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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Bei diesem Spiel..." er betonte das„ Spiel" entschieden. Nebenbei ist es Zeit, daß wir aufbrechen. Die Uhr geht auf Mitternacht , Ihr Herr Gemahl kann jeden Augenblick hier sein."
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Mein Mann? Ach!..." Sie verzog den Mund. Mein Mann kommt erst spät, er weiß, daß ich heute nicht mehr für ihn zu sprechen bin.... Und Spiritismus treiben wir also wirklich nicht weiter?" Wirklich nicht!"
„ Ich werde Ihnen meine Freundschaft kündigen. Aber Sonntag sehen wir Sie Beide zu Tisch! Sparmann, Sie brauch' ich ja nicht mehr einzuladen. Herr Fedor bekommt noch eine Karte der Form halber. Wir sprechen dann auch noch über Ihre Kunst, Herr Fedor, und welche Rolle wir zusammen einüben wollen. Es wird sich schon ein Moment dazu finden. Sparmann, Sie werden doch schweigen?"
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Diskretion Ehrensache."
„ Das möchte ich mir auch ausbitten. Und jetzt machen Sie Beide im Ernst, daß Sie fortkommen, sonst werden wir doch noch überrascht."
Sie trennten sich diesmal schon an der Haus thür. Der Doktor wollte auf fürzestem Wege heim. Fedor hielt ihn nicht. Es drängte ihn danach, allein zu sein, er wollte mit sich in's Klare kommen. Wieder war in seiner Seele jenes Stürmen und Drängen, das auch der erste Besuch bei ihm hervorgerufen;
Volkslied.*
u haft mir ja versprochen Viel tausend mahl die Treu, Ich hab dirs auch geglaubet, Daß es nicht anderst sey; Bun aber muß ich sehen Bu meiner größten Pein, Da ich von dir mein Leben Mu ganz verlassen sein.
Ich glaubte deinen Worken, Mein Herz war seks bey dir, Dhne dich kont ich nicht leben, So ängffig war es mir; Wie oft haft du gefaget, Du liebt kein andre nicht,
Als mich, dein Schak, dein Leben, Dein Herz, dein Augenlicht.
Mein Schak, ich bin dir doch gut, Db Du mich nicht mehr liebs,
Es dringt zwar mir durch Mark und Bluf, Dah du mich so befrübst;
Bun aber fröst ich mich, Fah mir ein frischen Muth, Glaub, es wird nicht lang mehr seyn, 30 sind wir wiederum guf.
Sturm auf Bornholm . Hans Bartels , der das Original unseres heutigen Bildes gemalt, ist den Lesern schon durch ein anderes Seebild bekannt, die„ Sturmfluth", ein düsteres Nachtbild. Immer wieder haben die, Motive der See und das Leben der Fischer und Schiffer. wie es am Strande sich abspielt, ihn gefesselt. Er kennt die See und weiß das wechselnde Bild der Wogen im Bilde festzuhalten, wie kaum ein anderer deutscher Maler. Das ist auch die Stärke unseres Bildes: wie hier die langen, schwer von der hohen See hereinrollenden Wogen gemalt sind, wie die hohen Kämnie am Strande überbrechen und wie sie hoch emporsprißend gegen den runden Steinwall fahren, der den flachen Strand schüßt! Die unheimliche Kraft und dabei die gleitende, in jedem Augenblick fich ändernde Gestalt der Welle, die scheinbar feste Masse des Wellenberges und die ganz in weißen Schaum aufgelösten Sprißer, die Kräusel, die der daherfahrende Wind in den Wellenbergen und Thälern hervorbringt alles das ist vom Maler überzeugend wahr herausgebracht. Das war ihm das Hauptmotiv seines Bildes, das Andere,
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* Aus Deutsches Bolts- und Studentenlied in vorflassischer Zeit". Quellenmäßig dargestellt von Arthur Kopp. Berlin , Wilhelm Herz.
eine dumpfe Wirrniß, der er mit banger Ahnung, aber ohne sie zu verstehen, gegenüber stand. Was war eigentlich geschehen? Er versuchte, die Eindrücke des Abends noch einmal an sich vorüber ziehen zu lassen, aber sie drängten sich durcheinander, verwischten sich und verschwammen, und nur Eins blieb übrig: Die klagende Frauenstimme, die nach dem Erlöser rief, der blonde Kopf, der an seiner Brust gelegen, das Knie, das sich an das seine geschmiegt. Und dabei die Aussicht, mit ihr vereint lesen, schwärmen, studiren zu dürfen! Ein wonnevoller Seufzer men, studiren zu dürfen! Gin wonnevoller Seufzer hob seine Brust, wie ein trunkener Glückswunsch hob seine Brust, wie ein trunkener Glückswunsch fam es über alle seine Sinne.
Er war in diesen Tagen sehr unaufmerksam im Geschäft. Die Zahlen in den Büchern verwischten sich vor seinen Augen, an ihre Stelle trat ein schöner rothblonder Frauenkopf. Wo er ging und stand, summite er Verse vor sich hin, glühende, leidenschaftliche Verse, wie er sie in seiner Rolle sprechen wollte. Er war nicht mehr Fedor Russell, der kleine Volontair bei Behrens& Co., der Kaffee- und Thee- Conto auszufüllen hatte er war Carlos, der unglückliche Königssohn, und sie Elisabeth, die Königin, seine Königin! Der Carlos sollte seine erste Rolle sein, das stand jetzt in ihm fest.
Die Kollegen betrachteten ihn mit heimlichem Kopfschütteln, sein Chef meinte bei sich, die Lehrlinge
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Feuilleton.
das Dampfboot, das schwer mit den Wogen zu kämpfen hat, die Leute am Strande, treten dagegen zurück oder dienen nur dazu, den Eindruck des Sturmes zu ver= stärken. Es ist Tag, der Himmel ist grau umzogen, nur in einem ungewissen blendenden Licht kämpft sich die Sonne durch. Und von dem Horizont her zieht über die See noch die schwere Wetterwand herauf, vor der die kleinen Wolkenfeßen, vom Sturme gejagt, herfliegen.
Im Förderwerk.„ Paß auf!" schrie eine Frau Annuschka an, die von den großen Sieben fam. Sie hatte eben einen Förderkorb hingeschoben und ging nun zurück. Eine Kameradin rief ihr zu, daß sie jezt Pause hätten. Sie folgte beiden Rufen und sprang zur Seite, gerade noch rechtzeitig, um von dem Förderkorb, den die Frau vor sich herstieß, nicht umgeworfen und überfahren zu werden. Maria setzte sich an eines der offenen, unberglasten Fenster und Annuschka kauerte sich neben die Kameradin. Mit ihren derben Händen zogen sie die dünnen Röcke über die nackten Füße und starrten vor sich hin.
Jm vertrauten leisen Plauderton hätten sie sich nicht verständigen können. Das Knarren der gewaltigen Räder mit dem stählernen Förderseil, das Rasseln der viereckigen Förderwagen über die Stahlplatten des Bodens und das schußähnliche Knattern beim Umkippen der Kohlen in die Siebe übertönte jedes Wort. So schmiegten sich denn die Beiden dicht zusammen, um sich wenigstens an einander zu wärmen. Durch die vielen Oeffnungen in den Bretterwänden peitschte der Wind die naßkalte Luft und einzelne Regentropfen. Aber hier an der Oeffnung war der einzige Ort zum Ausruhen. In dem Raume an der Schachtöffnung und den Gängen rollten unaufhörlich die Förderkörbe hin und her. Kaum, daß die Frauen rasch genug die Wagen nach den Sieben stoßen konnten, um mit den geleerten zurückzukommen. Stets, wenn die Gitter an der Schachtöffnung hochklappten, rollten zwei volle Förderkörbe heraus aus der Förder= schaale. Sofort mußten zwei leere hineingestoßen werden. Sant die Schale auf der einen Seite, so kam eine neue auf der anderen herauf, die wieder rasch geleert werden mußte. Der Wechsel dauerte nur wenige Sekunden. Rechts zwei leere hinein links zwei volle heraus zwei leere hinein zwei volle heraus... Die Mädchen liefen eilig mit nackten Füßen über die kalten Stahlplatten; sie hatten kaum so viel Zeit, sich einmal die vom Kohlenstaub geschwärzten Haare unter die flemen Kopftücher zu schieben. Schon wieder war eine Schale oben, die geleert werden sollte.
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müßten bei Russel und Sohn in Vremen eine fabelhaft schlechte Ausbildung bekommen.
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„ Ach!"... Sparmann blieb auf der Schwelle stehen.„ Ja, poßtausend, wo haben Sie denn den her? Das ist ja wahrhaftig ein Prachtstück!"
" Ja, nicht wahr?" Sie lächelte stolz, mit dem Stolz eines Kindes, das einen lange und hartnäckig verfolgten Wunsch durchgesetzt hat.„ Ja, er ist ent zückend, soll auch ganz echter Susandshird sein, aus der persischen Staatsmanufaktur. Sehen Sie, die Muster sind rein orientalisch, hier haben Sie die Lotosblume, das ist ein chinesisches Tabellier des Kilin und.!"
,, Sie reden wie ein Buch, meine Gnädige, haben Sie Ihren Karabacet gleich auswendig gelernt?"
" Stann schon sein. Aber schauen Sie dies Ornament," fie wies mit der Fußspiße auf eine Figur im Teppichgrund, das ist auch chinesisch, das Tshi das Symbol der Unsterblichkeit!" „ Nun, da können Sie ja jetzt die Unsterblichkeit auch mal in der Praxis mit Füßen treten."
„ Ist das wieder eine Anzüglichkeit, Sie?" " Wenn Sie sie anziehen wollen, schöne Frau." " Fällt mir garnicht ein... Und jetzt gehen Sie zu Männe hinein, ich hab' noch zu thun. Gr ist im Speiſezimmer."
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( Fortsetzung folgt.)
Annuschka mußte sie wohl verstanden haben. Sie sah ihre Freundin dankbar und glücklich an. Und dann lächelte sie wieder nur noch zehn Tage bis zur Hochzeit! Dann hatte sie ihr eigenes Heim und brauchte nicht mehr mitarbeiten, nicht mehr die schweren Förderkörbe vor sich herstoßen, nicht mehr in dem zugigen Raume schwizen, die ganze Nacht oder den ganzen Tag. Sie wollte ja gerne arbeiten, zu Hause. Tante Jaroszewski wollte ihr ja das Nähen beibringen. Und dem Adam, ihrem Bräutigam, wollte sie das Leben schon angenehm nur endlich mit ihm ein Heim haben, nicht immer bei den Eltern bleiben, unselbstständig und von der Mutter mit scheelen Augen angesehen, weil der die sechs Mark in der Woche, die Annuschka verdiente, nicht genug waren. Sie wollte sich schon ihr Theil allein verdienen, damit sie nicht abhängig war
machen
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In diesem Augenblick entstand an der Schachtöffnung eine Störung. Nicht wie sonst wurden zwei Wagen von der Förderschale gezogen. Die Frauen und Mädchen drängten sich um eine Gruppe ernster Bergleute, die langsam dem Schachtaufbau entstiegen. Sofort standen alle Förderwagen. Die Mädchen eilten schreiend oder still, mit angstverzerrten Zügen herbei- vielleicht war's der Vater... der Bruder... der Liebste, den die Männer da trugen. Vorsichtig legten sie den Bewußt losen auf eine Bahre; aus seinem rechten Aermel drang das Blut, vermischt mit Kohlenstaub
Als die Mädchen gesehen hatten, daß der Verunglückte nicht zu ihnen gehörte, schwiegen fie alle. Neugierig, ängit.ich und mitleidig drängten sie fich dicht um die Bahre. Die rasilose Arbeit wurde unterbrochen, der Lärm ließ nach.
Nur Annuschka war nicht hinzugeeilt.
Wenn's
wirklich Adam war... sie schauerte und hockte sich noch mehr zusammen.. Da schüttelte Maria sie:„ Annuschka! Adam! Adam!"
Annuschka reckte sich auf und stöhnte. Taumelnd ging sie auf die Bahre zu. Doch die Männer, die das Förderwerk bedienten, hielten sie zurück. Sie wimmerte und freischte, als sie den Verwundeten, dessen Arm zwischen zwei Förderwagen zerqu.tscht worden war, hin
aus trugen.
Annuschka wollte der Bahre folgen.
Doch als sie die Halle verließ, kam der Förderwerksleiter, ein blondbärtiger Mann mit herrischen Augen: " Was hat sich denn das Frauenzimmer so? Was? Wegen ihres Kerls?... Ach was, weiterarbeiten. marsch! Los!"
Die Förderschale kam schon wieder herauf. Nechts
zwei volle heraus volle heraus
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zwei leere hinein zwei leere hinein..
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Die beiden Mädchen drückten sich eng aneinander. Annuschka lächelte still vor sich hin. Das derbe, beschmußte Gesicht wurde von feierlichem Glanz überzogen. Die verarbeiteten Hände, der kurze zerrissene Rock und die weite Jacke schienen in diesem Augenblick garnicht zu dem Gesicht zu passen.
Maria sah das. Sie konnte sich tros des alles überschreienden Lärms nicht enthalten, ihrer Freundin in's Ohr zu rufen: Nur noch zehn Tage!" Sie lächelte auch dabei und drückte Annuschka's starken Arm.
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