Die Neue Welt
Nr. 4
S
Illustriertes Unterhaltungsblatt
600 Luifem
1918
sprochen und schon zu Pfingsten sollte die Hochzeit sein.
in paar Wochen lang gähnte ein einem Steuermann von der Marine verdunkles Loch. Man stand und fah hinab, und hatte vieles vergeffen von dem, was sonst wichtig war. Dann aber wagten die Füße sich über das Loch zu heben, und bald war es ein gewohnter Weg. Anfangs paßte man wohl noch ein wenig auf, fühlte einen fühlen Luftzug aus dem Dunkel heraus, dann war auch das vorbei. Man erschraf beinah, als Weihnachten kam und es nun schon dret Monate waren felt des Baters Tod.
Im Grunde hatte sich ja nicht viel geändert. Die Wirtschaft war sich überall gleich geblieben. Jasper war ganz von selber in alle Arbeit hineingeglitten, die früher noch der Bater getan hatte. Was sollte denn sonst sein? Gewiß, er hätte es ja tun fönnen: seine Sachen zusammenfu chen und in die Fremde gehen. Aber das war etwas, das sich schlecht ausdenken ließ. Nicht etwa der Mutter oder Davids wegen, das lag ganz anderswo. All sein Leben war von Anfang an hier festgebunden. Das alle Haus, in dem man bekannt war wie die Zunge im eigenen Mund, jeder Stein, jedes Vieh, jeder Busch auf dem Feld, jeder Wind, der hier wehte und sprach wie ein Freund, und die Wolken, die Sonntags anders als sonst über die grauen Eschen hinzogen, leicht und rasch wie die Kirchwagen draußen auf der Landstraße - all das gehörte zu ihm, wie sein Auge oder ine Hand, und hatte nichts zu tun mit den Gesetzen über Erbschaft und Erftgeburt, die sich die Menschen gemacht haben.
Aber ganz so weit fam es nicht. Aus der Hochzeit wurde eine Totenfeler, denn drei Tage vorher ertrant Ludwig Traulsen mitfamt zwei Matrosen und seinem Boot draußen in der Ostseebucht. Man hätte es nicht für möglich halten sollen, denn der steife Ostwind allein hätte das nicht zuwege gebracht. So mußte man wohl annehmen, das Segel war an einer Boje hängen geblieben, oder daß sonst irgendwie der Teufel seine Hand im Spiel gehabt.
( Fortfehung.) Manchmal fam etwas in ihm hoch, das wünschte und sehnte fich über die Maßen danach, Luise zu begegnen; Gott, nichts weiter, nur ganz still ihr ins Gesicht sehen. Aber dann fiel ihm sofort ein, daß er Irgend etwas Deffentliches würde sagen müssen, so wie man jemand zu seinem Geburtstag grüßt: gratulier auch bloß das Gegenteil davon. Das waren doch Dinge, die sich überhaupt nicht aussprechen ließen, und wer sie hätte anhören müssen, fonnte auch nicht wetter froh drum sein.
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Also blieb gar nichts anderes, als ganz still seinen Weg weitergehen. Luise war
Außerdem war etwas sehr Merkwürdiges geschehen, das alle seine Gedanken in eine andere Richtung schob. Die Bädersfrau hatte es auf dem Hof erzählt und auch in der Zeitung hatte es mit gedruckten Buchstaben gestanden: Lulse Tams hatte sich mit
Gott allein mochte wissen, was mit Luise| war. Niemand hatte sie mit Augen gesehen, aber es wurde gesagt, daß sie feine Träne geweint hatte, sondern durch Wochen und Monate wie ein Bild von Stein gewesen war, so daß man zweifeln mußte, ob denn überhaupt noch ein lebendiges Gefühl in ihrem Leib sei.
Jasper fragte niemals nach Luise; alles, was er hörte, sammelte er still in sich, und nahm es oft am Tage heraus und besah es und fühlte jedesmal eine leise Veränderung dabei. Ob es eigentlich weh tat oder gut war, das fonnte er nie ganz verstehen. Wahrscheinlich war es weh und gut zugleich, und hatte mehr Wert, als alles sonst in seinem Leben.
ba, irgendwo in der Welt, das war außer der läglichen Arbeit alles, was man zum Leben nötig hatte.
Die Mutter trug, seit Jahr und Jahren fchon, ihre Kastanien in der Tasche, aber das alte Mittel wollte nicht mehr verschlagen. Gie fing an, immer ärgerlicher an der Gicht zu leiden. Ihre Füße in den weiten Zugstiefeln waren ganz verkrampft, und ihre Finger blieben tagelang wie Krallen stehen.
Gie hatte immer die größte Angst davor gehabt, eine Schwiegertochter ins Haus zu bekommen, und noch dazu eine, deren Geldsad nicht groß genug war. Doch mun lag fie David alle Tage damit in den Ohren, und es wurde ein Grund mehr für ihn, feine Gelegenheit zu versäumen, mit Mädchen zu. 1 sammen zu sein. Aber er fand die rechte nicht, denn er war doch eigen mit der, die er für immer hätte haben mögen, und so reld) war feine, daß es sich gelohnt hätte, sie bloß des Geldes wegen zu nehmen.
Mit seinem gelben Einspänner jagte er viel in den Dörfern umher. Er hatte ein Gewerbe in jedem Haus, wo eine hübsche Lochter war. Er fehlte bei feinem Tanz diet und feiner Luftbarkeit, hielt feine Dame