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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
steigt scharf bergan; die Stirn bedeckt sich sehr bald troz der Morgenfühle mit perlenden Schweißtropfen, und das Herz beginnt heftig zu arbeiten. Zur Rechten hat man prächtigen Wald, zur Linken, jenseits der Ache, die prallen Steilwände des gewaltigen Schlernmassivs, und die gigantische Wildheit dieser FelsSzenerie fängt an, uns die Worte vom Munde zit nehmen und uns mit dem Gefühl der Ohnmacht und der Nichtigkeit zu erfüllen, auch wenn wir den Weg schon öfter gemacht haben. Auf der moosigen Boden decke zeigten sich bereits Schneeflecken; des Schnees ward rasch mehr, und als wir in der Ochsenhütte am rechten Leger", wo die Kühe im Sommer ihre Mittagsrast und ihre Nachtruhe halten, ein frugales Frühstück hielten, befanden wir uns bereits inmitten einer vollständigen Winterlandschaft.
Unweit des Bärenlochs, einer Stätte grauenhafter Verwiistung, denn hier bricht die Ache aus den Flanken des Schlernmassivs hervor und hat gewaltige Felstrimmer in chaotischem Durcheinander herabgewälzt, trafen wir zwei junge Leute, die sich als die Münchner Touristen entpuppten. Sie wollten uns zunächst den guten Rath geben, umzukehren, denn hinter der Grasleitenhütte tönne man nicht weiter; sie hätten es versucht, seien aber gleich bei den ersten Schritten bis zum Hals im Schnee versunken und zögen es vor, nach Tiers und Bluman zurückzukehren. Nun wurde der Leipziger Hüttenwart neugierig und wollte wissen, wo und wie sie die Nacht zugebracht hätten, und als er ihnen auf den Kopf zusagte, dann müßten sie ja die Hütte mit Gewalt erbrochen haben, beichteten sie ziemlich de- und wehmüthig, daß ihnen allerdings nichts weiter übrig geblieben sei, daß sie aber bereits einen Brief an den Hüttenwart in der Tasche hätten, durch den sie sich zum Ersatz des angerichteten Schadens verpflichteten. Dem Stellvertreter des Herrn in Leipzig ihre Nothlage aus
einandersetzen zu können, war ihnen sichtlich lieb, und sie erschöpften sich in Entschuldigungen. Sie kannten wohl die Voralpen bei München , hatten aber von der Großartigkeit und Wildheit der Dolomitlandschaft keinen Begriff gehabt, als sie die Tour antraten, die im Herbst ein ganz anderes Gesicht annimmt als im Sommer, auf den natürlich alle Angaben der Reiſehandbücher zugeschnitten sind. Vom BärenLoch an waren sie in tiefen Schnee gerathen und nur langsam vorwärts gekommen, so daß es bereits dunkelte, als sie die Hütte erreichten, in der unbestimmten Hoffnung, dort eine andere Partie an zutreffen. Natürlich hatte die Hütte todteinsam in der verschneiten Steinwiifte gelegen, und da sie nicht der verschneiten Steinwüste gelegen, und da sie nicht weiter fonnten und es zur Umkehr zu spät war, hatten sie sich in ihrer Angst daran gemacht, die Hütte zu erbrechen, um unter Dach und Fach zu Hütte zu erbrechen, um unter Dach und Fach zu kommen. Hätten sie im Freien bivouafirt, so liefen sie Gefahr, elend zu erfrieren; man konnte ihnen also keinen Vorwurf machen, höchstens den, daß sie sich erst gründlich hätten orientiren sollen, ehe sie die innere Thiir aufbrachen. Die äußere Thür ist nämlich nie verschlossen und führt in einen Vorraum mit einem Herd, der auch mit Holz versehen ist und von dem eine Leiter nach dem Heuboden führt; diese Einrichtung ist zu dem Zweck getroffen, Hirten, Jägern usw., die in der Nähe der Hütte von Nebel oder von einem Unwetter überfallen werden, eine Zuflucht zu bieten. Da sie Proviant bei sich führten, Zuflucht zu bieten. Da sie Proviant bei sich führten, wären sie also in dem offenen Vorraum ganz gut geborgen gewesen und hätten nicht nöthig gehabt, mit ihren Bickeln die ganze Thiir derart zu zerarbeiten, daß ein Zimmermann einen vollen Tag zu thun hatte, sie wieder in Stand zu setzen. Nun, das Unglück war eben geschehen, und da die Leute für jeden Schaden auffamen, fonnte man sie ja ziehen lassen. Dazu nämlich, wieder umzukehren und mit uns
und unter wegkundiger Führung die Tour doch noch durchzuführen, waren sie trop unseres Zuredens nicht zu bewegen. Vergebens wiesen wir auf die junge Frau hin, die mit uns sei und von der sie sich doch nicht würden beschämen lassen; sie meinten, die Dame sehe ihnen gerade so aus, als ob sie der gleichen schon manchmal durchgeführt habe, sie aber feien Neulinge und müßten den ersten Eindruck, den fie vom wirklichen Hochgebirge bekommen hätten, erst verdauen und verwinden. Kurz, ihr gesunkener Muth und ihr geduckter Unternehmungsgeist waren nicht wieder aufzurichten und der Versucher hatte feine Macht über sie. Wir ließen sie also ziehen und sie eilten so hastig davon, daß es fast aussah, als seien sie froh, einer zweiten Gefahr mit heiler Haut entronnen zu sein. Der Fall ist übrigens. typisch; die meisten Unfälle im Hochgebirge, über welche die Zeitungen so viel Lärm schlagen, ohne 311 bedenken, daß beim Reiten, Fahren, Baden, Schwims men, Schlittschuhlaufen, Radfahren usw. absolut nicht blos, sondern auch prozentualiter weit mehr Menschen ihr Leben einbüßen, als auf Bergtouren, sind auf Unvorsichtigkeit, Eigensinn, Mangel an Erfahrung, führerloses Gehen usw. zurückzuführen und wären meist vermeidbar gewesen. Was für uns nur ein komisches Qui pro quo war, über das wir im Laufe des Tages noch oft gelacht haben, konnte sich sehr leicht zu einer Tragödie auswachsen, wenn die jungen Leute hartnäckiger waren und auf einem der Pässe, die nach Campitello und Perra führen, von der Nacht oder von einem der Schneestürme überrascht wurden, die im Herbst so häufig sind, von der Lawinengefahr ganz abgesehen, die bei Neuschnee immer in der Luft hängt und der auch ein mir gut bekannter Tierser Führer an der sonst nicht gerade schwierigen Marmolada zum Opfer gefallen ist. ( Schluß folgt.)
lippi
Die Fischerhütten.*
Hell wie aus Eisen fehn die Fischerhütten in der
dunkeln Macht.
Gleich großen, mächtigen Fiffichen breifen sie die frohgedeckten, übermooffen Dächer schükend über den stillen Herd...
fraulich, freu und frohig..
und machtlos prallt der Sturm an ihnen ab... und froh und freundlich lugen ihre Giebelfenffer in die Straßen ,, Seid unbesorgt! wir halten gute Wacht!"
nur auf den Fremden, der des Weges kommt, fehn fie voll Mißtraun und voll Argwohn feindselig- drohend fast, als käme Etwas mit ihm, das die Eintracht des fillen Berdes fören könne, den sie schirmen..
und sich zu einem Sturm aufheben, dem auch sie nicht mehr gewachsen. Cäsar Flaischlen .
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Der Besuch. Auf der Probe war ihr der Einfall gekommen, und sobald sie frei war, hatte sie sich auf den Weg gemacht. Es war ein schöner, heller Frühsommertag, voll Sonnenschein und angenehmer Wärme. Bald war das junge Mädchen dem Trubel der inneren Stadt entronnen, die ruhigen Vorstadtgassen des Lichtenthals" lagen vor ihm. Schier wie ein loser Bub schlenderte fie an den niedrigen Häusern hin, von denen man die seltsam überfangenen Schlote sehen konnte, mancher Schritt glich einem kleinen Hupfer. Sie war wieder daheim! Daheim in dem Stadttheil, in dem ,, Grund", in dem sie aufgewachsen, wo sie als Wäschermadel gearbeitet hatte und dem sie entlaufen war, um ihr Glück zu machen.
Mit ein paar Sprüngen stand sie an der Thür der ihr so bekannten Hinterhauswohnung.„ Jesses, die Mally!" hatten wie aus einem Munde die drei Mädchen geschrien, So die gerade mit ihrem Mittagessen fertig geworden. ein Besuch! Jesses, nein!" Und die Eine hatte schnell ein großes Lafen vor das Fenster gehangen, damit die Sonne nicht blende, die Andere einen Stuhl herbeigeholt,
Feuilleton.
fein säuberlich abgewischt und an die Plättbretter gestellt. Mally muß Plaz nehmen und erzählen. Und sie setzt sich, zündet sich eine Zigarrette an" Ui, wie fesch!" schlägt ein Bein über das andere und erzählt: Wie sie damals ausgerückt, weil sie unbedingt" zum Theater " gemußt", wie sie anfangs fast garnichts bekommen habe und hin- und hergestoßen worden. Jezt aber friege sie schon dreißig Gulden im Monat, und zum Herbst werde fie ,, mindestens" um zwanzig Gulden aufgebessert. Dann würde sie auch Rollen bekommen, wirkliche Rollen.
Die Mädchen sind wieder an ihre Arbeit gegangen, aber es will nicht so recht gehen. So ein lieber Besuch fommt nicht alle Tage. Eine Jede ist stolz, mit der Mally früher zusammen gearbeitet zu haben, und Eine um die Andere hat noch eine Frage und noch eine Frage. Die Nelly hat das eine Stnie auf einen Schemel gestemmt, die Arme auf das Plättbrett gelegt, sie ist über das Gehörte, ganz weg", auch ihre Nachbarin läßt sich kein Wort entgehen. Nur das ältere Mädchen, das in einem Korbe frisch eingesprengte Wäsche bringt, kann einen leisen Zweifel nicht zurückhalten. Was, Mädel? Ein bißl aufschneiden wirst halt doch auch?" sagen ihre fragenden Augen.
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Es mag dem Einen oder Anderen vorkommen, als wären dem Künstler seine Gestalten etwas„ süß" ausgefallen. Karl Zewy hat nur nach der Natur gemalt. Es ist der Typus der Mädchen aus dem Volke in den alten Wiener Vorstädten, den er uns zur Anschaumg bringt, die süßen harben Goscherln" aus Lichtenthal , vom Thurry, aus Ottakring . Wohl Dem, der jung ist!-
Die Sinnesschärfe Blinder. Es ist eine ganz allgemeine Annahme, daß Blindgeborene und früh Erblindete einen gewissen Ersatz für das mangelnde Sehvermögen dadurch finden, daß ihre anderen Sinne, Geruch, Gefühl, Gehör, sich um so schärfer ausbilden. Auch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen schienen diese Meinung zu bestätigen, obwohl auch vereinzelte gegentheilige Verfuchsresultate bekannt geworden sind. Professor Griesbach in Basel hat in jüngster Zeit diese Frage eingehend untersucht und kommt auf Grund seiner vielen Beobachtungen, die an den männlichen Zöglingen und vier Mädchen der Blinden - Unterrichtsanstalt zu Ilzach im Ober- Elsaß angestellt wurden, zu erheblich abweichenden Resultaten.
Was zunächst den Taftsinn betrifft, so fand Griesbach den Unterschied im Unterscheidungsvermögen für taftile Eindrücke unerheblich; kleine Unterschiede waren zwar vorhanden, aber zu Gunsten der Sehenden. Auch die Tastschärfe erwies sich bei den Blinden geringer, als bei
den Sehenden, insbesondere fühlten die Blinden an den Beigfingerspigen weniger gut, als Sehende, wie denn überhaupt an der ganzen Hand ein stärkerer Eindruck nöthig war, als bei Sehenden, um eine deutliche Taftempfindung zu erzeugen.
Auch die Richtung, aus welcher ein Schall kam, konnten die Blinden nicht sicherer angeben, als die Sehenden; eher war noch ein Unterschied zu Gunsten der Letzteren zu bemerken. Ebenso wenig zeigte sich für die Entfernung, in welcher ein Ton noch wahrgenommen werden konnte, ein Unterschied.
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Für die Schärfe des Geruchs galt dasselbe. Unterschied zeigte sich dagegen in der Ermüdung durch Handarbeit; hier ermüden die Blinden in viel höherem Grade, als gleichalterige Sehende. Ueberhaupt ermüden Blinde durch Handarbeit viel stärker, als durch geistige Arbeit, was bei Sehenden nicht der Fall ist. Bei geistiger Arbeit dagegen stehen die Blinden hinsichtlich der Ermüdung den Sehenden nicht nach oder doch nur in sehr b. geringem Grade.
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Russische Sprichwörter.
Es stört der Armuth bitt'rer Harm Gar manches Herzensglück auf Erden; Die Liebe bleibt nicht lange warm, Beginnt der Herd erst kalt zu werden.
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Der Eber sieht dem Hungertode Sich schon geweiht und ist bestürzt, Wenn seine Mast das kleine Eichhorn Um eine Eichel fürzt.
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Eher als zu helfen ist Das Geschick bereit zu quälen; Habe Du nur rechten Durst, Und es wird an Salz nicht fehlen.
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Marimilian Bern.
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