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Die Neue Welt.
Phantasie dazu, sich zu vergegenwärtigen, wie es oben in den Bergen aussehen würde, und hätten wir unseren Uebergang einen Tag später zu machen gesucht, so würde der Versuch höchst wahrscheinlich gründlich gescheitert sein.
Daß diese verfrühte Winterlandschaft sich erst jenseits des Karrerseepasses nach und nach verlieren würde, lag auf der Hand, und so nahmen wir denn das Anerbieten unseres Wirthes an, uns nach Welschnofen zu fahren, wo das Gröbste hinter uns lag; wir wären sonst bis auf die Haut durchnäẞt nach Bozen gekommen. Es wurde immer winterlicher, je näher wir der Höhe der Karrerseepasses famen, und als wir dieselbe erreicht hatten und im Rosengartenhof einkehrten, fehlten zur WeihnachtsSzenerie nur noch die Schlitten.
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Der Nosengartenhof verdankt gleich dem unweit entstandenen großen Karrerseepaß- Hotel sein Dasein der neuen Kunststraße, die von Welschnofen im Anschluß an die Eggenthalstraße über den Karrerseepaß nach dem Fassaoder Falzthal führt. Früher stand nur ein kleines bescheidenes Wirthshäuschen, die Alpenrose", hier, in dem ich vor Jahren, spät im November, der Gast der Straßenbau- Ingenieure war, die in diesem Wirthshäusel ihr Baubureau auf geschlagen hatten. Jetzt mögen die bescheideneren Touristen dem Rosengartenhof zufallen das Karrerseepaß- Hotel ist nur für Kommerzienräthe, Engländer usw., die in eigenem Geschirr angerollt kommen, und die bestaubten Fußwanderer würden sich auch unter all den Proßen sicher sehr unbehaglich fühlen. Ich habe kaum einen Blick auf das Hotel geworfen, das in der allernächsten Nachbarschaft des stillen, grünen, melancholischen kleinen Sees, in dem die
Geistersehen.*
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ie Schiffer auf den Frieseninseln meinen: Henn Einer unferging im fernen Meere, Dah dann sein Seift zur Heimath wiederkehre, Als düffrer Trauerbote für die Heinen. Schon Manchen fah im Dorfe man erscheinen: Birr hängt um's Haupt das Haar, das wasser schwere,
2nd traurig starrt fein glanzlos Hug' in's Leere, Dah, wer ihn wandeln sieht, beginnt zu weinen.
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Thr hörf's, und spöttisch lächeln Sure Mienen; Ich aber hab' in grauer Dünenwildniß Des Seemannsglaubens Wahrheit tief empfunden.
Wie oft, wann's dämmert, ist mir dort erschienen Der todten Liebe bleiches Mebelbildniß And, wie ein Traum, dem feuchten Blick entschwunden!
Reinhold Fuchs.
Die Töchter des Fischers. Ein anspruchsloses Motiv, wie es sich am Strande des Fischerdorfes zur Fangzeit Tag für Tag ergiebt, hat der Maler in unserem Bilde frisch dargestellt. Es erzählt keine Geschichte, es giebt eine fesselnde Stimmung treu und eindrucksvoll wieder. Früh schon am Tage sind die Fischer hinausgezogen auf die hohe See, jetzt am Nachmittage sollten die Boote wieder anlaufen, und die Töchter der Fischer warten auf sie mit Nezzen und Körben, in denen der Fang heimgebracht werden soll. Es sind jugendfrische Mädel, und die weißen Häubchen stehen gut zu den anmuthigen Gesichtern. Noch sind die Boote nicht in Sicht, aber so viel Zeit, sich behaglich in den Sand zu setzen, ist doch eigentlich nicht mehr: die Neze müssen ausgebreitet werden, und die thätigere jüngere Schwester wendet sich lächelnd an die ältere, fie aus ihren Träumereien zu wecken... Ein frischer Wind steht gerade auf das Land, in langen Kämmen wälzen sich schäumend die Wellen
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Jülustrirte Unterhaltungsbeilage.
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fahlen Zacken und Zinnen der Latemargruppe sich spiegeln, sehr wenig am Plage ist und ein fremdes, störendes Element in die hochpoetische Landschaft bringt, und die Menschenklasse, die in diesen modernen, „ feinen" Riesen- Karavanserais der reisetollen Kulturwelt sich breit macht, ist mir so zuwider, daß ich wohl sagen kann: Selbst in den Bergen athme ich erst dann leicht und frei, wenn ich die Negion der Hotels unter mir habe und emporgeflommen bin in die Region der einfachen, aber sauberen und schmucken Hiitten". So geht es gewiß noch Tausenden von Denen, die man vorschnell als waghalsige Berg fere" abthut; sie müssen eben hoch hinauf in die wilden und unzugänglichen Regionen der Bergwelt, um sich als Menschen zu fühlen und der Natur Ilopfenden Herzens in die dunklen, geheimnißvollen Angen zu schauen. Gewiß ist das Bergsteigen fiir Viele auch nur eine Modesache und sie wollen nur mi reden und mitrenommiren und dem biederen Philister eine Gänsehaut verursachen können, aber man möge das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und nicht vergessen, daß unter den Kletterern auch die echten Naturfreunde sind, die tapferen, lauteren, freiheitsdurstigen Herzen, die dort oben den Naturzustand suchen und die aufjauchzen im Kampfe mit den ungebändigten, übermächtigen Gewalten, die immer sein werden, wie sie von Anbeginn gewesen.
In Welschnofen hielten wir Mittagsrast und verabschiedeten unser Fuhrwert, um thalab gen Kardann an die Südbahn zu ziehen. Ich kannte den Weg durch's Eggenthal mit seinen zahlreichen Kunstbauten, Sprengungen usw. nur von einem Nacht marsch, den ich einst beim Schein der Spanjackel mit Santner ausgeführt; gegen die schauerliche, er
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hera, eine schwere Dunist.uft lagert über den Meere, aus dem sich am Horizont, jezt noch von der Sonne goldig umsäumt, eine Wollenwand hebt.
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Das Alter der Brillen. Gewöhnlich nimmt man an, daß die Brillen von den Arabern ungefähr im 11. Jahrhundert erfunden und von ihnen nach Europa gebracht worden seien, wo sie sich bereits in 12. und 13. Jahrhundert vorfinden. Der Name stammt von Beryll, einem meist grünlichen, durchsichtigen Mineral mit Glasglanz, das im Mittelalter gleichbedeutend mit Glas gebraucht wurde. Waren also die Brillen zur Verbesserung des Cehens bei Kurz- und Weitsichtigen schon im frühen Mittelalter bekannt, so waren sie im Alter= thum nach der gewöhnlichen Annahme etwas vollständig Unbekanntes. Dem gegenüber macht jetzt der Wiener Augenarzt Futala im Archiv für Augenheilkunde" auf einige Stellen in alten Schriftstellern aufmerksam, aus denen er den Schluß ziehen zu können meint, daß die Brillen schon mehrere hundert Jahre vor Christi Geburt, wenn auch nicht allgemein, so doch vereinzelt von wohlhabenden Leuten gebraucht wurden. Bekannt ist ja die Angabe, daß Kaiser Nero, der im Jahre 68 vor Christi Geburt starb, die Gladiatorenspiele im Zirtus mit Hülfe eines tonkaven Smaragds betrachtete. Man hat diese Angabe des Plinius bei ihrer Vereinzelung dahin zu deuten gesucht, daß es sich hierbei um einen Hohlspiegel gehandelt habe, mit dessen Hülfe der Kaiser die Spiele betrachtete. Doch weist Fufala darauf hin, daß eine solche Deutung auf ganz unmöglichen Voraussetzungen beruhe und daß es sich zweifellos um eine Benutzung des Smaragds in derselben Weise, wie wir die Brillen benutzen, gehandelt habe. Aber auch in den Lustspielen des Plautus( 254 bis 184 vor Christi Geburt) findet Fukala einige Stellen, die auf den Gebrauch von Brillen hindeuten. Ebenso wird ja auch von den Druiden, den Priestern der alten Kelten in Gallien und Britannien, berichtet, daß sie bei der Beobachtung der Sterne Smaragde zur Vergrößerung oder Verdeutlichung der erblickten Objekte benutzten. Nach alledem scheint es also, daß schon lange vor Christus Linsen zur Vergrößerung fleiner Gegenstände und zur Verbesserung des Schens bekannt gewesen sind, also zu einer Zeit, zu der man über den Gang der Lichtstrahlen und dessen Gesezmäßigkeiten nur sehr unvollkommene Vorstellungen hatte. Probiren ging eben auch hier, wie so oft, über Studiren.
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Der Gebrauch des Aluminiums. Als vor wenigen Jahren die Methoden der Aluminiumgewinnung so außerordentlich vervollkommnet wurden, daß dieses silber= glänzende leichte Metall in großen Massen zu geringem Preise hergestellt wurde, da glaubte man vielfach, daß die Zeit des Eisens vorbei sei und daß das kommende Jahr
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habene Wildheit jenes Nachtmarsches, bei dem jedes Stückchen Weg tiefer hinein in den Schlund der Hölle Dantes zu führen schien, fiel natürlich dieser Marsch im ehrlichen Tageslicht empfindlich ab und ich habe es wieder tief empfunden, wie poetisch die Nacht, wie prosaisch der Tag sein kann. Es war eigentlich schade, denn für Den, welcher nicht bei Nacht und bei irrem Fackellicht diese Straße gezogen ist, hat sie auch bei Tage des Wilden und Phantastischen gerade genug und darf für ein Schaustück des siidtiroler Landes gelten, wie denn überhaupt die sämmtlichen Eingänge in die Dolomiten außer ordentlich reizvoll sind: Vilnöß- St. Peter, Weidbruck- St. Ulrich, Blumau- Tiers und KardannWelschnofen wetteifern miteinander, und jeder dieser Wege hat Vorzüge vor allen anderen.
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In Kardann ward noch einmal gerastet; im Oktober zur Zeit der Weinlese, wo jedes Dorf nach Most duftet und jedes Fuhrwerk, dem man Legegnet, ein Stückfaß geladen hat, befindet sich Alt und Jung in einer feucht- fröhlichen Stimmung, und diese Stim mung steckt auch den Nüchternsten an und nimmt ihm den Muth, die Frage der Kellnerin: Noch ein Viertele?" mit einem rauhen: Nein!" zu beantwor ten. Sie zechen Alle, Männlein wie We blein, und sind mit einem leichten Näuschchen doppelt genießbar, weil doppelt menschlich. Unseren Freund Santner biißten wir hier ein; er blieb fleben und hat später sogar noch mitgetanzt; wir Anderen marschirten in goldigem Abendlicht hinein nach Bozen , nicht ganz frei von einem Fescheidenen Stolze darauf, sicherlich die Letzten gewesen zu sein, die in diesem Herbst den Grasleitenpaß überschritten und in den beiden Leipziger Hütten gerastet hatten.
hundert dem Aluminium gehöre. Seine Masse ist schier unerschöpflich, besteht doch ein Zwölftel der Erdoberfläche aus Thonerde, aus welcher das Aluminium gewonnen wird; es ist sehr dehnbar und läßt sich daher zu dünnem Draht ausziehen und in dünne Blättchen ausschlagen; es schmilzt erst bei 600 Grad und ist in heißem und faltem Zustande äußerst widerstandsfähig gegen die Luft; ebenso erweist es sich gegen viele andere chemische Agentien, z. B. gegen Salpetersäure, sehr widerstandsfähig. Da hierzu ein schöner Glanz und seine Leichtigkeit kommt, so schien die Verdrängung des Eisens unvermeidlich; hat doch dieses schwere, unscheinbare Metall nur eine sehr geringe Widerstandskraft gegen Säuren und wird es dochy sogar in der feuchten Luft mit Nost überzogen und bis in's Innerste zerfressen.
Und doch hat in dem 6-7jährigen Kampfe der beiden Metalle das Eisen den unbestrittenen Sieg davon getragen, und heute denkt Niemand mehr an seine Verdrängung. Diesen Sieg verdankt das Eisen vor Allem seiner vollendeten Gußfähigkeit, sowie der seiner Legirungen mit wenigen Prozenten Kohlenstoff, ferner seiner außer ordentlichen Elastizität und Härte, seiner unerreichten Festigkeit und seiner großen Schweißbarkeit, Alles Gigenschaften, die dem Aluminium abgehen. Freilich ist die Aluminiumproduktion enorm gestiegen, im Jahre 1897 betrug sie mehr als 2 Millionen Kilo gegen 3/4 Millionen Kilo im Jahre 1892; doch erreicht sie noch nicht den 15. Theil der Eisenproduktion, und was das Merkwürdigste ist: mehr als die Hälfte der gesammten Aluminiumproduktion wird bei der Eisenverarbeitung gebraucht. 1/10/20 Prozent Aluminium dem Gußeisen zugesetzt, verhindert die zwar geringe, aber doch störende Blasenbildung. Auch Schmiedeeisen, das erst bei 1600 Grad schmilzt und zum Gießen viel höher erhitzt werden müßte, da es sich beim Gießen rasch abkühlt, wird dünnflüssig und läßt sich tadellos gießen, wenn man ihm beim Schmelzen 1 Prozent Aluminium zusetzt. Auch mit anderen Metallen konnte Aluminium in neuester Zeit legirt werden; so geben 95 Prozent Kupfer und 5 Prozent Aluminium die prachtvolle goldgelbe Aluminiumbronze, die vielfach zu Schmuckgegenständen verwendet wird. Eine andere Aluminium Kupfer- Legirung( 90 Prozent Kupfer mit 10 Prozent Aluminium) übertrifft an Festigkeit selbst das Schmiedeeisen und den Gußstahl; doch läßt sich bisher noch kein völlig gleichmäßiges Material hieraus herstellen, was einer Verwendung im Großen vorläufig im Wege steht. Im Allgemeinen muß man sagen, daß das Aluminium fein Koufurrent des Eisens, sondern ein wesentliches Hülfsmittel bei seiner Verarbeitung geworden ist.- b.
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Nachdruck des Juhalts verboten!
Berlag: Samburger Buchbruckeret und Berlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg . Druck: Mar Bading in Berlin .
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