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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

amerikanischen Fluthsagen durch christlichen Beisaß bis zur Unkenntlichmachung ihrer ursprünglichen Gestalt entstellt worden. Und nun gar, was sich bei afrikanischen Stämmen, bei Estimos und auf ozeanischen Inseln von Fluthsagen findet, ist so handgreiflich von christlichen Missionaren zu Erbauungszivecken zurecht­gemacht, daß sich nicht einmal sagen läßt, ob irgend eine Erinnerung der Eingeborenen an eine ehemalige Lokale lleberschwemmung ihres Landes zu Grunde liegt.

Die bisher betrachteten Fluthsagen werfen fein Licht auf die biblische Ueberlieferung, mit der sie, soweit sie fiir authentisch gelten fönnen, offenfundig nicht das Mindeste zu schaffen haben. Zwei Länder aber kommen noch in Frage, von deren in nenester Zeit entzifferten Literaturdenkmälern man Aufklärung über Bedeutung und Gegenstand der biblischen Sint­fluthsage erwarten dürfte, nämlich die beiden uralten Kulturzentren Egypten und Babylon. Im Lande des Nils findet sich nun feine Spur von einer Fluth­sage, und das ist sehr begreiflich; denn die jährlichen Uebersch remnungen des N.Is sind für die Bewohner Egyptens ein Segen: es fehlte also je er Anlaß. Anders bei den semitischen Bewohnern Mesopotamiens  . Hier giebt es allerdings eine Fluthsage von unzweifel­hafter Echtheit, die sich mit der biblischen Erzählung in allen Puntten so eng berührt, daß ein Zusamme.i= hang ganz unabweisbar ist. Die babylonische Sint­fluthsage bildet einen Bestandtheil des sogenannten Nimrod  - Epos, eines babylonischen Gedichts, das auf zwölf Keilschristtafeln die Geschichte eines mythischen babylonischen Königs Izdubar   erzählt. Izdubar hat die Liebe der Göttin Istar   verschmäht und wird deshalb von ihr mit Aussatz geschlagen. Da macht Izduvar sich nun nach der Insel der Seligen auf, un sich bei seinem Vorfahren Nuch- napisti( das heißt Nuhe der Seele, daher das biblische, aus dent Hebräischen unerklärliche Noah) Naths zu erholen. Der erzählt ihm die Geschichte seiner wunderbaren Errettung aus der Sintfluth. Der babylonische Noah ist in der alten Schifferstadt Surripak   an der Euphrat  mündung zu Hause. Die Götter, vor Allem Bel, beschließen eine Fluth anzurichten. Aber der Gott Ea thut ihren Rathschluß seinem Schützling Noah fund: Mann von Surripat, Sohn des Ubaratutu, zimmere ein Haus, baue ein Schiff, rette, was du von Lebenssamen finden kannst, laß fahren die Habe, rette das Leben, bringe Lebenssamen aller Art auf das Schiff. Das Schiff, welches du bauen sollst, 300 Ellen sei das Maß seiner Länge, 60 Ellen das Maß seiner Breite und seiner Höhe." Daruah ver­fährt Noah, verpicht das Schiff gehörig und geht dann mit Familie, Gesinde, Habe und allerlei Lebens­samen hinein. Der den Sturzregen sendet, ließ in der Nacht einen furchtbaren Regen strömen. Vor dem Tagesanbruche zitterte ich. Ich trat in das Schiff, verschloß sein Thor, übergab Busurkurgul, dent Steuermann, die große Arche sammt ihren Juhalt. Als die Morgen.öthe aubrach, stieg auf am Horizont schwarzes Gewölf; Ramman( baby­Ionischer Gott, ebenso die folgenden) donnerte darin, während Nabu und Marduck hervortraten und als Führer über Berg und Thal schritten. Der Gott Uragal riß das Schiff los, und es schritt Ninib dahin, überschwemmte die Ufer.... Rammans Wogenschwall stieg zum Himmel empor, alles Licht verwandelte sich in Finsterniß. Bertilgt ward alles Leben vom Antliß der Erde. Der Bruder sah den Bruder nicht mehr an, die Menschen kannten ein­ander nicht mehr. Im Himmel erbebten die Götter vor der Fluth, suchten Zuflucht, stiegen hinauf zu Anus' Himmel." Sechs Tage und sechs Nächte steigt die Fluth; am siebenten Tage nimmt es ein Ende." Da sah ich auf das Meer, ließ meine Stimme erschallen- aber alle Menschen waren wieder zu Erde geworden. Ich öffnete die Luke, Licht fiel auf mein Antlig, ich sank geblendet zurück, sezte mich und weinte, über mein Antlig flossen mir Thränen. Ich schaute auf: die Welt ein weites Meer. Zwölf Ellen hoch stieg Land auf. Nach dem Gebirgsland Niz'r( Höhenstreifen im südlichen Assyrien  , zirka 600 Kilometer nordwestlich von der Euphratmündung) nahm das Schiff den Lauf. Der Berg des Landes Nizir hielt das Schiff fest und ließ es nicht von der Stelle." Sechs Tage hängt

Vor

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die Arche hier. Als der siebente Tag herannahte, ließ ich eine Taube hinausfliegen. Die Taube flog hin und her; da fein Ruheplay da war, kehrte sie zurück. Dann ließ ich eine Schwalbe hinausfliegen. Die Schwalbe flog hin und her; da kein Ruheplaz da war, kehrte sie zurück. Einen Naben ließ ich fliegen, der Nabe flog, sah das Abnehmen des Wassers, fraß, ließ sich nieder und fam nicht zurück. Da ließ ich nach den vier Winden Alles hinaus und goß ein Opfer aus auf dem Gipfel des Berges. Die Götter rochen den lieblichen Geruch, wie Fliegen sammelten sie sich um den Opfernden." Bel ist an­fangs ergrimmt, daß Menschen dem Verderben ent­ronnen sind. Er läßt sich aber durch Ea's Zureden versöhnen und versetzt Noah und sein Weib nach der Insel der Seligen.

Soweit der te linschriftliche Sintfluthbericht. Wie man sieht, ist er beinahe identisch mit dem biblischen, nur daß in der Bibel die Sage auf den Glauben an einen Gott zugeschnitten ist. Die Aehnlichkeit ist so groß, daß es nicht einnial möglich ist, anzunehmen, es handle sich um eine den semitischen Völkern ge­meinsame Tradition: wenn beide Sagen von einem gemeinsamen Ursprung aus unabhängig von Geschlecht zu Geschlecht mündlich weiter überliefert worden wären, hätten sie im Laufe der Jahrtausende so stark anseinandergehen müssen, daß nicht diese frappante Uebereinstimmung bis auf den Namen des Helden Noah, der hebräisch sinnlos ist, vorhanden sein könnte. Die Frage ist vielmehr nur die: ist der bibl sche Bericht, beziehungsweise sind die beiden biblischen Berichte aus dem babylonischen geschöpft oder un­gelehrt? Die Antwort kann heute keinen Augenblick zweifelhaft sein. Gleich so vielem Anderen haben die Juden auch den Sintfluthbericht aus Mesopotamien  entlehnt. Der babylonische Fluthbericht geht mit dem ganzen Nimrod  - Epos nach astronomischen Beziehungen in dem Gedicht in eine Zeit zurück, zu der die Frühlings­sonne noch im Zeichen des Stiers stand, vor 2000 v. Chr., als das jüdische Volk noch nicht eristirte.

Zugestanden, daß dem biblischen Sintfluthbericht feine Selbstständigkeit zukommt, daß vielmehr der babylonische seine Quelle ist, so erhebt sich die Frage, was für ein Faktum dem babylonischen Bericht zu Grunde liegt. Gewisses ist darüber naturgemäß nicht zu sagen; aber sehr ansprechend ist die Annahme des Wiener Geologen Sueß, daß in uralten Zeiten eine durch Erdbeben verursachte Fluthwelle aus dem Meer, begleitet von Wolfenbrüchen und Wirbelstürmen, sich über die Niederungen an der Mündung von Euphrat  und Tigris ergossen und Millionen von Menschenleben vernichtet habe. Darnach wäre dann die babylonische Sage eine durch mythischen Beisaz veränderte Er­innerung. innerung. Aehnliche Ereignisse, wie sie ja heute noch in verschiedenen Welttheilen vorkommen, weiden denn auch den übrigen Fluthsagen zu Grunde liegen, soweit sie nicht einfach mythischen Charakters sind.

Die Erzeugung von Wohlgerüchen.

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Von P. M. Grempe.

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us geschichtlichen Ueberlieferungen wissen wir, daß schon im Alterthum die Völker des Orients Parfümerien mannigfacher Art in großen Mengen verbrauchten. Wie beliebt die Aromatas waren, welche Aufgaben und Wirkungen ihnen zu­geschrieben wurden, zeigt am besten die Bemerkung des( im ersten Jahrhundert nach Christi lebenden) griechischen Schriftstellers Plutarch  :" Wegen ihres Wegen ihres angenehmen erfrischenden Duftes wird nicht allein angenehmen erfrischenden Duftes wird nicht allein die Luft verändert, sondern der durch sie erschütterte Körper wird auch zum Genusse des Schlafes ge­schickt gemacht. Die Sorgen, die den Tag über bedrückten, werden zerstreut, ja auch die Einbildungs­kraft wird gleich einem Spiegel geglättet."

Bei den Völkern des Alterthums fand denn auch eine nach unseren Begriffen sehr verschwenderische Verwendung gut riechender Stoffe statt. Die Orien talen verbrauchten nicht nur Parfimerien zu Näuche­rungen und in Form von wohlriechenden Wassern

zum Waschen, sondern sie ricben sich auch in aus­giebigem Maße mit Salben ein und parfümirten oft sogar die Speisen und Getränke. Zur Erklärung dieser Erscheinung können im Wesentlichen zwei Gründe geltend gemacht werden: die durch die große Hize hervorgerufenen unangenehmen Ausdünstungen des menschlichen Störpers werden aufgehoben, und die wohlriechenden Blumen und Harze sind ja in tropischen Gegenden besonders zahlreich und leicht zu gewinnen. Da nun der Mensch des Alterthums die wohlriechenden Stoffe verschiedener Art sehr liebte, so ist es erklärlich, daß die Lehre, die Götter seien Freunde der Aromatas   und hätten lieblich duftende Opfer gern, sich bald in Form religiöser Vorschriften kleidete und also auch zu erhöhtem Konsum von Parfümerien beitrug. In wie großem Maßstabe wohlriechende Stoffe, besonders Weihrauch, bei den religiösen Zeremonien verbraucht wurden, läßt sich aus vielen Stellen. der Bibel ersehen, und noch heute wird bekanntlich in katholischen Kirchen Weihrauch" verbraucht.

Es würde zu weit führen, hier eingehend die Mittel und die Art und Weise der Parfümeric Erzeugung des Alterthums zu erörtern; es dürfte genügen, nur kurz auf die wichtigsten Aromatas jener Zeit einzugehen. Fiir die Zusammenstellung des Pulvers zum Weihrauch findet sich im zweiten Buch Moses   folgendes Rezept: Balsam, Stafte, Galbanum und reiner Weihrauch in gleichen Theilen zu Pulver gestoßen. Zum Einfetten des Körpers wurde aus verschiedenen Pflanzen gewonnenes Del benutzt; zu gleichen Zweck hergestellten Salben wurden theils dadurch gewonnen, daß man dem Del aromatische Stoffe zusetzte, theils aber fand auch der flüssige Theil des Myrrhenharzes als sogenannte natir­liche Salbe" Verwendung.

Die

Für die Entwickelung und Verbreitung der Par fümeriekunst des Mittelalters waren die Kreuzzüge von großer Bedeutung; das Abendland lernte das durch neue Wohlgeriiche kennen und die in Italien  und Frankreich   schon eifrig betriebene Erzeugung von Aromatas   nahm einen wesentlichen Aufschwung. Die Entwickelung der französischen   Parfimerie- Erzeugung wurde durch den großen Konsum des Hofes( Lud wig XV. allein ließ jeden Tag seine Wohnräume mit einer anderen Parfümgattung besprengen) so gefördert, daß Frankreich   bis vor nicht langer Zeit auf dem Gebiete dieser eigenartigen Industrie un erreicht dastand. Erst in den letzten Jahren hat sich in Deutschland   aus kleinen Anfängen heraus die Parfümerie- Produktion so verbessert und gehoben, daß sie jetzt auch in den Augen der ansländischen Interessenten große Beachtung findet. Unsere heutige Parfümerie- Fabrikation in Deutschland   hat denn auch bereits die ausländische Konkurrenz in empfindlichen Umfange aus dem Jelde geschlagen.

Als Rohmaterialien für dieses chemische Kunst­gewerbe kommen in erster Linie die aus verschiedenen Pflanzentheilen gewonnenen Niechstoffe in Be tracht; während daneben die thierischen Sekrete: Moschus, Bibergeil, Ambra und Zibeth schon seit jeher benutzt wurden, sind die infolge der Fortschritte der Chemie dargestellten künstlichen Riechstoffe erst in neuerer Zeit gefunden und in größerem Umfange in dieser Industrie verwendet worden.

Zur Entziehung der wohlriechenden Substanzen aus den Pflanzen kommen im Wesentlichen folgende Verfahren in Betracht: Gewinnung durch Pressung, durch Destillation im strömenden Wasserdampf, durch das Macerations- oder Infusionsverfahren, durch Absorption( Enfleurage) und durch Extraktion.

Die Methode der Pressung kommt hauptsächlich le der Erhaltung wohlriechender Stoffe aus den Schalen verschiedener Früchte in Betracht. Bei Anwendung des hohen Druckes der hydraulischen Pressen fließen die Pflanzenstoffe in einen Behälter und es verbleibt nur ein Rückstand( Preßkuchen), der ölfrei ist. Die so gewonnene Flüssigkeit zeigt ins folge der Verunreinigung durch Pflanzentheilchen und der in den Schalen enthaltenen Flüssigkeiten eine milchige Farbe. Nach einigen Stunden ruhigen Stehens hat sich das ausgepreßte Produkt geklärt, das an der Oberfläche schwimmende Del wird ab­gegossen und durch Filtrirung gereinigt. Dieses Vers