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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ihre Zehnten und Stolgebiihren wie seither, ja oft noch reichlicher l'efern. Es liegt darin eine Rücksichts losigkeit und eine Härte, die nicht nur uns, sondern auch die weniger vom Hauch der Kultur berührten Söhne des Mittelalters, soweit sie nicht dem adeligen Elemente angehörten, mit Abschen erfüllt.

, Und wenn ihnen denn alles verderbt wird," ruft Spangen erg, wo von sollen sie denn der Herischafft geben und dienen? hat auch je jemand solche unbilligkeit unter den Heiden erfahren?"

Wer hätte aber bei diesen Junfern ein Gefühl für Necht und Billigkeit suchen sollen! Von Jugend auf an einen tollen Lebensgenuß gewöhnt, erzogen mit allen Lastern und Fehlern ihrer Vorfahren, aus­gestattet mit derselben herkömmlichen geistigen und sittlichen Rohheit, wie Jene, waren sie cin Fluch am Leibe des germanischen Volkes, und es hat dreier Jahrhunderte bedurft, um den Bauernstand aus tiefstem Elend emporzuheben.

Daß bei der edlen Jägerei" für Verwaltung der Güter, fiir Pflege und Kunst der Wissenschaft, ja auch nur für den Besuch des Gottesdienstes wenig Zeit übrig blieb, ist erklärlich. Nicht selten fam es vor, daß der Junker, um feine Zeit zu verlieren, Hunde und Falken mit in die Kirche nahm, manchmal forderte er eine Predigt für sich allein daher der Name Jägermesse, in vielen Fällen mußte die versammelte Kirchgemeinde Stunden lang auf den Beginn des Gottesdienstes warten, da der gnädige Patron noch nicht von der Jagd zurück war.

Sebastian Brand, der Verfasser des Narren­schiffes, läßt sich also vernehmen:

Man darff nicht fragen, wer die sein, Wei den die Hund in Kirchen schrein, So man Meß helt, predigt und sinkt Oder bey dem der Habicht schwingt Und thut sein schellen so erklingen, Das man nicht beten kann noch singen," und weiter:

Ich that von Thumbherrn nicht sagen, Die in den Chor ihr Vögel tragen Und meinen, es sell schaden nent, Weil sie sind geborn Edelleut." 11. j. 1.

Spangenberg sagt: Ich muß hie auch das tadeln und als unb.llich straffen, das viel grosser Herrn aus den Glöstern Hundestelle machen-- etliche sind auch so ehrerbietig gegen ihre Pfarrherru und Seelsorger, das sie ihnen ihre Jagthunte zu Hause über den Hals schicken, daß sie ihnen die fiittern und Lerbergen und also die Pfarherrn an etlichen örtern der Herrn und Junckern Hundeknechte sein müssen."

Und nun das Treiben auf der Jagd selbst! Ueber das heillose Fluchen und Lästern schweigen wir als über feine Spezialität der Jägerei. Aber abgesehen hiervon bleibt noch viel übrig, das die Gefühlsrohheit des Adels kennzeichnet. Hierher ge­hören in erster Linie die Späße, die die Edelsten der Nation sich mit den ohnehin geplagten Bauern erlaubten. Spangenberg erzählt, das sie offt andern Leuten in der speise nudewlichs wild fleisch, Fuchs wirste und dergleichen zubringen, welches, ob es wohl nicht allein schadet, bringet es doch manchen umb seine gesundheit. Ich habe etliche redliche Lente geland, die es ihr Lebenlang nicht verwinden können, und bis in ihren tod über solche biberey geklagt haben."

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Mit welcher Verachtung der Bauer behandelt wurde, lesen wir an anderer Stelle: das einer bey einem Herrn ehe zu gnaden fömpt, wenn er awien oder drey Bawren tod geschlagen, denn so er einen einigen Hirsch oder Rehe geschossen."

Terb schildert Crasmus von Rotterdam   das Cebahren der Jäger: Ich glaube, wenn sie( mit siichten) ein Hundesdreck riechen, sie nehmen mit Biesam dafur. Tarnach siehe nur wunder, was sie fir herrligkeit haben, wenn sie etwan ein Wild zer­legen sollen. Ninder und Hemmel mag ein jeder gemeiner Bauer schlachten, aber das Wild nicht ein jeglicher, er sey denn einer von Erbarn Geschlecht."

Daß bei den Jagdmahlen unbändig getrunken und gegessen wurde, entsprach der damaligen Sitte. Ebenso ist bekannt, daß auf der Jagd auch sinnliche Neigungen ihre Befriedigung fanden, und es drängt

sich beim Lesen der mittelalterlichen Ghebruchs­geschichten univiätürlich ein Vergleich auf zwischen der Achtung, die Tacitus   noch die Germanen ihren Frauen erzeigen läßt, und den ritterlichen Vertretern des jus primae noctis. Das aber auff Jagten ost und viel solche schanden begangen werden, zeugen auch zum tel die unverschampten und unzüchtigen Lieder, als da sind: Es reit ein Jeger   Hezen aus, Item: Es wolt ein Jeger jagen, Jagen fur jenem Holz 2c. und dergleichen mehr, so einsteils noch un­fletiger sind."( Spangenberg.)

Uebrigens benutzte man die Jagden auch gern zur bequemeren Beseitigung irgend welcher Feinde. In einer thiiringischen Chronik wird folgender Reim angeführt:

Hie ward erstochen Unedelich

Der Pfalzgraff von Sachsen Herr Friederich; Das thet Graff Ludwig mit seinem Spere, Da er Jagen reit alhere."

Das ist in furzen Strichen ein Bild der Jägerei, wie sie sich in den Schristen des Mittelalters darstellt. Wir lassen Herrn Hans von Schwarzenburg noch einmal das Wort:

In aller Heiligen leben Buch

Nicht mehr denn einen Jeger such, Zu rechter zeit stalt er das ab Solchs dir fur ein Erempel hab."

Die Nähmaschine.

Von P. M. Grempe.

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ie Nähmaschine ist am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wohl die einzige komplizirte maschinelle Vorrichtung, die sich in fast jedem Haushalte vorfindet. Heute, wo überall die Näh­maschine ein treuer Gehülfe des Kulturmenschen ist, denkt man kaum daran, daß abgesehen von der höchst mangelhaften und unbrauchbaren Konstruktion des Engländers Th. Saint aus dem Jahre 1790- der erste, wirklich ernsthafte Versuch zur Herstellung einer nähenden Ma‍chine erst im Jahre 1804 von Thomas Stone und James Henderson gemacht wurde. Diese beiden Männer stellten mit ihrem in England patentirten Apparat eine überwendliche Naht in der Weise her, daß sie die Thätigkeit der Hand beim Nähen durch die Vorrichtung genau nachahmen ließen. Der zu gleicher Zeit von John Duncan   angefertigte Mechanismus bediente sich des Tambourirstiches mud wurde vorwiegend zum Sticken und Häkeln an­gewendet, so daß diese Erfindung für die Geschichte der Nähmaschine kaum in Betracht kommt.

Mit großer Ausdauer, nämlich vom Jahre 1807 bis 1839 arbeitete der aus Tirol gebürtige Schneider­meister Madersperger   in Wien   an der Konstruktion einer brauchbaren Nähmaschine. Die von diesem Manne im Jahre 1814 der Oeffentlichkeit über­gebene Vorrichtung arbeitete in folgender Weise: die Nadel, welche an jedem Ende eine Spike und in der Mitte das Dehr hatte, stieg in senkrechter Nich­tung so lange auf und nieder, bis ein Faden von zirka 1/2 Meter Länge infolge dieses wechselweisen Durchstechens verbraucht war; nunmehr mußte die Vorrichtung angehalten und eine neue Nadel mit Faden benutzt werden. Von der dann 1839 ver­besserten Nähmaschine hat Madersperger dem poly­technischen Institute in Wien   ein Modell geschenkt, welche zeigt, daß hier zwei Haupttheile die Arbeit verrichten. Die Hand" der Vorrichtung stößt zwei Nateln, die das Lehr an der Spige haben, durch den Stoff und verknüpft die Fäden durch Umdrehen; den Stoff und verknüpft die Fäden durch Umdrehen; das Gestell" hat die Aufgabe, den Stoff zu spannen das Gestell" hat die Aufgabe, den Stoff zu spaunen und die als Hand bezeichnete Einrichtung an dem Stoffe entlang zu führen. Madersperger'  s Apparat verdient darum besonderes Interesse, weil er die erste Nähmaschine darstellte, die mit Nadeln, welche das Dehr an der Spiße haben, arbeitete, während die Naht durch Verschlingen mehrerer Fäden erzielt wurde.

Einen Erfinder im wahren Sinne des Wortes, d. h. einen Mann, der sich so der Ausführung seiner Ideen hingiebt, daß er acht volle Jahre mit Hunger

und Noth kämpft, um eine nähende Einrichtung konstruiren zu können, lernen wir in dem Franzosen  B. Thimonnier kennen, der im Jahre 1829 eine Nähmaschine der Oeffentlichkeit übergab, die mit dem Kettenstich arbeitete und dann auch wirklich in ciner Anzahl von achtzig Exemplaren ausgeführt und mußt wurde. Nachdem int Jahre 1830 das erste französische   Patent auf diese Erfindung ertheilt war, ließ sich Thimonnier   in den Jahren 1845 und 1848 noch einige Vervollkommnungen seiner Maschine in Frankreich   und England schüßen.

Nähmaschinen von nicht besonders großem Inter esse stellten in den Jahren 1830 bis 1849 noch die Engländer Newton, Archbold, Bostwich, Walker, Morey, John Fischer und James Gibson her. Die ersten rationell arbeitenden Nähmaschinen wurden aber nicht in Europa  , sondern in der neuen Welt fonstruirt. Walther Hunt, ein Mann, der in America in den Jahren 1825 bis 1850 mehrere Batente auf sehr verschiedene Vorrichtungen nahm, ließ sich 1834 auch eine Nähmaschine schüßen, die zum ersten Male ein Schiffchen benuzte. Da aber Hunt fein rechtes Vertrauen zu dieser Maschine hatte, so blieb seine Erfindung fast ganz unbekannt.

Elias Hove, den man mit Recht als den eigentlichen Erfinder der Nähmaschine bezeichnet, war im Jahre 1819 zu Spencer in Nordamerika  geboren; nachdem er 1835-1837 in einer Baum wollfabrik gearbeitet, aber durch eine große Geschäfts­krisis seine Stellung verloren hatte, trat er in eine Maschinenbauaustalt in Cambridge ein. Bald darauf finden wir Hove   bei einem eigenthümlichen Manne, Ari Tavis, ter in Boston   komplizirte Instrumente anfertigte und den Nuf eines tüchtigen Erfinders genoß. Davis wurde oft von Leuten mit allen möglichen Ideen belästigt, und so kam es denn, daß im Jahre 1839 ein Me.hanifer und ein Unternehmer zu ihm kamen, um seinen Nath wegen der Ausführung einer Maschine zum Stricken zu erbitten. Davis aver lie; sich auf keine lange Unterhaltung ein, sondern gab den beiden Männern den Rath, lieber eine Nähmashine zu bauen. Durch diese Unterredung, die der damals zwanzigjährige Hove mit anhörte, wurde in diesem der Gedanfe, eine solche Maschine zu fonstruiren, wachgerufen. Immerhin ging dieser Mann erst im Jahre 1813 an die Ausführung feines Vorhabens, als er, mit Noth und Entbehrungen fämpfend, für sich und seine Familie den Lebe: ts unter, alt nicht mehr ausreichend rerdienen konnte.

Von dem Gedanken, das Nähen mit der Hand durch die Maschine einfach nachznahmen, ausgehend, verbrachte Hove bis Anfang des Jahres 1844 die Zeit mit vergeblichen Versuchen. Da brachten ihm denn seine Kenntnisse des Webstuhles auf die Idee, die Anfertigung der Nähte in ähnlicher Weise zu bewerk elligen, wie die Vereinigung zwischen Ketten­und Shußfaden erzielt wird. Trotz des Spottes der ,, alten, wohlerfahrenen Leut", arbeitete der junge Hove riistig an einem Holzmodell. Als er dieses fertiggestellt hatte, gelang es ihm, von einem Schil freund Ceorg Fischer die nöthigen Geldmittel für eine eiserne Maschine zu erhalten, die er während des Winters 1844/45 zur Ausführung brachte. Nachdem Hove   bereits im April 1845 mit seiner Nähmaschine Probearbeiten hergestellt hatte, nähte er im Juni zwei Tuchanziige. Diese erste Näh­maschine Hove's machte damals bereits dreihundert Stiche pro Minute.

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Als nun der Erfinder glaubte, die größten Schwierigkeiten überwunden zu haben, da mußte er einsehen, daß er noch den schweren Kampf mit der Gleichgültigkeit und der Abneigung der Schneider gegen die Nähmaschine zu bestehen hatte. Als Hove bei einem Wettnähen mit seiner Maschine mehr lei ete als fünf der tüchtigsten Schneiderinnen, da dachte er nunmehr endlich am Ziel zu sein; doch es lief nicht eine einzige Bestellung auf seine Näh­maschine ein. Gewiß ist hierbei zu berücksichtigen, daß der Preis damals sich auf zirka 1200 Mark stellte; aber dennoch bleibt es unverständlich, wie die praktischen Amerikaner der so wichtigen Erfindung ihres Landsmannes so wenig Interesse entgegen­bringen konnten. Als Hove im September 1846 Patentirung seiner Maschine erreicht hatte, schickte er