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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
ängstliche Stöhnen eines halbwüchsigen, verschüchterten Dorffindes(„ Hannele"), noch das beklommene Weh eines schlesischen Fuhrmannes. In alle Winkelchen dieser wenig komplizirten Seelen wird hineingeleuchtet; mitunter mit unheimlichem Effekt, mit einer Spiirtraft, als drängen Röntgen'sche Strahlen in das be= leuchtete Objekt.
( Schluß folgt.)
Vor fünfzig Jahren!
( Schluß.)
Von Wilhelm Liebknecht.
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rentano, der Diftator, hatte das Zeug nicht zum Diftator. Gleich allen schwachen Naturen, die von revolutionären Bewegungen in hohe und verantwortliche Stellungen gehoben sind, wurde. er durch das Bewußtsein seiner Unzulänglichkeit noch mehr geschwächt, schwankte er im Zickzackfurs zwischen Niedergeschlagenheit und Uebermuth und wandte die Macht, welche der Zufall ihm in die Hand gegeben, tölpelhaft zum Schaden der Sache an, die ihm anvertraut worden. Sein Grimm richtete sich wieder eine Charaktereigenschaft der Schwäche gegen Die, welche ihn vorandrängten, und so geschah es, daß er bald nicht in den Reaktionären und Spießbürgern den Haupt- Feind erblickte, sondern in den Männern, die zu revolutionärer Rettungsthat trieben. Diese Männer waren zum großen Theil aus dem übrigen Deutschland , entweder weil in ihrer Heimath für eine Erhebung kein Boden, oder weil die versuchte Erhebung gescheitert, nach Baden gelommen und hatten als Fremde", wenn sie norddeutschen Dialekt sprachen, als" Preußen" viel mit Mißtrauen und Stammesvorurtheilen zu kämpfen, was ihr Wirken erschwerte. Schließlich hatten sie, darunter auch ich, sich unter der Führung Gustav Struve's , der troß seiner Schrullen doch der energischste war unter den badischen Landesgrößenund Volksmännern, zu einem Klub vereinigt, dem Klub des entschiedenen Fortschritts". Komischer Name. Und doch damals nicht komisch. Scharf abgegrenzte Parteien gab es noch nicht, und folglich auch keine scharf abgegrenzten, konkreten Forderungen und Programme. Es war Alles unbestimmt, und so wußten wir der herrschenden Unentschiedenheit, die nicht vom Fleck kam, nichts Besseres entgegenzusetzen als den ,, entschiedenen Fortschritt". Uebrigens war der Ausdruck von Struve, nicht von mir. In diesem Klub sammelten sich die revolutionären Elemente, von älteren außer Struve, noch Tzschirner , Mitglied der provisorischen Regierung in Dresden , dem es gelungen war, nach Niederwerfung des Aufstandes seine Flucht zu bewerkstelligen. Wir waren einig, daß alle Kraft darauf gerichtet werden müsse, die Armee zu reorganisiren, die Volkswehren, soweit brauchbar, mit der Armee zu verschmelzen und kampffähig zu machen und die Revolution nach Außen zu tragen. Brentano, der immer noch an Verhandlungen und Vereinbarungen mit den entgegenstehenden, allerdings sehr problematischen und zweifelhaften Gewalten dachte, träufelte durch sein Schwanken und Zaudern falt Wasser auf die glühende Begeisterung der Massen. Wohl kann Begeisterung die Disziplin nicht erseßen, aber wo Begeisterung ist, da läßt sich auch in sehr furzer Zeit die zum Schlagen nothwendige Disziplin schaffen, und Muth und Ausdauer sind immer vorhanden, wo die Begeisterung ein Ziel hat und den Weg zum Ziele sieht. Mit den badischen Soldaten und Volkswehren hätte ein geschickter Organisator, der an Herz und Verstand sich wandte, Alles gemacht, was gemacht werden mußte. Der geschickte Organisator fehlte aber in der Regierung. Für die Soldaten wäre er dagewesen, wenn man ihn hätte verwenden wollen. Der junge Sigl, der im Osteraufstand des Jahres 1848 sich ausgezeichnet hatte, war auf dem Posten -und nothgedrungen ward ihm auch bis zum Eintreffen Mieroslawski's der Oberbefehl übertragen. Allein sein Handeln ward vielfach durchkreuzt und das Mißtrauen Brentano's beschränkte ihm möglichst
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das Thätigkeitsgebiet. Als Miercslawski eintraf, war es bereits zu spät. Und der Umstand, daß dieser geniale Heerführer nicht deutsch sprach und daß alle seine Befehle und Ansprachen durch Dolmetscher aus dem Französischen in's Deutsche übersezt werden mußten, war nicht geeignet, die Truppen zu begeistern. Trozdem geschah, soweit die Soldaten in Frage, sehr viel, was jedoch nicht der Regierung zu danken ist, sondern fast ausschließlich den geradezu bewundernsiverthen Geist der meisten Truppenabtheilungen, namentlich der Artillerie. Was es ist, eine Armee zu reorganisiren, deren Offiziere davongelaufen oder davongejagt sind, das haben die Franzosen im Jahre 1792 erlebt, wo es vorkam, daß Truppen, die bald nachher alle Armeen Europas schlugen, von lächerlicher Panik ergriffen, vor dem Feinde davonliefen.
Inzwischen hatte auch Brentano die Ueberzeugung gewonnen, daß er, wenn es ihm nicht gelang, die mehr und mehr erstarfende Partei der revolutionären Aftion sich vom Halse zu schaffen, die Diftatur nicht mehr lange werde ausüben können. Er entschloß sich zu einem Staatsstreich, der am 6. Juni mit Hülfe der reaktionären Karlsruher Bürgerwehr ausgeführt ward. Struve , der offizielle Führer der„ Revolutionäre ", Becker( Johann Philipp), der tapfere, scharf- und umsichtige, bei aller Besonnenheit zu den fühnsten Wagnissen bereite Führer der durch und durch revolutionären Flüchtlingslegion, und einige Andere wurden verhaftet, ein Schicksal, das auch mich betraf, der ich die Flüchtlingslegion gegen die Bürgerwehr zum Kampfe aufrief. Die drohende Haltung der Freischärler und Soldaten zwang Brentano zu einem Kompromiß: Becker, Struve usw. wurden in Freiheit gesezt, jedoch unter der Bedin gung, mit den Freischärlern und der Flüchtlingslegion Karlsruhe zu verlassen und gegen den Feind zu gehen, welch' legzteres ja war, was wir gewollt hatten. Ich selbst wurde in die Rastatter Rafematten gebracht, wo ich drei Tage unter der furchtbaren Anklage stand, einen Mordversuch auf Brentano gemacht zu haben eine Prozeßkomödie, der die Soldaten von Rastatt ein heiteres Ende bereiteten.
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Während Solches im Inneren vor sich ging, gestalteten sich nach Außen die Dinge immer ungünstiger. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Revolution nicht die Kraft hatte, über die Grenzen hinauszudringen und ihren Herd zu erweitern, konnte die Reaktion in aller Gemiithsruhe ihre Maß regeln treffen. regeln treffen. Als der Großherzog Mitte Mai aus Baden geflüchtet war, richtete er sofort an die preußische Regierung und an die Reichsregierung ein Gesuch um bewaffneten Leistand gegen sein rebellisches Volk und Heer. Und beide Regierungen hatten sich schleunigst bereit erklärt. So geschah das Seltsame, daß die Reichsregierung sich derselben preußischen Regierung, welche die Reichsverfassung preußischen Regierung, welche die Reichsverfassung zertrümmert hatte, zu gemeinsamer militärischer Aktion gegen eine Bewegung anschloß, welche die Durchführung der Reichsverfassung gegen die rebellische Regierung Preußens zu ihrem Programm hatte.
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Genug wo es galt, gegen das deutsche Volk vorzugehen, da waren Reichsregierung und preußische Regierung ein Herz und eine Seele wie die preußische Regierung schon im November 1848 sogar mit der österreichischen Regierung ein Herz und eine Seele gewesen war, als es galt, in Wien das Volk zu Pulver und Blei zu begnadigen und über Berlin den Belagerungszustand zu verhängen. Mit größter Gile wurden Truppen zur Verwendung gegen die Rebellen" zusammengezogen: zwei preußische Armeekorps und ein Reichsheer. Die preußischen Armeekorps rückten auf dem linken Rheinufer gegen die bayerische Pfalz , um von da nach Baden zu dringen dringen das Reichsheer, dem bald noch preußische Truppen zugetheilt wurden, rückte auf dem rechten Truppen zugetheilt wurden, rückte auf dem rechten Rheinufer auf der„ Bergstraße " direkt gegen Baden , während ein zweites Reichsheer in Württemberg und Bayern organisirt ward, um das langgestreckte Baden in der Ostflanke anzugreifen. Der Aufstand sollte also in der Front angegriffen, von beiden Seiten umfaßt und so erdrückt werden. Bei der Ueber macht der Reaktionstruppen war, wenn nicht unerwartete Zwischenfälle eintraten, die Niederlage des wartete Zwischenfälle eintraten, die Niederlage des
Revolutionsheeres nur eine Frage der Zeit, und nicht langer Zeit. War es doch, die verfügbaren Volkswehren und sämmtliche Freischaaren unter Becker und Willich eingerechnet, zu Anfang des Feldzuges nur 30 000 Mann mit 60 Geschützen stark, wozu aus der Pfalz noch bestenfalls 5000 Mann kamen
Alles in Allem also 36 000 Mann, denen eine weit mehr als doppelte Uebermacht gegenüberstand. Die einzige Möglichkeit zu siegen war: politisch die Ausdehnung des Revolutionsherds, und mili tärisch die Ueberwindung eines der feindlichen Heer haufen nach dem anderen, ehe sie sich vereinigt in jedem Fall der Angriff. Für beides war aber der rechte Moment versäumt worden. Und die Nach richten aus Paris lauteten niederschmetternd- die für den 13. Juni angesagte Revolution" war aus geblieben. Das Proletariat fehlte der furchtbare Aderlaß der Junischlacht hatte ihm auf Jahrzehnte das Lebensblut genommen. Nur im fernen Osten leuch tete noch ein glänzender Hoffnungsstern: wunderbare Mären liefen ein vom„ Heldenvolk der Magyaren", das die österreichischen Armeen aus dem Lande trieb, als wie der Wolf die Heerde scheucht," und dessen siegreiche Armee auf dem Wege nach Wien sein sollte.
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Am 10. Juni trat in Karlsruhe die foll stituirende Versammlung" zusammen. Sie er klärte Baden zum Freistaat und sezte eine provisorische Regierung ein, bestehend aus Brentano, Goegg und Werner Letterer einer der Vielen, die vortreffliche Menschen sind und schlechte Musikanten. Eine endgültige Regierung zu schaffen, dazu konnten die Leutchen sich nicht aufschwingen sie trauten sich nicht so viel Kraft zu. Da Brentano das Recht erhielt, die Minister und sonstigen hohen Beamten zu ernennen, so blieb er thatsächlich Diktator. Kurz vorher war auch Mieroslawsky angelangt, noch nicht völlig genesen von den Wunden, die er auf Sizilien bei Catania empfangen. Er fand eine Lage vor, die er, auch mit genauester Kenntniß der Verhält nisse und Menschen, nicht zu entwirren und zu bes herrschen vermocht hätte. Am Neckar und im Oden wald war der Kampf bereits entbrannt mit den ans rückenden Reichstruppen", und die Preußen standen an den Grenzen der Pfalz . Mieroslawsky that das Menschenmögliche. Doch er konnte nicht verhindern, daß die Preußen am 12. Juni in die Pfalz ein rückten, die ihnen entgegentretenden Freiſchärler, denen nur wen'g Militär zur Seite stand, bei Kirch heimbolanden zersprengten und am 15. Juni in Ludwigshafen am Rhein Mannheim gegen über einzogen. In der Pfalz war sehr wenig Organisation gewesen und so groß war die Kopflosigkeit, daß die Schiffsbrücke bei Ludwigshafen noch nicht abgefahren war, als die Preußen sich vor der Stadt zeigten. Ohne die rasche Entschlossenheit der badischen Artillerie, die ein Joch der Briicke 31 sammenschoß und das Feuer der Preußen, die durch glühende Kugeln Mannheim in Brand schießen woll ten, mit überlegener Sicherheit erwiderte, hätten die Preußen damals den Rhein überschritten, und wären dem um Heidelberg stehenden badischen Korps in den Nücken gefallen. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um klar zu machen, wie ungiinstig die badische Re volutionsarmee gestellt war. Gelang es den Preußen, über den Rhein zu setzen, so war das nördliche Baden unhaltbar. Mieroslawsky schlug in rascher und kühner Aktion die Reichsarmee zurück; aber er hatte keine Zeit, sich des Sieges zu freuen. Der Rheinübergang, der den Preußen bei Mannheim mißlungen war, glückte ihnen am 20. Juni bei Germersheim , und Mieroslawski war nun von drei Seiten bedroht -von Westen, Norden und Osten, wohin die Reichs truppen sich gewandt hatten. Er griff das von Rhein kommende preußische Korps am 21. Juni bei Waghäusel an, entschlossen, dann sich auf die übrigen Gegner zu werfen. Der Angriff gelang, die Preußen wurden zurückgedrängt, ein Theil war schon auf der Flucht, da kehrte ein Regiment badische Kavallerie, von verrätherischen Offizieren befehligt, plöglich um und brachte die eigenen Leute in Verwirrung; und der Sieg verwandelte sich in eine Niederlage. Groß war der Verlust auf beiden Seiten. Dem badischen Heer blieb nun nichts übrig, als ein schleuniger Rückzug; dieser dieser- der berühmte Flankenmarsch"- wurde
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