnen zu verstehen.

als ob die Hölleupforte sich einen Augenblick lang geöffnet hätte.

Aber am meisten wurde Julie von den langen Nachmittagsstunden gefesselt, wenn sie und Frau Lulli ausgestre.ft auf dem Divan lagen bei Zigaretten und einem Glase Liqueur; dabei lernte sie.

Es läutete draußen im Entrée; aber Julie ging nicht aufmachen, obgleich sie fast gewiß war, daß es ihre Freundin war. Sie liebte und bewunderte

Lulli, aber es war wie gerade au diesem Nach mittag immer etwas, was auf sie wartete, eit Richterstuhl, an dem sie nicht vorbeikommen konnte.

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Als Frau Steiner in die Stube trat, wo es mum fast dun el war, wachten die Alten sofort auf und fingen eifrig zu plaudern an, als ob sie nicht geschlafen hätten; Julie erhob sich auch, aber langsam.

"

Wollen Sie uns die Ehre erweisen, unseren Weihnachtsball zu eröffnen?" fragte Kriiger galant vom Sopha hiniiber.

Hier giebt's Ball? Brillant! Du warst so ungewiß, Julie."

Julie shien es natürlich, daß die Stadt so arm an Karalieren ist," sagte Tante Sophie. " Ach, wir müssen Krethi und Plethi nehmen," meinte Frau Steiner lachend.

"

Sie nehmen also mit mir verlieb?" fragte Striger. " Ob ich es thue!"

Ein altes efliges Mannsbild, wie ich bin?" Hätten w'r nur viele solche, Herr Striger! Aber bist Du nicht vergnügt, Julie?"

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Mir scheint, wie Tante Sophie-"

Liebste, wir nehmen unsere ganze Menagerie und dazu alle wilden Thiere aus dem Walde; wir durchsuchen das Zoll-, Post-, Telegraphen- und Schul wesen und dann alle Kramläden; der kleine nette Jessen bei Knudsen, das kann gut angehen."

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Es ist überdies alter Brauch, Knudsen's Personal einzuladen," sagte Kriger.

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, Brillant!" rief Frau Steiner; dann bekommst Du auch Deinen Freund, Julie, den langen, roth haarigen haarigen-"

" Nein, da muß ich bitten," sagte Julie etwas scharf; das ist doch gewiß Deine Schwärmerei.

"

, Du hast ihn entdeckt, Julie."

,, Von wem sprechen die Damen?" fragte Striiger. " Von dem Großen, Neuen bei Frau Knudsen." " Von Dem! Dem Bauernjungen, dem Unge heuer!" rief Krüger und sprang, auf; ach, das ist Spaß, um mich zu ärgern."

Weit ab, Herr Strüger; Julie findet ihn

distingué!"

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Das bist Du, die das findet, Lulli." " Eil' Dich, Sophie! Hier ist es so dun el; ich fann nicht sehen, ob sie mich zum Narren machen, sagte Gustav Kriger ärgerlich. Aber als Tante Sophie, welche schon lange mit der Hängelampe gerasselt hatte, Feuer bekam, und als Frau Steiner weiter versicherte, daß sowohl sie wie Julie fid lebhaft für Herrn Wall interessirten, da wurde er gauz außer sich und schwor, daß der Bursche einen Fuß in sein Haus sezen sollte. Als aber die junge Frau Steiner, welche all seine Hize gewohnt war, nur lachte, nahm er seinen Hut und ging hinunter in's Comptoir. Nach der Lampe bekam es Tante Sophie mit dem Ofen zu thun und rasselte so lange und tüchtig Frau Steiner hatte nämlich ihre Wohnung in mit Kohlenschaufel und Feuerzange, daß die jungen

Die aber lachten nur und famen wieder. Sie schaarten sich um sie, als ob sie gerade wünschten, recht geprügelt zu werden und all' ihre Niedrigkeit vorgelesen und beschrieben zu bekommen.

Spaßhaft war es, das war sicher, aber es machte Julie verwirrt; sie sehnte sich nach Lulli's Atelier, während sie saß und sich vor ihrem Stommen graute.

Damen nicht zu Worte kommen fonnten. Frau Lulli

zeg Julie mit sich; sie sollten nach Haus zu ihr, die Menagerie zu revidiren und zu sehen, was da eigentlich zu einem Balle aufzutreiben war.

ein modernes Atelier, wie es sein sollte, verwandelt. Und das imponirte Allen, welche dorthin kamen: die halbdunklen Räume mit plöglichen Lichtwirkungen, iiberall Teppiche und Portièren, Draperien und spanische Wände; fühne Aftzeichnungen; Frau Steiner's Auf der Straße aber blieben sie vor dem obersten eigene Malereien, deren aufrichtige Farben sofort Fenster von Frau Knudsen stehen, wo Törres gerade alle mitgebrachten Autoritäten umwarfen; die unmög- mit einigen jungen Damen beschäftigt war, welche lichen Stühle, welche nicht zum Sizen da waren, die niedrigen Divans, die aufgehängten Topfscherben und die gespannten Fächer, all' das Fremde um die schöne geschiedene Frau herum gab den Eingeweihten den Geschmack des äußerst Verfeinerten an der Grenze des Lasterhaften.

Hier wurden fleine auserlesene Diners gegeben mit den wunderlichsten Gerichten und reichlich Wein, Zigaretten und ungezwungener Unterhaltung. Aber am Tage darauf ging ein Grauen durch die Stadt,

lächelten.

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, Es ist garnicht so schlimm, Julie!"

Das war häßlich von Dir, Lulli, daß Du Vater einreden wolltest, daß ich

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" Aber Liebe! Du kannst doch wissen, Dein Bater

verstand, daß es Spaß war; oder sollte doch Pfui, Lulli! Heute bist Du boshaft."

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Frau Steiner drückte ihren Arm an sich und

zog sie mit durch die dunklen Straßen.

( Fortsetzung

folgt.)

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