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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Und während er sich erhob und vor Hanna hin­stellte, begann er: Eigentlich hat es gar keinen Zweck gehabt, mich hierher zu zitiren. So in aller Gile und bei dieser Gefahr kann man doch keinen ver­nünftigen Gedanken fassen. Meinst Du nicht auch?" Hanna nickte.

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" Ja", erwiderte sie leise. Es war ungeschickt von mir. Aber ich wollte Dich wenigstens sehen. " Das verlohnte der Mühe!" fuhr Stefan hart­nädig fort." In einigen Tagen wirst Du mich vielleicht wieder sehen wollen."

Hanna schüttelte den Kopf.

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" Nein, nein!" sagte sie langsam. Nun weiß ich ja, daß es keinen Zweck hat, auf Dich zu bauen. Die Ferien sind ja jezt vorbei und Du bist jetzt in der Stadt. Nicht wahr, Stefan?"

,, Allerdings!" erwiderte er aufgebracht. Oder hast Du Dir gedacht, daß das ewig dauern werde? Daß ich von jetzt an nichts Anderes zu thun haben werde!"

Hanna lächelte mühsam. Je länger Stefan sprach, desto mehr empfand sie das Traurige und Häßliche dieser Situation. Sie mußte sich immer wieder be­

sinnen, was sie eigentlich wolle, und erwiderte dann halb abwesend:

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Was ich damals dachte, das weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls muß es etwas Wahnsinniges gewesen sein, sonst hätte ich mich nicht so vergessen fönnen."

Sie wollte noch sagen: Er möge sich doch an Alles erinnern, wie es gewesen sei, und daß er keine Ursache habe, die Schuld auf sie zu schieben. Sie wollte noch sagen: Er möge daran denken, wie er damals Tag für Tag keine Ruhe gegeben und ge­drängt und gebettelt habe. Doch sie bejann sich, daß dies ja auch Vorwürfe seien, nuglose Vorwürfe. Und so schloß sie blos:

Was geschehen ist, ist geschehen." Stefan sah sie an in ihrer stillen, stolzen Ruhe. Mit einem Male lag er wieder in dem Banne dieses jungen Mädchens und es kam über seine Sinne wie ein Rausch. Er hatte die Empfindung, als müsse er sich auf sie stürzen und ihren Mund mit Küssen verschließen. Aber plötzlich packte ihn die ganze Ver­zweiflung seiner Lage. Er verlor alle Besinnung und sagte mit eraltirter Stimme:

" Ich kann nicht!... Ich kann nich's machen! Das Alles geht mich nichts ant. Das ist Deine Sache, und ich will nichts mehr davon hören! Gar­nichts! Garnichts!"

Nach diesen Worten stürzte er ohne Gruß aus der Laube, durcheilte den Garten und sprang über die Hecke.

Eine Weile stand Hanna wie betäubt da und starrte der Gestalt nach, die rasch in der Ferne ver schwand. Es war ihr so seltsam zu Muthe, wie noch nie. Das... das war doch nicht möglich. Das war doch nicht derselbe Mensch, den sie im Sommer geliebt hatte?

Sie fuhr zusammen. Ein falter Schauer schiit­telte ihre Glieder.

Das also war das Ende...

Langsam kehrte sie in das Haus zurück, Langsam stieg sie die Treppe hinauf und beirat ihre kleine Kammer. Sie setzte sich auf einen Stuhl und blickte eine Weile stumpf und muthlos vor sich hin. Dann erst fam sie mit einem Male zum vollen Bewußt sein des Geschehenen und brach in ein erschütterndes

Weinen aus.

Feuilleton.

Grabschrift im Walde.

Von einem Grabstein tief im dunkeln Tann Sah'n mich grauäugig diese Worte an: Wir starben, daß Ihr leben sollt, Uns hat die Sonne auch gelacht, Nun blendet uns ihr heißes Gold, Uns liebt die Nacht.

Otto Julius Bierbaum .

Ruhe. Unter den Worpswedern, von denen an dieser Stelle schon früher einmal die Rede war, ist Karl Vinnen wohl das stärkste Talent. Er ist fast aus= schließlich Landschafter, der braune Moorgrund seiner Gegend giebt ihm die liebsten Motive. Seine Bilder haben Erdgeruch"; es ist, als steige aus den Mooren, die er malt, der Dunst auf, man hat das Gefühl, daß die Schollen weich und glitschig" sind und man einfinten müßte, könnte man darüber gehen. Bezeichnend ist, daß der Maler die Formate seiner Bilder so groß wählt, viel größer, als man es von den Landschaftern gewohnt ist das Original unseres heutigen Bildes mag wohl drei Meter in der Höhe messen: dem Künstler ist die Natur heilig, er ist so erfüllt von ihrer Größe und Schönheit, daß Alles ihm wichtig scheint, daß er jede Schattirung des Birkenstammes und jede Fichtennadel in sein Bild mit hineinbringen möchte. Trotz des großen Formats erscheinen seine Bilder nicht leer, weil wirkliches Leben in der dargestellten Natur zu spüren ist. Wie der Boden Erdgeruch ausströmt, so blühen und sprossen die Pflanzen, so wurzeln die Bäume fest in der Erde, so ziehen die Wolfen leicht über den Himmel hin. Und mit welcher Klarheit ist, wie auf allen, so auch auf unserem Bilde die Stimmung herausgebracht! Die Ruhe des Herbsttages, die goldige Ruhe, in der alle Kraft der erschöpften Erde wie aufgelöst erscheint. Ueberall tiefe, volle Farben: In mildem Glanze strahlt die Sonne von dem dunkelblauen Himmel hernieder, lichte, leichte Wolfen segeln ruhig dahin und werfen breite Schatten über das Land. Wie Säulen ragen die starken, leuchtenden Stämme der Birken am Bachrande empor, hinein in das Himmels­blau, in schwanken Umrissen kehrt ihr in den Farben ver­tieftes Bild und das der Wolfen in dem klaren Wasser­spiegel wieder. Schwere Feuchtigkeit liegt überall in der Luft, an den fahlen Zweigen der Virke hat sie sich ver­dichtet, gleichmäßig und schwer fällt Tropfen auf Tropfen herab. Und wenn der Tropfen auf den Spiegel des Baches fällt, wie gerade jezt, dann wird sein flares Bild getrübt, in fonzentrischen Ringen breitet die kleine Welle fich aus, allmälig schwindend. Dann ist wieder Alles still, die leise Bewegung verstärkt nur noch den Eindruck der tiefen Nuhe in der Natur.

Im Krater des Vulkans. In seinem Buche Meriko, Skizzen aus dem Italien der neuen Welt"( Berlin , All­gemeiner Verein für deutsche Literatur) schildert Ernst Below eine Besteigung des Popocatepetl, die er mit einigen Führern und Begleitern unternommen hat: Der Schwefelgeruch, der sich, je näher wir dem Gipfel famen, desto deutlicher bemerkbar machte, deuchte uns als ein gewisses Zeichen, daß wir uns endlich dem Ziele nahten. Endlich um ein Uhr waren wir auf dem Gipfel, nachdem wir uns zu einer legten übermenschlichen Anstrengung unserer Kräfte aufgerafft. Zuerst waren wir von Wolfen

umgeben. Dann theilten sich die Nebelschleier an einigen Stellen und gewährten hier und da blaue, lichtvolle Durchblicke in das sonnenbeschienene Land. Wie durch plöglich sich öffnende Fenster sah man, wo man nichts vermuthete als Wolfen, sonniges Gelände, dann wogten und wallten die Nebelmassen weiter darüber hin, bis sich auf einer anderen Stelle ein ähnliches Augenblicksbild aufthat.

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Wo wir standen, bot sich kaum ein Plätzchen zum Ausruhen; vor uns der gähnende Schlund des Kraters, hinter uns der steile Absturz wo sollte man da den müden Gliedern eine Rast gönnen? Der Rand des etwa 250 Fuß tiefen Kraters ist an der Ofseite niedriger, wie abgebröckelt. Allerorten um uns her am Nande sah man Dämpfe von schwefliger Säure hervorbrechen, welche die Luft verpesteten. Es ist noch ein beträchtliches Stück Weges zurückzulegen bis zur Winde am Krater. Während wir frühstückten, brachten die Führer die Winde, mittelst deren man in den gähnenden Schlund hinabgelassen wird, in Ordnung, indem sie das mitgebrachte Tau mit dem schon vorhandenen vereinigten. Es ist eine jener Winden, wie sie auch in den Bergwerken gebraucht wird: Der Strick wird um den Leib befestigt, und halb sizzend, halb hängend schwebt man hinab in den Schacht, ganz wie im Bergwerk. Der Maulthierjunge leitete die Kurbel oben, während wir uns hinunterließen. Er hatte Befehl, Morgens pünktlich wieder oben zur Stelle und unseres Winkes gewärtig zu sein.

Erst als ich zwischen Himmel und Abgrund schwebte, über mir die vorragenden Klippen, an denen ich jeden Augenblick zerschellen konnte, wenn ich mich nicht recht­zeitig mit dem Bergstock abstieß, unter mir den gähnenden Schlund von mindestens 250 Fuß Tiefe, der sich dann noch weitere 1000 Fuß in schräger Richtung nach unten fortsetzte, da überfam mich der Gedanke, daß wir den alten verwitterten Windeapparat garnicht ordentlich selbst untersucht, dann hörte und fühlte ich, wie das Tau sich an dem scharfen Gestein wetzte der Athem wurde mir beklommen. Endlich langte ich mit erleichtertem Herzen unten an. Wir standen auf einem steil abstürzenden Geröllkegel.

Vorsichtig mit dem Bergstock taftend gingen wir drei­viertel Stunden lang steil abwärts über rauhes Stein­gerölle, auf dem unsere Füße in Wollsandalen zu schmerzen begannen. Wir befanden uns nun, nachdem wir durch den schmalen Felsenspalt hinabgesegelt waren, in einem Krater von etwa 600 bis 800 Meter Durchmesser. Unter uns sahen wir ein ovales, oder besser gesagt bohnen­förmiges, von Westen nach Osten sich erstreckendes Becken, den mit Wasser gefüllten Kraterausguß; etwas darüber, wohl 50 Fuß höher, seitlich befindet sich der noch thätige Hauptkanal, der beständig unter Flammenerscheinungen Schwefel und Dämpfe ausstößt. Aber auch an allen Seiten brechen zahlreiche kleine Dampfsäulchen von schwef= liger Säure und Schwefelwasserstoff hervor, die den Schnee gelb färben und die Luft mit Schwefelgeruch erfüllen.

Um zu der gegenüberliegenden Kraterwand, wo der Hauptkanal sich befindet, zu gelangen, mußten wir eine Eisfläche überschreiten, ein sehr unangenehmer Uebergang, da die unzähligen scharfen Eiszacken, die sie bedeckten, den Füßen heftige Schmerzen und Wunden verursachten.

An den Seiten des Beckens, in dem die Schwefelmassen brodeln, seßen sich fortwährend neue Schwefelfryftalle an. Hier und da sah man Erdhäufchen wie große Maulwurfs= haufen in die Höhe quellen. Feine Rauchsäulchen und

Berantwortlicher Rebatteur: Oscar Kühl in Charlottenburg.

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bläuliche, kleine Flämmchen kamen hin und wieder daraus hervor.

Seltsam grotesk war der Blick auswärts: Von Vegetation keine Spur, fahles Geröll und Felsklippen an den Abhängen. Der Wolfenschleier war gewichen, dunkle, schwärzliche Bläue breitete sich über den Abgrund, in dem wir standen. Die Sonnenstrahlen umsäumten roth den obersten Rand des Kraters. Es war Abend geworden, ehe wir uns dessen versahen. Vom Graublan und Grauweiß in's tiefe Dunfel übergehend, grenzten sich die kalten Kluftabhänge vom Sonnengold dort oben ab. Jetzt wurde der Sonnenstreifen immer schmaler und immer stärker roth. Nun verschwand er ganz, und graus blaue Kälte lagerte über den Gipfein ringsum. Alles war still, nur dann und wann rollte herabbröckelndes Gestein auf die Eisdecke des Kraterkessels.

Je dunkler es wurde, desto glühender leuchteten die fleinen Schwefelflämmchen und die Lavamassen im bro deinden Becken, an dem wir standen. Es war oval geformt, dieses Becken des noch thätigen Hauptkanals. Troz unserer Müdigkeit ward es uns schwer, uns von diesem Verbindungskanal zu trennen.

In einer Hütte, die eigentlich eine Grotte aus Lava­gestein war, begaben wir uns zur Ruhe.

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Nus spanischem Bolksmunde. Die Fürsten wollen bei ihren Thaten Bedient sein, aber nicht berathen.

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Gut mur, der das Feuer kennt, Dem die eig'ne Kappe brennt.

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Immer in Versuchung führen Großer Hunger, off'ne Thüren.

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Hus russischem Bolksmunde.

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Als Gegner nur noch findet Plazz Auf einer Aehre ein zweiter Spaß.

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Ein Armer kann das Glück nur schwer erhaschen, Dem Reichen aber kriecht's in alle Taschen.

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Wem das Schicksal zugethan, Dem legt Eier auch der Hahn.

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Eine Hand voll Glück gilt mehr, Als ein Sack von Weisheit schwer.

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Wer Hühner dem Habicht als Futter bestimmt, Gewöhnlich nur die seines Nachbars nimimit.

Maximilian Bern .

Alle für die Redaktion der ,, Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.

Nachdruck des Juhalts verboten!

Cerlag: Hamburger Buchdruckeret und Berlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg. - Drud: Mar Babing in Berlin .

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