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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
guiigungen, Vermeidung von Wucher und allen Geschäften, welche einen damit verwandten Charakter haben, freiwillige Armuth und Unterstützung der Mittellosen. Giitergemeinschaft wurde nicht eingeführt; doch war es Cebot, daß Jeder nach Kräften den Armen unterstigen miisse.
Die höchste Gewalt stand bei der Synode, bei der alle Priester oder geistlichen Vorsteher der Gemeinde zu erscheinen berechtigt waren. Priester konnte Jeder, auch ein einfacher Bauer oder Handwerfer werden. Der Synode waren Alle unbedingten Gehorsam schuldig. Die Leitung der Geschäfte unter gewöhnlichen Verhältnissen war in den Händen eines engeren Rathes von zehn bis zwölf Mitgliedern, welche durch Vertreter aller Gemeinden gewählt wurden. An der Spize stand der Senior oder Aelteste, welcher auch die Priester aufnahm und weihte. Der Priester hatte die Aufgabe, Kinder und Erwachsene zu unterrichten, zu predigen, Beichte zu hören, das Abendmahl auszutheilen, besonders aber das sittliche Leben seiner Untergebenen zu überwachen und durch seine Ermahnungen Sinden vorzubeugen. In den Zeiten der Verfolgung wurden dem Hausvater innerhalb seiner Familie die Funktionen eines Priesters übertragen. In einem Synodalbeschluß des Jahres 1504 heißt es: Was das Verbot der Versammlungen durch die weltliche Macht betrifft, so wird beschlossen, daß man sie für einige Zeit, wo es nothwendig ist, unterlassen soll. Und unterdessen wird allenthalben den Hausvätern befohlen, daß ein jeder sich in den Häusern mit seinem gläubigen Gesinde am Sonntag zum Früh- und Nachmittagsgottesdienst bei verschlossenen Thüren versammle. Und wenn der Hausvater oder ein Anderer lesen faun, soll er Etwas vorlesen und womöglich auch ein Lied singen oder eine Ansprache halten oder das Alles thun und zum Gebet ermahnen. Item soll er zu Hause seine Kinder unterrichten. Item zu passender Zeit, wenn es möglich ist, eine geheime Versammlung abhalten, nicht zu zahlreich, auch nicht aus verschiedenen ferngelegenen Orten, sondern wenige und besonders zum Genuß des heiligen Abendmahls."
Verstanden es die Brüder, in der Noth den Zusammenhalt zu wahren, so machten sich die verschiedenen Strömungen in der Unität um so heftiger in ruhigeren Zeiten geltend. Jummer mehr nahm die gemäßigte Richtung überhand, gemäßigt in Bezug auf ihr soziales Programm. Die bedeutendsten Führer der gemäßigten Nichtung waren Prokop von Neuhaus und Lukas von Prag ( gestorbent 1528). Durch ihren Einfluß kam ein Synodalbeschluß zu Stande, welcher unter gewissen Einschränkungen den Eid, den Kriegsdienst, den Handel, den Besiß von Reichthümern und die Bekleidung von Aemtern für zulässig erklärte. Die Minorität unter Führung des Bruders Amos wollte sich damit nicht zufrieden geben und schied nach längeren Streitigkeiten 1498 endgültig aus der Unität. Nach wenigen Jahrzehnten verschwinden die Amositer vollständig, die Briider aber behaupten sich, freilich um den Preis ihrer selbstständigen Bedeutung. Immer mehr wuchs der Einfluß der Wohlhabenden in der Brüderschaft, so daß das Schicksal der Brider eins wurde mit dem des protestantischen, überhaupt nicht katholischen Adels. Der letzte Versuch, die Brüder, denen man ihren Ursprung nicht verzeihen konnte, auszurotten, ein Versuch, an dem sich mit besonders eifrigem Haß der utraquistische Adel betheiligte, fand im Beginn des 16. Jahrhunderts statt. Nachdem der König Wladislaw schon im Jahre 1503 infolge des Drängens seiner Gemahlin und einiger seiner Räthe dem Landesunterkämmerer den Befehl gegeben hatte, in den Königlichen Städten und auf den Gütern der Krone alle Priester der Briider zu verhaften und diese selbst zum Besuche der Kirchen zu zwingen, nahm im Juli 1508 der Landtag ein Gesetz gegen die Brüder an, das in die Landtafel eingetragen wurde und für das ganze Land Gültigkeit haben sollte. Alle ihre Versammlungen wurden verboten, ihre Bücher sollten verbrannt, ihre Lehrer und Vorsteher zur Belehrung vor katholische oder utraquistische Geistliche gestellt und, wenn sie hartnäckig blieben, zur Bestrafung dem Oberstburggrafen
überliefert, die Brüder selbst durch Belehrung zur Ablegung ihrer Irrthümer bewogen werden. Das Gesetz wurde streng bis zum Jahre 1516 durch geführt, aber trotzdem wuchs die Unität in diesem Zeitraum sehr rasch.
Ganz unabhängig von dem politischen Zwiespalt in der Brüderschaft war der Streit, der um Nußen oder Schaden der gelehrten, d. h. insbesondere sprach wissenschaftlichen Bildung geführt wurde. So sehr die Brüder darauf bedacht waren, die Kenntniß des Lesens und Schreibens unter ihren Anhängern zu verbreiten, im Allgenieinen die Volksbildung zu heben, so wenig wollten sie großentheils von einer besonderen Ausbildung ihrer Priester wissen, damit diese den Theologen anderer Konfessionen gewachsen seien. Der schon erwähnte Lukas von Prag , selbst ein Mann von ganz hervorragender Bildung, äußert sich in der brüderischen Antwort auf Luther's Schrift" ( 1523) sehr abfällig über das„ Doctorenthum der Gelehrsamkeit"." Wir denken und halten," sagt er, ,, für den Schlüssel der heiligen Schriften und für die goldene Nichtschuur, welche der Antichrist durch seine Gelehrten gestohlen und versteckt hat, den allgemeinen christlichen Glauben... Die Schüler geben wir zur Belehrung darin den Pflegern und Vorstehern, damit sie, beginnend bei den Buchstaben und ersten Wahrheiten, lernen, Alles erwerben, haben und gebrauchen, ohne alle müßige und unnüße Dinge... Wir lehren nicht den Gedanken und Verstand der heiligen Schrift um des Denkens und Verstehens selbst willen, welches nur zu Aufgeblasenheit und Zank führt, sondern um der Befolgung und des Thuns willen, damit so die heilsame Kenntniß mitgetheilt werde, denn nicht die Hörer des Gesetzes oder Die davon sprechen, werden gerecht, sondern die Thäter."
Kaisers dem Religionsfrieden in Böhmen nicht ges dient. Die Gruppirung der Parteien war eine andere geworden. Die Utraquisten gingen in den Katholiken auf, auch formell, die Briider in die Protestanten, obgleich hier äuzerlich ein Unterschied gewahrt wurde. Das Schicksal der Protestanten besiegelte auch das der Brüder, die mit dem dreißigjährigen Kriege überhaupt verschwinden.
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Der lezte Bischof der Unität war Comenius , einer der berühmtesten Pädagogen aller Zeiten. Die Volkstilungsbestrebungen der Brüder haben eine ausführliche Würdigung durch J. Müller erfahren, der in seinem Buche Die deutschen Katechismen der böhmischen Brüder" eine Menge Material zur Geschichte des böhmischen Volksschulwesens zusammenträgt. Die Brüder bemühten sich so erfolgreich, die Kenntniß des Lesens und Schreibens zu verbreiten, daß ihre Gegner sie deswegen beschuldigten, sie ständen mit dem Teufel im Bunde! Große Verdienste erwarben sich die Brüder auch dadurch, daß sie die Deutschen die tschechische, die Tschechen die deutsche Sprache lehrten und so die nationalen Gegensäge mildern halfen. Mit dem Eindringen des Humanismus konnten sich auch die Brüder nicht mehr dem Studium der alten Sprachen verschließen. Der Erfolg war ein bedeutender. Die Uebersezung des Neuen Testaments in's Tschechische durch den Bruder Blahoslaw wird mit Recht Luther's Uebersetzung gleichgestellt, und die in Brüderkreisen entstandene Uebersezung der Bibel ist noch heute uniibertroffen. Wenn also die Brüder sich auch nicht behaupten konnten, so war ihr Wirken doch nicht ohne Bedeutung für das böhmische Volk.
Das Lutherthum blieb auch so ziemlich einflußlos die Erforschung der nördlichen Durchfahrt.
auf die Entwickelung der Brüder, die anfänglich sehr darauf bedacht waren, nicht mit den Protestanten verwechselt zu werden, ebensowenig wie mit anderen, der Verfolgung ausgesezten Sekten, wie es beispielsweise die Wiedertäufer waren. Deshalb schafften die Brüder die Wiedertaufe ganz ab, und gewannen dadurch immer mehr Unterstügung in Adelskreisen. Und als über den Adel zur Zeit des schmalkaloischen Krieges ein Strafgericht hereinbrach, mußten die Brüder am meisten leiden. Es war nämlich in Böhmen zum förmlichen Abfall von König Ferdinand gekommen. Unter den acht adeligen Mitgliedern der provisorischen Regierung befanden sich vier Brüder. Als die Bewegung niedergeschlagen war, stellten die Utraquisten, um alle Schuld von sich abzuwälzen, die Senioren der Brüder als die Anstifter der Erhebung hin. Der König, der in den Brüdern das größte Hinderniß der von ihm geplanten religiösen Einigung aller seiner Unterthanen sah, war es sehr zufrieden, aller seiner Unterthanen sah, war es sehr zufrieden, als ihn am 18. September 1547 beim Verlassen der Schloßkirche die Vertreter der katholischen id utraquistischen Geistlichkeit an der Thiire erwarteten und ihn um„ Schutz" gegen die Brüder baten. Aufangs Oftober erschien eine Königliche. Verordnung, durch welche das Mandat König Wladislaw's vom Jahre 1508 strenge mit rückwirkender Kraft erneuert wurde. Einige Monate darauf erschien ein neues Dekret, welches die Schließung der Bethäuser der Brüder und die Verhaftung ihrer Prediger anordnete. Die auf königlichen Herrschaften ansässigen Mitglieder der Unität wurden aus Böhmen und ganz Desterreich ausgewiesen, worauf einige Hunderte theils nach Preußen, theils nach Polen , gingen. Die Senioren entzogen sich der Verhaftung durch die Aufsuchung von Verstecken. Der Vorsteher der Unität, Bruder Augusta, wurde zu einer geheimen Unterredung nach Leitomischt gelockt und dann festgenommen. Sechzehn Leitomischt gelockt und dann festgenommen. Sechzehn Jahre schmachtete er im Kerker, mehrmals in grauſamſter Weise gefoltert. Trozdem erreichte König Ferdinand seinen Zweck nicht. Ferdinand seinen Zweck nicht. Die Unität wuchs und wuchs, freilich mehr in die Breite als in die Tiefe. Als Maximilian II. auf den Thron kam, wollte er öffentlich zwar von einer Aufhebung dieser Tekrete nichts wissen, ließ aber die Verordnungen nicht ausführen und versprach mindlich einer Deputation der Briider, ihnen ein gnädiger Herr seit zu wollen. Doch war mit dieser schwan enden Haltung des
( Schluß.)
Von Helene Borchardt.
u gleicher Zeit war das amerikanische Festland vom Binnenlande aus auf Landerpeditionen erforscht worden. Die erste Franklin'sche Expedition, 1819, welche bis zur Mündung des Kupferminenflusses vordrang, ist durch die zahllosen Gefahren und Leiden, die sie traf, zu einer fiir jie allerdings traurigen Berühmtheit gelangt. Auf der Nückreise nach einer Hütte, die Franklin zur ersten Ueberwinterung errichtet hatte, und wo die Erpedition Proviant zu finden hoffte, war die Entkräftung der Leute so groß geworden, daß sie zum Zurücklegen der letzten sechs Meilen volle vier Tage brauchten. Als sie endlich die Hütte erreicht hatten, war keine Spur von Vorräthen in ihr zu entdecken. Volle 27 Tage blieben sie trotzdem in der elenden Hiitte, da die Kräfte zu einem Mars.he nicht mehr ausreichten. Aus Rennthierhäuten, gebrannten Knochen und Pergament fochten sie eine Art Brei, mit dem sie ihr Leben zu fristen versuchten. Gerettet wurden sie schließlich durch einige Indianer, welche ihnen Lebens mittel brachten; doch ist es begreiflich, daß die meisten Mitglieder der Expedition zu Grunde gegaugen waren, als die Hülfe fam. Nur vier, unter ihnen Franklin selbst, überstanden die furchtbaren Strapazen.
Auf seiner zweiten Erpedition, 1825-1827, ging Franklin von der Mündung des Mackenzie aus westlich, während Nichardson sich östlich, wandte; gleichzeitig war Kapitän Beechen durch die Bering straße bis zum Kap Barrow vorgedrungen, hatte jedoch den geplanten Anschluß an die von Franklin geleitete Landerpedition nicht erlangt.
Es war allmälig vollständig flar geworden, daß sowohl eine nordwestliche als nordöstliche Durchfahrt, sowie auch eine rein nördliche im Osten Grönlands über Spißbergen, wenn sie überhaupt eristirte, für die Schifffahrt nach Ostasien und Judien oder nach den nordwestlichen Theilen von Amerika ohne jeden Nuzen sei, da eine gefahrlose Handelsstraße jedenfalls nicht eristirte, so daß ein Handelsschiff niemals darauf rechnen konnte, ohne im Gise einzufrieren, seinen Weg fortsezen zu können. Die Wahrscheinlichkeit sprach sogar dafiir, daß ein einmal eingefrorenes Schiff nicht wieder loskommen, sondern