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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage..

Ein leiser Wuthschrei entrang sich der Kehle des Betrogenen. Seine Hand führ blizschnell in die Tasche...

3um Satan, was ist das," schrie der Ver­walter heiser, als er auf die Straße trat. Eine fräft ge Hand hatte ihn am Hemdkragen gepackt, und eine rauhe Stimme brüllte: Jezt ist's aus mit Dir, Du Himmelhund."

Herr Gottfried Gabelmann übersah die Situation mit einem Blick. Er fing mit dem linken Arm den Stoß des Messers auf und langte, als Mensch, der sich nicht so leicht überrumpeln läßt, sein eigenes Dolchmesser aus der Tasche. Ehe sein wüthender Angreifer seinen Stoß wiederholen konnte, hatte er ihm die Klinge seines Messers zwischen das dicke Schulterblatt gestoßen und demselben zugleich einen heftigen Schlenker gegeben, sodaß der Bursche stöhnend rücklings in den Straßenschmuz sank und dort be­sinnungslos liegen blieb.

Jetzt schlug der Verwalter Lärm, und in zehn Minuten wußte es das ganze Dorf: Der lange Anton hat einen Raubanfall auf den Herrn Ver­

walter gemacht, aber erfolglos, denn der Herr hat ihn mit einem Messerstich abgewehrt. Der lange Anton liegt schwer verwundet im Rathhaus; er wird seine Schandthat mit dem Leben bezahlen müssen. Der Herr Verwalter hat einen Stich in den Arm bekommen und muß nun wohl auch ein paar Wochen den Arm in der Binde tragen. Nein, wie aber nur so was möglich sein kann!"

Es gab aber auch Viele, die gewünscht hätten, daß dem Knecht sein Vorhaben besser gegliickt wäre. Diese behielten ihre Meinung jedoch für sich.

Lene hatte den Vorfall auf der Straße nicht bemerkt; erst auf das Geschrei des Verwalters war sie herausgestiirzt und heulend hatte sie sich über Anton geworfen. Man müßte sie von ihm reißen und mit Gewalt in's Haus bringen. Mit keinem Mit keinem Wort verrieth sie sich die Einzige, die außer den beiden Verwundeten um den Grund zu dieser blutigen Szene wußten, war die alte Holländern. Auch sie heulte ihr Theilchen und schlug sich gegen die Brust über den unglücklichen, verlorenen Schwiegersohn. Sie verfluchte ihn vor allen Menschen laut und

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hoffte im Geheimen, daß er die Geschichte mit dem Leben bezahlen möge.

Lene heulte eine ganze Nacht. Am anderen Morgen war sie ruhig, und als am dritten Tage Anton sang- und klanglos in's Grab gescharrt wurde, da brachte sie es gar über sich, als tiefbetrübte Braut hinter dem Sarge herzuschreiten.

Herr Gottfried Gabelmann kehrte auch in der Folge öfters in dem Holländerhäuschen ein. Da bekam aber eines Abends die alte Holländern, die ein paar Wochen nach oben geschildertem Vorfall anfing, merkwürdig einfilbig zu werden, den wunder­lichen Einfall, sich vor ihren Gast zu stellen und ihm eine absonderliche Standrede zu halten. Mit ein töniger Stimme quälte sie langsam Wort für Wort heraus und schlürfte dann zurück auf ihren Plaz hinter dem Ofen, woher sie gekommen.

Lene hielt die Schürze vor die Augen und schluchzte, Herr Gottfried Gabelmann aber segte seinen Hut auf und wünschte Gute Nacht. Das war das lezte Mal, daß er den Fuß in dieses Haus gesetzt hatte.

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( Schluß folgt.)

C

Feuilleton.

Am Schilfe. *

Wir kommt es vor bisweilen Port an dem Schiff,

Als hört' ich's leis fich theilen And lispeln: Hilf!

Ich kann es nicht verstehen,

Ob es mich fäuscht,

Die Winde drüber gehen,

Der Reißer kreischt.

Wollt' nie mir Binsen schneiden Als Kind am Teich, Als müßte was erleiden Den Todesstreich.

Es war als wie ein Grinsen And ein Genick

Der langen schwarzen Binsen. Ich floß zurück.

And doch fand ich mich gerne And wieder ein,

Als könnte was nicht ferne Verborgen sein.

Als müßt' ich noch erfassen Was es mir wollt',

Als ob ich's nicht verlassen Im Leide sollt'.

Martin Greif .

und grob in ihren Effekten; trotz des Aufwandes äußer­licher Mittel war ihnen innerer Gehalt versagt. Böcklin hat auch der historischen Landschaft Sinn und Form ge­geben. Er zielt in seinen Bildern freilich gemeinhin nicht auf ein bestimmtes historisches Ereigniß, er giebt Stimmungen, wie die Geschichte, wie Denkmäler ferner Zeiten sie in uns erwecken.

Eine Villa am Meer. Auf gewaltigen Felsblöcken, die weit in die See vorspringen, ist sie erbaut, von Bäumen ist sie umschlossen, hohe Cypressen flanfiren die Stirnseite und fangen die von der See her fahrenden Stürme ab. Aus den dichten Kronen leuchten die strengen Linien der säulengetragenen Marmorhalle, die Mauern des Hauses bauen sich zu einem breiten niedrigen Thurm auf. Giebelfiguren krönen den geradlinigen Bau, in Kaskaden springt das Wasser über die Stufen der Felsen herab, die marmornen Rosse des Meergottes tummeln sich in den Sprudeln. Aber es geht zu Ende mit dieser stolzen Pracht. Das Gemäuer ist zerklüftet und in den Rissen wuchert das Unkraut... Die schwere, bange Stimmung verfallender Pracht lebt in jedem Zuge des Bildes. Von draußen tönt das hohle Brausen des an die Felsen brandenden Meeres, letzte Ausläufer der Wellen fahren rauschend herein an den geschützten niedrigen Strand. Eine dunkle Wetterwand steht am Horizont, scharf fährt schon der Wind von der See her, daß die Bäume sich biegen unter seinem Wehen . Aufgeregt schießen die Möven über das Wasser hin. Eine hohe Frau aus dem Schloß, ganz in ein schwarzes Trauergewand gehüllt, ist über die zerfallenden Steintreppen hinab an den Strand geschritten und lehnt nun, in tiefem Sinnen, an dem Fels. In ihrer Seele findet die bange Stimmung ihren Widerhall in dem dumpfen Ton der Brandung, dem gleichförmigen Rauschen der Wellen, in dem Heulen des heranziehenden Sturmes.-

Villa am Meer. Arnold Böcklin ist von der ,, historischen Landschaft" ausgegangen, und er ist ihr Vollender geworden. Die historischen Landschafter fühlten sich auf deutschem Boden nicht heimisch, die Motive, die sie da fanden, hatten für sie nicht die Größe, nach der sie strebten. Auf klassischem Boden, in den strengen, scharf gezeichneten Linien des griechischen und römischen Berglandes, fanden sie ihr Jdeal; bei den Bildern dieser Stätten schwebten in ihrer Phantasie die Erinnerungen längst entschwundener glanzvoller Zeiten mit, deren stumme Zeugen sie gewesen waren, und diese gaben ihnen größere Fülle, historischen Hintergrund. So komponirten sie die Landschaften, in denen auf die große Linie der Hauptton gelegt wurde; sie suchten ihre Bedeutung zu steigern, indem sie gewaltige Lufteffekte hineinmalten. Stellte Einer die Ebene von Marathon dar, so stand drohend eine mächtige Gewitterwolfe am Himmel, ein Bliz zuckte hernieder, und, scheu geworden, raste ein reiterloses Pferd über die Ebene. Szenen aus der Sagenwelt oder Ge­schichte der Alten dienten allen diesen Bildern als Staffage. Aber diese Landschaften wurden unserem Empfinden nicht zum Leben erweckt, sie waren todt, man fühlte, daß sie gestellt waren, und sie wirkten als große Dekorationen, wie die Coulissen auf der Bühne. Sie waren übertrieben

* Aus ,, Gesammelte Werte". Leipzig , G. F. Amelang.-

Die

Kindern wochenlang in unseren Zoologischen Gärten in ihrem Thun und Treiben beobachten konnten, sahen wir, daß deren Beine eine etwas andere Stellung als die unfrigen haben, daß ihre Zehen garnicht verkrüppelt sind und daß sie mit den Füßen Mancherlei verrichten, wozu wir uns nur der Hände bedienen können. Der Schmied saß stundenlang unter einem Bretterdache zusammen gekauert und hielt das Eisen, welches der Hammer zu Speerspißen verarbeitete, mit der vorderen Sohle und den beiden größten Zehen fest. Jede Zehe ist bei diesen Leuten ein selbstständig bewegliches Glied, das häufig zum Ersatz der Finger dient. Um kleine Gegenstände bom Boden aufzuheben, bückt sich der Somali nicht, sondern ergreift sie mit der großen und zweiten Zehe und bringt sie in rascher Bewegung bis zu den Händen. Die Negermatrosen auf den Fahrzeugen des Rothen Meeres sind in fürzester Zeit oben auf dem Mastbaum, weil sie mit den Händen ein Tau fassen, mit der ersten und zweiten Zehe ein benachbartes zweites und so schnell hinaufflettern wie die Affen. Kommen die Hottentotten mit Weißen zusammen, so tragen sie ihre Sandalen mit den Händen, weil sie dann besser und unbeachtet mit den Füßen stehlen können. Aehnlich wie diese verfahren Südsee- Insulaner, wenn sie des Tausches halber euro­ päische Schiffe besuchen. Nägel und andere kleine Gegen stände auf dem Deck ergreifen sie mit dem Fuße, reichen sie schnell dem Nachbar, arbeiten also mit dem Fuße so, wie bei uns die Langfinger". In Amerika heben die Indianer Yukatans Gelbstücke mit den Füßen auf, schleubern sogar Steine mit ihnen weit weg. Auf Sumatra bedient man sich beim Ballspiel auch der Zehen; die Muskeln der Zehen der Javanen sind so entwickelt, wie bei uns die Finger, es macht für sie feinen Unterschied, ob sie etwas mit den Fingern oder Zehen festhalten. Bei den Anamiten ist es durchaus nichts Ungewöhnliches, zu sehen, wie der Steuermann mit dem Fuße das Steuer regiert, um inzwischen mit den Händen eine Zigarre zu wickeln. Auch bei manchen Kulturvölkern Asiens , die nicht in enge Schuhe die Füße zwängen, sondern barfuß gehen, finden wir eine ähnliche Verwendung der Füße und Zehen als höchst brauchbare Greiforgane. Bewundernswerth ist bei allen Handwerkern in Beirut die Geschicklichkeit, mit der sie sich der Zehen zum Halten des Arbeitsstückes oder des Werkzeuges bedienen. Die Holzschnißer in Damaskus halten das Brett mit den Zehen fest, und noch geschickter find die Holzbildhauer in Simla.

Menschenfüße zum Greifen. Man lacht und wißelt über die garstig verunstalteten Klumpfüße der Chinesinnen; man begreift nicht, warum sie noch immer von solcher Gewohnheit sich nicht frei machen. Wohlgefällig betrachtet man dann den eigenen Fuß im eleganten Stiefel: Ja, so muß der Fuß und seine Bekleidung sich machen, so zeigen beide auch unsere Modebilder! Ist solche Rederei irgendwie begründet? Die Schneiderin schwazt viel von schöner" Taille, Modebilder zeigen Wespentaillen, Schnür­leiber beengen die Brust, erschweren das Athmen, legen den Grund zu mancherlei Krankheiten. Es ist Mode, und die ist allgewaltig. Der Schuhmacher verfügt ähnlich über unseren Fuß. Von Jugend auf zwängen wir uns in seine Marterwerkzeuge der Mode wegen hinein, ertragen die schmerzenden Hühner- und Kronenaugen, dicke Ballen, verkrüppelte Zehen, eingewachsene Nägel und andere Kulturerzeugnisse der Mode. Wir betrachten in einer Gemäldegallerie Bilder aus früheren Jahrhunderten. Die verschiedensten Fußbekleidungen haben andere Grund­formen, sind aber der Gestalt des Fußes an Skeletten in anatomischen und zoologischen Museen völlig angemessen gebildet. Kinder und Erwachsene, die bei uns im Sommer barfuß gehen, besißen noch annähernd solche Fußformen, wie jene Naturvölker, die stets barfuß gehen, und was diese mit ihren Füßen und Zehen leisten können, davon mögen die nachstehenden Zeilen erzählen.

In Ostafrifa, das früher wenig von europäischen Reisenden besucht wurde, nannte man diese Leute mit Efelsfüßen" wegen der hohen Stiefel. Als wir vor einem Jahrzehnt verschiedene Familien der Somali mit

was

In Europa , das jezt in Stiefeln und Sporen flirrt, bringen nur besonders begabte Fußtünstler" nach langer, unausgesezter Uebung das endlich zu Stande, anderswo durchaus nichts Ungewöhnliches ist. Der armlos geborene Ledgewood, der auch nur einen Fuß besaß, vermochte mit ihm allerlei Greifkunststücke aus zuführen. Er schrieb, zeichnete, fädelte eine Nadel ein, rasirte sich sogar. In Arnstadt sah ich eine Frau mit den Füßen Strümpfe stricken. Der französische Maler Ducornet hielt mit dem linken Fuß die Palette und führte den Pinsel mit dem rechten.

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B. L.

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Alle für die Redaktion der Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.

Nachdruck des Jnhalts verboten!

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gerantwortlicher Medakteur: Oscar Rühl in Charlottenburg . Berlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .. Truck: Mar Vading in Berlin ,

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