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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
noch drittens die bloße Bewahrung der, noch nicht der Zucht zu unterwerfenden Kinder, unter dem Namen Regierung.
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Die Unterrichtslehre ist von Herbart und dann von seinen Weiterbildnern in einer Weise durch gearbeitet worden, daß sie nunmehr gleichsam als die Wissenschaft einer ganz eigenen Virtuosität dasteht. Vor Allem ist in ihr und durch sie zugleich für die Zucht das erreicht, was alles bisherige Ringen der neueren Pädagogik immer wieder verfehlt hatte: die Erweckung des direkten Interesses beim Zögling für Das, was er sich aneignen soll, im Gegensatz zu all' den theils jesuitischen, theils sonstigen Umwegen, durch die er für eine Sache indirett gewonnen werden könnte; ein dem vorerwähnten analoger Triumph der Pädagogik. Ferner aber hat Herbart das vielseitige Interesse" und das Interesse" überhaupt auf feine, vielleicht zu feine und doch wohl nicht als die einzige Weis heit zu betrachtende Art in's Einzelne auseinandergesezt. Als die hauptsächliche Forderung heben wir dabei Folgendes heraus. Vielseitiges Interesse ver= langt, daß man sich in eine Sache zunächst vertieft, dann sich über sie besinnt. Die Vertiefung verlangt hinwider zuerst„ Klarheit", sodann reiche Beibringung von Dem, was hier eben an Zugehörigem beizubringen ist(„ Assoziation"); die Besinnung verlangt zuerst ein Ordnen dieser Fülle(" System"), dann ein weiteres Fortschreiten von da aus(„ Methode" in einem ganz speziellen Sinn). Aus diesen vier Schritten haben nun Ziller und die Seinigen ge= wisse Stufen gemacht, über die sich der Unterricht in jeder seiner einzelnen Partien, der sogenannten Lehreinheiten", zu bewegen habe. Dieser Formalstufen werden meistens fünf gerechnet: Die Vorbereitung", d. i. das Bereitstellen der schon vorhandenen, das Neue stüzenden Vorstellungen; die , Darbietung", d. i. eben das Heranbringen der neuen Vorstellungen, sonst auch„ Anschauung" genannt; die ,, Verknüpfung", d. i. das vergleichende Zusammenstellen der bekannten Fälle; die Zusammenfassung", d. i. das Herausarbeiten des Wesentlichen und allgemein Gültigen; die Anwendung", d. i. das Einüben, das Verwandeln des Wissens in ein solches Können, dessen Kraft jederzeit zu Gebote steht( so speziell nach W. Rein, dem praktisch jetzt wohl hervorragendsten Herbartianer, dem Direktor des einzigen eigentlichen pädagogischen Universitätsseminars in Deutschland , des zu Jena ). In diesem Schema bewegt sich heute jeder sozusagen orthodore HerbartZiller'sche" Unterricht, der Volksschule wie der höheren Schule; ja es erscheint diese neue Systematisirung einer„ sokratischen" Methode manchmal zu einer so künstlichen Durchfnetung des Lehrstoffs und des Geistes der Schüler ausgebildet, daß oft eher sozu= sagen von einer„ ranthippischen" Methode zu sprechen wäre. Grundsäßlich wird man aber auch diese Errungenschaft als einen Triumph der neueren Pädagogif bezeichnen können, unbeschadet der Wahrscheinlichkeit, daß die weitere Entwickelung hier noch sehr viel umwandeln wird.
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Zu unterscheiden von den Formalstufen" sind die„ Kulturstufen". Nach Ziller, nicht schon nach Herbart , soll der Unterricht im Individuum die Hauptepochen der Geschichte wiederholen und aus der aufsteigenden Reihe historischer Hauptstufen eine entsprechende Reihe von Entwickelungsstufen im Innern des Zöglings machen; ein auch sonst beliebter und neuerdings auf das sogenannte„ biogenetische Grundgeset" von der abgekürzten Wiederholung der„ Stammesgeschichte" d. i. der Entwickelung des Thierreichs in der Geschichte des Embryos sich stigender Vorschlag, dem freilich troß des Glanzes dieser Naturwissenschaftlichkeit" so gut wie Alles zur Rechtfertigung fehlt. Das schließt nicht aus, daß die" Zillerianer" mit einer solchen historischen Anordnung ihres Lehrstoffes ganz hübsche Erfolge erzielen mögen; dem Alten Testament ließ sich dadurch noch eigens eine recht künstlich- systematische Stelle im Unterricht geben.
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Als die stärkste Einseitigkeit der Pädagogik Her bart's und seiner Nachfolger darf man wohl die Verengerung jenes früheren Harmonie- Ideals zu einem leberordnen der Willensbildung über die sonstigen
Aufgaben der Pädagogik bezeichnen und als die beklagenswertheſte Folge aus dieser Einseitigkeit das verhältnißmäßige Vernachlässigen der Phantasie- und Geschmacksbildung, das nun allen unseren Schulen auf lange hinaus wie ein Fluch anzuhaften scheint. auf lange hinaus wie ein Fluch anzuhaften scheint. Eine andere Einseitigkeit Herbart's , seinen Mangel an genügendem historischen Sinn, haben seine meisten Nachfolger, wenigstens für das Gebiet der Neuzeit, gut gemacht, dessen Grundzüge durch ihr Wirken hindurch immer wieder erkennbar sind.
Aus der Fille dessen, was diese ganze Richtung, einschließlich ihrer freieren Vertreter, in mehr als einem Menschenalter geleistet hat, sei zunächst hervoreinem Menschenalter geleistet hat, sei zunächst hervor gehoben die werthvolle„ Didaktik als Bildungslehre", gehoben die werthvolle„ Didaktik als Bildungslehre", also ungefähr eine Theorie der Unterrichtskunst, von Otto Willmann , dem wissenschaftlich wohl hervorragendsten Herbartianer, der aber, zum Unterschied ragendsten Herbartianer, der aber, zum Unterschied von seinen meist protestantischen Nichtungsgenossen, auf streng römisch- katholischem Standpunkt steht. Wenn wir noch Th. Waiz( 1821-1864) nennen, dessen Allgemeine Pädagogit" insbesondere durch ihre beachtenswerthe Erörterung der Grundfragen ein zum Einarbeiten in's pädagogische Gebiet empfehlenswerthes Buch ist, etwa neben H. Stern's gedrängtem Grundriß der Pädagogit", so können wir von den weiteren und engeren Kreisen der Herbart'schen Pädagogik Abschied nehmen, mit der Erinnerung an eine der ausgesprochensten Schulen" oder„ Parteien", die alles Gute und Böse, das sich von einer solchen Seite her leisten läßt, ihren Mitmenschen vollauf zu kosten gab und giebt.
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Bei dem Mangel an scharfen Grenzen des Herbartschen Reiches der Pädagogik läßt sich das, was zulegt von anderer Seite her wesentlich Neues geleistet worden ist, nicht immer genügend unterscheiden. Doch dürfen mannigfaltige Verdienste anderer Betheiligter, von praktischer und von theoretischer Seite( hier freilich mit einem abstoßenden Uebermaß an„ Literatur"), von historischer Seite( namentlich durch Uebersezungen, durch Quellenausgaben wie die von K. Kehrbach besorgten, usw.) und von naturwissen schaftlicher Seite( Schulgesundheitspflege u. dgl. m.) und schließlich im Ausland, wie z. B. in England von Thomas Arnold zu Rugby, nicht übersehen werden.
Was das deutsche Schulwesen von heute betrifft, so dürfte das Wichtigste der verschiedene Antheil sein, den an jeder Gruppe von Schulen das spezifisch Pädagogische hat. Am geringsten ist dieser Antheil bislang an unseren hohen" Schulen, den wissenschaftbislang an unseren„ hohen" Schulen, den wissenschaftlichen wie den kiinstlerischen, so viel Verdienste und Fortschritte sie auch errungen haben. Ein wenig beträchtlicher ist er an unseren höheren" Schulen. Werthvoller als jener neue ,, nationale Humanismus" mit seinem Voranstellen von„ Neligion, Deutsch und Geschichte" ist hier das Bemühen nach einer eigentlich pädagogischen Ausbildung der Lehrer. Für die Volksschule endlich ist diese Lehrerbildung, wie sie seit Längerem in eigenen( allerdings auch noch vieler Kritik bedürfenden) Seminarien besorgt wird, wohl der Hauptgrund, daß jener Antheil bei ihr am größten ist, und daß sie das, was sie leisten will, trop aller über dieses hinaus zu wünschenden Fortschritte, mit Meisterschaften leistet, die namentlich den drückenden materiellen Schwierigkeiten gegenüber aller Anerkennung würdig sind. Wollen wir von unserem Thema mit einem besonders warmen Wunsch Abschied nehmen, so ist es der, daß unser gesammtes Erziehungswesen endgültig befreit werde von allen nicht eigentlich pädagogischen Einflüssen, insonderheit von Allem, was ihm Staat und Kirche hemmend vor seine weitere Entwickelung legen.-
Die Technik des Spinnens.
Von Gustav Strahl.
ie Veranlassung zur Erzielung von faden artigen Gebilden gaben die ersten Beschäftigungen des Menschen an die Hand. Ter Jäger gebrauchte Bogen und Sehnen, Band für Einbündeln der Pfeile, zum Umhängen verschiedener
Geräthe, abgesehen davon, daß selbst die geringste Bekleidung mit Hilfe eines Bandes befestigt werden mußte; der Ackerbauer gebrauchte Band und Strick zu verschiedenen Vereinigungen, der Fischer, der Schiffer hatten ebenfalls Stricke nöthig. Gewiß bestanden die ersten Fadenprodukte aus zähen Gräsern; einer dieser Halme war für viele Zwecke zu schwach, der Mensch nahm zwei und mehr, und da der Gebrauch derselben in parallelem Nebeneinanderliegen manche Unregelmäßigkeiten mit sich brachte, so wurde er leicht darauf geführt, durch einige Umdrehungen diesen Parallelismus zu beseitigen, die Halme ge wissermaßen zu vereinigen; andererseits aber ist auch sicher die Probe auf die Festigkeit die zufällige Veranlassung der Zusammendrehung gewesen, wie es noch heute für den Gebrauch der Strohbänder allgemein ist, deren Erfolg, die Erhöhung der Festig keit, den Menschen nicht entgehen konnte. Aus dieser primitiven Form des Spinnprozesses entwickelte sich allmälig die Herstellung längerer Fäden, welche sich für gewisse Bedürfnisse als wünschenswerth erkennbar gemacht hatten. Dem Drehen des Fadens mit den bloßen Fingern ist jedenfalls sehr bald das Wirbeln zwischen zwei elastischen Flächen gefolgt, z. B. zwischen Handfläche und Lende, wie noch heute unsere Schuhmacher bei Herstellung ihres Pechdrahtes dies in Anwendung bringen, gleich wie auch Mancher von uns es gethan haben wird, wenn es sich um Erzielung einer stärkeren Schnur aus vielen dinnen Fäden handelte. Eine weitere, noch heute den größten Kreisen unseres werkthätigen Volfes bekannte Methode ist das Aufhängen eines Gewichtes an das eine Ende des Fadens und eine Zusammendrehung desselben dadurch, daß man lezterem durch einen seitlichen Stoß eine Umdrehung um seine eigene Achse gab. Man konnte auf diese Weise an dem freien Ende des Fadens immer neues Fasermaterial hinzufügen und durch Unterhaltung der Drehung des Gewichtes denselben bis zu einer gewissen Länge bringen; um diese möglichst auszudehnen, hat man sich wohl erhöhte Standorte ausgewählt und den Prozeß so lange fortgesetzt, bis das rotirende Gewicht den Erdboden berührte. Die hierdurch gegebene natürliche Begrenzung wurde in der weiteren Entwickelungsfolge dadurch aufgehoben, daß man den fertigen Faden auf das Gewicht wickelte und nun so verfuhr, als finge man eben erst von vorne an. Der aufgewickelte Faden genirte ja auch nicht im Geringsten, das Gewicht als solches wurde dadurch in keiner Weise beeinflußt, die Vortheile jedoch, welche aus diesem Verfahren resultirten, waren so augenfällig, daß man jedenfalls niemals mehr in die alte Methode zurückverfallen ist.
Von dieser Art der Belastung des Fadens bis zur Spindel war ein verhältnißmäßig kleiner Schritt; an die Stelle des beliebig geformten Gewichtes trat ein nach oben spiß zulaufendes rundes Stäbchen, auf welches zur Erhöhung des Beharrungsvermögens beim Drehen eine metallene Scheibe nahe dem unteren Ende gesteckt wurde; und das ist auch im Wesent lichen die Gestalt der Spindel bis auf die neuere Zeit geblieben. Die Größe und Schwere der einzelnen Spindeln mußte sich naturgemäß beim Gebrauche ergeben, es mußte sich dieselbe dem zu ver spinnenden Material möglichst anpassen, da ein dünner Faden nicht im Stande war, ein schweres Gewicht zu tragen, andererseits ein starker Faden einer leichten Spindel bei der Umdrehung einen fühlbaren Wider stand entgegensezte, der nur durch die Verstärkung des Beharrungsvermögens resp. durch Vergrößerung des Schwungringes überwunden werden konnte. So sehen wir, wie sich Schritt für Schritt die Thätigkeit des Spinnens vervollkommnet.
Beim Spinnen mit der Spindel zieht nun die linke Hand die Fasern aus und ordnet sie zur Bil dung eines gleichmäßigen Fadens nebeneinander, während die rechte Hand zur Bewegung der Spindel gebraucht wird. Die lettere hängt an dem an ihrer Spize durch eine Schlinge befestigten Faden frei herab, wird nahe an der Spize erfaßt und durch eine eigenthümlich schnellende Bewegung rasch um ihre Achse gedreht, wobei ein unten angebrachter zinnerner Ring als Schwungmasse wirkt und die Bewegung ausdauernder macht. Diese Spindel