Die Neue Welt
Nr. 22
Illustriertes Unterhaltungsblatt
• Vor Adam.
1918
eine Grausamkeit war ungeheuer lich, selbst für jene Urzeit. Er prügelte seine Frauen. Zwar hatte er stets nur ein Weib zur bestimmten Zeit, aber er nahm viele Weiber nacheinander. Keine Frau fonnte mit ihm leben, aber er zwang sie dazu. Widerspruch duldete er nicht. Kein Mann in der Horde war start genug, um ihm den Rang streitig zu machen.
" Großzahn" dachte oft an die stille Stunde bor der Dämmerung. Bom Trint. platz, vom Rübenfelde, vom Beerenplatz her kommt das Bolt scharenweise auf den offe nen Platz zurüd. Länger wagen sie nicht draußen zu bleiben; denn nun mahnt die schreckenbergende Dunkelheit, in der die Welt den blutgierigen Raubtieren gehört, wäh rend die Vorgänger des Menschen sich zit ternd in ihre Höhlen verkriechen. Nur wenige Minuten noch, und das Volk wird in den Höhlen zur Ruhe gehen. Alle sind müde von des Tages Spiel, und leise nur werden noch einige Laute gewechselt. Selbst die Kinder, die immer noch nicht genug gespielt haben, sind weniger geräuschvoll. Der Küstenwind hat sich gelegt, die Schatten werden län. ger, die Sonne nähert sich dem Hori zonte.
Blötzlich gellt schrilles Geschrei, vermischt mit dumpfen Schlägen, aus„ Rotauges" Höhle heraus. Er prügelt sein Weib. Erst fällt dumpfes Schweigen auf die Horde. Aber das Fortdauern der Schläge und des Kreischens bringt die Horde allmählich auf, bis alles vor hilfloser Wut durcheinander schnattert. Die Männer sind erbost über„ Rotauges" Benehmen, wagen es aber nicht, gegen ihn einzuschreiten. Endlich hören die Schläge auf, ein stöhnendes Wehflagen stirbt langsam ab, die Horde schnattert weiter, und ein trübes Brie licht dämmert über der Landschaft.
Die Horde, die sonst über die Schmer zen anderer lachen konnte, machte sich nie über Rotauges" Mißhandlung sei. ner Weiber luftig. Alle wußten, daß die Aermsten dem Tode geweiht waren. An mehr als einem Morgen wurde der blu.
| Fuße der Klippe gefunden. Nachdem er sie zu Tode mißhandelt, warf er sie einfach aus seiner Höhle hinaus. Nie begrub er feine Opfer. Die Horde mußte die Leichen fortschaffen, die sonst das Dorf verpestet fortschaffen, die sonst das Dorf verpestet hätten. Gewöhnlich wurden die Toten unterhalb des Trinkplates in den Fluß geworfen.
Rotauge" begnügte sich nicht allein mit dem Morden seiner Frauen. Er mordete auch, um sich Frauen zu verschaffen. Wollte er ein neues Weib haben, und fiel seine Wahl auf das Weib eines anderen Mannes, so tötete er diesen Mann ohne weiteres. " Großzahn" war zweimal Beuge solcher Bluttaten. Die ganze Horde wußte es, fonnte aber nichts dagegen machen. Eine Obrigkeit gab es natürlich noch nicht, die hätte einschreiten fönnen. Gemisse Sitten
( Forttegung.) wurden allerdings befolgt, deren Verlegung von der ganzen Horde geahndet wurde. Bera unreinigte zum Beispiel jemand den Trink. plag, so wurde der Verbrecher von allen Augenzeugen angefallen. Machte sich je mand den Spaß, falschen Lärm zu schlagen, so wurde er übel zugerichtet. Aber Rot auge" setzte sich über alle Sitten hinweg, und er war so gefürchtet, daß sich die Horde nicht zu einer Bestrafung seiner Berbrechen aufraffen konnte.
Während des sechsten Winters seit seiner Ankunft bei der Horde merkte„ Großzahn", daß er und Hängohr" wirflich junge Män ner wurden. Der Spalt ihrer Höhle war stets so eng gewesen, daß sie sich eben durch. zwängen fonnten. Das hatte gewisse Vorteile gehabt. Die Erwachsenen hatten des. halb diese Höhle nicht für sich in Anspruch nehmen können. Es war aber eine äußerst begehrenswerte Wohnung, die sicherste, die höchste Klippe, die kleinste und daher im Winter die wärmste.
Es wäre eine Kleinigkeit gewesen, die Deffnung zu erweitern und die beiden Freunde auszutreiben. Aber soweit überlegte die Horde nicht. Die beiden Kameraden dachten auch nicht eher daran, als bis ihr eigenes Wachstum fie dazu zwang. Dies wurde im Spät Sommer notwendig, als die Jungen von reichlicher Nahrung fett geworden waren. Sie arbeiteten an der Erweiterung in längeren Bausen, wenn es ihnen gerade paßte.
Anfänglich brachen sie das mürbe Gestein mit den Fingern ab. Dabei mur. den ihnen aber die Fingerspitzen schnell wund. Großzahn" verfiel daher auf die Jdes, ein Stück Holz zu Hilfe zu nehmen. Das war ein brauchbares Werkzeug. Es brachte den Junger aber auch Unannehmlichkeiten. Eines Morgens hatten sie einen ziemlich großen Haufen Geröll aus dem Eingang abgebrödelt.„ Groß zahn" schob die Masse über den Rand der Klippe. Im nächsten Augenblick fam ein Wutgeheul von unten. Jungen brauchten nicht erst nach der Ursache zu forschen. Sie fannten die Stimme nur zu gut. Das Geröll war " Rotauge" auf den Kopf gefallen.
Die