Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

föstigung zu einem Preise aufschwaßte, der fast sein hatte, legte er sich oft noch in das offene Fenster, das einen Blick auf die Isaranlagen bot, und träumte ganzes monatlich Ausgeseztes verschlang. vor sich hin.

Als er dann in die Zeichenschule eintrat, da fand er natürlich auch dort nicht das Erwartete. Nicht daß er faul gewesen wäre oder etwas Anderes hätte machen mögen, als er zu machen hatte, nein, aber die Art seines Lehrers, der seinen Tadel in fritlicher, unfreundlich spöttischer Weise äußerte, drückte seine niedergeschlagene Natur, die nicht so gleich erkennen konnte, was ihr fehlte, tief nieder, und seine energischen, zielbewußten Kameraden mußten naturgemäß ebenfalls deprimirend bei einem Vergleich zwischen sich und ihnen auf ihn wirken, und das Verhältniß, das sich zwischen ihnen und ihm ent­wickelte, war dem von herablassenden Herren zu

Dabei waren ihm im Anfang häufig die Bilder der Heimath erschienen. Die Mutter mit ihrer sehnigen Figur, das rothe Stopftuch umgebunden, die Kartoffel­harke über der Schulter, stand da ebenso vor ihm, wie sein Bruder im langen, schwarzen Rock, der nie gewechselt wurde und von Sonne und Regen einen griinen Schein bekommen hatte wie ein bemooster Karpfen.

( Fortsetzung folgt.)

"

"

371

führer der Bewegung war J. B. Basedow ( 1723 bis 1790); ſein ſeit 1770 erschienenes Elementarwerk" erneuerte auch die Tendenz des früher erwähnten Orbus pictus, und ist ein hauptsächlicher Ausdruck der auf Gemeinnüßigkeit" und auf natürliche Neligion" gerichteten Bestrebungen jener Zeit. Unter Basedow's zahlreichen, theils engeren, theils weiteren Nachfolgern seien genannt: der Robinson- Fortsetzer J. H. Campe( 1746-1818), der Herausgeber eines für die damalige, noch so unsystematische Pädagogik geschichtlich und kritisch werthvollen Revisions". Werkes; dann der Gründer des Schnepfenthaler Philanthropins, Chr. G. Salzmann ( 1744-1811), der u. a. eine prächtige und praktisch höchst werthvolle pädagogische Satire geschrieben hat:" Krebsbüchlein"

einem Bediensteten eher ähnlich, als einem eben die Entwickelung der neueren Pädagogik. oder Anweisung zu einer unvernünftigen Stinder­

bürtigen kameradschaftlichen Verkehr.

So verdrängten die Erfahrungen der ersten Wochen die Hoffnungen, die sich an sein neues Leben gefniipft hatten, und er begann wieder an seinen Bruder zu denken und nach dessen Vorschriften sein Leben zuzuschneiden. Nur das dünkte ihm in einer traurigen Verwirrung für Recht und Pflicht, was er nicht gern that. Wieder begann er deshalb abzu­stumpfen, betrieb seine Zeichenstudien in ähnlicher Weise, wie er früher gelernt hatte, und des Abends glitt der Rosenkranz durch seine Finger wie ehemals. In trauriger Resignation, hoffnungsloser wie je, lebte er dahin. 1

Erst durch einen Zufall wurde er aus diesem unerträglichen Zustande, aus dem ihn weder der Trubel der Großstadt, vor dem er Angst hatte, noch irgend ein freundschaftlicher Verkehr hatte reißen fönnen, befreit. Die Wäscherin, die ihm sein Weiß­zeug plättete, eine ältere Frau, Frau Niedermeyer wurde sie gerufen, fragte ihn eines Tages, als sie Wäsche bei ihm abholte, mitleidig:" Sagen's ein­mal, Herr Breitenbach, warum sind's denn immer gar so traurig und niedergeschlagen?"

( Fortsetzung.)

Von Friedrich Müller.

rüher als der Neu- Humanismus hatte sich sein Widerpart, der kurz so genannte Nealismus, entfaltet. Leider wird die Geschichtsforschung der Pädagogik diesen Entwickelungszügen noch lange nicht gerecht; dies namentlich deshalb, weil der Nealis­mus, ungleich dem nach den ersten Anfängen rasch mus, ungleich dem nach den ersten Anfängen rasch fortschreitenden Neu- Humanismus, erst viele Menschen alter später, d. i. in den allerlegten Jahrzehnten, zu einem festeren Ausbau gelangte, getragen von Personen, denen historische Interessen recht ferne liegen. Die ganze Richtung ist, wenn wir uns die liegen. Die ganze Richtung ist, wenn wir uns die Sache vereinfachen dürfen, etwa von 1700 an zu datiren. Wie da nach einer Spezialbildung für den datiren. Wie da nach einer Spezialbildung für den Ingenieur, für den Industriellen, für den Kaufmann ( hier im Zusammenhang mit der volkswirthschaftlichen Richtung des Mercantilsystems"), selbst für den Künstler gestrebt und gerungen wurde; wie sich ins­besondere das technische Unterrichtswesen, zumal seit dem 1745 zu Braunschweig gegründeten Collegium Carolinum, ganz langsam und erst in unseren Tagen,

Die Frage wunderte ihn und setzte ihn in Be- namentlich seit den sechziger Jahren, fruchtbar ent­stürzung.

" Ich?" erwiderte er verwirrt.

Andere

" No, ja," gab die Frau zur Antwort. junge Lent' find fidel und freuen sich, daß sie jung find, und Sie sind alleweil der Triibselige. Fehlt Ihnen denn was? Ich thät aus dem Loch da," sie zeigte geringschäzig um sich, ausziehen!"

"

Aber wohin denn?"

Jezt lachte die Frau.

"

München ist groß. Wissen's was, ziehen's zu mir. Mein Jüngster, der hat letthin geheirathet, und in dem seinem Stübl können S' gut wohnen; eine bessere Verpflegung wie hier friegen S' denn auch, und übervortheilen thu' ich Sie erst recht nicht!"

Wie es ging, wußte der junge Mensch nicht; in Zeit von einer halben Stunde wußte die Frau, die ihm ein großes Vertrauen einflößte, Alles, was er selbst über sich zu sagen hatte, und sie waren einig, daß Mar zu ihr ziehen sollte.

Wenn Sie erst einmal bei mir find," sagte die Frau, dann sollen S' schon wieder fidel werden, und die Mucken vergehen Ihnen ganz von selber."

-

Wirklich hatte der Zufall Mar jest gegeben, was er brauchte.

Fidel und gesellig, wie die Frau glaubte, wurde er nicht, aber eine behagliche Freudigkeit am Leben ergriff ihn bei dem einfachen, gemüthvollen Verkehr mit der Frau Niedermeyer.

Mit ihr und ihrem Manne, der Schustergeselle in einer größeren Fabrik war, verlebte er seine freien Stunden, darüber allen anderen Verkehr außer Acht Lassend, und wenn das auch nicht anregend und seinen Horizont erweiternd auf ihn wirkte, so wurde er doch durch diese Leute gefestigt, gewann einen un­befangenen, heiteren Blick, und sein Talent ent­wickelte sich unter neuen Lehrern im Laufe der Jahre zu derselben innigen Frendigkeit, mit der er als Mensch wie ein Kind unüberlegt das that, was ihm Frende und beglückendes Gefühl gab.

Vier Jahre gingen so dahin, und aus dem ver­härmten Kinde ward ein schüchterner, mädchenhafter Jüngling. Wie ein dunkler Traum lagen die Jahre unter seinem Bruder hinter ihm. Wenn er sich des Abends von dem Niedermeyer'schen Ehepaar getrennt

"

wickelte; wie die, allerdings hinter 1700 zurück­reichenden Schulen für Musik und für bildende Künste eine höchst beachtenswerthe Entfaltung er­reichten: das alles ist für den bisherigen Stand der Geschichtswissenschaft der Pädagogik so gut wie Null. Sie begnügt sich einerseits mit einem näheren Eingehen auf die Ritterakademien", Erziehungs­anstalten für junge Adlige, als eine Ergänzung des Universitätswesens besonders am Beginn des 18. Jahrhunderts blühend; sie begnügt sich anderer seits mit einer Andeutung der realistischen Momente in den damaligen Erscheinungen der Pädagogik, namentlich im Pietismus ( obschon diesem der Realis­mus nur ähnlich nahestand, wie seinerzeit der Humanismus den Reformatoren), führt uns zu E. Weigel( 1625-1699) und seinem Schüler Chr. Semler( 1669-1740) sowie zu Francke's Schüler J. J. Hecker( 1707-1768), den Schöpfern der ,, Realschule" und begleitet uns durch die Schicksale dieser Einrichtung bis heute..

"

"!

Nun aber kam die wohl weitestgreifende jener vier Richtungen des achtzehnten, des sogenannten päda­gogischen" Jahrhunderts, an die Reihe. Im Allge­meinen an das Naturideal Rousseau's anknüpfend, jedoch schon durch das Interesse für eine Bildung, die zur Tüchtigkeit für das gesellschaftliche Leben und für den bestimmten Beruf führen sollte, über ihn hinausgehend, haben die Vertreter einer eigenen Humanität oder Menschenfreundschaft", die Phi­lanthropiſten", wieder einmal die Pädagogik neu be­grinden wollen. Bemerkenswerth dabei ist dies, daß im Gegensatz zu früheren Neuanfängen dieser, trotz seines Entgegenstellens der Sache" gegen das Wort" des Humanismus, nicht nur nach Ziel, Stoff und Richtung des Lehrens, sondern auch nach Stoff und Richtung des Lehrens, sondern auch nach der Methode desselben, nach einer leichten" und naturgemäßen, speziell nach einer Anschauungsmethode suchte. Allerdings ging es dabei nicht ohne manches Forciren ab, das der ganzen Bewegung viel Miß­trauen eintrug. Das Beste an ihr war wohl die Sorge für Störperpflege, verwirklicht in mehreren als Philanthropine" bezeichneten Erziehungsinstituten, das erste 1774 zu Dessau gegründet, das zu Schnepfen thal 1784 errichtete noch heute bestehend. Haupt­

"

"

"

erziehung "; endlich F. E. v. Rochow( 1734-1805), der als der Vater der neueren Volksschule, wenigs stens der preußischen, gilt.

-

-

Nun aber ist an diese Männer in weiterer Be­ziehung noch eine Gestalt anzuschließen, die wohl den best klingenden Namen der neueren Pädagogik trägt, eine herrliche Persönlichkeit, ein Reformator im besten Sinne des Wortes, ein Meister seiner Kunst, ein trop alles Unglücks und Ungeschicks weit hinaus wirkungskräftiger und troß alles Mangels an theoretischer Durcharbeitung doch für Geschichte und System der Pädagogit ganz einzig bedeutungs­voller Mann: der Schweizer Johann Heinrich Pesta­ lozzi ( 1746-1827). Aus allem Schwanken seines historischen Bildes heraus, bis herauf zu den jüngsten Verehrungen( zumal an seinem 150jährigen Jubi­läum 1896) und zu den heutigen Einsichten in die erst über ihn hinaus gewonnenen Fortschritte der Päda­gogik dürften folgende furze Markirungen das Wesen seiner Wirksamkeit bezeichnen. Er fragte vor Allem und objektiver als seine Vorläufer nach den von der Natur gegebenen thatsächlichen Bewegungs­formen des menschlichen Geistes und wollte alles pädagogische Einwirken, weit mehr am Wie als am Was interessirt, genau darnach eingerichtet und mecha­nisirt wissen. Sein Problem war: die Elemente einer jeden Kunst durch Befolgung der psychologisch- mecha­nischen Geseze, nach welchen unser Geist sich von finnlichen Anschaumgen zu deutlichen Begriffen er­hebt, mit dem Wesen meines Geistes in Ueberein­stimmung zu bringen"( in der Schrift ,, Die Methode"). Darum ist ihm die Anschauung das absolute Funda­ment aller Erkenntniß"." Ich will allenthalben An­schauung dem Wort und bestimmte Kenntniß dem Urtheil vorhergehen lassen. Ich will Wort und Rede im Geist der Menschen gewichtlos machen, und hingegen dem Real- Eindruck der physischen An­schauung das wesentliche Uebergewicht sichern, das ihm gegen Schall und Laut so auffallend gebührt. Ich will mein Kind von seiner frühesten Entwide­lung in den ganzen Kreis der es umgebenden Natur einführen" usw.( ebenda). Hatte Locke zunächst an den Vater seines Zöglings, Rousseau an den Er­zieher eines Waisenknaben gedacht, so denkt Pestalozzi zunächst an die Mutter und schreibt am liebsten für sie. Dazu dann das Streben nach harmonischer Aus­bildung aller Kräfte( besonders in seinem Schwanen­gesang" betont) und nach Voranstellung der Erziehung, deren Wesen die Liebe sei, vor den Unterricht; das Alles im innigsten Zusammenhang mit einer im besten Wortsinn demokratischen Liebe zu den Armen und Bedrückten: so wiederholt er seine in ihm selber zum persönlichsten Erleben gewordenen Grundgedanken unaufhörlich, ohne eine wissenschaftlich brauchbare Systematik und mit einer Breite, so ermüdend, wie sie vielleicht nur jenem Jahrhundert der schönen Seelen" möglich war, in ungezählten Schriften, deren maßgebendste wohl ist: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt"( 1801), und hat in einem opfervollen Schul­lehrerdasein unmittelbar und mittelbar so tausend­fachen Segen ausgestreut, daß noch heute auf lange hinaus daran zu zehren sein wird.

" 1

III.

Was die neuzeitlichen Reformatoren der Päd­agogik, zuletzt Pestalozzi , ihrer Welt dargebracht hatten, mit kritischer Hand zu übernehmen und mit aller Geschicklichkeit eines theoretischen und praktischen