408
Die Neue Welt. Jllustrirte Unterhaltungsbeilage.
sobald der Mann ihm den Rücken gekehrt hatte, fam das mißtrauische Gefühl wieder hervor. Vielleicht war's diese seltsame Bewegung der Schultern, die sich bei jedem Schritt ruckweise hoben und senkten .. oder die gelbgriine Jacke, auf welcher jetzt die Sonne ihre grellen Lichter tanzen ließ.
Halt, das war's! Der Jäger betrachtete die schmußige, gelbgrüne Jacke. Eine so häßliche, sonder bare Farbe hatte er noch nie gesehen. Woher der Woher der Kerl wohl diese Jacke haben mochte. Auf dem Niicken, dort wo die Schultert lätter hervorstanden, waren zwei schwefelgelbe Flecke und auch die Naht, die vom Hals herabzog, leuchtete schwefelgelb.
Und immer weiter ging's in der Sonnengluth. Fünfzehn Schritte, dann fam eine Pappel, die einen dürren, hungrigen Schatten warf- dann wieder fünfzehn Schritte und wieder eine Pappel...
Der Jäger stierte die gelbgrüne Jacke vor sich an und dachte an gar nichts mehr als an seinen brennenden Durst. Seine Kehle kant ihm weit und ausgebrannt wie eine ungeheuere Höhle vor. Und die gelben Flecke vor ihm hiipften in der Sonne auf und nieder und schienen immer größer und gelber zu werden.
Nun kam die Brücke.
brach in ein schallendes Gelächter aus, das ihm die brach in ein schallendes Gelächter aus, das ihm die gute Laune wiedergab. Endlich sagte er mit vor Lachen halb erstickter Stimme:
„ Na, mein'twegen."
unten packte zu und riß die Handschelen in das Wasser hinein.
Noch ein paar Kreise warf das Wasser zut Ufer hin, dann ja ten sich die Wellen wieder in Mühsam ließ sich der Gefangene auf dem schweren, jähen zackigen Springen.... breiten Eckstein am Brückenfuße nieder.
Der Jäger stand vor ihm und betrachtete ihn. Schwermüthig und resignirt schauten die blauen Augen in die Ferne. Das blasse Gesicht war von der Hiße ein wenig geröthet, und auf der bleichen Stirn zitterten zwei glänzende Tropfen.
Gelangweilt lehnte sich der Jäger an das Brückengeländer. Er fehrte dem Gefangenen den Niiden und spuckte in den Fluß hinab. In diesem Augenblick sah er, wie ein Schatten blizschnell hinter ihm auftauchte und sich zu ihm beugte. Zugleich fühlte er, wie ihm beide Füße emporgehoben wurden, und ehe er noch eine Bewegung machen konnte, schwebte ehe er noch eine Bewegung machen konnte, schwebte er auf dem Brückengeländer. Er wollte schreien und griff mit beiden Händen in die Luft hinaus, während sich sein Oberkörper nach vorn beugte. Und gleich darauf erhielt er einen Stoß und verlor das Gleich gewicht....
Schwer aufflatschend fiel der Körper in den Fluß hinab und verschwand. Ein Sprühregen von weißen
Ein dunkles Grün in der Ferne zeigte die ersten Schaumtropfen prallte zischend nach allen Seiten. Gärten an.
"
Der Gefangene blieb stehen und ächzte. " Es geht nicht mehr!" sagte er. Schaut, es geht nicht mehr. Laß mich nur eine Weile niederjezen."
„ Zum „ Ach was!" sagte der Jäger gereizt.„ Zumi Sigen hast hernach noch lange Zeit."
Erst nachträglich fiel ihm der Wiz auf und er
Dann wurde es still.
Lautlos tauchte ein Gesicht hervor und die blanke Spize des Bajonnetts. Gleich darauf verschwand wieder Alles.
von
Dann griff eine Hand mit weit auseinandergekrallten Fingern aus der dunklen Fluth der Brücke flog ein glänzender, flirrender Gegenstand hinab ein paar Handschellen. Die irrende Hand
Ein blasses Gesicht hatte oben von der Brücke in die Tiefe geschaut, bis das Ningen mit der Fluth vorüber war. Dazu bewegten sich die Lippen, murmelnd
-
vielleicht einen Fluch. Nun richtete sich der Mann in der gelbgrünen Jacke auf. Sein schlaufer Störper reckte und dehnte sich in allen Gliedern und wurde lebendig. Mit ein paar Sprüngen hatte er die Landstraße jenseits des Flusses erreicht und eilte nun fliichtigen Schrittes quer über's Feld. Als er an den Graben kam, duckte er sich wie ein Panther und sprang in weitem Bogen hinüber.
Spähend irrten dann die blauen Augen nach allen Seiten aus: nicht zaghaft und schwermüthig, sondern drohend und höhnisch.
Nun jagte er mit gebeugtem Leib an der hohen Mauer vorüber, die den ersten Garten hinter den Feldern einschloß. Feldern einschloß. Er sah nicht das todtbleiche, entsegte Frauenantlig, das von dort oben zwischen den Zweigen hindurch auf ihn niederschaute. Wie eine Kaze floh er in großen Sprüngen dem engen Pfade zwischen den Gärten zu und verschwand.
Drüben im Flusse glänzten die zackigen Wellen, und von den Gebirgen in der Ferne löfte sich ein Zug fleiner, weißer Wölfchen los, die ein schneller Sommerwind hoch und höher über den funkelnden Himmel trug. Gleich einer aufgeschreckten Heerde flatter en fie in's Weite.
Still und groß stand die Sonne über dem schweigenden Lande.
Landschaft.*>>>
Eine Saide weit, bemoost Gestein,
Ein blinkender Wasserstreif ferne, Ein goldrother Streif, wo die Sonne sank, Die ersten zitternden Sterne.
And seltsam treibet der Abendwind, Ein Hausen und Seufzen und Sehnen, Als klagt' in ihm ein menschliches Herz Am irdisches Leid in Thränen.
Wohl tausend Wünsche strichen hinaus Frühmorgens auf muthigen Schwingen; Ob wund jetzt zurück und flügellaḥm Die seufzenden Binde sie bringen?
Sie prüfen, wer weiß es, sich hier aufs Neu,
Wie Vögel vor Herbstlichen Fahrten, ob wirklich auf immer die Flügel gelähmt, Ob sie Kraft noch zum Schwunge
bewahrten.
And Viele sind längst mit dem Weg vertraut
Bu des Todes schweigendem Hafen; Die andern entflattern Schaar um Schaar, In Menschenfräumen zu schlafen.
J. P. Jacobsen.
Der Triumph der Republik. As im Jahre 1871 die Kommune in Paris niedergeworfen war, wurde auch ein junger Bildhauer, Jules Dalou , des Landes flüchtig, um sich der Verfolgung zu entziehen. Unter der Kommune war er Konservator des Louvre geworden. Er ging nach London . Dort in der Verbannung verdichteten sich ihm die Gedanken der großen Zeit, die er durchlebt, zu dem Plane, in einem gewaltigen Denkmal ein Symbol jener Kräfte, die unsere Zeit bewegen, zu schaffen. So entstand der Entwurf des Werkes, das wir in seiner fertigen Gestalt
* Aus ,, Gesammelte Werte". Aus dem Dänischen von Marte Hersfeld, Gedichte bon Robert F. Arnold. Eugen Diederichs , Leipzig .
Feuilleton.
heute zur Abbildung bringen. Erst vor einigen Wochen wurde die Einweihung des vollendeten Tenkmals auf dem Nationalplay in Paris gefeiert, nachdem schon vorher Jahre lang ein mit Bronze überkleidetes Gipsmodell an derselben Stelle gestanden hatte. Es ist eine künstlerische Großthat, eines jener wenigen Werfe, in denen die neue Weltanschauung zu einem flaren und packenden Ausdruck gekommen ist. och über dem Wagen steht auf einer Kugel die Republik , ein junges Weib in stolzer Haltung, das die Rechte wie mahnend und segnend zugleich hebt, während die Linke sich auf dem Stabbündel, dem Symbol der Kraft durch Einigkeit, stüßt; in weite Ferne geht der Blick, ernſten Willen fünden die ebenmäßigen, fast herben Züge des edlen Gesichts. Unaufhaltsam geht der Zug ihres Wagens vorwärts; zwei mächtige Löwen, in denen die Kraft des Volkes glücklich verkörpert ist, ziehen ihn, der Genius der Freiheit leuchtet ihr die Fackel schwingend voran; die Arbeit, der starke Mann mit Schurzfell und Hammer, und die Gerechtigkeit, das voll erblühte Weib mit dem Scepter, dem ein Putto das Attribut, die Waage, voranträgt, helfen das Gefährt vorwärts führen. Zwei Figuren, die hinter dem Denkmal stehen, sind auf unserer Abbildung nicht mehr zu sehen: der Ueberfluß und der Friede, die Blumen streuen auf den Weg, den die Republik genommen... Tie canze Gruppe ist in sich geschlosse.t und baut sich trotz der Fülle der Motive zu einer vollendeten künstlerischen Einheit auf. lind, was uns das Schönste ist: hier ist wirklich die Sieghaftigkeit der neuen Weltanschauung, das unwiderstehliche Vordringen zu einer neuen schöneren Zukunft mit außerordentlicher Kraft geſtaltet.
Der Rufname der Deutschen . Ebenso wenig wie ein Individuum, giebt sich ein Volf in der Regel den Namen selbst, den es offiziell führt. Gleichviel aber, von welcher Seite Lieser offizielle Name stammen mag, derselbe gelangt keineswegs bei den Nachbarn von rechts und links ausschließlich zur Anerkennung, diese haben vielmehr für das betreffende Volf oft Benamsungen eingeführt, die den Trägern selbst fremd oder zum mindesten nicht populär erscheinen. Das klassische Volk des Alterthums, das sich selbst als Helenen bezeichnete, nennen wir selbst nach römischem Vorbild Griechen. Italien und die Italiener galten den Deutschen des Mittelalters als Wälschland und Wälschen, und mit Ungarn bezeichnen wir cine Nation, die sich in ihrer eigenen Sprache Magyaren heißt. Auch den Deutschen ist es in dieser Hinsicht nicht anders gegangen. Zwar ist ihr offizieller Name von den nächsten kontinentalen Anverwandten, den Holländern, Schweden , Dänen in entsprechender Lautgestalt afzeptirt worden und hat sich auch auf der Apenninenhalbinjel als Tedeschi festgesetzt, aber schon auf englischem Sprachgebiet
ist derselbe in der Form Dutch auf die Niederländer übertragen worden, während daselbst für Ober- und Mitteldeutsche das zwar klassische, aber ursprünglich ric ganze Rasse bedeutende Germans gewählt wurde. Diese Spezialisirung des klassischen Wortes ist auch von den Neugriechen und Stumänen übernommen worden, welche lettere aber auch die sofort zu besp.echenden aleman und nemts daneben fennen. Dieses aleman ist uns sehr wohl aus dem Französischen vertraut, es ist aber weite: auch in die romanischen Sprachen der Pyrenäen , sowie in die modernen feltischen Dialekte( Wallisisch und Frisch) eingedrungen. Geprägt kann dieses Wort natürlich auf französischem Boden sein, indem die romanisirten Weſtfran en den Namen des ihnen benachbarten germanischen Stammes der Alemannen schließlich auf ganz Deutschland übertrugen. Für eine solche Uebertragung eines Stammesnamens auf ein ganzes Volk bieten sich mancherlei Analoga. Bekannt ist, daß die Deutschen im französischen Volksmunde nach dem vorherrschenden Staat, allerdings dann meist im übelwollenden Sinn prussiens" genannt werden, ebenso daß der Stammesname der Schwaben i demselben Sinn bei den Schweizern für die Reichsdeutschen in Gebrauch ist, was geographisch leicht zu erklären ist, aber auch bei den Magyaren, was schon weniger leicht erklärlich scheint. Das eigentliche Schriftwort für den sch int Magyarischen ist jedoch német, dieses aber hat das Magyari che gleich dem Türkischen aus dem slavischen Sprachbereich entlehnt, wo es in allen Dialekten Verbreitung gefunden hat. Es bedeutet eigentlich„ stumme", geht also von dem Merkmal der Sprache aus, was uns den Zeugen der slavisch- deutschen Sprachenkämpfe nicht allzu sel sam dünfen wird. Die polnischen Juden befizen übrigens für die Deutschen im Allgemeinen und für ihre deutschen Glaubensgenossen im Besonderen noch eine Sonderbezeichnung: Aschkenassim. Ob dieselbe von den Aschkenas der Völkertafel im 10. Kapitel der Genesis( V.3) abgeleitet ist, ob fie gar auf den trojanischen Ascanius, den Sohn des Aeneas , zurückgeht, ob sie schließlich mit dem Geschlechtsnamen der Askanier identisch ist, läßt sich kaum feststellen. Vielleicht handelt es sich um eine rabbinische Schrulle, die ebendeshalb nicht erklärt werden fann, weil sie nichts anderes als eine bloße Schrulle ist.
M. F.
Ephen und ein zärtlich Gemüth Heftet sich an und grünt und blüht. Kann es weder Stamm noch Mauer finden, Es muß verdorren, es muß verschwinden.
Goethe.
Nachdruck des Juhalts verboten!
Berantwortlicher Rebafteur: Oscar Kühl in Charlottenburg. - Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .
-