Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

von hundertstimmigen, brausenden Hochs! und aber­mals Hoch!" unterbrochen, der Gesinnung der Ar­beiter ihrem Bauführer gegenüber beredten Aus­druck gab.

Im Verlaufe derselben Woche ordnete der Jn genieur an, daß den geschickteren Arbeitern ein höherer Lohn gezahlt werde und setzte auch bei den Partie- Aeltesten sowie den einflußreicheren Arbeitern eine entsprechende, höhere Bere hnung der Arbeiten durch. Schon am Samstag fonnte man die Ver­besserungen wahrnehmen, indem bei der Auszahlung die Ausgaben um volle zwölf Prozent gestiegen waren. Als aber acht Tage später die Auszahlung nach dem neuen, von dem Ingenieur ausgearbeiteten Tarif vor sich ging, konnte der Rechnungsführer Herrn Chladet eine Berechnung vorlegen, laut welcher die Arbeit mit einem Male um ein volles Viertel theurer geworden war.

Der Unternehmer schwieg. Bei dieser Auszahlung verhielt er sich überhaupt merkwürdig still; zu Hause jedoch, als er vor dem Schlafengehen sein übliches Gläschen an den Mund führen wollte, blieb er ver­buzt stehen:

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Darin stedt etwas," brummte er. So lange ich lebe, ist es mir nicht vorgekommen, daß ich mir anstatt Sherry aus der Flasche, aus der Kanne vom Waschtisch Wasser eingeschenkt hätte. Eine bedeutungs­volle Geschichte! Herr Zaul, Herr Zaul, mit Ihnen ist etwas nicht in der Ordnung!"

( Fortsetzung folgt.)

Unsere Herbstfestzeit.

Von Heinrich Tannenberg.

le christlichen Feste, die auf unsere Zeit über­kommen sind, hängen mit zahlreichen Volts­bräuchen zusammen, die uns oft gar sonder bar anmuthen und ohne tieferen Einblick in die Ver­gangenheit unverständlich bleiben. Wo die eigentliche firchliche Feier e'ngestellt ist, da haften die alten Bräuche doch noch an den betreffenden Tagen, wie beispielsweise in evangelischen Gegenden an den Terminen der katholischen Kirchenpatrone. So auf fällig diese Erscheinung ist, so erklärlich wird sie bei genauerem Hinschen.

Es ist eine Thatsache, welche der Neligions­historifer immer von Neuem feststellen kann, daß im Laufe der kirchlichen Entwickelung die Götter­gestalten des Heidenthums nicht einfach ausgerottet, sondern nur allmälig in christliche umgewandelt und namen: lich durch eigens von der Kirche gemodelte Heilige ersetzt wurden. Im Zusammenhange damit erhielten auch die alten Volksfeste, in deren Mittel­punkt ausnahmslos Götter und Geister standen, eine andere Beziehung, indem sie zu Feiern der christ­lichen Heilsgeschichte oder zu Gedenktagen der Heiligen erhoben wurden.

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Aber das Festwesen unserer Altvorderen war wenn auch stets der Kult in ihm eine Rolle spielte- doch nicht eigentlich religiösen Ursprunges; es war das Ergebniß des damaligen Wirthschaftslebens, wie dies J. Lippert in überzeugender Weise nachgewiesen hat. Auf diese wirthschaftliche Grundlage der über Leferten Volksfeste möchte ich kurz eingehen und dabei zeigen, daß auch die mit den letzteren zusammen hängende Feier in der damaligen Wirthschaftsgestal­tung wurzelt.

Unsere Vorfahren hatten in ihrem Betriebe des Ackerbaues und der Viehzucht zwei große Wende­punkte zu verzeichnen, die nicht ohne besondere Ver­anstaltungen vorübergehen konnten. Zunächst kam der Aufbruch aus den Winterquartieren, der Auszug nach den Weiden und Aeckern , auf welchen sie den ganzen Sommer verblieben. Der zweite Abschnitt des wirthschaftlichen Jahreslaufes war dann die Heimkehr in die Dörfer. Jede dieser Epochen bot Anlaß zu festlichem Leben.

Mit beginnendem Frühling versammelten die Volksgenossen sich auf der Mahlstätte, um vor dem Ausschwärmen der einzelnen Geschlechter und Fa­milien die gemeinsamen Angelegenheiten, die im

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Winter geruht hatten, zu ordnen. Vergehen waren zu fühnen und Rechtshändel zu schlichten. Man mußte den Göttern opfern und die Seelen versorgen". Gleichzeitig bot dieſes Zusammenströmen von Volks­massen Gelegenheit, Geschäfte abzuschließen und Waaren auszutauschen, und wo immer die Alten zusammenkamen, da ging es insbesondere nicht ohne Spiel und Schmauserei ab. So vereinigten sich mit der wirthschaftlichen Wende im wesentlichen fünf Bestandtheile: Volksversammlung, Gericht, Gottes­dienst, Markt und Mahl.

Das wiederholte sich, wenn im Herbst die ein­zelnen Gruppen wieder nach den geschlossenen Wohn­pläzen zogen und sich auf der Dingstätte vereinigten, damit vor Eintritt des Winters, der den Verkehr unterbrach, die öffentlichen Angelegenheiten erledigt würden.

Beide Wendepunkte des Wirthschaf.sjahres waren die hohe Zeit" des Volkslebens. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß das Ganze als Messe" be­zeichnet wurde, wie auch heute das Wort sowohl fiir eine kirchliche Kulthandlung, wie für das Markt wesen gilt. In den ländlichen" Kirmessen" treffen wir unter demselben Namen noch die Vereinigung mehrerer Elemente der alten Herbstfestzeit an, ins­besondere die Schmauserei und die Opferaite mit mancherlei aus dem Kult hervorgegangenen Volks­bräuchen; zuweilen ist in Verbindung mit der Kirmes auch der Markt erhalten geblieben, oder die Termine beider Veranstaltungen liegen wenigstens dicht bei­ſammen.

Zur Schmauserei eignete sich die hohe Zeit des Herbstes mehr, als die Frühlingszeit. Die Winter­vorräthe waren angehäuft, das Vieh für den Fleisch­bedarf war gemästet, das Einschlachten nahm seinen Anfang. Die ganze Herbstfeier trägt den Stempel eines Schlachtfestes. Je nach den besonderen Ver­hältnissen erstreckte sich das Festleben über einen größeren Zeitraum, wie denn unsere Vorfahren nicht eigentliche Festtage, sondern nur Festzeiten fannten. Während hier eine Dorfschaft die Feier zeitiger be­gann, schob sie sich in einer anderen Gegend weiter hinaus. Und in der einzelnen Gemeinde selbst dehnte sich das Fest über mehrere Wochen; denn im Gegen satz zur Frühjahrsfeier nöthigte der Herbst mehr zu häuslichen Veranstaltungen, und da gleichwohl nach altem Brauche ein größerer Kreis von Dorfgenossen daran theilnahm, so mußten die Festlichkeiten sich auf die verschiedenen Familiengruppen oder Wirth­schaften vertheilen und zeitlich auseinander liegen, wodurch sich das Ganze in die Länge zog. Die wodurch sich das Ganze in die Länge zog. Die weite Zeitspanne, welche heute durch Bartholomäus und Nikolaus begrenzt wird, wurde vordem durch die herbstliche Feier ausgefüllt, und noch jetzt be= wegen sich die Kirmessen zwischen diesen beiden Ter­minen. Der örtliche Beginn richtete sich nach dem Abschluß der Erute, während das Ende von dem Eintritt des Winterwetters abhing.

Gegen dieses Feileben hatte die Kirche einen schweren Stand. Den Priestern erschien das ganze fröhliche Treiben, da es mit Opfern für die heid­nischen Götter und Geister verbunden war, als ein Greuel, und man bemühte sich, der Sache ein christ­liches Gewand zu geben. In die Periode des Früh­lingsfestes konnte die Kirche ihre großen Gedenktage lingsfestes konnte die Kirche ihre großen Gedenktage der Heilsgeschichte verlegen, und diese saugten das volksthümliche Festleben zwischen Palmarum und Johannis zum großen Theil auf. Für den Herbst­Johannis zum großen Theil auf. Für den Herbst­festfreis aber hatte die Kirche derartige wichtige festkreis aber hatte die Kirche derartige wichtige Feiern nicht zur Verfügung. Sie mußte Heiligen tage von geringerer Bezeutung einschieben, um diese zum Mittelpunkt des festlichen Treibens zu machen. Entsprechend der örtlich verschiedenen Zeitlage des Herbifestes waren solche Gedenktage in größerer Herbstfestes waren solche Gedenktage in größerer Zahl nothwendig, damit alle Gegenden getroffen wurden. So haben wir insbesondere Bartholomäus, Michaelis, Gallus, Hubertus, Martin, Andreas und Nikolaus erhalten. Um den volksthümlichen Seelen­kult, der auch von der Herbstfeier unzertrennlich war, zu christianisiren, wurde außerdem der christliche Fest­zyklus Allerheiligen und Allerseelen eingeführt.

Doch es gelang all' diesen Gedenktagen der Kirche nicht, das alte Volksfest zu verdrängen. Nicht nur, daß sich die überkommenen Bräuche mit der Heiligen

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feier verbanden: das Herbstfest behauptete auch seinen selbstständigen Fortbestand. Wir haben es in den Kirmessen noch heute vor uns. Die Kirche hat zwar diese ländlichen Feste als Kirchweihfeste gedeutet, aber sie haben mit solchen, wie ihr ganzer Verlauf zeigt, nichts gemein. Sie sind nach Namen und Charakter uralte Bauernfeste, zusammengeschmolzen aus der großen Herbstmesse unserer Vorfahren. Das Wort Kirche" in der Verbindung Kir- meß" ist wohl nur hinzugetreten, nachdem die Kirche die Stelle des alten Kultmahles eingenommen hatte, dessen Um­gebung einstmals der Festplatz der Messe gewesen war.

Da es sich in den herbstlichen Heiligenfesten um eine Zusammenziehung der Kirmeßfeier handelt, so muß nothwendig die Art, wie das Volk sie nach altem Herkommen begeht, dem wirthschaftlichen Cha= rafter der Kirmeß entsprechen. Wir finden daher die allgemeinen Kirmeßbräuche im besonderen auch an den kirchlichen Gedenktagen dieser Periode.

Am besten hat die Martinsfeier ihren ur­springlichen Charakter bewahrt. Die Schmausereien dieses Tages erinnern ganz an die Schlachtfeste der Alten. Daß dabei die Gans eine Rolle spielt, ist leicht erklärlich; sie gehört wohl zu den leckersten Braten dieser Jahreszeit. Und wenn der Mensch sich giitlich that, mußten auch die Götter und Seelen ihr Theil haben. Das ist die Bedeutung der Mar­tinsgans, die dem Heiligen beim Schmause dar­gebracht wurde, wie einst dem alten Gotte, den er verdrängt hatte. Dennoch ist die Gans keine Spezia­lität des Martinstages. Auch das Huhn kommt in in den Martinsbräuchen zu Ehren. Anderwärts zeigt sich dieselbe Vorliebe für das Schwein, und im Volte wird geradezu von Speckmärten" ge­sprochen. In England hat man an Stelle der Martinsgaus das Martinsbeef. Die Friesen nannten den ganzen Monat den Schlachtmonat, während er bei Schweden und Angelsachsen Blutmonat hieß. Am Rhein ziehen die Kinder umher und sammeln unter Absingen des Martinsliedes Gaben ein. Darin ist ein Rest des Zusammentragens zum gemeinsamen Mahle erhalten, eines Brauches, der früher mit allen Volksfesten verbunden war. In dem Liede werden Fleisch und Speckseiten, Würste, Aepfel, Kuchen und Nüsse gefordert gewiß das Menu der alten Herbst­schmäuse. Das gemeinsame Mahl finden wir noch, wenn in Böhmen der Viehhirt an Martini seiner Gemeinde ein Abendbrot giebt. Die Martinshörner, die ein weitverbreitetes Festgebäck sind und in böh­mischen Orten beim Pathenbesuch an Kinder ver­scheuft werden, erinnern wohl an ein früher bei der Heimkehr von den Feldern und Weiden gebrachtes Geschenk oder Opfer von Kleinvieh. Auch zu Olpe in der Mark findet sich am Martinstage die Sitte der Kinderbeschenkung, und in Holland herrscht sie allgemein. Dem Heiligen zutrinken, ist ein urthiim­licher Kultbrauch; man bietet Martin den Trunt, wie früher der Gottheit, die ihn zur Labung nöthig hatte. Daß hierbei Hörner gebräuchlich sind, ist durch den primitiven Hausrath der älteren bäuer­lichen Wirthschaften bedingt worden. Den Schluß des Festes bilden die Martinsfeuer, jene aus der Vorzeit überlieferte Sitte, welche den Zweck hat, die Geister zu verscheuchen. Man will die Gäste aus der anderen Welt los sein, nachdem man mit ihnen geschmaust und berathen.

Der Martinsfeier ist das wesentlich früher fallende Fest Sankt Michael vielfach ähnlich. Es giebt ein Michaelishuhn und eine Michaelisgans; man fennt auch das Trinken der Michaelisminne. Mit Nücksicht auf den Termin hat Michael in Weinbau­gegenden die Bedeutung eines Patrons der Winzer erhalten und es wird oft schlechthin vom Wein­michel" gesprochen. Im Voltsglauben wimmelt es von Sputgeschichten und Zauberregeln, was immer auf alte Kultbeziehungen schließen läßt. Und das Bedeutsamste ist, daß auch am Tage St. Michaeli die Heren zum Blocksberg reiten.

Von den späteren Heiligentagen ist besonders Sankt Andreas populär. Wie Michaelis ein Tag der Wetterzeichen ist, so ist auch der Andreasabend in vieler Beziehung vorbedeutend. In der Andreaz­nacht schaut das Volk in die Zuunft; es ist der rechte Zeitpunkt für Orakel- und Zauberproben.